TE OGH 1987/9/30 9Os52/87

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Veröffentlicht am 30.09.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat am 30.September 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bernscherer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter K*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 20.Jänner 1987, GZ 7 Vr 3905/85-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Clementschitsch zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Peter K*** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in Villach als Leiter des paß- und fremdenpolizeilichen Referates der Bezirkshauptmannschaft Villach, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht, Ausländer, deren Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, die Erteilung des Sichtvermerkes zu versagen bzw. erteilte Sichtvermerke für ungültig zu erklären (§§ 25 Abs. 3 lit. d und 27 Abs. 1 PaßG 1969), zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, und zwar

1. Ende 1984 dadurch, daß er es in Kenntnis des Umstands, daß der türkische Staatsangehörige Fehim B*** wiederholt Devisen von Österreich nach Jugoslawien geschmuggelt bzw. mehrere Personen zum Schmuggel von Devisen ins Ausland bestimmt hatte, unterließ, den dem Genannten am 24.März 1984 erteilten Wiedereinreisesichtvermerk zu widerrufen;

2. am 24.Jänner 1985 dadurch, daß er Fehim B*** in Kenntnis der von ihm zu 1. angeführten Straftaten einen weiteren, bis 31. Dezember 1985 befristeten Wiedereinreisesichtvermerk erteilte, und er habe hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB begangen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 41-jährige Beamte der Bezirkshauptmannschaft Villach Peter K*** wegen des aus dem Spruch ersichtlichen Verhaltens des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Das Schöffengericht nahm - zusammengefaßt wiedergegeben - als erwiesen an, daß der Angeklagte, der mit dem türkischen Staatsangehörigen Fehim B*** seit längerem näher bekannt war, im August oder September 1984 vom Zeugen Walter K*** gesprächsweise erfahren hat, daß B*** Devisen nach Jugoslawien schmuggelt bzw. K*** dazu verleitet hatte, für ihn Devisen ins Ausland zu schmuggeln, mithin seinen Aufenthalt in Österreich dazu ausnützte, um gegen die Bestimmungen des § 24 DevG zu verstoßen (S 413, 414). Trotz dieser Kenntnis unterließ er es als zuständiger Referent der Bezirkshauptmannschaft Villach, den dem Fehim B*** im März 1984 erteilten Wiedereinreisesichtvermerk gemäß der Bestimmung des § 27 Abs. 1 PaßG 1969 für ungültig zu erklären; weiters erteilte er am 24.Jänner 1985 dem Fehim B*** einen (weiteren) befristeten Wiedereinreisesichtvermerk, obwohl ein solcher gemäß § 25 Abs. 3 lit. d PaßG zu verweigern gewesen wäre (S 414). Daraus folgerte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, daß der Angeklagte seine Amtsbefugnisse als Beamter wissentlich mißbraucht und dadurch vorsätzlich den Staat an einem konkreten Recht geschädigt hat (S 419 f).

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf "§ 281 Abs. 1 lit. c bzw. § 281 Abs. 1 lit. a StPO, jeweils nach Zahl 9" gestützten, der Sache nach die Gründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO relevierenden Nichtigkeitsbeschwerde, der im Ergebnis Berechtigung zukommt. Dies aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 25 Abs. 3 lit. d PaßG 1969 ist ein Sichtvermerk ua dann zu versagen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichervermerkwerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. § 25 Abs. 4 lit. b PaßG 1969 sieht in diesem Zusammenhang vor, daß die Behörde, wenn es für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes notwendig ist, vom Sichtvermerkwerber (ua) die Vorlage einer Strafregisterbescheinigung (eines Führungszeugnisses) des Heimatstaates oder Aufenthaltsstaates verlangen kann. Gemäß § 27 Abs. 1 PaßG 1969 ist ein Sichtvermerk von der Behörde für ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes gerechtfertigt hätten oder rechtfertigen würden.

Rechtliche Beurteilung

Der Auffassung des Beschwerdeführers, die in seiner Verantwortlichkeit als zuständiger Referent der Bezirkshauptmannschaft liegende Sorgfaltspflicht werde durch den (anläßlich des Inkrafttretens des Paßgesetzes 1969 ergangenen) Durchführungserlaß des Bundesministeriums für Inneres vom 30. November 1970, Zl. 104.500-24/70, erschöpfend geregelt und gleichzeitig begrenzt, kann nicht gefolgt werden. Der zitierte Erlaß verweist unter Punkt III/B/cc (S 18) auf den Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 lit. d PaßG 1969 (lediglich) in jenem Beispielsfall, daß sich Anhaltspunkte für Vorstrafen des Sichtvermerkwerbers ergeben, in welchem im Sinne des § 25 Abs. 4 lit. b (im Erlaß unrichtig: lit. d) PaßG 1969 vorgegangen werden könne, wobei unter Punkt III/D (S 26) dann auch (inhaltlich) auf die Vorschrift des § 27 Abs. 1 PaßG 1969 über die Ungültigerklärung eines bereits erteilten Sichtvermerkes hingewiesen wird; er ändert aber - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nichts daran, daß ein Sichtvermerkversagungs-(bzw. ungültigerklärungs-)Grund (ua) in allen im § 25 Abs. 3 lit. d PaßG angeführten Fällen - und nicht etwa bloß bei Vorliegen von Anhaltspunkten für erlittene Vorstrafen des Sichtvermerkwerbers - gegeben ist.

Für die Beurteilung des vorliegend festgestellten Sachverhaltes ist jedoch entscheidend, daß dem Angeklagten jener Umstand, der gemäß der zitierten paßgesetzlichen Bestimmung einen Grund zur Versagung (bzw. Ungültigerklärung) eines Sichtvermerkes darzustellen geeignet war, nicht in seiner amtlichen Eigenschaft als zuständiger Referent des paß- und fremdenpolizeilichen Referates, sondern lediglich privat gesprächsweise durch einen außenstehenden Dritten bekannt geworden ist, womit aber noch keine amtliche Handlungspflicht des Angeklagten begründet wurde.

Nach den Urteilskonstatierungen (S 413, 414) hat der Angeklagte im August oder September 1984 "gesprächsweise" vom Zeugen Walter K*** erfahren, daß dieser für Fehim B*** mit einem PKW entgeltlich Devisen nach Jugoslawien geschmuggelt habe. Der Angeklagte reagierte hierauf lediglich mit der Äußerung, er würde so etwas nicht tun, und forderte K*** auf, dies in Zukunft zu unterlassen. Aus der als Urteilsgrundlage herangezogenen (S 416) Aussage des Zeugen K*** (S 358, 400) geht hervor, daß der Genannte als Bediensteter der Gemeinde Paternion bei der Verwaltungsgemeinschaft Villach tätig war, welche im selben Haus wie die Bezirkshauptmannschaft Villach - und damit auch die Dienststelle des Angeklagten - untergebracht ist, und solcherart den Angeklagten (teils in gemeinsamen Kaffeepausen, teils zufolge gemeinsamer Tätigkeiten in der Personalvertretung) privat gut kennengelernt und des öfteren mit ihm verschiedene Angelegenheiten auch in dessen Dienstzimmer besprochen hat. Bei einem derartigen Gespräch, das zufällig im Amtszimmer des Angeklagten stattfand, wobei aber K*** als Gemeindebediensteter mit den amtlichen Agenden des Angeklagten als Paß- und Fremdenpolizeireferent nichts zu tun hatte, sodaß zwischen ihm und dem Angeklagten lediglich ein freundschaftlicher Kontakt bestand, erzählte er dem Angeklagten von der von ihm für B*** getätigten Schmuggelfahrt.

Dem Angeklagten ist demnach der in Rede stehende Hinweis anläßlich eines privaten Gesprächs mit einem - bezogen auf seine amtliche Stellung - außenstehenden Dritten und somit nicht in seiner amtlichen Eigenschaft als Paß- und Fremdenpolizeireferent zur Kenntnis gelangt. Das hat aber für ihn (noch) keine Verpflichtung zu einem amtlichen Tätigwerden begründet, zumal insoweit keine anderen Maßstäbe angelegt werden können als für die Anzeigepflicht nach § 84 Abs. 1 StPO. Diesbezüglich führt bereits S. Mayer in seinem Kommentar zu § 84 Abs. 1 StPO (Punkte 1, 3 und 10) aus: "Es soll nichts was in ämtlicher Weise zur Kenntnis gelangt, ignoriert werden, aus welchem Grund von 'Behörden' und nicht von einzelnen Beamten gesprochen wird, wobei allerdings ein einzelner Beamter, wenn er eine selbständige Amtshandlung wahrzunehmen hat, die Behörde vertritt ... Der Ausdruck 'öffentliche Behörden und Ämter' ist deshalb beibehalten worden, weil es zweifelhaft sein könnte, ob der Ausdruck 'Behörde' auch solche Beamte umfaßt, welche vereinzelt eine selbständige Wirksamkeit auszuüben haben, andererseits aber von den einzelnen Beamten nicht gesprochen werden sollte, um nicht zu der Auffassung Anlaß zu geben, daß die Pflicht zur Anzeige sich auf außeramtliche, im Privatleben gemachte Wahrnehmungen erstrecke ... Eine bloße Erzählung des Verbrechens in einer Gesellschaft oder privaten Unterredung mit dem Richter ... kann nicht als eine amtliche Kenntnisnahme des Richters erachtet werden ..." (vgl. im übrigen auch SSt. 26/44 = EvBl. 1956/117 S 128, worin ebenfalls nur auf amtlich bekannt gewordene Umstände abgestellt wird, sowie Bertel im Wr. Komm. § 302 Rz. 75 ff, insb. Rz. 77, 78: Bloß privat erworbenes Wissen löst keine Garantenstellung des Beamten aus). Bezogen auf den Anklagevorwurf - der (lediglich) auf die Tatzeiträume Ende 1984 und 24.Jänner 1985 abstellt - kann dem Angeklagten daher daraus, daß er den ihm von K***

gesprächsweise gemachten Hinweis nicht zum Anlaß amtlichen Einschreitens genommen hat, weder ein Befugnismißbrauch durch pflichtwidrige Unterlassung noch durch aktives Tun angelastet werden. Daß sich nach dem angeführten Zeitraum die Verdachtsmomente in Richtung eines Sichtvermerkversagungsgrundes konkret verdichtet haben, wovon der Angeklagte Ende Juli 1985 bzw. im August 1985 Kenntnis erlangte (S 415), wobei es aber erst am 7.Oktober 1985 zur bescheidmäßigen Ungültigerklärung des am 24.Jänner 1985 (vom Angeklagten erteilten) Wiedereinreisesichtsvermerks für Fehim B*** gekommen ist, hat - weil nicht unter Anklage gestellt - bei der Beurteilung außer Betracht zu bleiben; als pflichtwidriges Unterlassen wurde dem Angeklagten (nur) vorgeworfen, den am 24. März 1984 erteilten Sichtvermerk Ende 1984 nicht widerrufen zu haben (S 367, 373).

Aus den dargelegten Erwägungen haftet dem angefochtenen Urteil somit, wie der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge im Ergebnis richtig aufzeigt, eine Nichtigkeit im Sinn der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO an, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO spruchgemäß in der Sache selbst zu erkennen war.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Sachentscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E11858

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0090OS00052.87.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19870930_OGH0002_0090OS00052_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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