TE OGH 1990/2/27 15Os2/90

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Veröffentlicht am 27.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Februar 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred G*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 sowie § 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 4. Oktober 1989, GZ 19 Vr 317/89-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Kommar, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im gesamten Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred Bernhard G*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 (dritter und vierter Fall), § 15 StGB sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hiefür zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, auf die ihm die Vorhaft angerechnet wurde. Außerdem wurde gemäß § 22 Abs. 1 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs. 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich nur gegen den zuletzt relevierten Ausspruch richtet und auf eine Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB abzielt, ist berechtigt.

Liegen nämlich sowohl nach § 22 Abs. 1 StGB als auch nach § 21 Abs. 2 StGB die Voraussetzungen für eine Anstaltsunterbringung vor, so prävaliert nach der zwingenden Vorschrift des § 22 Abs. 2 (zweiter Fall) StGB die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gegenüber jener in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift bedeutet eine Überschreitung der Strafbefugnis und führt demnach, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend geltend macht, nach § 281 Abs. 1 Z 11 (erster Fall) StPO zur Nichtigkeit des Urteils im davon betroffenen Teil des Ausspruches über die Strafe (§ 435 Abs. 2 StPO; idS 13 Os 33/77; in bezug auf die gleichartige Subsidiaritätsklausel im § 23 Abs. 2 StGB, ebenso 13 Os 203/84 ua). Dazu hat das Schöffengericht im vorliegenden Fall zwar - Teile des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Z*** übernehmend - mit Bezug auf § 22 Abs. 1 StGB eine durch langjährigen Alkohol- und Suchtmittelmißbrauch eingetretene massive Wesensveränderung des (wiederholt vor allem wegen Einbruchsdiebstählen, aber auch einmal wegen versuchten Raubes, vorbestraften) Angeklagten konstatiert, die zur dafür typischen, auch in den hier aktuellen Delikten zutage getretenen Sekundärkriminalität eines "chronisch verwahrlosten Süchtigen" führte, der ohne Anstaltsunterbringung im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Alkohol und Suchtmittel auch in Zukunft mit weitgehender Wahrscheinlichkeit strafbedrohte Handlungen mit schweren Folgen, wie Einbruchsdiebstähle und Gewalthandlungen (ersichtlich gemeint: gegen Personen), begehen werde (US 6 bis 8, 10 bis 12).

Es unterließ aber - worauf die Staatsanwaltschaft abermals zutreffend verweist - Feststellungen in Richtung § 21 Abs. 2 StGB dahin, ob allenfalls zudem zu befürchten ist, daß der Angeklagte (auch) unter dem Einfluß einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad ohne Anstaltsunterbringung strafbedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen werde, und ob er zumindest eine der ihm hier zur Last liegenden, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Taten bereits unter einem solchen Einfluß begangen hat, wofür das erwähnte Gutachten gleichfalls Anhaltspunkte bietet (S 173 f., 188 f.). Darauf, daß der Angeklagte insoweit eine dem Gutachten widerstreitende Behauptung erhob (S 184 f.) und demnach auch insoweit beweiswürdigende Erörterungen erforderlich gewesen wären, sei nur am Rande hingewiesen.

Der aufgezeigte Feststellungsmangel nötigt zur Kassation des auf § 22 Abs. 1 StGB gegründeten Unterbringungsausspruches, im Hinblick auf § 24 Abs. 1 StGB aus Gründen des Zusammenhanges (§ 289 StPO) aber auch des übrigen Strafausspruches (samt dem davon abhängigen Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) und insoweit zur Anordnung der Verfahrenserneuerung.

Mit ihrer Berufung war die Anklagebehörde demgemäß auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E19927

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00002.9.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19900227_OGH0002_0150OS00002_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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