TE OGH 1990/4/5 12Os14/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag.Horst G*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 13. September 1989, GZ 19 Vr 952/88-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Jöllinger zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der (nunmehr) 33jährige Mag.Horst G*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er ab 4.Dezember 1985 bis 28.Juli 1988 in Mürzzuschlag als vorläufiger Leiter des Jugendamtes der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem (konkreten) Recht auf Strafverfolgung des Johann S*** wegen Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht hatte, daß er es unterließ, den Bezirkshauptmann davon zu verständigen, daß Johann S*** seine minderjährige

Stieftochter Gisela D*** durch oftmaligen außerehelichen Geschlechtsverkehr zur Unzucht mißbraucht und dem Bezirkshauptmann dadurch die Möglichkeit zur Erstattung einer Strafanzeige gegen Johann S*** genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die von ihm dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Die in der Mängelrüge (Z 5) bekämpfte Feststellung, der Beschwerdeführer "habe insbesondere gewußt, daß dem Bezirkshauptmann alle Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung oder von besonderer Wichtigkeit sofort nach Kenntnisnahme ... vorzutragen seien" (S 212), findet in der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung am 13.September 1989 volle Deckung (siehe S 201 f); dem Rechtsmittel ist nicht zu entnehmen, welcher formale Begründungsmangel dieser Konstatierung anhaften soll. Angesichts des vom Angeklagten zugestandenen Wissens über seine Informationsverpflichtung entbehrt es ganz augenscheinlich jeglicher Relevanz, wie weit die Zeugin Karin S*** - eine Kollegin des Angeklagten - über ihre Meldepflicht informiert war; eine detaillierte Erörterung ihrer Angaben über die kursorische Behandlung im Urteil (siehe S 218) hinaus konnte mithin sanktionslos unterbleiben.

Weshalb es erforderlich gewesen wäre, die Aussagen der Zeugen Johanna W*** und Ulrich R*** zu erörtern, wird in der Beschwerde nicht dargetan und muß mithin mangels eines behandlungsfähigen Substrats auf sich beruhen.

Weder für die Schuldfrage noch für den anzuwendenden Strafsatz ist von Belang, ob der Angeklagte von wiederholten Unzuchtsakten an der minderjährigen Gisela D*** Kenntnis erlangt hatte oder ob er (bloß) von jenem Geschlechtsakt wußte, der zur Zeugung des (am 31. August 1984 geborenen) Norbert D*** führte, weil auch ein einmaliger Verkehr zur Verwirklichung des Tatbestandes nach § 212 Abs. 1 StGB ausreicht. Der Vorwrf der Aktenwidrigkeit (gemeint wohl: unzureichenden Begründung) betreffend die Urteilsfeststellung über das Wissen des Angeklagten davon, daß Johann S*** ... seine Stieftochter Gisela D*** durch oftmaligen Geschlechtsverkehr zur Unzucht mißbraucht habe, geht daher als rechtlich irrelevant ins Leere.

Analoges gilt für die eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung reklamierende Beschwerdebehauptung, wesentliche Teile der Aussage des Zeugen Dr. M*** seien zu Unrecht mit Stillschweigen übergangen worden. Denn es entbehrt ersichtlich jeglicher rechtlichen Bedeutsamkeit, daß unter der Ägide des Bezirkshauptmanns Dr. M*** den Beamten ein großer Spielraum gelassen und deren Eigenverantwortlichkeit betont wurde und es konnte mangels Relevanz auch sanktionslos unerörtert bleiben, daß sich der Zeuge an keinen einzigen Fall der Art erinnern konnte, daß der Angeklagte ihm einen Akt von besonderer Wichtigkeit vorgelegt habe, sowie endlich, daß Dr. M*** dem Angeklagten ein gutes Zeugnis ausstellte und meinte, dieser habe im gegenständlichen Fall einen "black-out" gehabt.

Soweit mit der Mängelrüge der als erschwerend gewertete Umstand, daß das Verhalten des Angeklagten eine weitere Schwängerung der Gisela D*** zur Folge hatte, bekämpft wird, genügt die Erwiderung, daß "entscheidende Tatsachen" im Sinne der §§ 270 Abs. 2 Z 4 und 5, 281 Abs. 1 Z 5 StPO nur solche sind, die die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz betreffen.

Als im Rahmen einer Mängelrüge (Z 5) nach wie vor unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung disqualifizieren sich endlich jene Beschwerdeausführungen, mit denen der Angeklagte den Beweiswert seines in der Niederschrift vor der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 1.August 1988 (S 59 bis 65) durch eigenes Diktat (S 164, 217) festgehaltenen Schuldgeständnisses unter Hinweis darauf in Frage zu stellen sucht, er sei damals - den Urteilsannahmen zuwider - sehr wohl überrascht und geschockt bzw betroffen gewesen; es muß demnach hierauf nicht weiter eingegangen werden.

In seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag der Angeklagte angesichts seines umfassenden Schuldgeständnisses in der vorerwähnten, - wie gesagt - von ihm selbst diktierten Niederschrift vom 1.August 1988, das er zum Teil auch noch in der Hauptverhandlung aufrecht erhalten hat, keine und schon gar nicht erhebliche, sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der seinem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen; es liegt mithin auch insoweit keine Nichtigkeit vor.

Soweit sich der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit b) auf einen Rechtsirrtum im Sinne des § 9 StGB beruft, bringt er diesen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung; setzt er sich doch über die Urteilsfeststellungen hinweg, wonach er in Kenntnis der strafrechtlichen Konsequenzen des Anerkenntnisses der Vaterschaft und seiner ihm obliegenden Amts- und Dienstpflichten, die ihm zumindest die Meldung des Verhaltens des S*** an seinen Dienstvorgesetzten geboten hätten, hinweg, die für die Annahme eines ihm unterlaufenen Rechtsirrtums keinen Raum lassen. Es versagt aber auch die einen entschuldigenden Notstand im Sinne des § 10 Abs. 1 StGB behauptende Rechtsrüge des Beschwerdeführers. Diesen Entschuldigungsgrund will der Angeklagte daraus ableiten, daß er (durch die Unterlassung einer Anzeigeerstattung gegen Johann S*** oder einer Mitteilung über dessen - auch von ihm, dem Angeklagten, als strafbar erkannte - Verfehlung an seinem Dienstvorgesetzten) zwecks Abwendung eines dem minderjährige Norbert D*** unmittelbar drohenden Schadens oder Nachteils gehandelt habe, dessen Interessen er gemäß § 17 JWG (im Hinblick auf die Tatzeit noch das Bundesgesetz vom 9.April 1954, BGBl 99, in dessen damals geltenden Fassung) als Amtsvormund wahrzunehmen hatte. Damit kann aber der Angeklagte einen ihm nach § 10 Abs. 1 StGB entschuldigenden Umstand nicht dartun. Denn es wird von ihm nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht erkennbar, worin der dem (von Johann S*** durch ein strafbares Verhalten gezeugten) Sohn der Gisela D*** unmittelbar drohende bedeutende Nachteil im Falle eines pflichtgemäßen Verhaltens des Angeklagten gelegen wäre; kann doch von einem bedeutenden Nachteil nur dann gesprochen werden, wenn er so schwer wiegt, daß er auch einen rechtschaffenen Menschen zur Tat veranlassen könnte (MKK4 Erl II zu § 10 StGB), was in der Rechtsrüge der Sache nach nicht einmal behauptet wird.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sonach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 302 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei war erschwerend, daß das Verhalten des Angeklagten eine weitere Schwängerung der Gisela D*** zur Folge hatte, mildernd hingegen die Unbescholtenheit des Angeklagten sowie der Umstand, daß er nicht aus Eigennutz handelte.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung bzw die Verhängung einer bedingten Geldstrafe an Stelle der Freiheitsstrafe anstrebt, ist nicht begründet.

Da pflichtgemäßes Handeln des Angeklagten und eine dadurch bewirkte Einleitung der Strafverfolgung gegen Johann S*** bereits im Jahre 1985 nach allgemeiner Lebens- und Gerichtserfahrung höchstwahrscheinlich zu einer Beendigung der geschlechtlichen Beziehungen des S*** zu seiner Stieftochter geführt hätten, fällt der Umstand, daß durch die inkriminierte Pflichtverletzung die für die Minderjährige bestehende Gefahrenlage, durch S*** abermals mißbraucht und allenfalls geschwängert zu werden, perpetuiert wurde, als erschwerend ins Gewicht, und zwar ungeachtet dessen, daß das Mädchen tatsächlich erst nach Eintritt der Volljährigkeit neuerlich geschwängert wurde.

So gesehen kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe nicht gesprochen werden, weshalb eine Herabsetzung der ohnehin nur im gesetzlichen Mindestausmaß verhängten Freiheitsstrafe im Wege außerordentlicher Strafmilderung (§ 41 Abs. 1 StGB) nicht in Betracht kam.

Der Verhängung einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe standen angesichts der bis zuletzt fehlenden Schuldeinsicht des Angeklagten und der grundsätzlichen Bedeutung seiner dienstlichen Verfehlung zwingende spezial- und generalpräventive Hindernisse entgegen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E20517

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00014.9.0405.000

Dokumentnummer

JJT_19900405_OGH0002_0120OS00014_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten