TE OGH 1990/4/25 11Os40/90

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Veröffentlicht am 25.04.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat am 25.April 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert Alfons D*** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 15. Februar 1990, GZ 17 Vr 1.361/89-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Wachter, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hubert Alfons D*** I./ des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 StGB,

II./ des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB,

III./ des Vergehens der Unterschlagung nach dem § 134 Abs. 2 StGB und IV./ des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Nur die Schuldsprüche wegen Diebstahls (I.) und wegen Urkundenunterdrückung (IV.a) bekämpft er mit einer auf die Z 5, 5 a, "9" und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch in keinem Anfechtungspunkt begründet ist. Dem Angeklagten liegt zu den angefochtenen Schuldsprüchen zur Last,

(zu I) fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Gesamtwert mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, - "zu 3. durch Einbruch in einem Personenkraftwagen" - nachgenannten Personen weggenommen zu haben, nämlich

1. am 20.November 1989 in Feldkirch-Gisingen der Christine S*** einen Handkorb, ein Etui, verschiedene Babyartikel und Medikamente, eine braune Damenledergeldtasche mit 2.500 S Bargeld (Gesamtwert ca. 3.200 S) sowie ein kleines goldenes Kreuz in unerhobenem Wert,

2. Ende Oktober oder Anfang November 1989 in Feldkirch dem Jörg S*** eine Schultasche mit diversem Inhalt im Gesamtwert von ca.

2.700 S,

3. am 18.August 1988 in Rankweil-Brederis den Eheleuten Monika und Harald K*** eine Geldtasche mit 1.500 S Bargeld,

4. um den 14.November 1989 in Bludesch oder einem anderen Ort Vorarlbergs der Lydia R*** ein Damenfahrrad im Wert von ca.

1.800 S, sowie

(zu IV/a) um den 15.November 1989 in Satteins oder einem anderen nahegelegenen Ort einen PKW-Zulassungsschein, die Führerscheine des Paul F*** jun. und des Paul F*** sen. sowie den Reisepaß des Paul F*** sen. durch Verstecken und Vorenthalten mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, daß diese Urkunden im Rechtsverkehr von den Berechtigten zum Beweise von Rechten und Tatsachen gebraucht werden.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die Beschwerde unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO gegen die Feststellung des Bereicherungsvorsatzes in den Schuldspruchfällen I/2 und 4 (Diebstahl einer Schultasche und eines Fahrrades) sowie des Gebrauchsverhinderungsvorsatzes im Schuldspruch IV/a wendet, werden (mit dem Vorbringen, es wäre die "Beweiskraft der Aussage des Beschuldigten nur unvollständig behandelt" worden) weder Begründungsmängel (Z 5) noch Umstände (aus den Akten) aufgezeigt, die erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen entstehen lassen. Die Begründung des erstgerichtlichen Urteils ist vielmehr zureichend, logisch, lebensnah und auch sonst mängelfrei abgefaßt: Die Beschwerde erschöpft sich unter Wiederholung der für unglaubwürdig befundenen Verantwortung des Angeklagten in einer Anfechtung der Lösung der Beweisfrage nach Art einer gegen Urteile von Kollegialgerichten nach wie vor unzulässigen Schuldberufung. Feststellungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) macht der Beschwerdeführer in bezug auf den Bruch eines Gewahrsams bei Wegnahme der Schultasche und des Fahrrades (I/2 und 4) geltend.

Auch dies nicht zu Recht:

Gewahrsam im strafrechtlichen Sinn ist die tatsächliche, unmittelbare, nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelte Herrschaft über eine Sache. Diese Sachherrschaft ist, jeweils abgestellt auf den besonderen Fall, nach der natürlichen (Verkehrs-)Auffassung des täglichen Lebens zu beurteilen. Nicht erforderlich ist, daß der Gewahrsamsinhaber jederzeit unmittelbar auf die Sache einwirken kann; es genügt vielmehr ein "gelockerter Gewahrsam" (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 15 f; Mayerhofer/Rieder StGB3, ENr. 32 ff, 43 f, 74 a; jeweils zu § 127 ua).

Zum Faktum I/2 enthält nun das Urteil die ausdrückliche Feststellung, daß die Tasche vom Schüler Jörg S*** am Beginn der Marktgasse in Feldkirch abgestellt und dort (nur) eine "gewisse Zeit lang" (unter Lauben für höchstens etwa eine halbe Stunde - S 73) unbeaufsichtigt stehengelassen worden war. Die Sache verblieb somit während dieser Zeitspanne zumindest im gelockerten Gewahrsam des Berechtigten; ihre Wegnahme geschah daher - wie das Erstgericht frei von Rechtsirrtum erkannte - durch Bruch dieses Gewahrsams. Zum Faktum I/4 stellte das Erstgericht fest, daß der Angeklagte um den 14.November 1989 in Bludesch oder einem anderen Ort Vorarlbergs das Fahrrad der Lydia R*** mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz wegnahm. Es ließ dabei mit Recht die Frage unerörtert, ob er das Fahrrad unmittelbar aus dem Fahrradraum, wo es von der Eigentümerin abgestellt worden war (S 139), oder allenfalls, wie er behauptet (S 141, 172), an einer Autobahnunterführung an sich brachte. Denn bei Zutreffen seiner Verantwortung, das Fahrrad müsse zunächst durch einen unbekannten Täter aus dem Fahrradraum entzogen worden sein, hätte es nicht als gewahrsamsfrei gelten können, sondern im Gewahrsam dieser Person (des Diebes) gestanden (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 27 zu § 127); Anhaltspunkte für eine Gewahrsamsaufgabe sah das Erstgericht nach der Art der damaligen Abstellung offenkundig nicht.

Das Erstgericht bejahte darum rechtsrichtig auch im Fall I/4 des Schuldspruchs den Gewahrsamsbruch und rechnete dem Beschwerdeführer zutreffend die Wegnahme der Sache als Diebstahl zu. Den weiteren Beschwerdeeinwendungen (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) zuwider beurteilte das Erstgericht die Gesamtheit der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Diebstähle (I/1 bis 4) rechtsrichtig als Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 StGB, wenngleich ein Einbruch nur im Fall I/3 verübt wurde:

Zufolge § 29 StGB sind alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder für sich rechtlich selbständig bleiben, zu einer rechtlichen Subsumtionseinheit zusammenzufassen. Die vom Beschwerdeführer reklamierte getrennte materiellrechtliche Beurteilung der Diebstähle zu I/1, 2 und 4 als Vergehen des Diebstahls (§ 127 StGB) und des Diebstahls zu I/3 als Verbrechen des Diebstahls (§§ 127, 129 Z 1 StGB) wäre also unzulässig gewesen und hätte ihrerseits Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO begründet (vgl. uv Leukauf-Steininger, StGB2, RN 4 zu § 29; Mayerhofer/Rieder, StGB3, ENr. 5 zu § 29; Mayerhofer/Rieder, StPO2, ENr. 22, 27, 43 zu § 281 Z 10).

Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 129 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten.

Es wertete bei der Strafbemessung die einschlägigen, auch die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden Vorstrafen des Angeklagten, die Wiederholung der Diebstähle und das Zusammentreffen mehrerer Delikte als erschwerend, dagegen ein weitgehendes Teilgeständnis und die Sicherstellung eines Teils der Diebsbeute als mildernd.

Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

Auch diesem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu. Die Strafzumessungsgründe wurden vom Schöffengericht richtig festgestellt und zutreffend gewürdigt.

Daß dem Angeklagten nur ein Teil des zustehenden Lohnes bezahlt wurde, begründet noch keine Notlage, die im übrigen hier keinen Grund für den unbefugten Gebrauch eines Kraftfahrzeuges und für mehrfache Urkundenunterdrückungen darstellen könnte. Von Unbesonnenheit und besonders verlockenden Gelegenheiten, denen auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch unterliegen mag, kann vorliegend nicht die Rede sein, weil der Angeklagte, wie die Gleichartigkeit seiner deliktischen Vorgangsweise in früheren Fällen zeigt, derartige "Gelegenheiten" augenscheinlich sucht. Die Tatsache, daß der Angeklagte aus der Bekanntgabe des Abstellungsortes des unbefugt gebrauchten Kraftfahrzeuges noch "Kapital schlagen" wollte, konnte unbeschadet des Umstandes, daß die dabei gebrauchten Äußerungen nicht strafbar erachtet wurden, als für die Strafbemessung bedeutsam herangezogen werden, denn sie ist für die Einstellung des Angeklagten gegenüber rechtlich geschützten Werten (§ 32 Abs. 2 StGB) kennzeichnend.

Das vom Schöffengericht gefundene Strafmaß ist tat- und schuldangemessen und bedarf keiner Herabsetzung.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E20502

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00040.9.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19900425_OGH0002_0110OS00040_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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