TE OGH 1990/6/12 15Os19/90

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Veröffentlicht am 12.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dr. Ungerank als Schriftführer, in der Strafsache gegen Anton S*** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 23.Jänner 1990, GZ 25 Vr 1068/89-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, und des Verteidigers Dr. Herzig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton S*** von der wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach "§§ 202 Abs 1, 203" StGB gegen ihn erhobenen Anklage, am 27.August 1989 in Riezlern außer den Fällen des § 201 StGB seine Lebensgefährtin Gisela M*** dadurch, daß er ihr ins Gesicht schlug und, als sie um Hilfe schrie, mit den Worten, er werde sie und ihr ungeborenes Kind umbringen, mithin durch Gewalt und gefährliche Drohung, zur Duldung des Geschlechtsverkehrs genötigt zu haben, gemäß § 259 Z 1 StPO freigesprochen. Eine Prüfung des Anklagevorwurfs erachtete das Erstgericht dabei zufolge des Fehlens einer gemäß § 203 Abs 1 StGB erforderlichen Verfolgungsantrages des angeblichen Tatopfers, welches zur Tatzeit mit dem Angeklagten in Lebensgemeinschaft gelebt habe, für entbehrlich.

Rechtliche Beurteilung

Schon die Anklagebehörde selbst - die überdies den inkriminierten Sachverhalt im Hinblick darauf, daß Gisela M*** darnach zum Beischlaf genötigt worden sei, unter Nichtbeachtung der in § 202 Abs 1 StGB normierten Subsidiaritätsklausel von vornherein rechtsirrig diesem Tatbestand anstatt jenem nach § 201 Abs 2 StGB unterstellt hatte - ging nach dem Ergebnis der in Richtung "§ 203" (gemeint wohl: § 201 unter Bedacht auf § 203) StGB beantragten und durchgeführten Voruntersuchung davon aus, daß zwischen Täter und Opfer zur Tatzeit noch eine Lebensgemeinschaft bestanden habe. Unter dieser Annahme hätte aber die (auch in der Hauptverhandlung nicht modifizierte) Anklage, worauf das Schöffengericht zutreffend hinwies (US 6/7), wegen des Nichtvorliegens eines nach § 203 Abs 1 StGB zur Strafverfolgung erforderlichen Antrags der Verletzten nach § 2 Abs 4 StPO in der Tat gar nicht erhoben werden dürfen, sodaß ein dagegen erklärter Einspruch des Angeklagten, wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei, notwendigerweise zur Einstellung des Verfahrens (§ 213 Abs 1 Z 3 StPO) oder zumindest zur vorläufigen Zurückweisung der Anklageschrift zwecks besserer Aufklärung des Sachverhalts bezüglich der Lebensgemeinschaft (§ 211 Abs 1 StPO) geführt hätte. Nichtsdestoweniger hat das Erstgericht aber in der (mangels eines Einspruchs unumgänglich gewesenen) Hauptverhandlung die der Anklage zugrunde gelegenen Tatsachen (§ 262 StPO) zu Recht ohnehin darauf geprüft, ob zur Zeit des inkriminierten Vorfalls zwischen dem Angeklagten und M*** tatsächlich noch eine in rechtlicher Hinsicht als Lebensgemeinschaft (§ 72 Abs 2 StGB) zu beurteilende Beziehung bestanden hat; denn verneinendenfalls hätte es - mangels Bindung an die dann auch insoweit verfehlte Ansicht der Staatsanwaltschaft (§ 267 StPO) - vom Fehlen des (durch die Anklageschrift indizierten) Verfolgungshindernisses des Nichtvorliegens eines Antrags der Verletzten im Sinn des § 203 Abs 1 StGB ausgehen müssen. Zum anklagekonform bejahenden Ergebnis jener Prüfung indessen ist zwar der nunmehr dagegen ins Treffen geführten Rechtsansicht der Anklagebehörde (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO), daß zur Aufhebung einer Lebensgemeinschaft schon der dahingehende Willensentschluß eines der beiden Partner genügt, mit der Maßgabe beizupflichten, daß es sich dabei um eine in Ansehung ihrer sofortigen Wirksamkeit endgültige und ernstliche Entscheidung handeln muß: gerade das aber hat das Schöffengericht im vorliegenden Fall mit eingehender Begründung sowohl für Gisela M*** als auch für den Angeklagten unmißverständlich nicht angenommen (US 7 bis 9). Soweit die Beschwerdeführerin diese Feststellung übergeht, bringt sie daher die Rechtsrüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung. Begründungsmängel des Urteils (Z 5) werden dazu nicht aufgezeigt: denn die weitgehende Verringerung der Sexualkontakte zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin während deren Schwangerschaft und den Umstand, daß er sie unmittelbar vor der inkriminierten Auseinandersetzung in einem Anfall von Zorn und Wut des Hauses verwies, hat das Erstgericht dabei ohnedies bedacht (US 5, 7/8, 9); nähere Erörterungen darüber waren im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe durchaus entbehrlich (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Ebenso waren aber auch Feststellungen über die dem Angeklagten angelastete Drohung sowie dahin, ob diese entgegen der Subsumtion in der Anklageschrift tätergewollt in einer glaubhaften Ankündigung des der Bedrohten unmittelbar bevorgestandenen Todes ihr gegenüber bestand (vgl. hiezu den JAB zur StGNov 1989, 927 d.Beil. XVII.GP, S 3 Pkt. 5.), im Hinblick auf die derartigen Äußerungen sehr häufig zukommende Qualität einer bloß übertrieben ausgedrückten Androhung von Angriffen gegen die körperliche Integrität nach Lage des Falles umso weniger indiziert, als sich auf Grund der Ergebnisse der Hauptverhandlung nicht einmal der Staatsanwalt zu einer dementsprechenden Modifikation der Anklage in Richtung § 201 Abs 1 StGB - die einen Verfolgungsantrag der Verletzten erübrigt hätte - veranlaßt sah. Die insoweit reklamierten Feststellungsmängel (Z 9 lit a, sachlich jedoch abermals Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO) liegen daher gleichfalls nicht vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.

Anmerkung

E21103

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00019.9.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19900612_OGH0002_0150OS00019_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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