TE OGH 1990/6/28 8Ob2/90

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Veröffentlicht am 28.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Graf und Dr.Jelinek als Richter in der Konkurssache über das Vermögen des Otto M***, Kaufmann, 6240 Radfeld Nr. 86 a, infolge Revisionsrekurses der R*** B*** reg.Genossenschaft mbH, 6233 Brandenberg, vertreten durch Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 4.Jänner 1990, GZ 1 R 270/89-178, womit der Rekurs gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.Februar 1989, GZ S 47/83-165, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Über das Vermögen des Otto M*** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 22.3.1983, S 47/83, der Konkurs eröffnet. Otto M*** ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 336 Grundbuch 83114 Radfeld, zu deren Gutsbestand die Grundstücke Nr. 2158/1, 2158/2, 2158/3, 2158/4 und 2185/5 gehören. In dem Bericht vom 10.2.1989 (ON 162) beantragte der Masseverwalter, einem von ihm namens der Konkursmasse mit der T*** F*** mbH abgeschlossenen

Dienstbarkeitsvertrag die konkursgerichtliche Genehmigung zu erteilen. Gemäß Punkt I sollte die Dienstbarkeit das Recht umfassen, über die genannten Grundstücke auf einem Streifen von 8 m Breite eine Leitung von höchstens 0,60 m Durchmesser zum Transport gasförmiger Primärenergie samt unterirdisch mitverlegtem Zubehör entsprechend dem diesen Vertrag beiliegenden Trassenplanausschnitt zu verlegen. Dafür sollte die Masse eine Entschädigung von insgesamt S 520.900,-- erhalten.

Im Punkt VIII wurde vereinbart, daß die T***

F*** mbH die allenfalls erforderliche Auseinandersetzung mit ... den von ihr zu erhebenden bücherlichen Berechtigten selbst vornehmen werde.

Nach dem Protokoll über die 15. Sitzung des Gläubigerausschusses vom 21.12.1988 war dieser bereit, dem Abschluß des Dienstbarkeitsvertrages für die Konkursmasse zuzustimmen, weil er ihn als für die Masse vorteilhaft erachtete. Demgemäß erteilten dessen anwesende Mitglieder einstimmig die Genehmigung zum Abschluß des Vertrages.

Mit dem Beschluß vom 20.2.1989 (ON 165) genehmigte das Erstgericht unter Bedachtnahme auf § 116 KO den Dienstbarkeitsvertrag mit der Begründung, daß die Masse als Entschädigung den Betrag von S 520.900,-- erhält und der Vertrag für die Konkursmasse durchaus von Vorteil sei. Dieser Beschluß wurde den buchberechtigten Gläubigern nicht zugestellt.

Mit dem Beschluß vom 23.3.1989, TZ 794/89, bewilligte das Bezirksgericht Rattenberg in EZ 336 Grundbuch 83114 Radfeld die Einverleibung der Dienstbarkeit der Verlegung und des Betriebes sowie der Erhaltung und Erneuerung einer Leitung gemäß den Bestimmungen des Dienstbarkeitsvertrages vom 16.3.1988 und des Beschlusses vom 20.2.1989 (gemeint offenbar der zitierte Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Konkursgerichtes) zugunsten der T*** F*** mbH.

Die Pfandgläubigerin R*** B*** registrierte

Genossenschaft mbH erhob gegen den Beschluß des Konkursgerichtes vom 20.2.1989 am 24.4.1989 Rekurs, wobei sie zur Begründung der Rechtzeitigkeit dieses Rechtsmittels vorbrachte, erst durch eine Bucheinsicht am 18.4.1989 von der Genehmigung des Dienstbarkeitsvertrages durch das Konkursgericht Kenntnis erlangt zu haben. Ihre Rechtsmittellegitimation sei deshalb gegeben, weil sie als Pfandgläubigern durch die Einräumung der Dienstbarkeit insofern betroffen sei, als dadurch eine Wertminderung der Pfandsache bewirkt werde. Die vereinbarte Entschädigung für die Einräumung der Dienstbarkeit stehe der Konkursmasse nicht zu. Durch den Dienstbarkeitsvertrag werde eine nach dem Tiroler Gasgesetz (LGBl Nr 4/1975) zulässige Enteignung ersetzt. Über die Notwendigkeit, den Gegenstand, den Umfang und das Ausmaß der Enteignung sowie über die Entschädigung entscheide die Landesregierung nach den Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsgesetzes. Gemäß § 34 EisbEG werde die Entschädigung durch Gerichtserlag geleistet, wenn und soweit der Entschädigungsbetrag zur Befriedigung der dritten Personen auf Grund ihrer dinglichen Rechte zustehenden Ansprüche zu dienen habe. Das für die Einräumung der Dienstbarkeit vereinbarte Entgelt von S 520.900,-- stehe den Pfandgläubigern zu. Die R*** B*** sei erste Pfandgläubigerin; es wäre daher ihr im Zuge des auf Grund des Gerichtserlags durchzuführenden Verteilungsverfahrens der gesamte Betrag zuzuweisen. Das Erstgericht wies den Rekurs der R*** B***

mit der Begründung zurück, daß der Konkursgläubigerin und Absonderungsberechtigten beim Abschluß des Dienstbarkeitsvertrages keine Mitwirkungsbefugnis und insbesondere kein Antragsrecht zukomme, weshalb ihr die Rekurslegitimation fehle.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der R*** B*** gab

das Rekursgericht Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, den Rekurs nach durchgeführten Erhebungen über dessen Rechtzeitigkeit gegebenenfalls dem Rekursgericht vorzulegen. Die Rekurswerberin wies in der Folge nach, daß sie erst am 18.4.1989 von dem bestrittenen Beschluß Kenntnis erlangte. Das Erstgericht legte nun den Rekurs gegen seine Entscheidung vor.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs mangels Rechtsschutzinteresses zurück, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.00 S übersteigt und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Der Oberste Gerichtshof habe bereits in seiner Entscheidung 5 Ob 60/89 ausgeführt, daß die im Rang vorausgehende Pfandgläubigerin R*** B*** (=

Rekurswerberin) durch die nachträgliche Einverleibung der Dienstbarkeit zugunsten der T*** F*** mbH in ihren

bücherlichen Rechten nicht berührt werde. In C-LNr 17 a sei die Einleitung des Verfahrens zur Zwangsversteigerung der belasteten Liegenschaft durch die Rekurswerberin zum Zwecke der Hereinbringung ihrer Forderungen angemerkt. Im Falle der Versteigerung müsse der Ersteher gemäß § 150 Abs 1 EO ohne Anrechnung auf das Meistbot nur Dienstbarkeiten übernehmen, denen der Vorrang vor dem Befriedigungsrecht oder vor dem Pfandrecht des in bester Priorität stehenden betreibenden Gläubigers zukommt. Die dem betreibenden Gläubiger nachfolgenden derlei Lasten müßten vom Ersteher nur insoferne übernommen werden, als sie nach der ihnen zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung finden. Die Übernahme erfolge dann in Anrechnung auf das Meistbot. Der Ersteher könne die trotz Zuschlagserteilung aufrecht bleibende Last bei seinem Anbot unberücksichtigt lassen, weil er für die Übernahme der Last aus dem Meistbot entschädigt wird. Dienstbarkeiten, für welche aus der Verteilungsmasse nicht mehr die volle Deckung gegeben ist, seien nach § 227 Abs 1 EO aufzuheben. An ihre Stelle trete der Entschädigungsanspruch des Dienstbarkeitsberechtigten für die nicht überwiesene Last, der nach Zulänglichkeit der Verteilungsmasse in der Rangordnung, die dem aufgehobenen Recht zukam, durch Barzahlung zu berichtigen ist. Die vom Ersteher entweder nur in Anrechnung auf das Meistbot oder bei unzulänglicher Deckung überhaupt nicht zu übernehmende Dienstbarkeit wirke sich auf den Schätzwert der Liegenschaft nicht aus und beschränke die Pfand- und/oder Befriedigungsrechte der vorrangig zum Zug kommenden Rekurswerberin nicht. Der Wert der Dienstbarkeit bleibe in einem solchen Fall bei der Schätzung der Liegenschaft außer Betracht. Dem im Rang vorgehenden Pfandgläubiger entstehe durch die bücherliche Begründung einer im Rang nachfolgenden Dienstbarkeit kein rechtlicher Nachteil. Für die in bester Priorität stehende Rekurswerberin sei keine Benachteiligung durch die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhende Dienstbarkeitsbegründung bei Verteilung des Versteigerungserlöses zu erwarten. Sie werde so behandelt, als ob die Dienstbarkeit nicht begründet worden wäre, weil diese ihr im Rang nachfolgt und vom Ersteher nur dann zu übernehmen sei, wenn sie in der Verteilungsmasse volle Deckung findet, was aber die im Rang vorausgehende Pfandgläubigerin nicht berührt. Da eine Beeinträchtigung der Rechte der Rekurswerberin bei der gegebenen Grundbuchslage nicht stattfindet, sei sie durch den Abschluß des vom Konkursgericht genehmigten Dienstbarkeitsvertrages nicht gefährdet, weshalb ihr im gegebenen Fall das Rechtsschutzbedürfnis und damit die Rechtsmittellegitimation fehle.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der R*** B*** reg.Genossenschaft

mbH mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung in der Sache aufzutragen. Das Rekursgericht sei an seine im Aufhebungsbeschluß zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht gebunden, daß der Rekurs der R*** B*** an sich zulässig sei. Es habe in seinem zweiten Beschluß dann zu Unrecht angenommen, daß die Rekurswerberin durch die Dienstbarkeitseinräumung in ihren Rechten als Pfandgläubigern und Absonderungsberechtigte nicht geschmälert sei. Durch die Einräumung der Dienstbarkeit trete vielmehr ein erheblicher Substanzverlust der Liegenschaft ein. Dies zeige sich auch darin, daß im Falle der Durchführung eines Enteignungsverfahrens ein Verteilungsverfahren stattfände, das ausschließlich die dinglich Berechtigten berücksichtigen würde. Die Dienstbarkeitsbestellung verstoße auch gegen die Vertragspflichten des seinerzeitigen Kreditnehmers. Die Vorgangsweise des Konkursgerichtes stehe mit § 120 Abs 2 KO nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

Nach Lehre und Rechtsprechung (siehe Fasching, Kommentar IV, 227; SZ 42/177; 1 Ob 77/73 ua) bildet die Abweichung des Rekursgerichtes von einer im Aufhebungsbeschluß ausgesprochenen Rechtsansicht keinen Anfechtungsgrund, weil die Bindungsvorschrift des § 499 Abs 2 ZPO nur die rechtliche Beurteilung der Sache betrifft (EvBl 1970/65 ua), diese letzten Endes aber dem Obersten Gerichtshof zusteht. Es ist daher unmaßgeblich, daß das Gericht zweiter Instanz in dem nunmehr angefochtenen Beschluß von seiner ursprünglichen im Aufhebungsbeschluß ON 173 geäußerten Rechtsansicht über das gegebene Rechtsschutzinteresse der Rekurswerberin abgegangen ist.

Nach den Feststellungen des Rekursgerichtes betreibt die Rekurswerberin selbst das Versteigerungsverfahren in einem Rang (C-LNr 17 a), der der Einverleibung der bezogenen Dienstbarkeit (C-LNr 24 a) vorangeht. Dies hat zur Folge, daß die ihrem Rang und damit notwendigerweise auch dem Rang einer allfälligen früheren erstbetreibenden Partei nachstehende Dienstbarkeit vom Ersteher nur dann und insoweit zu übernehmen ist, als sie nach der ihr zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung findet (Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO4, 1186; vgl hiezu auch die den gleichen Fall grundbuchsrechtlich behandelnde Entscheidung 5 Ob 60/89). Dies gibt die Rekurswerberin als richtig zu (AS 2011). Eine niedrigere Schätzung des Exekutionsobjektes ist damit nicht verbunden; vielmehr ist es das Risiko des in einem späteren Rang eingetragenen Dienstbarkeitsberechtigten, der Dienstbarkeit nach Maßgabe der Ausschöpfung des Meistbotes verlustig zu gehen. Die hypothetisch angestellten Erwägungen der Rekurswerberin, es könnte sich der Fall ereignen, daß eine Zwangsversteigerung erst im Range nach der Einverleibung der Dienstbarkeit eingeleitet würde, geht an der festgestellten Tatsache vorbei, daß die Rekurswerberin selbst vorrangig Zwangsversteigerung betreibt und ihr nicht unterstellt werden kann, diese vor gänzlicher Befriedigung ihrer begründeten Ansprüche einzustellen. Da die Dienstbarkeit nicht im Wege einer Enteignung begründet wurde, sondern auf Grund privatrechtlichen Vertrages zwischen der T*** F***

mbH und dem Masseverwalter, sind die nach dem TirGasG vorgesehenen Verfahrensvorschriften hier nicht anzuwenden.

Die Bezugnahme auf § 120 Abs 2 KO vermag eine Rechtsmittellegitimation der Rekurswerberin ebenfalls nicht zu begründen. Nach § 84 Abs 3 KO entscheidet das Konkursgericht über die Berechtigung von Maßnahmen des Masseverwalters, also auch darüber, ob dieser den Absonderungsgläubiger gemäß § 120 Abs 2 KO zu verständigen hatte, endgültig. Da das Erstgericht den Dienstbarkeitsvertrag genehmigte, ohne in der unterlassenen Verständigung der Rechtsmittelwerberin durch den Masseverwalter einen Verfahrensmangel zu erblicken, wäre dieser selbst im Falle seines Vorliegens nicht mehr der Behandlung durch ein Rechtsmittel zugänglich.

Die mangelnde Beeinträchtigung der durch vorrangige Pfand- und Befriedigungsrechte gesicherten Ansprüche der Rechtsmittelwerberin kann letztlich auch nicht durch ihre insoweit abstrakt gehaltene Behauptung widerlegt werden, der Dienstbarkeitseinräumung stünden vertragliche Rechte entgegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, daß die Rechtsstellung der Absonderungsgläubigerin durch die sich nur auf spätere Buchberechtigte auswirkende Dienstbarkeitseinräumung nicht beeinträchtigt wurde, sodaß das Rekursgericht deren Rekurs mit zutreffender Begründung mangels Beschwer zurückwies.

Anmerkung

E21026

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00002.9.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19900628_OGH0002_0080OB00002_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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