TE OGH 1990/8/28 13Os65/90

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Veröffentlicht am 28.08.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.August 1990 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Ungerank als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erich H*** und Ahmet Y*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.Dezember 1989, GZ 9 a Vr 13710/86-79, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten Erich H*** und des Verteidigers Dr. Doczekal jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Ahmet Y*** und dessen Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Abweisung des Antrages der Staatsanwaltschaft auf Verfallsersatz nach dem § 20 Abs. 2 und 3 StGB aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft hierauf verwiesen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich H*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB und des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt; Ahmet Y*** wurde wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB (als Beteiligter im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB) verurteilt. Beide wurden zu gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Schuldsprüche wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt erfolgten, weil Erich H*** in der Zeit von Juli bis Anfang November 1986 als Vertragsbediensteter eines Arbeitsamtes in 56 Fällen falsche Beschäftigungsbewiligungen gemäß dem § 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sowie falsche Verständigungen über diese Beschäftigungsbewilligungen ausgefertigt hatte (Schuldspruch A/) und Ahmet Y*** ihn zu einem Teil der Taten (A/2, 6, 7, 11, 18, 19, 24, 28, 30, 37, 41, 46, 48 und 56) bestimmt und so zu ihrer Ausführung beigetragen hatte (Schuldspruch B/). Den Antrag der Staatsanwaltschaft, beide Angeklagten gemäß dem § 20 Abs. 2 und Abs. 3 StGB zur Leistung von dem Wert der von H*** für sein amtsmißbräuchliches Verhalten empfangenen ("Schmiergeld-")Zahlungen entsprechenden Geldbeträgen zu verurteilen (siehe S 460/Band III dA), wies das Erstgericht mit der Begründung ab, daß die Regelung des § 20 Abs. 1 StGB - nach der Rechte einer an der strafbaren Handlung nicht beteiligten Person auf den Gegenstand dem Verfallsanspruch vorgehen - auch für den Wertersatz nach Abs. 2 und 3 dieser Gesetzesstelle gelte; im Hinblick auf Rückforderungsansprüche der Geschädigten sei ein solcher ausgeschlossen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Staatsanwaltschaft gegen diese Abweisung ihres Antrages aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist begründet:

§ 20 Abs. 1 StGB schließt den Verfall eines Geschenks oder einer anderen Zuwendung von Geldeswert, die der Täter für eine strafbare Handlung im voraus oder im nachhinein empfangen hat, nur aus, soweit eine an der strafbaren Handlung nicht beteiligte Person darauf einen Rechtsanspruch hat. Ein solcher Anspruch setzt begrifflich voraus, daß die körperliche Sache noch vorhanden ist und der Dritte einen dinglichen Anspruch darauf oder einen obligatorischen Anspruch auf Herausgabe dieser körperlichen Sache hat, die nicht zum Vermögen des Verpflichteten gehört. Schadenersatzansprüche oder andere Forderungen dritter Personen gegen den Täter begründen hingegen keinen Rechtsanspruch (12 Os 121/82). Eine entsprechende Regelung enthält das Gesetz in Ansehung des im § 20 Abs. 2 und Abs. 3 StGB ebenfalls zwingend vorgeschriebenen Verfallsersatzes nicht, wenn es sich beim Geschenk oder der anderen geldwerten Zuwendung nicht um eine körperliche Sache handelt oder der Täter das Geschenk oder die Zuwendung nicht mehr besitzt. Vielmehr ist für den Verfallsersatz im § 20 Abs. 4 StGB lediglich ein fakultatives Absehen vorgesehen, wenn das Geschenk oder die Zuwendung geringfügig war oder wenn der Wertersatz - ganz oder zum Teil - den Verurteilten unbillig hart träfe.

Daraus folgt, daß Zahlungsansprüche dritter Personen gegen Verurteilte aus welchem Titel immer den Wertersatz nach dem § 20 Abs. 2 und Abs. 3 StGB nicht berühren. Kann somit ein an einen Täter für die strafbare Handlung gezahlter Geldbetrag vom Zahler nicht mehr vindiziert werden, weil er bereits mit eigenem Bargeld des Täters vermengt wurde (§ 371 ABGB), so ist gemäß dem § 20 Abs. 2 und Abs. 3 StGB auf Verfalls(= Wert-)ersatz zu erkennen. Die Ablehnung des Verfallsersatzes durch das Erstgericht erfolgte sohin unter Verkennung der vom Gesetz im § 20 Abs. 2 und Abs. 3 StGB normierten zwingenden Voraussetzungen. Das Urteil ist daher insofern mit materieller Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 (erster Fall) StPO behaftet.

Den Urteilsfeststellungen ist nicht einwandfrei zu entnehmen, ob das empfangene Geld bereits mit eigenem Bargeld vermengt (§ 371 ABGB) wurde und ob daher allenfalls (bei Fehlen von Ansprüchen unbeteiligter Dritter) auf Verfall oder auf Wertersatz zu erkennen ist (vgl. SSt. 51/26). Auch fehlt es an eindeutigen Konstatierungen über die Höhe der für die strafbaren Handlungen empfangenen Zuwendungen, weil die gezahlten Geldbeträge auch für die Beschaffung von Stempelmarken und Entrichtung von Gebühren verwendet wurden (S 109). Schließlich ist noch die Erfüllung bzw. Erfüllbarkeit der Ansprüche der Geldgeber, was im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach dem § 20 Abs. 4 StGB Berücksichtigung finden kann (SSt. 51/26), zu prüfen.

Eine Verfahrenserneuerung im Anfechtungsumfang ist somit unumgänglich.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer - nur aus "prozessualer Vorsicht" (S 131) erhobenen - Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E21573

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00065.9.0828.000

Dokumentnummer

JJT_19900828_OGH0002_0130OS00065_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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