TE OGH 1990/8/30 12Os67/90

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Veröffentlicht am 30.08.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Löschenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter Klaus K*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11.Dezember 1989, GZ 20 l Vr 12191/88-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Weber zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Zusatzstrafe auf 10 (zehn) Jahre und 4 (vier) Monate erhöht. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6.Dezember 1942 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Peter Klaus K*** auf Grund des einstimmigen Wahrspruches der Geschwornen der Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und 15 StGB (I 1 und 2) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Fall (richtig: zweiter Fall) StGB (II) sowie des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB (III) schuldig erkannt. Dem Inhalt dieser Schuldsprüche zufolge hat er in Wien

I. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Bankangestellte durch Täuschung über Tatsachen unter Vorlage gefälschter und verfälschter Urkunden zu Handlungen verleitet bzw. zu verleiten versucht, die die nachgenannten Kreditinstitute bzw. Firmen am Vermögen schädigten bzw. schädigen sollten, wobei der eingetretene und beabsichtigte Schaden 500.000 S überstieg, und zwar

1. in der Zeit vom 3.Februar bis 10.Februar 1989 Angestellte der Ö*** L*** durch Vorlage von insgesamt sieben

Schecks lautend auf das Konto der Firma M*** BAL AG & Co GesmbH, auf denen er die Unterschrift des Leopold P*** nachgemacht hatte, zur Auszahlung von Bargeldbeträgen von insgesamt 498.450 S verleitet;

2. am 29. und 30.Dezember 1988 Bedienstete der E*** Ö*** S***-C*** durch Vorlage einer falschen Gehaltsbestätigung und eines von ihm verfälschten Reisepasses zur Auszahlung eines Kredites von 67.000 S zu verleiten versucht;

II. am 30.Dezember 1988 dadurch, daß er in der Zweigstelle Löwengasse der E*** Ö*** S***-C*** eine Pistole Marke Dreyse, Kaliber 7,65 mm, gegen den Filialleiter Herbert P*** und den Revierinspektor G*** richtete, wobei er Herbert P*** aufforderte, ihm den sichergestellten Betrag von 67.000 S vor die Füsse zu werfen, damit er ihn an sich nehmen könne, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, dem Herbert P*** eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

III. in der Zeit vom 2. bis 10.Februar 1989 fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert Verfügungsberechtigten der Firma M*** BAL AG & Co GesmbH mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er unter Verwendung einer entfremdeten Bankomatkarte, wobei er sich auch Kenntnis des Codes verschafft hatte, insgesamt neun Tagesabhebungen zu je 5.000 S, insgesamt daher 45.000 S tätigte.

Rechtliche Beurteilung

Nur die Schuldsprüche I 2 (= Hauptfrage 1) und II

(= Hauptfrage 2) bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs 1 Z 8, 10 a, 11 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch fechten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Berufungen an.

Der Angeklagte moniert sowohl aus der Sicht der unrichtigen Rechtsbelehrung (Z 8) als auch der (gemeinsam ausgeführten) Tatsachen- und Rechtsrüge (Z 10 a und 11, 12), daß ihm einerseits nur versuchter Betrug angelastet wurde (I 2), obwohl er die Darlehensvaluta ausbezahlt erhielt und damit daran Eigentum erlangte, andererseits aber die nachfolgende Abnötigung des ihm ins Eigentum übergebenen Geldes als Raub qualifiziert wurde (II). Dieses Beschwerdevorbringen knüpft vom Ansatz her richtig an den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff an, da Diebstahl oder Raub nur an einer fremden beweglichen Sache begangen werden können (vgl. hiezu Kienapfel BT II2 RN 35-37 zu § 127 StGB und RN 13 zu § 142 StGB). Die Prämisse allerdings, daß der Angeklagte Eigentum an dem betrügerisch herausgelockten Geld erlangt hat, hält einer Prüfung nicht stand. Liegt doch ein rechtswirksamer Darlehensvertrag (§ 983 ABGB) nur dann vor, wenn (ua) übereinstimmende Willenserklärungen des Gläubigers (hier: der Sparkasse) und des Schuldners (hier: des Angeklagten) über den wesentlichen Inhalt eines Darlehensvertrages abgegeben wurden und das Geld dem Schuldner so übergeben wurde, daß er darüber willkürlich verfügen kann (EvBl 1972/19, SZ 52/147 uva). Solche übereinstimmende Willenserklärungen können aber nicht angenommen werden, wenn ein "Vertragspartner" (nämlich der Angeklagte) den geheimen (betrügerischen) Vorbehalt hegt, das Geld nicht zurückzuzahlen, der andere "Partner" (die Sparkasse) diesen Vorbehalt indes durchschaut, aber zum Schein auf seinen Kreditwunsch eingeht, um ihn zu entlarven (vgl. hiezu grundsätzlich SZ 56/11). Zum Eigentumsübergang fehlt es hier schon daran, daß das Geld mit Traditionswillen des Übergebers in die willkürliche Verfügungsgewalt des Übernehmers überführt wird (SZ 47/27).

Nach dem für die rechtliche Beurteilung ausschließlich maßgebenden, im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Tatsachensubstrat (Mayerhofer-Rieder2 E 7 zu § 345 Z 11 lit a und E 8 zu § 345 Z 12 StPO) blieb es beim Versuch des Angeklagten, Bedienstete der E*** Ö*** S***-C*** (über seine wahren Absichten zu täuschten und sie) zur Auszahlung von 67.000 S zu bringen (Hauptfrage 1), womit die Geschwornen konform mit den bezughabenden Beweisergebnissen zum Ausdruck brachten, daß die Sparkassenangestellten den betrügerischen Vorsatz des Angeklagten erkannt hatten und eine rechtswirksame (und damit vermögensschädigende) Übergabe des Geldes nicht vorlag, weil der Angeklagte zum Zeitpunkt der (nur zum Schein vorgenommenen) Auszahlung bereits durch die Kriminalpolizei überwacht war, die ihm das Geld sofort wieder abnahm und es in den Gewahrsam des Filialleiters Herbert P*** zurückgab (S 443, 444, 447, 450, 453, 454, 457, 459/I). Daraus zogen die Geschwornen bei der Beantwortung (der Hauptfrage 1 und) der Hauptfrage 2 die Konsequenz, indem sie feststellten, daß der Angeklagte (den Betrug nur versuchte und sodann) eine fremde bewegliche Sache abnötigte (vgl. auch den ausdrücklichen Hinweis in der Niederschrift).

Entgegen den Ausführungen der Rechtsrüge bestehen daher keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß dem Angeklagten diesbezüglich nur versuchter Betrug (I 2), und vollendeter Raub (II), letzterer statt etwa nur Nötigung, zur Last gelegt wurde.

So gesehen kann die Beschwerde, soweit sie als Tatsachenrüge zu erkennen ist (Z 10 a), aber auch auf keinerlei aktenkundige Beweisergebnisse Bezug nehmen, die nach den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungswerten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen erwecken könnten.

Soweit der Beschwerdeführer eine Unrichtigkeit (Z 8) der zur Hauptfrage 1 erteilten Rechtsbelehrung in der unterlassenen Aufklärung, "aus welchen Gründen in diesem Faktum trotz Auszahlung des Darlehensbetrages nur Versuch angeklagt ist", erblickt, verkennt er die an eine ordnungsgemäße Instruktion geknüpften gesetzlichen Voraussetzungen, denen eine Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit mutmaßlichen Erwägungen der Anklagebehörde bei der Einbringung der Anklageschrift nicht zu entnehmen ist (vgl. insbesondere § 321 Abs 2 StPO).

Der unter Zitierung der Seite 8 der Rechtsbelehrung in Ansehung der Hauptfrage 2 erhobene Vorwurf der fehlenden Erläuterung des Rechtsbegriffes des - zur Begehung eines Raubes in subjektiver Hinsicht als ausreichend erklärten - sogenannten bedingten Vorsatzes wiederum setzt sich über den in diesem Zusammenhang ohnedies mit unmißverständlicher Deutlichkeit angebrachten Hinweis auf die schon zur Hauptfrage 1 gebotene Aufklärung über die verschiedenen in Betracht kommenden Vorsatzformen (so auch des in Rede stehenden bedingten Vorsatzes) hinweg (S 8 iVm S 2 f der Rechtsbelehrung). Ins Leere geht ferner der gleichfalls zur Hauptfrage 2 erhobene Einwand, die Rechtsbelehrung hätte sich im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer gewählte Verantwortung einer vermeintlich rechtmäßigen, zum Erwerb des Eigentums führenden Darlehenszuzählung auch mit der Frage eines Tatbildirrtums auseinandersetzen müssen:

Gegenstand der Rechtsbelehrung können nur rechtliche, nicht aber tatsächliche Umstände sein, die nur für die Beweiswürdigung in Betracht kommen (Mayerhofer-Rieder2 14 zu § 345 Z 8 StPO); daß eine Tatbestandsverwirklichung im Sinn des fraglichen Raubvorwurfs in subjektiver Hinsicht (auch) einen auf unrechtmäßige Bereicherung abzielenden Vorsatz voraussetzt, der im Falle eines angenommenen Irrtums über die Aneignungsberechtigung naturgemäß nicht gegeben sein kann, hat die Rechtsbelehrung ohnedies mit hinreichender Deutlichkeit klargestellt (S 8 iVm S 4 der Rechtsbelehrung). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte Peter Klaus K*** nach §§ 28 (Abs 1), 143 erster Strafsatz StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Amtsgerichtes München vom 24.Mai 1989 (acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung) zu einer Zusatzstrafe von 8 (acht) Jahren und 4 (vier) Monaten. Bei der Strafzumessung waren erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art, die einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall, während als mildernd das teilweise Geständnis und der Umstand berücksichtigt wurden, daß K*** den Raub nicht vorgeplant, sondern in Unbesonnenheit aus der Situation heraus begangen hat.

Der Angeklagte begehrt mit seiner Berufung die Herabsetzung und die Staatsanwaltschaft die Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe. Die Anklagebehörde ist im Recht.

Dem Angeklagten ist wohl zuzugeben, daß es zum Raub nicht gekommen wäre, hätten sich die Verantwortlichen der Sparkasse nicht entschlossen, das Geld zum Schein noch auszuzahlen. Es ist aber auch nicht zu übersehen, daß allein der schwere Betrug (unter Bedachtnahme auf § 39 StGB) mit einer fünfzehnjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist. Selbst wenn man also dem Raub nicht das der (schweren) Strafdrohung entsprechende Gewicht zumessen wollte, zeigt sich, daß im Hinblick auf das durch schwere einschlägige Vorstrafen getrübte Vorleben des Peter Klaus K*** das vom Geschwornengericht gefundene Strafausmaß schon dem Schuld- und Unrechtsgehalt der nunmehr neben dem Raub abgeurteilten Taten nicht entspricht. Weisen doch auch diese mit dem Raub konkurrierenden Straftaten den Angeklagten als hartnäckigen Rechtsbrecher aus, der mit erstaunlicher Beharrlichkeit immer wieder eine Lebensführung auf Kosten anderer anstrebt. Die beachtliche kriminelle Intensität des Angeklagten erweist sich aber auch darin, daß er noch in offensichtlich auswegloser Situation nicht aufgibt, sondern, wie der Raub zeigt, seine verbrecherischen Ziele im Wege einer potenzierten Delinquenz weiter verfolgt und dazu nicht zögert, eine Schußwaffe, die er offenbar stets mit sich führt, bedenkenlos einzusetzen; dies, obwohl seine Identität, wie er wohl in diesem Zeitpunkt erkannt hatte, für die Behörde zweifelsfrei feststand und er daher damit rechnen mußte, über kurz oder lang gestellt und zur Verantwortung gezogen zu werden.

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlaßt, in Stattgebung der Berufung der Anklagebehörde das Strafausmaß spruchgemäß zu erhöhen, verblieb dabei aber immer noch im Mittelbereich der bis 20 Jahre Freiheitsstrafe reichenden Strafbefugnis (§ 143 StGB iVm § 39 StGB).

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E22065

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00067.9.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19900830_OGH0002_0120OS00067_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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