TE OGH 1990/9/6 6Ob570/90

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Veröffentlicht am 06.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Manfred R***, geboren am 14.Dezember 1971, vertreten durch die Mutter Johanna R***, Bezirksanwältin, 3580 Horn, Stadtgraben 7, diese vertreten durch Dr.Josef Lentschig, Rechtsanwalt in Horn, infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom 12.Jänner 1990, GZ 1 R 2/90-172, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 23.November 1989, GZ P 8/84-167, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Antrag des Vaters, den für den Minderjährigen zu zahlenden Unterhalt von S 1.500 monatlich ab 1.8.1989 auf S 200 monatlich herabzusetzen, abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Der Vater Manfred R*** ist auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 10.7.1989 ab 1.8.1988 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes von S 1.500 für den Minderjährigen verpflichtet. Mit Antrag vom 12.9.1989 begehrte der Vater, den für den Minderjährigen zu zahlenden Unterhaltsbetrag ab 1.8.1989 auf monatlich S 200 herabzusetzen, weil sein Sohn als Lehrling zum größten Teil selbsterhaltunsfähig sei. Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht setzte den für den Minderjährigen zu leistenden Unterhaltsbetrag des Vaters ab 1.8.1989 auf S 200 monatlich herab. Es stellte fest, daß der Minderjährige als Typographikerlehrling bei der Firma B*** in Horn ab 1.8.1989 eine monatliche Nettolehrlingsentschädigung von S 4.445,26 bezieht. Der Minderjährige hat berufsbedingte Mehraufwendungen von jährlich S 10.292 für Berufsschulkosten, Fahrtkosten von und zur Berufsschule und Anschaffungskosten für eine für die Ausbildung benötigte Brille. Vermindere man das Monatseinkommen des Minderjährigen um diese auf einen Monat umgelegten Mehraufwendungen von S 857, so verbleibe ein Rest von S 3.588,26, den der Minderjährige für seinen eigenen Unterhalt zu verwenden habe. Dem stehe ein monatlicher Regelbedarf von S 3.380 im Jahre 1989 und von S 3.470 im Jahre 1990 gegenüber. Der Minderjährige sei mit seinem höheren zu berücksichtigenden Einkommen als selbsterhaltungsfähig anzusehen. Der Unterhalt sei daher auf den vom Vater zugestandenen Betrag von S 200 monatlich herabzusetzen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Minderjährigen keine Folge und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil in den letzten drei Jahren hinsichtlich der Lehrlingsentschädigung auch andere Rechtsansichten von Rekursgerichten veröffentlicht seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt. Nach § 140 Abs 3 ABGB mindert sich der Anspruch auf Unterhalt insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. Alles was dem Kind, sei es als Naturalleistungen oder an Geldleistungen welcher Art immer auf Grund eines Anspruches zukommt, ist nach § 140 Abs 3 ABGB bei der Unterhaltsbemessung oder bei der Beurteilung, ob das Kind bereits selbsterhaltungsfähig sei, zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz erleidet nur insoweit eine Ausnahme, als bestimmte Einkünfte auf Grund gesetzlicher Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind. Ein gesetzliches Verbot der Anrechnung der Lehrlingsentschädigung auf den Unterhalt besteht nicht. Die Lehrlingsentschädigung fällt damit unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs 3 ABGB zu berücksichtigen sind. Sie ist, soferne sie nicht als Ausgleich für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibt, Eigeneinkommen des Kindes (5 Ob 567/90, 3 Ob 547/90, 1 Ob 627/90, 1 Ob 594/90; Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 11 a zu § 140).

Selbsterhaltunsfähig ist ein Kind dann, wenn es die zur Deckung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel selbst erwirbt oder auf Grund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist (Schlemmer/Schwimann, ABGB, Rz 99 zu § 140).

Selbsterhaltunsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur angemessenen Bedürfnisdeckung auch außerhalb des ehelichen Haushaltes (3 Ob 547/90, 10 ObS 19/90; Pichler, aaO, Rz 12 zu § 140). Dort, wo der zu leistende Unterhaltsbetrag wegen des Einkommens des Unterhaltspflichtigen oder der ihn treffenden Sorgepflichten verhältnismäßig gering ist, bildet entgegen den Ausführungen des Rekursgerichtes nicht der sogenannte Regelbedarf, sondern die Mindestpensionshöhe nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG (derzeit S 5.434, im Jahre 1989 S 5.134) eine Orientierungshilfe (10 ObS 19/90, 3 Ob 547/90, 1 Ob 627/90, 1 Ob 594/90). Die Heranziehung nur des Regelbedarfes zur Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit würde die Beiträge jenes Unterhaltspflichtigen, welcher weiterhin den Haushalt führt und das Kind betreut, entgegen der Vorschrift des § 140 Abs 1 ABGB nicht mehr anteilig, sondern überproportional berücksichtigen.

Die rechnerische Differenz zwischen der Mindestpensionshöhe und den eigenen anzurechnenden Einkünften des Kindes beträgt für 1990 S 1.845,74, für 1989 S 1.545,74, sodaß die Voraussetzungen für eine Herabsetzung des mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10.7.1989 festgesetzten Unterhaltsbeitrages des Vaters von S 1.500 nicht gegeben sind.

Anmerkung

E21931

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00570.9.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19900906_OGH0002_0060OB00570_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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