TE OGH 1990/7/11 1Ob627/90

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Veröffentlicht am 11.07.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache mj. Johannes L***, geb. 22. November 1973 infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch die Mutter Marianne L***, Hotelbedienstete, Kitzbühel, Bichlnweg 38, diese vertreten durch Dr. Marco Formentini gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 27. April 1990, GZ 3 b R 74/90-65, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 13. März 1990, GZ P 14/79-60, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der von Gottfried L*** als Vater des Kindes Johannes L*** zu bezahlende Unterhalt ab 1. 2. 1990 nur auf monatlich S 1.771,- herabgesetzt wird.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10. 11. 1988, ON 55, wurde der vom Vater für seinen ehelichen Sohn zu leistende Unterhaltsbetrag mit monatlich S 2.500,- festgesetzt. Der Sohn ist nunmehr Kochlehrling. Unter Berücksichtigung pauschalierter berufsbedingter Ausgaben und der ihm zukommenden teilweisen Verpflegung durch seinen Dienstgeber beträgt sein monatliches Einkommen S 3.000,-. Das Einkommen des Vaters, der für seine geschiedene Gattin und einen unehelichen Sohn sorgepflichtig ist, beträgt monatlich rund S 21.000,-.

Das Erstgericht wies den vom Vater unter der Behauptung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes gestellten Enthebungsantrag ab. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge. Es setzte den vom Vater zu leistenden Unterhaltsbetrag ab 1. 2. 1990 auf monatlich S 450,- herab. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es nicht für zulässig. Die Lehrlingsentschädigung sei nach ständiger Rechtsprechung als eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen, das demnach die Unterhaltsverpflichtung der Eltern mindere. Stelle man das anrechenbare Eigeneinkommen von S 3.000,- dem Regelbedarf für Kinder im Alter des Minderjährigen in Höhe von S 3.450,- gegenüber, so ergebe sich, daß das Kind zwar noch nicht zur Gänze selbsterhaltungsfähig sei, daß die Unterhaltspflicht des Vaters jedoch ab dem der Antragstellung folgenden Monatsersten auf S 450,-

zu reduzieren sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Kindes, mit dem beantragt wird, den Unterhaltsbetrag bloß auf monatlich S 1.771,-

herabzusetzen, ist zulässig und berechtigt.

Nach § 140 Abs.3 ABGB mindert sich der Anspruch auf Unterhalt insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. Alles, was dem Kind, sei es als Naturalleistungen oder an Geldleistungen welcher Art immer auf Grund eines Anspruches zukommt, ist nach § 140 Abs.3 ABGB bei der Unterhaltsbemessung oder bei der Beurteilung, ob das Kind bereits selbsterhaltungsfähig sei, zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz erleidet nur insoweit eine Ausnahme, als bestimmte Einkünfte auf Grund gesetzlicher Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind. Ein gesetzliches Verbot der Anrechnung der Lehrlingsentschädigung auf den Unterhalt besteht nicht, die Lehrlingsentschädigung fällt damit unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs.3 ABGB zu berücksichtigen sind. Sie ist, soferne sie nicht als Ausgleich für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibt, Eigeneinkommen des Kindes (5 Ob 567/90, 3 Ob 547/90; Pichler in Rummel2 Rz 11 a zu § 140). Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind dann, wenn es die zur Deckung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel selbst erwirbt oder auf Grund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist (Schlemmer-Schwimann, ABGB, Rz 99 zu § 140).

Selbsterhaltungsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur angemessenen Bedürfnisdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushaltes (3 Ob 547/90, 10 Ob S 19/90; Pichler aaO Rz 12 zu § 140). Dort, wo der zu leistende Unterhaltsbetrag wegen des Einkommens des Unterhaltspflichtigen oder der ihn treffenden Sorgepflichten verhältnismäßig gering ist, bildet, entgegen den Ausführungen des Rekursgerichtes, nicht der sogenannte Regelbedarf, sondern die Mindestpensionshöhe nach § 293 Abs.1 lit.a alinea bb ASVG (derzeit S 5.434, ab 1. 7. 1990 S 5.574,-) eine Orientierungshilfe (10 Ob S 19/90, 3 Ob 547/90).

Der vom Kind nunmehr geforderte monatliche Unterhaltsbetrag von S 1.771,- zuzüglich seines eigenen Einkommens von S 3.000,- erreicht diese Mindestpensionshöhe bei weitem nicht. Der vom Vater zu leistende Unterhaltsbetrag ist daher antragsgemäß auf den Betrag von S 1.771,- herabzusetzen.

Anmerkung

E21325

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00627.9.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19900711_OGH0002_0010OB00627_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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