TE OGH 1990/12/18 15Os121/90

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Veröffentlicht am 18.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ales B*** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28. August 1990, GZ 20 b Vr 502/90-61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer und des Verteidigers Dr. Stieldorf, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der Staatsangehörige der CSFR Ales B*** der Verbrechen des räuberischen Diebstahls mit Waffen nach §§ 127, 129 Z 4, 131 "erster Strafsatz" (gemeint: erster und zweiter Qualifikations-Fall) StGB (A) und des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (B) sowie der Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 1 (C) und Z 2 WaffG (D) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 11.Jänner 1990 in Wien

(zu A) fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei Lederjacken im Wert von etw 6.000 S, der Gerlinde S*** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei der Tat Waffen, nämlich einen Tränengasspray und eine Pistole, bei sich führte, um den Widerstand von Personen zu überwinden oder zu verhindern, und wobei er, auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen Gerlinde S*** anwendete, indem er ihr Tränengas ins Gesicht sprühte, sowie Helmut S*** mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedrohte, indem er die erwähnte Faustfeuerwaffe gegen ihn richtete und schrie, er solle aus dem Weg gehen, und zwar jeweils, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten:

(zu B) Anis S*** durch einen gezielten Schuß gegen den Bauch, der einen Durchschuß des Dickdarms und Enddarms sowie eine massive Blutung in die Bauchhöhle zur Folge hatte, vorsätzlich zu töten versucht;

(zu C) unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich eine Pistole, besessen und geführt; sowie

(zu D) verbotene Waffen, nämlich eine Tränengasspraydose und ein Springmesser, unbefugt besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der inhaltlich nur gegen die Schuldsprüche zu den Fakten A und B gerichteten, auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 10 a und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er eine Beurteilung der Sachwegnahme (A) bloß als Diebstahlsversuch sowie seines Vorgehens gegen S*** (B) lediglich als Teilakt dieses Versuchs (eines räuberischen Diebstahls) anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Zum Faktum A ist die Subsumtionsrüge (Z 12) sowohl in prozessualer Hinsicht nicht zielführend als auch materiellrechtlich verfehlt.

Denn zum einen geht der Beschwerdeführer mit der seiner Rechtsansicht zugrunde gelegten Tatsachenannahme, daß es ihm nicht gelungen sei, sich "im Besitz der gestohlenen Sachen zu erhalten", von einem Sachverhalt aus, der im Wahrspruch der Geschwornen keinen Niederschlag fand; materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe indessen können nur durch einen Vergleich des im Verdikt festgestellten Tatsachensubstrats mit dem darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargetan werden.

Zum anderen aber entspricht der (solcherart auf eine wahrspruchsfremde Tatsachenprämisse bezogene) Beschwerdestandpunkt, der Angeklagte habe "beim Faktum A ... nur Versuch" zu verantworten, auch gar nicht dem materiellen Recht. Wird doch der Grundtatbestand des Diebstahls (§ 127 StGB) in jedem Fall mit der Sachwegnahme - also mit der Begründung des alleinigen Tätergewahrsams am Tatobjekt - vollendet, und zwar ganz unabhängig davon, ob eine bei der Tat allenfalls zum Einsatz gelangende räuberische Gewalt oder Drohung iS § 131 StGB schon in der Versuchs-Phase angewendet wurde (vgl SSt 55/13, JBl 1990, 670 ua) oder ob sie erst nach der in Rede stehenden Deliktsvollendung (und vor dem endgültigen In-Sicherheit-Bringen der Beute) zur Anwendung gebracht wird.

Gleichermaßen nicht stichhältig sind die Beschwerdeeinwände zum Faktum B.

Insoweit hat der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung die vorsätzliche Abgabe eines Schusses gegen S*** entschieden bestritten (S 383 ff.); nach jener Verantwortung war daher eine "neben der anklagekonformen Hauptfrage nach Mordversuch" zu stellende (ersichtlich gemeint: Eventual-) Frage dahin, ob er "(auch) durch den Schuß, der Anis S*** schwer verletzt hat, das Verbrechen nach § 131 StGB begangen" - gemeint: (bloß) die Qualifikation nach § 131 (erster Fall) StGB verwirklicht - habe, entgegen der Beschwerdeauffassung (Z 6) deswegen nicht indiziert, weil das lediglich fahrlässige Auslösen eines Schusses von der in Rede stehenden Verbrechensqualifikation, die den vorsätzlichen Einsatz der dort beschriebenen Begehungsmittel (zur Erreichung des beabsichtigten Erfolges) voraussetzt, nicht erfaßt wird. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der von den Laienrichtern im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsache der Schußabgabe gegen S*** mit Mordvorsatz aber, die der Angeklagte mit Bezug auf seine insoweit leugnende Verantwortung in Zweifel zu ziehen trachtet, vermag er mit seinen einer sorgfältigen Prüfung unterzogenen Argumenten zur Tatsachenrüge (Z 10 a) im Licht der gesamten Aktenlage nicht zu erwecken.

Ein grundsätzliches Verkennen des Gegenstands der schriftlichen Rechtsbelehrung hinwieder zeigt sein mit der Instruktionsrüge (Z 8) unternommener, der Sache nach gleichfalls in die zuletzt relevierte Richtung hin zielender Versuch, eine Unvollständigkeit (im Sinn einer Unrichtigkeit) der den Geschwornen im vorliegenden Fall erteilten, als "an sich ... völlig richtig" bezeichneten Belehrung zu den Hauptfragen 1 und 2 mit dem Hinweis darauf nachzuweisen, daß der Schwurgerichtshof hiebei mit keinem Wort auf das Verhältnis dieser Fragen zueinander eingegangen sei; unter jenem Aspekt vermißt er nämlich insbesondere eine Erläuterung der ratio legis für die Schaffung höherer Strafsätze beim räuberischen Diebstahl bloß im Fall von Verletzungen mit schweren Dauerfolgen und im Fall des Todes eines Menschen (§ 131 dritter und vierter Fall StGB) im Vergleich zur Qualifizierung des Raubes (nach § 143 dritter Fall StGB) schon bei einer schweren Verletzung des Opfers: aus der Bezugnahme auf die seiner Ansicht nach dafür maßgebende Hektik des Geschehens beim räuberischen Diebstahl hätte sich, so vermeint er, (ersichtlich gedacht: für die Laienrichter bei der Beweiswürdigung) die Notwendigkeit zur Betrachtung des hier aktuellen Tatgeschehens als Einheit sowie demgemäß zur Verneinung eines Mordvorsatzes bei ihm ergeben.

Dementgegen hat aber die schriftliche Instruktion der Geschwornen nach § 321 Abs 2 StPO in bezug auf das materielle Recht lediglich - für jede Frage gesondert - eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, die den Gegenstand der jeweiligen Schuldfrage bildet, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes zu enthalten, wogegen die zudem vorgeschriebene Belehrung über das Verhältnis der Fragen zueinander sowie über die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage überhaupt nur die Aktualität des Fragenschemas und die Konsequenzen der Fragenbeantwortung in prozessualer Hinsicht betrifft. Für eine Erörterung der Motivation des Gesetzgebers zur unterschiedlichen Abstufung von Strafdrohungen bei vergleichbaren Fallkonstellationen verschiedener Delikte war demgemäß - ganz abgesehen davon, daß ein rationaler Zusammenhang zwischen der solcherart darzulegenden (rechtlich-abstrakten) Zielsetzung einer Strafbestimmung und der (faktisch-konkreten) Beweisfrage nach einem Verstoß gegen sie im Einzelfall nicht zu erkennen ist - im Rahmen dieser Belehrung auch unter dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gesichtspunkt jedenfalls kein Raum.

Auch die Subsumtionsrüge (Z 12) gegen den Schuldspruch wegen Mordversuchs schließlich läßt eine dem Gesetz entsprechende Ausführung vermissen; denn dabei geht der Angeklagte abermals nicht von jenem Sachverhalt aus, der sich aus dem Verdikt ergibt, sondern vielmehr von seiner einen Mordvorsatz leugnenden Verantwortung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über Ales B*** nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem (richtig: zwei) Vergehen, die doppelte Qualifikation des Diebstahls nach §§ 129 Z 4 und 131 StGB sowie die Tatsache, daß der Verletzte S*** auf Grund der Schwere seiner Verletzung seinen Beruf als Lagerarbeiter nicht mehr ausüben wird können, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, weiters den Umstand, daß die Tat im Hauptdelikt beim Versuch geblieben ist, und das Geständnis in den Fakten A, C und D.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Er vermeint, ihm sei seine Schilderung des Tatablaufs auch im Faktum B als mildernd zuzurechnen, ebenso die "Ausnahmesituation", weiters, daß es auch im Faktum 1 (richtig: A) beim Versuch geblieben ist, sowie die Sicherstellung der Diebsbeute. Dem ist zu erwidern, daß die Verantwortung des Berufungswerbers im Faktum B weder als reumütiges Geständnis noch als wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung angesehen werden kann, weil er den Tötungsvorsatz stets in Abrede gestellt hat. Gründe, aus denen die von ihm selbst verschuldete "Ausnahmesituation" als strafmildernd zu beurteilen wäre, sind der Berufung nicht zu entnehmen. Daß auch im Faktum A bloß Versuch vorläge, ist urteilsfremd.

Zutreffend wird in der Berufung hingegen geltend gemacht, daß in der Sicherstellung der Diebsbeute ein weiterer Milderungsgrund gelegen ist; ungeachtet dessen erweist sich aber die vom Geschwornengericht ausgemessene Freiheitsstrafe im Ergebnis als tatgerecht und der schweren Schuld des Angeklagten adäquat (§ 32 StGB). Auch kann der Umstand, daß der Angeklagte als Ausländer mit Behinderungen der Sprache sowie bei Besuchsmöglichkeiten konfrontiert ist, bei der Strafzumessung nicht zum Tragen kommen. Zu einer Strafreduzierung (die die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 Abs 1 Z 1 StGB zur Voraussetzung hätte, die aber nach Lage des Falles nicht gegeben sind) besteht daher kein Anlaß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E22545

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00121.9.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19901218_OGH0002_0150OS00121_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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