TE OGH 1991/1/23 3Ob591/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Olga B*****, Angestellte, Wien 10, Schröttergasse 3/12, vertreten durch Dr. Raimund M*****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alfred S*****, Hauseigentümer, Wien 19, Döblinger Hauptstraße 58, vertreten durch Dr. Robert H*****, Rechtsanwalt in Wien, wegen 60.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 28.Juni 1990, GZ 41 R 884/89-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 13.September 1989, GZ 4 C 157/86-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die Klagsforderung besteht mit 30.000 S sA zu Recht und mit

weiteren 30.000 S sA nicht zu Recht.

Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

Der Beklagte ist daher schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen 30.000 S samt 4 % Zinsen seit 1.5.1983 zu bezahlen. Das gleich hohe Mehrbegehren wird abgewiesen."

Die Prozeßkosten aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte mit einer im März 1986 eingebrachten Klage die Feststellung, der Beklagte müsse ihr einen Ablösebetrag von 60.000 S ersetzen, falls sie in einem anderen Rechtsstreit zur Rückzahlung des bei einer Bank aufgenommenen Darlehens verhalten werde. Nach Verurteilung zur Rückzahlung des Darlehens änderte sie ihr Begehren auf Zahlung von 60.000 S sA ab, wobei der diese Klagsänderung ankündigende Schriftsatz gemäß dem Protokoll über die nächste Tagsatzung "verlesen" wurde und der Beklagte über das geänderte Begehren verhandelte.

Die Klägerin stützte ihr Begehren im wesentlichen darauf, sie habe zusammen mit ihrem früheren Lebensgefährten eine Wohnung im Haus des Beklagten mieten wollen. Der Beklagte habe eine (unerlaubte) Ablöse verlangt, und es sei ihm auch ein aus Mitteln der Klägerin stammender Betrag von 60.000 S zugekommen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete Verjährung ein, bestritt die Gesetzwidrigkeit der Ablöse und behauptete, daß die Klägerin den Ablösebetrag für sich und ihren Lebensgefährten geleistet habe. Letzterer habe die Aufwendungen zurückerhalten, sodaß der Klägerin kein Rückforderungsanspruch mehr zustehe. Aufrechnungsweise machte der Beklagte eine Mietzinsforderung von 11.467,84 S und den Ersatz von Aufwendungen für die Wohnung in Höhe von 39.122,68 S geltend.

Das Erstgericht erkannte zu Recht, daß die Klagsforderung mit 60.000 S zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und gab daher dem Klagebegehren statt.

Es traf folgende, vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht gerügte Tatsachenfeststellungen:

Die Klägerin und ihr damaliger Lebensgefährte boten gemeinsam an, die Wohnung zu mieten und eine Ablöse zu zahlen.

Der Ablösebetrag sollte durch den Kredit einer Bank beschafft werden. Beide vorgesehenen Mieter unterfertigten einen Kreditantrag. Den Kassabeleg über den ausgezahlten Kredit unterfertigte jedoch nur die Klägerin. Sie allein, wenn auch im Einvernehmen mit ihrem Lebensgefährten, verfügte auch über die Auszahlung des Kreditbetrages an den Beklagten.

Nach Leistung der Ablöse von 60.000 S, welcher Betrag vom Kreditgeber über den Vermittler an den Beklagten gelangte, wurde die Wohnung beiden vorgesehenen Mietern im April 1983 übergeben. Etwa eine Woche danach kam es zu einem Zerwürfnis zwischen der Klägerin und ihrem Lebensgefährten, sodaß in der Folge nur mehr der frühere Lebensgefährte der Klägerin den schriftlichen Mietvertrag unterschrieb.

Im Mai 1983 unterfertigte die Klägerin eine Erklärung, wonach sie auf ihre Hauptmietrechte verzichte, und bestätigte blanko, eine Investitionsablöse oder den für die Abtretung der Hauptmietrechte geforderten Betrag erhalten zu haben. Tatsächlich erhielt sie die Ablöse aber nicht zurück. Ein Mitarbeiter des vom Beklagten mit den Verhandlungen betrauten Immobilienmaklers hatte ihr erklärt, sie würde vom Beklagten den Betrag von 60.000 S zurückerhalten, wenn sie die Verzichtserklärung unterfertige.

Der Lebensgefährte der Klägerin gab die Wohnung unter Ausnützung eines (im schriftlichen Mietvertrag) eingeräumten Weitergaberechtes im September 1983 an einen neuen Mieter weiter, der ihm 60.000 S Ablöse zahlte; die Klägerin erhielt jedoch davon nichts.

Der Beklagte hatte einem Vormieter anläßlich der Aufgabe der Mietrechte für diverse Einrichtungsgegenstände 15.000 S bezahlt. Für die Zusammenlegung zweier Wohnungen machte er Investitionen von 28.464,78 S. Bei Übernahme der Wohnung war diese noch nicht bewohnbar, weil noch Renovierungsarbeiten nötig waren, welche im wesentlichen die Klägerin und ihr damaliger Lebensgefährte vornehmen wollten.

Auf Grund dieses Sachverhaltes verneinte das Erstgericht eine Verjährung wegen der rechtzeitig eingebrachten Feststellungsklage. Dem Ablösebetrag stehe keine vom Gesetz gedeckte Gegenleistung gegenüber, sodaß sie gesetzwidrig sei und zurückgefordert werden könne. Die Rückforderung könne von demjenigen begehrt werden, der die Ablöse geleistet habe, das sei die Klägerin. Es spiele keine Rolle, daß auch der Lebensgefährte der Klägerin für den aufgenommenen Kredit hafte, ebensowenig, daß der Lebensgefährte der Klägerin von einem Nachmieter einen Ablösebetrag kassiert habe. Die aufrechnungsweise geltend gemachte Mietzinsforderung könne sich hingegen nicht gegen die Klägerin richten, da diese den Mietvertrag letztlich nicht abgeschlossen habe, die Wohnung zunächst auch nicht benützbar gewesen sei und der Mietvertrag mit ihr einvernehmlich aufgehoben worden sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Es verwies zum Mietzinsrückstand darauf, daß hier zwar das Verfahren im Umfang der im Berufungsverfahren noch strittigen 11.467,89 S mangelhaft geblieben sei; weil aber schon die Klagsforderung nicht berechtigt sei, müsse über die Gegenforderung nicht abgesprochen werden. Der Klägerin fehle die aktive Alleinklagslegitimation. Sie könne die Ablöse nur gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten zurückfordern. Es komme nicht darauf an, aus wessen Mitteln der Ablösebetrag stamme, sondern nur darauf, für wen sie geleistet wurde. Das seien im vorliegenden Fall beide Mitmieter.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist teilweise berechtigt. Treten beim Abschluß eines Mietvertrages auf der Mieterseite mehrere Personen gemeinsam auf, so entsteht ein Gesamtmietverhältnis, und die Mitmieter stehen bei der Ausübung ihrer Mietrechte in einer Rechtsgemeinschaft (SZ 57/120; MietSlg 35/24; MietSlg 36/36). Ursprünglich traten die Klägerin und ihr damaliger Lebensgefährte als solche Mitmieter auf und sie erstatteten gemeinsam das Mietangebot. Dieses wurde von der beklagten Partei zumindest schlüssig durch die Übergabe der Wohnungsschlüssel an beide Mieter auch angenommen, sodaß dem Umstand, daß die Klägerin den schriftlichen Mietvertrag nicht mehr unterfertigte, keine zunächst ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Die Klägerin kann also mit ihrem primär geltend gemachten Klagsgrund, sie sei nie Mieter geworden und könne die von ihr geleistete Ablöse schon wegen Wegfalls des rechtlichen Grundes, sie zu behalten, zurückfordern, nicht durchdringen. Sie hat aber auch vorgebracht, daß es sich um eine unerlaubte Ablöse 7 Abs. 3 MRG gestützt wurde.

Da die beklagte Partei nichts vorgetragen hat, was für eine Berechtigung der Ablöse sprechen könnte (auch auf angebliche Aufwendungen auf die Wohnung kam schon die Berufung des Beklagten nicht mehr zurück), ist von einer gemäß § 27 Abs. 1 und 2 MRG ungültigen und verbotenen Ablösevereinbarung auszugehen. Die Ablöse kann daher gemäß § 27 Abs. 3 MRG zurückgefordert werden.

Zur Rückforderung einer unzulässigen Ablöse ist aktiv der Mieter als Vertragspartner des Vermieters legitimiert, und zwar ohne Rücksicht darauf, aus wessen Vermögen die Leistungen stammten (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 15 zu § 27 MRG). Im vorliegenden Fall sind daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die Klägerin und ihr früherer Lebensgefährte zur Rückforderung berechtigt.

Dieser den beiden Mitgenossen zustehende Rückforderungsanspruch ist als reiner Geldanspruch grundsätzlich teilbar. Gemäß § 889 ABGB kann daher die Klägerin iS des § 839 ABGB im Zweifel nur die Hälfte der Ablöse zurückfordern. Sie hat außer dem nicht maßgeblichen Umstand (siehe oben), die Ablöse stamme aus ihrem Vermögen und sie hafte zur ungeteilten Hand für die Rückzahlung des aufgenommenen Kredites, nichts vorgebracht, was ihr die Legitimation verschaffen würde, den ganzen Ablösebetrag allein zurückzufordern. Zahlung "an die ganze Gemeinschaft" iSd § 848 ABGB begehrt sie nicht. Auch auf ein Anerkenntnis der klagenden Partei hat sie sich nicht gestützt, sodaß auf die überschießende Feststellung des Erstgerichtes über die Zusage eines Mitarbeiters des vom Beklagten betrauten Immobilienmaklers, wie immer sie zu verstehen wäre, nicht Bedacht zu nehmen ist.

Auf Forderungen, die einer noch aufrechten Gläubigergemeinschaft zustehen, werden allerdings nach überwiegender Ansicht die Grundsätze des § 848 ABGB in der Weise angewendet, daß auch bei an sich teilbaren Forderungen eine Gesamthandforderung angenommen wird (vgl dazu Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 848 mwN). Dies kann aber nach Ansicht des erkennenden Senates nur solange gelten, als es der Zweck des § 848, nämlich der Schutz der inneren Ordnung der Gemeinschaft auch im Außenverhältnis (vgl Gamerith aaO), erfordert.

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin aus der früheren Mitmietergemeinschaft ausgeschieden. Der Beklagte hat dem ausdrücklich und der frühere Lebensgefährte der Klägerin zumindest stillschweigend dadurch zugestimmt, daß er den schriftlichen Mietvertrag nur mehr allein unterfertigte und in der Folge allein ohne Zuziehung der Klägerin einen neuen Mieter ausfindig machte und von diesem eine Ablöse kassierte, ohne hieran die Klägerin zu beteiligen.

Nach dieser Aufhebung der Mitmietergemeinschaft spricht aber ohne Vorliegen weiterer Umstände nichts mehr dafür, den ursprünglich beiden Mietern zustehenden Rückforderungsanspruch ungeteilt zu lassen. Der Beklagte hat nichts eingewendet, was für eine weitere Unteilbarkeit des Klagsanspruches sprechen könnte. Dies gilt auch für das vom Berufungsgericht erörterte Sonderrecht der Weitergabe, sodaß nicht zu untersuchen ist, inwieweit die teilweise Rückforderung der Ablöse die Wirksamkeit eines vielleicht (zugunsten der Klägerin ?) vereinbarten Weitergaberechtes beeinträchtigen könnte (WoBl 1990/41), und ob wegen eines solchen Zusammenhanges die Unteilbarkeit des Rückforderungsanspruches angenommen werden müßte.

Der Klagsanspruch besteht damit zur Hälfte zu Recht. Eine Verjährung ist nicht eingetreten, weil die Klägerin innerhalb der Verjährungszeit des § 27 Abs. 3 MRG eine Feststellungsklage eingebracht hat, die dann in ein Leistungsbegehren umgeändert wurde. Ob der Klagsanspruch auch schon im Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage fällig und rechtlich klar war, ist für die Verjährung nicht entscheidend.

Die im Berufungsverfahren allein noch geltend gemachte Gegenforderung an rückständigem Mietzins von 11.467,84 S sA ist nicht berechtigt. Die Behauptung des Beklagten, im Verfahren 4 C 200/84 des Bezirksgerichtes Döbling sei die Klägerin rechtskräftig zur Zahlung eines solchen Mietzinses verurteilt worden, ist unzutreffend. Aus diesem vom Revisionsgericht eingeholten Akt ergibt sich vielmehr, daß das ursprünglich ergangene Versäumungsurteil im Verhältnis zur jetzigen Klägerin nicht in Rechtskraft erwachsen ist, sondern dieses Verfahren ruht. Dieser beiden Parteien bekannte Sachverhalt kann auch ohne Aufhebung der bisher ergangenen Urteile zugrundegelegt werden. Im übrigen ergibt sich aus diesem Akt, daß der Mietzins erst ab Juni 1983 begehrt wird, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin schon als Mitmieterin ausgeschieden war.

Das Urteil des Berufungsgerichtes ist daher dahin abzuändern, daß die Klagsforderung zur Hälfte zu Recht besteht, die Gegenforderung aber nicht, sodaß dem Klagebegehren mit 30.000 S sA stattzugeben, das gleich hohe Mehrbegehren aber abzuweisen ist. Zur etwa fehlenden Berechtigung der Zinsen schon ab 1.5.1983 hat der Beklagte nichts eingewendet.

Bei diesem Prozeßausgang sind die Prozeßkosten aller drei Instanzen gemäß den §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO gegeneinander aufzuheben.

Anmerkung

E25168

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00591.9.0123.000

Dokumentnummer

JJT_19910123_OGH0002_0030OB00591_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten