TE OGH 1991/1/31 8Ob504/91

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Veröffentlicht am 31.01.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Günther K*****, geboren am 16. April 1975, infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters ***** 3100 St. Pölten, Heßstraße 6, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 7. November 1990, GZ R 613/90-47, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 27. September 1990, GZ 1 P 150/87-44, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der mit Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 4.7.1990, 1 P 150/87-42, für die Zeit bis 31.5.1991 gewährte monatliche Unterhaltsvorschuß ab 1.9.1990 auf S 1.800,-- herabgesetzt wird.

Text

Begründung:

Der 1975 geborene mj. Günter K***** wird im Haushalt seiner Mutter, der die Obsorge zukommt, gepflegt und erzogen. Der M***** ist besonderer Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen. Der Vater Helmut K***** ist aufgrund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 7.6.1990 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.340 ab 1.4.1990 verpflichtet.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 20.6.1988 wurden dem Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe gemäß § 3 UVG gewährt, weil eine Exekution auf das Arbeitseinkommen des Unterhaltsschuldners zur Hereinbringung von Unterhaltsrückständen erfolglos war. Der Unterhaltsvorschuß wurde mit Beschluß vom 4.7.1990 entsprechend dem Unterhaltstitel ab 1.4.1990 auf S 3.340 erhöht.

Der Unterhaltssachwalter teilte mit Schreiben vom 27.9.1990 mit, daß der Minderjährige ab 1.9.1990 als Maschinenschlosserlehrling eine Lehrlingsentschädigung von S 3.189,72 netto monatlich beziehe. Das Erstgericht setzte aufgrund dieser Mitteilung den für den Minderjährigen zu leistenden Unterhaltsvorschuß auf S 680 je Monat ab 1.9.1990 herab. Es stellte fest, daß der Minderjährige inklusive der anteiligen Sonderzahlungen eine Entschädigung von monatlich S 3.720 netto bezieht. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Meinung, daß die Selbsterhaltungsfähigkeit eines Lehrlings erst bei einem monatlichen Einkommen von S 4.400 gegeben sei. Gemäß § 7 UVG sei der Unterhaltsvorschuß auf die Differenz zwischen diesem Betrag und dem monatlichen Nettoeinkommen des Minderjährigen herabzusetzen.

Dagegen erhob der Unterhaltssachwalter Rekurs mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der monatliche Unterhaltsvorschuß nur auf S 1.800 herabgesetzt werde.

Das Rekursgericht gab diesem Rechtsmittel teilweise Folge und setzte den Unterhaltsvorschuß auf S 850 herab. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Zur Rechtsfrage führte das Rekursgericht aus, daß gemäß §§ 7 Abs.1 Z 2, 19 Abs.1 UVG die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen seien, soweit im Falle der Vorschußgewährung nach § 3 UVG gegründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht noch besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist. Lehrlingsentschädigungen seien als eigene Einkünfte im Sinne des § 140 Abs.3 ABGB anzusehen; dies jedoch nur insoweit, als sie die Berufsausbildungskosten übersteigen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß Lehrlinge in Niederösterreich pro Lehrjahr etwa 8 Wochen die Berufsschule zu besuchen hätten, im Regelfall sei eine Internatsunterbringung erforderlich. Es sei angemessen, die gesamten Berufsausbildungskosten eines Lehrlings mit S 1.000 pro Monat anzunehmen. Da erfahrungsgemäß alle Lehrlinge im Sprengel des Landesgerichtes St.Pölten etwa gleichmäßig mit Berufsausbildungskosten belastet seien, erscheine es gerechtfertigt, auch ohne entsprechende Nachweise diese Kosten mit 1.000 S zu berücksichtigen.

Die Selbsterhaltungsfähigkeit eines Lehrlings, der im Haushalt eines Elternteils betreut werde, sei dann gegeben, wenn die Lehrlingsentschädigung den statistisch errechneten Durchschnittsbedarf von Minderjährigen in der entsprechenden Altersgruppe zuzüglich der mit ca. S 1.000 zu pauschalierenden Berufsausbildungskosten übersteige. Der Durchschnittsbedarf mache bei Kindern der Altersgruppe von 15 bis 19 Jahren derzeit S 3.570 aus. Werde einem betreuenden Elternteil dieser Durchschnittsbedarf zur Verfügung gestellt, so könne er damit den gesamten finanziellen Bedarf des Minderjährigen abdecken und habe darüber hinaus nur die unmittelbare persönliche Betreuung im Rahmen der Haushaltsführung durchzuführen. Die Arbeitsleistung des betreuenden Elternteiles im Rahmen der Haushaltsführung könne nicht berücksichtigt werden, sie sei familienrechtlichen Ursprungs. Es sei sohin vom monatlichen Durchschnittsbedarf von S 3.570 die um S 1.000 reduzierte Lehrlingsentschädigung abzuziehen und der Unterhaltsvorschuß mit S 850 pro Monat festzusetzen.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ***** mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse dahingehend abzuändern, daß der gewährte Unterhaltsvorschuß ab 1.9.1990 auf monatlich S 1.800 herabgesetzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 19 Abs.1 UVG sind die Unterhaltsvorschüsse entsprechend herabzusetzen, wenn der Unterhaltsbeitrag herabgesetzt wird oder ein Fall des § 7 Abs.1 eintritt, ohne daß es zur gänzlichen Versagung der Vorschüsse käme. Gemäß § 7 Abs.1 Z 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, wenn begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgelegte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist.

Nach § 140 Abs.3 ABGB mindert sich der Anspruch auf Unterhalt insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. Alles, was dem Kind, sei es als Naturalleistung oder an Geldleistung welcher Art immer, aufgrund eines Anspruches zukommt, ist nach § 140 Abs.3 ABGB bei der Unterhaltsbemessung oder bei der Beurteilung, ob das Kind bereits selbsterhaltungsfähig ist, zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz erleidet nur insoweit eine Ausnahme, als bestimmte Einkünfte aufgrund gesetzlicher Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind. Ein gesetzliches Verbot der Anrechnung der Lehrlingsentschädigung auf den Unterhalt besteht nicht. Die Lehrlingsentschädigung fällt damit unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs.3 ABGB zu berücksichtigen sind. Sie ist, soferne sie nicht als Ausgleich für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibt, Eigeneinkommen des Kindes (JBl. 1991, 41; 3 Ob 547/90; 6 Ob 570/90; Pichler in Rummel2, Rz 11 a zu § 140).

Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind dann, wenn es die zur Deckung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel selbst erwirbt oder aufgrund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist (Schlemmer/Schwimann, ABGB, Rz 99 zu § 140). Dort, wo der zu leistende Unterhaltsbetrag wegen des Einkommens des Unterhaltspflichtigen oder der ihn treffenden Sorgepflichten verhältnismäßig gering ist, bildet entgegen den Ausführungen des Rekursgerichtes nicht der sogenannte Regelbedarf, sondern die Mindestpensionshöhe nach § 293 Abs.1 lit. a/bb und lit.b ASVG (derzeit 14mal jährlich S 5.574) eine Orientierungshilfe (3 Ob 547/90, 1 Ob 594/90, 6 Ob 570/90). Die Heranziehung nur des Regelbedarfes zur Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit würde die Beiträge jenes Unterhaltspflichtigen, welcher weiterhin den Haushalt führt und das Kind betreut, entgegen der Vorschrift des § 140 Abs.1 ABGB nicht anteilig berücksichtigen. Reichen die eigenen Einkünfte des Kindes zur vollen Deckung seiner Bedürfnisse unter Berücksichtigung des Bedürfnisses nach Betreuung nicht aus, dann kommt gemäß § 140 Abs.3 erster Halbsatz ABGB nur eine Minderung der Unterhaltsverpflichtung in Frage. Diese Minderung kann aber nicht einseitig nur demjenigen Elternteil zugutekommen, der das Kind nicht betreut, sondern es muß ein Teil des Eigenverdienstes auch dem betreuenden Elternteil zukommen. Ob dieser Elternteil von seinem Kind tatsächlich einen finanziellen Beitrag für die Betreuung fordert, ist nicht entscheidend (3 Ob 547/90).

Die rechnerische Differenz zwischen der Mindestpensionshöhe von S 6.503 pro Monat und den eigenen anzurechnenden Einkünften des minderjährigen Kindes von S 2.720 (Lehrlingsentschädigung von S 3.720 abzüglich S 1.000 an Berufsausbildungskosten) rechtfertigt eine Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse unter den Betrag von S 1.800 nicht.

Anmerkung

E25286

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00504.91.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19910131_OGH0002_0080OB00504_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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