TE OGH 1991/3/14 12Os4/91

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Veröffentlicht am 14.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.März 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred F***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Alfred F***** und Peter W***** und die diese beiden Angeklagten betreffende Berufung des Finanzamtes für Körperschaften als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. September 1990, GZ 12 f Vr 2368/89-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Alfred F***** und der Verteidiger Dr. Kaufmann und Dr. Duma, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Peter W***** zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Sämtlichen Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der ***** 1943 geborene Alfred F***** und der ***** 1946 geborene Peter W***** des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig erkannt, weil sie in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (§ 11 FinStrG) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz 1972 entsprechenden Voranmeldungen, Verkürzungen von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen und Gutschriften) bewirkt und dies für gewiß gehalten haben, indem sie solche Meldungen entweder überhaupt nicht oder mit unrichtigem, nicht sämtliche Erlöse ausweisendem Inhalt abgaben, und zwar Alfred F***** als Geschäftsführer, Peter W***** als Prokurist der Firma A***** F***** GesmbH in den Jahren 1984 bis 1987 in den im Urteil detailliert angeführten Zeiträumen im Betrage von 1,808.194 S (A 1 bis 3), sowie Alfred F***** und Peter W***** als Prokuristen der Firma M***** F***** GesmbH in den Jahren 1984 bis 1987 in den im Urteil detailliert angeführten Zeiträumen im Betrage von 1,795.005 S (B 1 bis 3).

Diese Schuldsprüche fechten beide Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden an, die sie auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit. a StPO, W***** überdies auf Z 4 leg. cit., stützen. Die Strafaussprüche bekämpfen sowohl die beiden Angeklagten als auch das Finanzamt für Körperschaften als Finanzstrafbehörde erster Instanz (kurz: Finanzamt) mit Berufungen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 14.Februar 1991, GZ 12 Os 4/91-4, zurückgewiesen.

Nach den Feststellungen verfiel Peter W*****, der bei beiden Gesellschaften als Gesamtprokurist für den gesamten kaufmännischen Bereich und die Steuergebarung zuständig war, auf den Gedanken, den Zahlungsschwierigkeiten dadurch zu begegnen, daß er die Buchhalterin Anita P***** beauftragte, entweder überhaupt keine Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben oder nur derart geringe Zahllasten zu benennen, die auch tatsächlich bezahlt werden konnten oder zu Unrecht Vorsteuerguthaben geltend zu machen. Peter W***** und Alfred F*****, der unter anderem für die Legung der Schlußrechnungen verantwortlich war, handelten mit dem Vorsatz, den ihnen bekannten Bestimmungen des § 21 UStG zuwiderzuhandeln und hielten die Verkürzung von geschuldeten Umsatzsteuerbeträgen für gewiß. F***** trug diese Vorgangsweise jedenfalls billigend mit (US 8 bis 9).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten F*****:

Diese Urteilskonstatierungen versucht der Angeklagte F***** mit seiner vermengt ausgeführten Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) mit den Hinweisen zu erschüttern, daß er von den Vorgängen um die Handhabung der Umsatzsteuervoranmeldungen nichts gewußt habe, da die Buchhalterin (seine Lebensgefährtin) allein dem Angeklagten W***** unterstellt gewesen sei und dieser noch am Tag vor der Betriebsprüfung behauptet habe, es sei ohnehin alles in Ordnung.

Mit diesen auf teilweise entlastende Aussagen der Zeugin Anita P***** in der Hauptverhandlung gestützten Einwänden unternimmt der Beschwerdeführer in Wahrheit nur den Versuch, die alle diese Verfahrensergebnisse berücksichtigende Beweiswürdigung der Tatrichter zu bekämpfen. Er vermag damit aber keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der für die subjektive Tatseite wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu erwecken (Z 5 a).

Rechtliche Beurteilung

Mit dem bloßen Hinweis auf die Möglichkeit, andere Feststellungen denkrichtig aus den Beweisergebnissen ableiten zu können, wird der Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht gesetzmäßig dargestellt. Das Gericht hat sämtliche Beweisergebnisse ausführlich und sorgfältig gewürdigt (US 13 bis 20) und ist dabei den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung entsprechend zu dem Schluß gekommen, der Beschwerdeführer sei in voller Kenntnis der regelmäßig vorgenommenen Umsatzsteuermanipulationen gewesen, wie sie seine Lebensgefährtin Anita P***** als Angestellte über Auftrag des Prokuristen Peter W***** durchführte. Auch wenn der Aufgabenbereich des Beschwerdeführers nicht die Steuergebarung umfaßte, ist die Annahme, er habe von den finanziellen Schwierigkeiten der Firma und den zu ihrer Bewältigung unternommenen Abgabenhinterziehungen gewußt, nach den Beweisergebnissen über die Betriebsstruktur gedeckt.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) bestreitet der Beschwerdeführer seine Täterschaft (§ 11 FinStrG), weil das für seine Person festgestellte Wissen um die Abgabenhinterziehung allein zur Herstellung des Tatbestandes nicht ausreiche. Er sei weder unmittelbarer Täter gewesen, noch habe er W***** zur Tat bestimmt oder zu dieser, sei es auch nur durch Bestärkung seines Vorsatzes, beigetragen. Ihm könne äußerstenfalls die (fahrlässige) Vernachlässigung seiner Pflicht zur Überwachung des Prokuristen vorgeworfen werden.

Der Beschwerdeführer übersieht bei diesem Vorbringen, daß ihn selbst als Organ bzw. Prokuristen der beiden abgabenpflichtigen Gesellschaften (§ 80 BAO) eine abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht trifft. Dies unterscheidet seine Tat von dem der in der Beschwerde zitierten Entscheidung 10 Os 39/87 zugrundeliegenden Sachverhalt. Dort traf jene Angeklagte, die vom Obersten Gerichtshof (von der Anklage des Schmuggels) freigesprochen wurde, weil bloße Mitwisserschaft und Duldung des Vorgehens anderer zur Herstellung des Tatbestandes nicht ausreiche, keine Verpflichtung zur Abwendung des Deliktserfolges. Das Gegenteil ist beim Beschwerdeführer der Fall. Seine Täterschaft liegt daher weder in der Begehungsform der Anstiftung noch in jener der Beihilfe (§ 11 zweiter und dritter Fall FinStrG) begründet, er ist vielmehr unmittelbarer Täter, der im Wissen um die mit seiner Duldung vorgenommenen Manipulationen gegen die aus § 21 UStG hervorgehenden, auch ihn als verantwortliches Organ bzw. Vertreter der beiden Firmen treffenden Erklärungspflichten selbst verstoßen hat. Soweit die Beschwerde den vom Erstgericht mängelfrei festgestellten Vorsatz des Erstangeklagten für die Bewirkung der Steuerverkürzung in der qualifizierten Form der Wissentlichkeit bestreitet, weicht sie von den sie bindenden oben wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen des Urteils ab und führt die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig aus.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten war daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W*****:

Der Beschwerdeführer hat in der Hauptverhandlung (S 229) zum Beweise dafür, daß er weder als unmittelbarer Täter noch als Beteiligter vorsätzlich, geschweige denn wissentlich eine Verkürzung der Umsatzsteuer bewirkt habe, die Einvernahme der Zeugen Peter W*****, Angelika M*****, Peter B*****, Peter S***** und N. K*****, die drei Letztgenannten auch zum Beweise dafür, daß die Buchhaltung so mangelhaft war, daß nicht einmal die Kreditwürdigkeit der Firma beurteilt werden konnte, beantragt. Das Gericht hat diese Anträge mit der in der Hauptverhandlung mündlich dargestellten, im Urteil schriftlich nachgeholten Begründung (S 254 iVm US 20 ff) abgewiesen, daß die Mangelhaftigkeit der Buchhaltung kein relevantes Beweisthema sei, zumal den Finanzprüfern (und damit auch den Angeklagten) zur Ermittlung der Umsätze von der Zeugin P***** hierüber erstellte Monatslisten zur Verfügung standen; Fehler in der Buchhaltung seien im übrigen im Verfahren nicht hervorgekommen; diesbezügliches Wissen hätte der Steuerberater B***** nach seinen in der Hauptverhandlung verlesenen Schreiben an das Gericht (ON 15, 16) nicht gehabt. Im übrigen sei das Beweisthema so unbestimmt, daß es sich bei dem Antrag um einen unzulässigen Erkundungsbeweis handle.

Entgegen der dagegen erhobenen Verfahrensrüge (Z 4) trifft diese Begründung zu. Auch nach dem Beschwerdevorbringen bleibt unklar, welche konkreten Beweisergebnisse durch die beantragten Zeugeneinvernahmen hätten erzielt werden sollen. Die Frage, weshalb die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Zeugin Anita P***** als Beteiligte an den angeklagten Finanzvergehen abgesehen hat, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen (siehe aber den Vorbehalt auf S 3 c verso); darin liegt somit kein relevantes Beweisthema. Zur Widerlegung der belastenden Aussagen der genannten Zeugin aber sind die beantragten Beweisaufnahmen von vornherein ungeeignet und es wurde auch gar nicht dargetan, inwiefern die Zeugen über die Absprachen zwischen ihr und den Angeklagten und deren Wissen über die Handhabung der Umsatzsteuervoranmeldungen informiert sein könnten. Wie das Erstgericht zutreffend hervorhob, geht es hier nicht um die Qualität der Buchhaltung an sich, sondern um die Tatsache, daß die den Angeklagten bekannten steuerpflichtigen Umsätze in erheblichem Umfang dem Finanzamt verschwiegen wurden.

Mit dem unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO erhobenen Einwand, wenn das Gericht annehme, der Beschwerdeführer sei bestrebt, die Schuld auf die Zeugin P***** abzuwälzen (US 18), so sei das Gegenteil ebenso plausibel, daß nämlich die Zeugin für ihre Fehler den Angeklagten W***** verantwortlich mache, wird kein unter Nichtigkeitssanktion stehender Begründungsmangel dargestellt. Die Zweifel an der unmittelbar anschließend vom Gericht gegebenen Begründung hiefür, aus dem persönlichen Eindruck, der von der Zeugin gewonnen wurde, ergäbe sich, daß ihr eine wahrheitswidrige Belastung des Beschwerdeführers nicht zuzutrauen sei, sind wieder nichts anderes als eine im Rahmen dieses Nichtigkeitsgrundes unzulässige Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.

Dies gilt auch für die anschließende Darstellung der Tatsachenrüge (Z 5 a), die sich auf die Verfahrensrüge beruft und überdies behauptet, das Gericht habe seine Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung vernachlässigt, ohne auch nur anzuführen, welche weiteren nicht schon im Rahmen der Verfahrensrüge behandelten Beweismittel unausgeschöpft blieben. Das Vorbringen, es sei sehr wahrscheinlich, daß die Verantwortung des Beschwerdeführers richtig und die sie widerlegende Aussage einer Zeugin, der vom Gericht voller Glaube geschenkt worden ist, unrichtig sei, ist jedenfalls nicht geeignet, erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen hervorzurufen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a), die unter Außerachtlassung der Urteilsfeststellungen und Vernachlässigung der ganz anderen Sachlage im Falle des freigesprochenen Mitangeklagten L***** meint, ebenso wie dieser hätte auch der (mit der Steuergebarung unmittelbar befaßte) Beschwerdeführer freigesprochen werden müssen, entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung.

Es war daher auch die Beschwerde dieses Angeklagten zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verhängte über die beiden Angeklagten gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG (zweifacher Verkürzungsbetrag 7,206.732 S) Geldstrafen, und zwar über F***** 800.000 S (zwei Monate Ersatzfreiheitsstrafe) und über W***** 1,000.000 S (zweieinhalb Monate Ersatzfreiheitsstrafe) und begründete diese Abstufung neben den unterschiedlichen Strafzumessungsgründen auch mit der aktiveren Rolle W*****. Bei beiden Angeklagten wurden die Wiederholung der Tathandlungen, bei W***** überdies seine finanzstrafrechtliche Vorbelastung als erschwerend gewertet, während bei F***** die bisherige Unbescholtenheit, bei W***** nichts als mildernd berücksichtigt wurde.

Beide Angeklagten beantragen mit ihren Berufungen die Herabsetzung der Geldstrafen unter gleichzeitiger Gewährung (teil-)bedingter Strafnachsicht. Das Finanzamt stellte bei der Berufungsanmeldung (ON 36) keinen Berufungsantrag und unterließ es auch, ihr Rechtsmittel schriftlich oder mündlich auszuführen; gleichwohl ist darüber materiell zu entscheiden, weil das Gericht nur eine (Geld-)Strafe ausgesprochen hat (§ 294 Abs. 2 StPO).

Entgegen den Ausführungen des Angeklagten F***** kann bei ihm, den als Organ bzw. Prokuristen die Mitverantwortung für die Einhaltung der abgabenrechtlichen Pflichten traf, von einer untergeordneten Beteiligung nicht gesprochen werden. Er wurde in der Vergangenheit auch bereits dreimal wegen der (spezifisch einschlägigen) Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG bestraft, sodaß die im untersten Bereich des Strafrahmens ausgemessene Geldstrafe keinesfalls überhöht erscheint und in spezialpräventiver Hinsicht die Voraussetzungen für eine (auch nur teilweise) bedingte Strafnachsicht nicht gegeben sind. Noch mehr trifft dies auf den Berufungswerber W***** zu, der eine im gerichtlichen Finanzstrafverfahren sehr wohl als einschlägige Vorstrafe zu wertende Vorverurteilung wegen § 34 Abs. 1 FinStrG aufweist und innerbetrieblich primär für die Steuergebarung zuständig war, sodaß dem Erstgericht auch nicht entgegengetreten werden kann, wenn es bei ihm die Geldstrafe etwas höher ausmaß.

Es war daher den Berufungen der beiden Angeklagten der Erfolg zu versagen.

Es bestand aber andererseits auch keine Veranlassung, einer vom Finanzamt offensichtlich angestrebten Straferhöhung näherzutreten, zumal sich aus den Strafzumessungsgründen die Notwendigkeit einer Strafschärfung nicht ergibt und das Finanzamt selbst sein Berufungsbegehren nicht konkretisierte.

Es war daher allen Berufungen der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E25534

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00004.91.0314.000

Dokumentnummer

JJT_19910314_OGH0002_0120OS00004_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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