TE OGH 1991/4/25 12Os145/90

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Veröffentlicht am 25.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.April 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Astrid S***** wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 5.September 1990, AZ 7 Bs 340/90, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird verworfen.

Text

                              Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8.Juni 1990,

GZ 37 Vr 490/90-14, wurde Astrid S***** unter anderem vom

Vorwurf, am 31.März 1989 vor dem Bezirksgericht (Innsbruck)

anläßlich der Ablegung des Offenbarungseides zu 24 E 6435/88

durch die eidliche Angabe, Hausfrau zu sein und von ihren Eltern

und Freunden zu leben, einen in den Gesetzen vorgeschriebenen Eid

vor Gericht falsch geschworen und hiedurch das Verbrechen der

falschen Beweisaussage (vor Gericht) nach § 288 Abs. 1 und 2 StGB

begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der

Einzelrichter stellte zwar fest, daß die Angeklagte, welche

Ansprüche aus selbständiger Erwerbstätigkeit verneint hatte

(Punkt A.4. des Vermögensverzeichnisses), "bewußt falsch als

Beruf Hausfrau statt richtig Prostituierte" und "ebenso ......

fälschlich angegeben (habe), daß sie von Eltern und Freunden

lebt, statt richtig vom Schandlohn" (US 4, 5), vertrat aber den

Standpunkt, daß die Angeklagte "bei diesen falschen Angaben

...... das letztlich nur die betreibende Partei interessierende

Vermögen nicht verheimlicht und verschleiert hat" (US 7).

Das Oberlandesgericht Innsbruck hob in Stattgebung der Nichtigkeitsberufung der Staatsanwaltschaft diesen Freispruch mit Urteil vom 5.September 1990, AZ 7 Bs 340/90, auf und erkannte Astrid S***** des Verbrechens der falschen Beweisaussage (vor Gericht) nach § 288 Abs. 2 StGB im wesentlichen mit der Begründung schuldig, daß die inkriminierten falsch beschworenen Angaben "für die Einbringlichmachung einer Forderung relevant sein können" und es nicht darauf ankomme, "ob ein betreibender Gläubiger es nun auf sich nimmt, die Einbringung einer Forderung etwa durch Taschenpfändung der Prostituierten im Bordell zu versuchen" (US 7).

Nach Ansicht des Generalprokurators widerspricht der in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck vertretene Rechtsstandpunkt dem Gesetz. Die in der dagegen gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde eingeschlagene Argumentationslinie - die weitgehend mit der vom Landesgericht Innsbruck zum Ausdruck gebrachte Meinung parallel läuft - läßt sich dahin zusammenfassen, daß ein auf der Grundlage des § 47 Abs. 2 EO abgelegter Falscheid nur dann den Tatbestand nach § 288 Abs. 2 StGB erfülle, wenn er sich auf Vermögensbestandteile oder Forderungen, also auf Exekutionsobjekte beziehe, auf die der Gläubiger bisher nicht greifen konnte, weil sie ihm noch unbekannt waren. Die inkriminierte Verschweigung einer Tätigkeit als Prostituierte werde diesem Erfordernis aber nicht gerecht, zumal Angaben über eine selbständige Erwerbstätigkeit nur insoweit geboten seien, als dem Gläubiger hiedurch der Zugriff auf ein Exekutionsobjekt (Unternehmen, Recht, Forderung etc.) ermöglicht werde (EvBl. 1985/66 = JBl. 1985, 508). Mit der Ausübung der Prostitution (als selbständiger Erwerbstätigkeit im weiteren Sinn) schon als solche verbundene Exekutionsobjekte im angeführten Sinn kämen bei der gegebenen Fallgestaltung von vornherein jedoch nicht in Frage; zum Zeitpunkt der Ablegung des Offenbarungseides allenfalls noch offene Forderungen gegen Kunden wiederum unterlägen im Hinblick auf ihre mangelnde Einklagbarkeit (§ 879 Abs. 1 ABGB) ebensowenig dem exekutiven Zugriff wie möglicherweise zu erwartende künftige Einnahmen. Daraus folge, daß die Falschangaben der Angeklagten von dem im § 47 Abs. 2 EO normierten Gebot und demzufolge auch von der Strafbestimmung des § 288 Abs. 2 StGB gar nicht erfaßt gewesen seien.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Ausgehend von dem auch in der Beschwerde betonten Zweck des

Offenbarungseides - Bekanntwerden von Exekutionsobjekten, auf die

der Gläubiger bisher nicht greifen konnte, weil sie ihm noch

unbekannt waren - erscheint dem Obersten Gerichtshof der in der

Beschwerde vertretene Vermögens- und Forderungsbegriff zu eng,

weil geeignet, den Kreis möglicher Exekutionsobjekte in

unvertretbarer und mit der gegebenen Zielsetzung des Eides

unvereinbarer Weise zu reduzieren und die Gläubigerrechte

gegenüber jenen selbständig Erwerbstätigen, die - wie etwa

Fensterputzer, Taglöhner, Masseure und eben Prostitutierte

(VwGHSlg 5758 (F)) - Bargeschäfte zu tätigen und durch ihre

Dienstleistungen keine Forderungen zu erwerben pflegen, auf die

Exekution geführt werden könnte, in einer Weise zu verkürzen, die

mit dem Gesetzeszweck nicht in Einklang zu bringen ist. Besteht

doch erfahrungsgemäß bei diesem Personenkreis, bei dem pfändbare

Vermögensobjekte oft nicht sind, für den betreibenden Gläubiger

die einzige realistisch in Betracht kommende Möglichkeit, seine

Forderung zu befriedigen, darin, zunächst von der Art der

Beschäftigung des Schuldners Kenntnis zu erlangen, um dann - wie das Oberlandesgericht Innsbruck zutreffend erkannte - auf die Bareinnahmen im Wege von Taschen- und Kassenpfändung greifen zu können.

Unter diesem Blickwinkel sind die im EForm 165 enthaltenen und unter Eid zu beantwortenden Fragen nach der "Beschäftigung" und nach "Ansprüchen aus selbständiger Erwerbstätigkeit" (Punkt 4) als funktionale Einheit zu betrachten und muß dabei - wie überall, wo es im Strafrecht um "Vermögen" im weiteren Sinne geht - der Begriff "Ansprüche" über den zu engen juristischen Bedeutungsinhalt hinaus im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch auf potentielle, aus der Beschäftigung resultierende Bareinnahmen bezogen werden, um die es im Kern übrigens wohl auch bei den "Ansprüchen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit" (Punkt 1 des Formblattes) geht, weil die Verpflichteten bei der fälschlichen Verneinung dieser Frage gewiß auch dann strafrechtlich haftbar wären, wenn im Zeitpunkt der Eidesleistung gerade keine "Ansprüche" gegen den Dienstgeber bestanden, weil etwa der Wochenlohn schon bezogen wurde oder infolge von Bezugsvorschüssen überhaupt keine Forderung gegenüber dem Arbeitgeber bestand.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher durch die vorliegende Wahrungsbeschwerde nicht veranlaßt, von der in der österreichischen und (bei durchaus vergleichbarer Ausgangslage;

siehe §§ 807 d ZPO, 156 d StGB) deutschen Lehre (Pallin in WK, § 288 Rz 21; Leukauf-Steininger, Komm.2 § 288 RN 25;

Schönke-Schröder23 § 156 Nr. 22 und 28; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht10 S 697) und Rechtsprechung (LSK 1978/340; JNW 1958, 677 f) vertretenen Ansicht abzugehen, wonach auch das Verschweigen einer Erwerbstätigkeit oder des richtigen Berufes, durch einen falschen Eid vor Gericht beschworen, den Tatbestand nach § 288 Abs. 2 StGB erfüllen kann, sofern diese persönlichen Verhältnisse bei der gegebenen Sachlage - wie hier - für die Vollstreckung von Belang sind.

Der Beschwerde mußte mithin ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E25860

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00145.9.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19910425_OGH0002_0120OS00145_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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