TE OGH 1991/4/30 5Ob8/91

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Veröffentlicht am 30.04.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "F*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Roland N*****, vertreten durch Dr. Wilfried Gussenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 51.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Oktober 1990, GZ 45 R 617/90-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 19. März 1990, GZ 4 C 3122/89-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution die mit S 4.077,-- (darin enthalten S 679,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Verwalterin des Wohnungseigentumsobjektes in ***** Wien, G*****gasse 14, an dem der Beklagte als Wohnungseigentümer mit dem ausschließlichen Nutzungsrecht an der Wohnung Nr.5 beteiligt ist. Sie hat über Weisung des in allen Kauf- und Wohnungseigentumsverträgen vorgesehenen Verwaltungsbeirates, dessen Bestellung vereinbarungsgemäß erfolgte, Maßnahmen zur "Heizkostenumstellung" (gemeint ist möglicherweise die Umstellung des Heizsystems), Fenstersanierung, Erneuerung der Portale, Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen und Vermietung der Hausbesorgerwohnung gesetzt, deren Zweckmäßigkeit und ordnungsgemäße Durchführung vom Beklagten in Frage gestellt wird. Er hat von den ihm seit Anfang April 1986 vorgeschriebenen "Beiträgen" insgesamt S 76.951,39 nicht bezahlt.

Die Klägerin begehrt nunmehr die Bezahlung dieser "Wohnbeiträge", die sich nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Streitverhandlung vom 31.1.1990 (ON 35, s. aber auch den im Zuge der Neuverhandlung nicht mehr vorgetragenen Schriftsatz ON 9) aus anteiligen Instandhaltungskosten, Betriebskosten, Verwaltungskosten, Aufzugskosten und Heizkosten zusammensetzen. Unter den Verwaltungskosten ist offensichtlich das von der Klägerin beanspruchte Honorar zu verstehen (vgl. AS 11).

Diesem Begehren hat der Beklagte zuletzt entgegengehalten, "daß die Klägerin bei der Durchführung der genannten Maßnahmen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt habe". Ihm sei dadurch ein den Klagsbetrag übersteigender Schaden entstanden, den er bis zur Höhe der Klagsforderung aufrechnungsweise geltend mache. Konkret führte der Beklagte dazu aus, daß der Wohnungseigentumsgemeinschaft durch einen ungünstigen Fernwärmeliefervertrag ein Nachteil von jährlich S 1 Mio entstehe, daß bei der Auftragsvergabe zur Fenstersanierung ungenügende Kostenvoranschläge eingeholt worden seien und nicht der Bestbieter den Zuschlag erhalten habe, daß die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen im Zusammenhang mit der Portalsanierung verabsäumt worden sei und daß die Wohnungseigentümer durch die verspätete Weitervermietung der Hausbesorgerwohnung einen Schaden von mindestens S 20.000,-- erlitten hätten. Der Beklagte beantragte daher die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens.

Die Klägerin bestritt die vom Beklagten geltend gemachte Gegenforderung u.a. mit dem Hinweis, an die Weisungen des Verwaltungsbeirats gebunden gewesen zu sein. Daraufhin stellte der Beklagte den Zwischenantrag auf Feststellung, daß dem Verwaltungsbeirat im Bezug auf Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung kein wie immer geartetes Weisungsrecht gegenüber der Klägerin zustehe. Die Bedeutung dieser Feststellung reiche über den gegenständlichen Rechtsstreit hinaus, da der Verwaltungsbeirat ja noch immer tätig sei.

Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf dieses Feststellungsbegehren ein und wies es mit Zwischenurteil ab. Die hiefür maßgeblichen Feststellungen sind (mit einigen Ergänzungen durch das Berufungsgericht) dem vorliegenden Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag (Beilage A) entnommen, der dem jeweils auf vier Jahre gewählten Verwaltungsbeirat die Wahrnehmung von Mehrheitsbefugnissen in Angelegenheiten der ordentlichen Liegenschaftsverwaltung überträgt. Die Details dieser Regelung (Vertragspunkte XVI bis XXII) sind für die Revisionsentscheidung nicht relevant.

Das Erstgericht erblickte darin ein vom Gesetzgeber gebilligtes Modell für die indirekte Mitwirkung der Wohnungseigentümer an Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung, um die es hier in jedem Einzelfall gehe. Durch die ausdrückliche Bevollmächtigung des von ihnen zu wählenden Verwaltungsbeirates, alle normalen laufenden Entscheidungen für sie zu treffen und dem Verwalter Weisungen zu erteilen, hätten sich die Wohnungseigentümer selbst gebunden. Sie selbst seien zur Ausübung von Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen der ordentlichen Verwaltung nicht (mehr) berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgenstandes S 50.000,-- übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Es prüfte zunächst die Zulässigkeit des vom Beklagten erhobenen Zwischenantrags auf Feststellung und gelangte zu dem Schluß, daß dem Begehren zumindest Teilpräjudizialität für die Entscheidung über den Hauptanspruch und die Gegenforderung nicht abgesprochen werden könne, weil die Bejahung oder Verneinung eines Weisungsrechts des Verwaltungsbeirats sowohl die Haftungssituation des Verwalters als auch die Zahlungspflicht der einzelnen Wohnungseigentümer für die aus dem Vollzug einer Weisung entstandenen Kosten beeinflusse. Die Rechtskraftwirkung der begehrten Entscheidung gehe auch über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus, weil die auf dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag beruhende Weisungsbefugnis des Verwaltungsbeirats das Rechtsverhältnis der Streitteile auch in Zukunft gestalten werde. Schließlich betreffe das Feststellungsbegehren keine in das Außerstreitverfahren verwiesene Angelegenheit, insbesondere liege kein Fall des § 26 Abs 1 Z 3 oder 4 WEG 1975 vor. Mit der Streiteinlassung der Klägerin in den mit S 51.000,-- bewerteten Zwischenantrag auf Feststellung sei in sinngemäßer Anwendung des § 104 Abs 3 JN die sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichts geheilt, sodaß alle Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Feststellungsbegehren vorlägen.

In der Sache selbst widersprach das Berufungsgericht dem Argument des Beklagten, die Vertretungsbefugnis des Verwaltungsbeirats sei durch das WEG 1975 überholt. Das WEG 1975 verweise nämlich in § 14 Abs 1 - ähnlich wie früher § 8 Abs 3 WEG 1948 - bezüglich der Verwaltung der Liegenschaft auf das 16.Hauptstück des ABGB und treffe dann - teils zur Klarstellung, teils zum Schutz der Wohnungseigentümer - nur in Einzelfällen besondere Regelungen (SZ 51/115). Die Einrichtung eines Verwaltungsbeirates durch die Wohnungseigentümer mit den hier zur Diskussion stehenden Agenden stelle keinen solchen Ausnahmefall dar. Der Gesetzgeber des WEG 1975 (das gemäß § 29 Abs 2 WEG auch im gegenständlichen Fall anzuwenden sei, obwohl der Vertragsabschluß bereits 1965 erfolgte) habe bewußt davon abgesehen, über die schon im

16. Hauptstück des ABGB vorgesehenen Organisationsformen der Verwaltung hinaus weitere Organe zu schaffen, weil er die Einrichtung von Willensbildungsorganen der Wohnungseigentümer nicht behindern oder gar ausschließen wollte. Insoweit könne auf die Beratungsergebnisse der Projektgruppe "Wohnungseigentumsgesetz" zurückgegriffen werden, die als gesetzgeberische Ziele erkennen ließen, eine auch für große Wohnungseigentumsanlagen praktikable Organisationsform für die Mitwirkung der Wohnungseigentümer zu ermöglichen und aus Gründen der Privatautonomie keine Mitwirkungsmodelle zu verhindern, die von den Wohnungseigentümern selbst geschaffen wurden. Von einer Durchbrechung des in § 17 Abs 2 WEG 1975 verankerten Mehrheitsprinzips und einer "vollkommenen Entrechtung" der Wohnungseigentümer könne gerade im gegenständlichen Fall keine Rede sein. Der Verwaltungsbeirat stelle nämlich ein demokratisch gewähltes Willensbildungsorgan dar, das den Willen der Mehrheit repräsentiere und auch nicht im Widerspruch zu § 24 Abs 1 WEG 1975 stehe, insbesondere nicht zu Z 2 leg. cit., die einen völlig anderen Regelungsinhalt habe. Den Bestimmungen des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages zum Verwaltungsbeirat sei daher durch das WEG 1975 nicht derogiert worden, weil sich das der Mehrheit der Wohnungseigentümer zustehende Weisungsrecht in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung auch durch ein von den Wohnungseigentümern privatautonom eingerichtetes Repräsentationsorgan zur Willensbildung ausüben lasse. Ob alle hier zu erörternden Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung des Wohnungseigentumsobjekts zuzuordnen seien, etwa auch die Umstellung der Heizung, könne dahingestellt bleiben, weil jedenfalls einige dazugehörten. Auch das Problem, ob die Klägerin die Weisungen des Verwaltungsbeirates ungeprüft oder gar gegen die Interessen der Wohnungseigentümer zu vollziehen hatte, stehe noch nicht zur Entscheidung an.

Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß es eine vom Obersten Gerichtshof offensichtlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob die Wohnungseigentümer berechtigt sind, das von § 17 Abs 2 WEG 1975 der Mehrheit eingeräumte Weisungsrecht gegenüber dem Verwalter auf ein Repräsentationsorgan zu übertragen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte fristgerecht Revision mit dem Antrag erhoben, es ersatzlos aufzuheben und im Sinne des seinerzeit gestellten Zwischenantrags auf Feststellung zu erkennen. Von der Klägerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Bestätigung des Berufungsurteils vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen das Problem der Sachlegitimation für das streitgegenständliche Feststellungsbegehren verkannt haben; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Vollmacht des Verwaltungsbeirates, die Mehrheit der Wohnungseigentümer in Angelegenheiten der ordentlichen Liegenschaftsverwaltung zu vertreten, gründet sich auf den Abschluß gleichlautender Kauf- und Wohnungseigentumsverträge durch die nunmehrigen Teilhaber der Gemeinschaft. Eine solche Gemeinschaftsordnung schafft gegenseitige Rechte und Pflichten aller Gemeinschaftsmitglieder (vgl 5 Ob 52/89), weshalb die Feststellung oder Gestaltung dieses Rechtsverhältnisses zwangsläufig die Rechtsposition jedes einzelnen Teilhabers erfaßt.

Im Streit um derartige Gemeinschaftsrechte bilden demnach sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer eine notwendige Streitgenossenschaft iS des § 14 ZPO; alle müssen - entweder als Kläger oder Beklagte - Parteistellung einnehmen (MietSlg 20.676 und 25.516; SZ 47/93; SZ 54/55 ua, zuletzt 5 Ob 1004/85 und 5 Ob 72/89). Diese Konsequenz ergibt sich insbesondere dann, wenn die Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen heraufbeschwören würde und die Rechtssicherheit nur durch eine einheitliche Entscheidung gewahrt werden kann (vgl SZ 51/4 mwN).

Im gegenständlichen Fall zielt das Begehren des Beklagten auf die Feststellung der Unverbindlichkeit von Weisungen des Verwaltungsbeirates in Angelegenheiten der ordentlichen Liegenschaftsverwaltung. Es geht dabei nicht nur um eine Vorfragenentscheidung zur Überprüfung der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung; das Urteil über das Feststellungsbegehren des Beklagten würde vielmehr in Rechtskraft erwachsen, weil insoweit kein Unterschied zwischen einer Klage nach § 228 ZPO und einem Antrag nach §§ 259 Abs 2, 236 ZPO besteht (5 Ob 339/63 ua, zuletzt 1 Ob 693/89). Das wiederum könnte unlösbare Verwicklungen - vor allem für die Klägerin - zur Folge haben, da andere Wohnungseigentümer, auf die sich die Rechtskraft einer Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag mangels Verfahrensbeteiligung nicht erstrecken würde (vgl Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 1524, 1530), nicht daran gehindert wären, ihrerseits ein Feststellungsurteil über die Verbindlichkeit von Weisungen des Verwaltungsbeirats zu erwirken (vgl JBl 1965, 89; 5 Ob 72/89). Divergierende Entscheidungen würden dann genau jene Rechtsunsicherheit hervorrufen, die § 14 ZPO mit dem Zwang zur Streitgenossenschaft im Streit um gemeinschaftliche Rechtsverhältnisse vermeiden will. Auch im gegenständlichen Fall müßte daher der Beklagte den Rechtsstreit um die Feststellung der Vertretungsmacht des Verwaltungsbeirats mit allen übrigen Parteien des Wohnungseigentumsvertrages führen (oder gegen sie). Ohne deren Beteiligung könnte sein diesbezügliches Vorbringen nur als Vorfrage für den Rechtsbestand der aufrechnungsweise eingewendeten Schadenersatzforderung geprüft werden, weil eine solche Vorfragenentscheidung nicht in Rechtskraft erwächst (Fasching aaO, Rz 1520).

Damit fehlt im vorliegenden Rechtsstreit zwischen dem Beklagten und der Verwalterin des Wohnungseigentumsobjekts die (aktive oder passive) Sachlegitimation für das erhobene Feststellungsbegehren. Dieser Mangel ist im Rahmen einer umfassenden rechtlichen Beurteilung des Streitfalls von Amts wegen zu beachten, wenn er sich aus dem Vorbringen der Parteien oder aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt (vgl JBl 1965, 89; 7 Ob 624/88), und führt zur Abweisung des Urteilsantrages (Fasching aaO, Rz 345; 5 Ob 52/89; 5 Ob 72/89).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden, ohne daß (im Verfahren über den Zwischenfeststellungsantrag) zu der Frage Stellung zu nehmen war, ob dem Verwaltungsbeirat im Bezug auf Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung ein Weisungsrecht gegenüber der Klägerin zustehe.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E25961

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00008.91.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19910430_OGH0002_0050OB00008_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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