TE OGH 1991/6/20 12Os64/91

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Veröffentlicht am 20.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juni 1991 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Glatz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Arpad K***** und andere wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 28. August 1990, GZ U 264/90-4, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Stöger, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 28.August 1990, GZ U 264/90-4, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 127 StGB.

Gemäß §§ 292 letzter Satz, 288 Abs. 2 Z 1 StPO wird dieses Urteil zur Gänze aufgehoben und dem Bezirksgericht Fürstenfeld aufgetragen, dem Gesetz gemäß zu verfahren.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 28.August 1990, GZ U 264/90-4, wurden der ***** ***** 1955 geborene Autobuschauffeur Arpad K*****, der ***** 1957 geborene Autoelektriker Gabor Z***** sowie der ***** 1973 geborene Schüler Kalman K***** des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und Arpad K***** und Gabor Z***** hiefür zu einer jeweils gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von (je) zwei Wochen verurteilt. Bei dem jugendlichen Kalman K***** wurde gemäß dem § 13 Abs. 1 JGG 1988 der Strafausspruch für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Nach dem Inhalt dieses Schuldspruches liegt den vorgenannten drei ungarischen Staatsbürgern zur Last, am 22.August 1990 in P*****, Steiermark, dem Walter L***** eine Anhängekupplung im Werte von S 500,-- mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen zu haben. Diesem - infolge des in der Hauptverhandlung unmittelbar nach der Urteilsverkündung von den drei Beschuldigten ohne Beisein eines Verteidigers abgegebenen Rechtsmittelverzichtes - sogleich in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch legte das Bezirksgericht Feldbach die auf das Eingeständnis der drei Beschuldigten gestützte Feststellung zugrunde, daß sie am 22.August 1990 nach einem längeren (rund dreistündigen) Aufenthalt auf dem Lagerplatz des Autoverwertungsunternehmens des Walter L***** nach Mitnahme eines ihnen von Walter L***** geschenkten Rückspiegels auf der Weiterfahrt mit dem (von Arpad K***** gelenkten) PKW etwa 100 m nach dem vorerwähnten Lagerplatz kurz anhielten, eine dort im Gras neben der Straße liegende Anhängevorrichtung im Werte von etwa S 500,-- in den Anhänger des von ihnen benützten PKWs verluden und damit zum Grenzübergang Heiligenkreuz weiterfuhren (S 35).

Dieser urteilsmäßig festgestellte Sachverhalt ist für den vom Bezirksgericht Feldbach ausgesprochenen Schuldspruch der drei Beschuldigten wegen Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 StGB nicht tragfähig und steht daher - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt - mit dieser Gesetzesstelle nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Die drei Beschuldigten haben sich zwar in der Hauptverhandlung formell für schuldig bekannt, jedoch ein Diebstahlsvorhaben ausdrücklich in Abrede gestellt und sich übereinstimmend damit verantwortet, der Meinung gewesen zu sein, die im Gras neben der Straße liegende (alte) Anhängekupplung sei weggeworfen worden und herrenlos gewesen (S 32). Angesichts dieser sinngemäß auch schon vor der Gendarmerie vorgebrachten Verantwortung (vgl S 19, 21 und 23) kann inhaltlich von einem Schuldeingeständnis der Verurteilten keine Rede sein. Zu dem in der Gendarmerieanzeige geäußerten, aber durch keine weiteren Beweise erhärteten Verdacht, die drei Verurteilten könnten während ihres längeren Aufenthaltes am 22.August 1990 auf dem Lagerplatz des Walter L***** (im einverständlichen Zusammenwirken) diese Anhängekupplung von einem dort gelagerten PKW (-Wrack) abmontiert, aus diesem Lagerplatz verbracht und in dessen Nähe neben der Straße zum Weitertransport bereitgelegt haben (vgl S 3), finden sich im Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach keine Feststellungen; es hat vielmehr eine solche Fallkonstellation nach der im wesentlichen bloß auf das "Geständnis" der drei Verurteilten gestützten Sachverhaltsfeststellung ersichtlich nicht als erwiesen angenommen. Angesichts der - der Sache nach ein strafbares Verhalten überhaupt in Abrede stellenden - Verantwortung der Verurteilten in der Hauptverhandlung (aber auch schon im Vorverfahren) reicht allein die Urteilsfeststellung, sie hätten eine neben der Straße im Gras liegende Anhängevorrichtung im Werte von etwa S 500,-- in ihren PKW (-Anhänger) verladen und seien damit weggefahren, schon in objektiver Beziehung weder für den Schuldspruch wegen Vergehens des Diebstahls noch für eine allfällige Tatbeurteilung wegen Vergehens der Unterschlagung im Sinne des § 134 Abs. 1, erster Fall StGB (durch Zueignung einer gefundenen Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz) aus, weil Urteilsfeststellungen darüber fehlen, ob sich das Tatobjekt im Tatzeitpunkt überhaupt im Gewahrsam einer anderen Person oder allenfalls in niemandes Gewahrsam befunden hat (was für die Abgrenzung des Tatbildes des Diebstahls von jenem der sogenannten Fundunterschlagung im Sinne des § 134 Abs. 1, erster Fall StGB entscheidend wäre). Unter Berücksichtigung der - vom Bezirksgericht Feldbach ausdrücklich als Feststellungsgrundlage herangezogenen und in dessen verurteilendem Erkenntnis sogar unter der Bezeichnung "reumütiges Geständnis" als Milderungsgrund gewerteten (vgl S 37 und 39) - Verantwortung der drei Verurteilten, derzufolge sie die gegenständliche Anhängevorrichtung für eine weggeworfene (derelinquierte) und demnach herrenlose Sache gehalten haben, käme - unter der Voraussetzung der Glaubwüdigkeit dieser Verantwortung - ein Schuldspruch weder wegen Diebstahls noch wegen Unterschlagung in Betracht (Leukauf-Steininger StGB2; RN 15, 17 und 19 zu § 127 StGB; Kienapfel, Grundriß2, BT II, RN 16, 23, 37 und 49 zu § 134 StGB sowie RN 39, 41, 191 und 193 zu § 127 StGB). Zu dieser, die subjektive Tatseite betreffenden Verantwortung fehlt im Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach jede Feststellung, die aber nach dem Vorgesagten geboten gewesen wäre, weil sie für die Beurteilung der Strafbarkeit des nach den Urteilsfeststellungen (objektiv) von den drei Verurteilten verwirklichten Sachverhaltes von entscheidungswesentlicher Bedeutung wäre.

Im Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach fehlt aber auch eine Feststellung über ein bewußtes und gewolltes (einverständliches) Zusammenwirken der drei Verurteilten bei der ihnen angelasteten Wegnahme der Anhängekupplung. Nähere Feststellungen hiezu wären vor allem hinsichtlich des Beschuldigten Kalman K***** erforderlich gewesen, hat sich doch dieser zufolge seiner - auch insoweit im Einklang mit der Darstellung der beiden Mitbeschuldigten Arpad K***** und Gabor Z***** vor der Gendarmerie stehenden (vgl S 19 und 23) - Verantwortung (vor der Gendarmerie) bei der Aneignung dieser Anhängekupplung aktiv gar nicht beteiligt, sondern bloß die Rolle eines Zusehers an dem von den drei Verurteilten vor der Gendarmerie übereinstimmend geschilderten Tatgeschehens eingenommen (darnach ist Arpad K***** als PKW-Lenker über Aufforderung des Gabor Z***** mit dem Fahrzeug stehen geblieben, Gabor Z***** hat die neben der Straße im Gras liegende Anhängekupplung auf den PKW-Anhänger verladen, worauf Arpad K***** die Fahrt in Richtung ungarische Grenze fortgesetzt hat).

Allein die bloße Anwesenheit einer Person am Tatort reicht weder zur Annahme einer Mittäterschaft noch einer Beitragstäterschaft im Sinne des § 12 erster oder dritter Fall StGB aus. Denn Mittäterschaft setzt eine einverständliche Mitwirkung an der Tat in deren Ausführungsphase durch eine Ausführungshandlung voraus (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 10 und 11 zu § 12 StGB; Kienapfel, Strafrecht, Allgemeiner Teil4, S 172, E 3, RN 5). Ein sonstiger Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB erfordert eine sonstige (also nicht in einer Ausführungshandlung bestehende) Förderung der Tatausführung, die aber zur Tat in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, also bei der Tatausführung konkret wirksam geworden sein muß (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 39 zu § 12 StGB; Kienapfel wo, S 191 E 5, RN 10). Hingegen reicht das bloße Wissen um ein bestimmtes deliktisches Vorhaben eines anderen oder das bloße Dabeisein beim Tatgeschehen für die Annahme einer der in § 12 StGB angeführten Beteiligungsformen nicht aus (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 11 zu § 12 StGB; Kienapfel, wo S 192, E 5, RN 18).

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß das Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 28.August 1990 mit gravierenden Feststellungsmängeln (§ 468 Abs. 1 Z 4 StPO iVm § 281 Abs. 1 Z 9 lit a und 10 StPO) behaftet ist, die einer abschließenden rechtlichen Beurteilung entgegenstehen und sich - unter Zugrundelegung des (mangelhaft) festgestellten

Sachverhaltes - zum Nachteil der Angeklagten auswirken.

Insoweit war der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß stattzugeben. Jedoch vermochte der Oberste Gerichtshof der weiteren Antragstellung, sofort einen Freispruch aus dem Grund des § 42 StGB zu fällen, aus nachfolgenden Erwägungen nicht zu folgen:

Es trifft zwar zu, daß es für einen Freispruch wegen mangelnder Strafwürdigkeit (§ 42 StGB) nicht der Feststellung eines strafbaren Verhaltens und des Nachweises der Schuld bedarf, sondern genügender Tatverdacht ausreicht, jedoch muß die Verdachtslage so konkretisiert sein, daß, obgleich verschiedene Sachverhaltsvarianten offen bleiben, in jedem Fall die kumulativen Voraussetzungen dieses Strafausschließungsgrundes vorliegen.

Geringe Schuld im Sinn des § 42 Z 1 StGB liegt aber nach ständiger Rechtsprechung (vgl etwa EvBl 1989/171 und die dort zitierte Judikatur) nur vor, wenn diese sowohl absolut wie auch im Vergleich zu den typischen Fällen des Deliktes als geringfügig zu werten ist. Das tatbildmäßige Verhalten muß im konkreten Fall hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleiben, wobei auch die besonderen Eigenschaften des (der) Täter(s) und die Umstände der Tatbegehung in den Vordergrund gerückt werden müssen.

Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem Akt (auch) der Verdacht, daß die drei Beschuldigten im bewußten und gewollten Zusammenwirken unter Ausnützung ihrer aus vorangegangenen Besuchen stammenden Ortskenntnisse einen unbeobachteten Zeitraum (während der Mittagspause) ausgenützt haben, um die Anhängevorrichtung abzumontieren und in der Nähe des Lagerplatzes zum späteren Abtransport zu deponieren. Eine derartige gezielte, von vornherein geplante, im arbeitsteiligen Verfahren durchgeführte Diebsaktion könnte - abgesehen von generalpräventiven Bedenken - wohl nicht ohneweiters als geringe Schuld (vgl § 32 Abs. 3 StGB) gesehen werden.

Es war daher das Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach aufzuheben und (wegen dessen Besetzung mit nur einem Richter) dem Bezirksgericht Fürstenfeld aufzutragen, zunächst den Sachverhalt näher zu erheben - konnte Walter L***** nachträglich feststellen, daß die Anhängevorrichtung von einem bei ihm abgestellten Fahrzeug abmontiert wurde ? - und sodann (auch unter Einbeziehung des § 42 StGB) zu prüfen, ob noch einmal eine Hauptverhandlung anzuordnen ist (§ 451 Abs. 2 StPO).

Anmerkung

E26112

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00064.91.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19910620_OGH0002_0120OS00064_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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