TE OGH 1991/6/27 12Os63/91

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Veröffentlicht am 27.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1991 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Glatz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Februar 1991, GZ 12 d Vr 730/89-105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

Der am 19.Juni 1951 geborene Johann S***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148, zweiter Fall, StGB und des Vergehens (richtig: der (beiden realkonkurrierenden, rechtlich selbständigen) Vergehen; 12 Os 179/84 uva, zuletzt 14 Os 113/89; Leukauf-Steininger2 RN 23 zu § 159 StGB) der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs. 1 Z 1 und 2, teilweise 161 Abs. 1, StGB schuldig erkannt.

Die von ihm dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 1, 4, 9 lit a und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Den erstangeführten Nichtigkeitsgrund erblickt die Beschwerde darin, daß die Vorsitzende des Schöffengerichts zuvor als Untersuchungsrichterin fungiert habe. Daß die im § 281 Abs. 1 Z 1 StPO vorgesehene Rüge dieses Umstands zu Beginn der Hauptverhandlung unterlassen wurde, verschlage nichts, weil der dies anordnende Halbsatz durch Art 6 Abs. 1 MRK außer Kraft gesetzt worden sei. Nach dieser Bestimmung werde jedermann der Anspruch auf die Entscheidung eines unabhängigen, dem Gesetz gemäß zusammengesetzten Gerichtes gewährleistet. Dabei handle es sich um einen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Anspruch und somit um ein Grundrecht, das keiner Einschränkung und keinem Verzicht zugänglich sei. Ein Schöffengericht entspreche mithin nur dann den verfassungsrechtlich geschützten Vorschriften, wenn bei seiner Bildung unter anderem die Bestimmung des § 68 Abs. 2 StPO beachtet worden sei.

Diesem, sich auf einen (allerdings noch nicht publizierten) Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte stützenden Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, daß es vorliegend nicht um eine unterlassene Rüge während der Hauptverhandlung bzw - wie in dem in der Beschwerde zitierten Kommissionsfall - um einen in der Hauptverhandlung gegenüber einem ex lege (§ 68 Abs. 2 StPO) ausgeschlossenen Richter abgegebenen Verzicht auf die Geltendmachung einer Nichtigkeit nach der Z 1 des § 281 Abs. 1 StPO geht; denn im gegenständlichen Fall wurde der Verzicht auf die Geltendmachung des Ausschließungsgrundes nach § 68 Abs. 2 StPO noch vor der Hauptverhandlung, ja noch vor deren Anberaumung ausgesprochen (siehe den Amtsvermerk vom 2. November 1990, Band I S 3 l). Erst in der Folge und ersichtlich als Konsequenz dieses Verzichtes wurde von der späteren Vorsitzenden die Hauptverhandlung anberaumt und durchgeführt. Weshalb ein unter diesen Umständen erklärter, im Gesetz (§ 281 Abs. 1 Z 1 StPO) vorgesehener, ersichtlich ohne Zeitdruck oder sonstigen Zwang abgegebener Verzicht durch den rechtskundigen Verteidiger mit Art 6 Abs. 1 MRK in Widerspruch stehen sollte, ist nicht einzusehen und übrigens auch aus dem in der Beschwerde zitierten Kommissionsbericht gar nicht ableitbar.

Mit seiner Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich der Angeklagte gegen die Ablehnung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages, ein psychiatrisches Gutachten zum Beweis dafür einzuholen, "daß der Angeklagte das erforderliche notwendige Bewußtsein zum Inhalt der Sache nicht gehabt hat, zum Nachweis dafür, daß die innere Tatseite nicht gegeben gewesen sein kann" (Band IV S 140).

Auch dies zu Unrecht.

Soweit nämlich das Beweisbegehren darauf abzielte, den Vorsatz (dolus) des Angeklagten (also die "innere Tatseite") durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen, genügt der Hinweis auf das zutreffende abweisende Zwischenerkenntnis, wonach dieses Beweisthema - als Rechtsfrage - einem Psychiater nicht zugänglich ist; lag aber dem Antrag die Absicht zu Grunde, ein Gutachten über die Diskretionsfähigkeit des Angeklagten einholen zu lassen, wäre der Verteidiger - um seinem Begehren den Charakter eines unzulässigen Erkundungsbeweises zu nehmen - gehalten gewesen, jene Umstände konkret und detailliert anzuführen, die seiner Ansicht nach die Zuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen indizierten (§ 248 Abs. 1 iVm § 134 Abs. 1 StPO). Da dies nicht geschah - die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe müssen außer acht bleiben, weil es auf die Antragstellung in der Hauptverhandlung ankommt - konnte auch der Verfahrensrüge kein Erfolg beschieden sein.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie sich mit der darin aufgestellten Kernbehauptung, die vom Angeklagten angebotenen Verzinsungen seien infolge ihrer Höhe (zum Teil 60 % pro Jahr) nicht geeignet gewesen, potentielle Geldanleger zu täuschen, über die weiteren, im Urteil konstatierten Täuschungshandlungen des Beschwerdeführers (siehe Band IV S 363, 389 ff) hinwegsetzt und namentlich die von ihm den Betrugsopfern vorgespiegelten Sicherheiten mit Stillschweigen übergeht.

Schließlich liegt auch der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 11 StPO nicht vor, weil bei einem gewerbsmäßig herbeigeführten Betrugsschaden von rund 6,5 Millionen Schilling sowohl die zweifache Qualifikation als auch der hohe Schadensbetrag zu Recht als erschwerend gewertet wurden: Setzt doch die Qualifikation nach § 147 Abs. 3 StGB bereits bei einem 500.000 S übersteigenden Schaden ein, sodaß die Aggravation eines in die Millionen gehenden Schadens durch sie allein (geschweige denn durch § 147 Abs. 2 StGB) nicht voll erfaßt wäre (§ 32 Abs. 3 StGB). Die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit tritt sodann als ein weiteres belastendes Element hinzu. Von einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot kann daher keine Rede sein.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte (§§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO) Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Als Konsequenz dessen wird über die Berufung des Angeklagten der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz abzusprechen haben (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E26386

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00063.91.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19910627_OGH0002_0120OS00063_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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