TE OGH 1991/7/10 1Ob547/91

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Veröffentlicht am 10.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Irene A*****, geb. ***** 1980, und des Bernhard A*****, geb. ***** 1984, infolge Revisionsrekurses des Vaters Ing. Christian Erhard A*****, vertreten durch Dr. Harald Heinrich, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 21. Februar 1991, GZ 22 a R 19/91-74, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 23. November 1990, GZ 4 P 243/87-70, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die beiden Minderjährigen sind eheliche Kinder des Ing. Erhard Christian A***** und der Ulrike A*****, deren Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 2. September 1987 aus dem Alleinverschulden des Mannes geschieden wurde. Sie befinden sich in Pflege und Erziehung der Mutter, der auch die übrige Obsorge zusteht. Der Vater verpflichtete sich mit Vergleich vom 22. Oktober 1987 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.800,-- für die mj. Irene und von S 2.000,-- für den mj. Bernhard.

Am 31. Jänner 1990 beantragte der Vater die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung ab 1. Februar 1990 auf S 1.300,-- für die mj. Irene und auf S 500,-- für den mj. Bernhard sowie ab 1. Mai 1990 die gänzliche Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung. Zur Begründung führte er aus, die beiden Kinder verfügten ab diesen Zeitpunkten über eigene Zinseneinkünfte, die ihre teilweise bzw. gänzliche Selbsterhaltungsfähigkeit begründeten. Er selbst befinde sich in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten; im Jahr 1987 habe die Bilanz aus einer gewerblichen Tätigkeit einen Verlust von

S 127.362,-- aufgewiesen. Er sei hoch verschuldet, gegen ihn liefen mehrere Exekutionsverfahren.

Die Mutter trat für die Minderjährigen diesem Antrag entgegen und brachte vor: Die beiden Minderjährigen verfügten lediglich über einen Betrag von S 330.000,--, der zinsbringend angelegt sei: die Kinder hätten ihr mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung zum Erwerb einer Eigentumswohnung, in der sie mit ihnen lebe, jeweils ein Darlehen von S 550.000,-- gegen 4 %ige Verzinsung gewährt. Sie sei vom Pflegschaftsgericht zur rechnungsfreien Verwendung der Zinsenerträge für den Unterhalt der Kinder ermächtigt.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungs- bzw. Enthebungsantrag des Vaters ab. Die beiden Minderjährigen verfügten aus der Verzinsung der ihrer Mutter gewährten Darlehen von je S 550.000,-- und eines in Bundesanleihen angelegten Betrages von je S 330.000,--über monatliche Vermögenserträge von je S 3.655,--. Der Vater erziele ein der Unterhaltsbemessung zugrundezulegendes Monatseinkommen von rund S 40.000,--, sodaß er weiterhin verpflichtet sei, die bisherigen Unterhaltsbeträge für die insoweit unterhaltsbedürftigen beiden Minderjährigen zu leisten.

Das Rekursgericht setzte in teilweiser Stattgebung des Rekurses des Vaters dessen Unterhaltsverpflichtung ab 1. Juli 1990 für die mj. Irene auf S 1.800,-- und für den mj. Bernhard auf S 1.300,-- herab und wies die darüber hinausgehenden Anträge des Vaters ab. Die Zinsenerträge des Vermögens der beiden Minderjährigen müßten auf den Unterhaltsanspruch nur insoweit angerechnet werden, als diese Einkünfte im Falle der mit 6,625 % Verzinsung angelegten S 330.000,-- Bundesanleihe über die Geldentwertung von 3,5 % jährlich hinausgingen, weil der Stamm des Kindesvermögens zur Bestreitung ihres Unterhaltes nicht heranzuziehen sei. Die monatlich anzurechnenden Zinsenerträge seien daher nur mit je S 2.700,-- in Ansatz zu bringen. Zwar habe der Vater die Feststellung des Erstgerichtes über seine Einkommensverhältnisse bekämpft, doch seien ihm selbst unter der Annahme lediglich des im Rekurs zugestandenen Einkommens von monatlich S 15.000,-- die auferlegten zusätzlichen Unterhaltszahlungen zumutbar. Der ordentliche Revisionsrekurs sei für zulässig zu erklären, weil das Rekursgericht bei der um die Inflationsrate geminderten Anrechnung von Eigeneinkünften des Unterhaltsberechtigten von einer Entscheidung eines anderen Rekursgerichtes (LGZ Wien in ÖA 1988, 78), die innerhalb der letzten drei Jahre veröffentlicht wurde, abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 140 Abs 3 ABGB mindert sich der Anspruch auf Unterhalt insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat. Durch Erträgnisse eigenen Vermögens wird somit der Unterhaltsbedarf des Kindes ex lege vermindert (Pichler in Rummel2 Rz 11 zu § 140). Entgegen der vom Rekursgericht (und in anderen rekursgerichtlichen Entscheidungen) vertretenen Rechtsauffassung sind Zinsenerträge von im Sinne der §§ 230 ff ABGB fruchtbringend angelegtem Mündelgeld nicht um die (vom Rekursgericht mit 3,5 % angenommene) Inflationsrate vermindert in Ansatz zu bringen. Vermögen ist sowohl in Form von Geldanlagen, wie auch in Form von anderen Wertanlagen marktbedingten Wertschwankungen ausgesetzt, die jeden gleichmäßig treffen. Bloß auf Grund der gesetzlichen Unterhaltspflicht hat der Geldunterhaltspflichtige nicht auch noch zusätzlich solche Wertverluste zu Lasten seines eigenen Vermögens auszugleichen, nur um dem unterhaltsberechtigten Kind den inneren Wert des Vermögens im Vergleich zum Erwerbszeitpunkt ständig zu erhalten. Solange nicht die eigentliche Substanz des Kindesvermögens angegriffen werden muß, wirken sich solche Entwicklungen im Bereich des davon im positiven wie im negativen Sinn Betroffenen aus. Die vom Rekursgericht für seinen Standpunkt zitierte Literaturstelle (Schlemmer/Schwimann, ABGB, Rz 97 zu § 140) trägt die Begründung schon deshalb nicht, weil die dort zitierte Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, ÖA 1988, 78, den hier vertretenen Standpunkt teilt. Die auf den Unterhaltsbedarf der beiden Minderjährigen anzurechnenden monatlichen Zinseneinkünfte betragen somit nach der zutreffenden Ermittlung durch das Erstgericht je S 3.655,--.

Gemäß § 140 Abs 2 ABGB leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen Unterhaltsbeitrag (iS des § 140 Abs 1 ABGB); darüberhinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere, primär geldunterhaltspflichtige Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist. Im Gesetz werden also die anteiligen Unterhaltsbeiträge der Eltern prinzipiell als gleichwertig bezeichnet. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, kommt die auf Eigeneinkommen des Kindes zurückgehende Unterhaltsanspruchsminderung iS des § 140 Abs 3 ABGB nicht allein dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil, sondern auch dem betreuenden Elternteil unabhängig davon zugute, ob dieser von seinem Kind aus dessen Eigeneinkommen einen finanziellen Beitrag für die Betreuung fordert oder erhält (4 Ob 511/91; 8 Ob 504/91; 3 Ob 547/90 ua). Im vorliegenden Fall ist daher mangels konkreter Anhaltspunkte über einen wesentlichen Wertunterschied der von beiden Eltern erbrachten Unterhaltsleistungen deren Gleichwertigkeit anzunehmen, sodaß die Zinseneinkünfte der Minderjährigen die Geldunterhaltspflicht des Vaters nur um je rund S 1.800,-- vermindern.

Entgegen der vom Vater im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht sind die beiden Minderjährigen auf Grund ihrer Zinseneinkünfte auch nicht selbsterhaltungsfähig. Selbsterhaltungsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur eigenen angemessenen Bedarfsdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushaltes (1 Ob 521/91; 8 Ob 504/91 ua). Im vorliegenden Fall könnten daher die beiden - im 11. und 8. Lebensjahr stehenden - Minderjährigen erst dann als selbsterhaltungsfähig angesehen werden, wenn sämtliche Bedürfnisse auf diese Weise mittels ihres Eigeneinkommens bestritten werden könnten, wovon keine Rede sein kann.

Wird im Sinne der obigen Darlegungen das Eigeneinkommen der Minderjährigen bei der Geldunterhaltspflicht des Vaters (nur) zur Hälfte berücksichtigt, sind die vom Rekursgericht festgesetzten zusätzlichen Unterhaltsbeiträge von S 1.800,-- für die mj. Irene und von S 1.300,-- für den mj. Bernhard zur Deckung ihres (Geld-)Unterhaltsbedarfes notwendig. Mit seinem zugestandenen Einkommen kann der Vater diese Beiträge auch leisten.

Demgemäß ist die Entscheidung der zweiten Instanz zu bestätigen.

Anmerkung

E26163

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00547.91.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19910710_OGH0002_0010OB00547_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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