TE OGH 1991/9/4 7Ob577/91

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Veröffentlicht am 04.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisiongericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, vertreten durch Dr.Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach der am ***** verstorbenen Leopoldine H*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, vertreten durch Dr.Rainer Blasbichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 25.Jänner 1991, GZ 41 R 887/90-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 4.Oktober 1990, GZ 5 C 1069/90w-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.899„20 (darin enthalten S 483,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am ***** verstorbene Leopoldine H***** war Mieterin der im Hause der Klägerin in Wien ***** gelegenen Wohnung, Stiege 2 top.Nr.10.

Im November 1965 hatten die verstorbene Mieterin und ihr vorverstorbener Ehemann den damals sechs Monate alten Volkmar K***** in Pflege übernommen. Das Bezirksjugendamt für 19.Bezirk bewilligte diese Übernahme eines Pflegekindes. Mit Beschluß vom 25.3.1981 entzog der Jugendgerichtshof Wien als Pflegschaftsgericht den Kindeseltern die gesetzliche Vertretung und Vermögensverwaltung und bestellte das Bezirksjugendamt gemäß § 187 ABGB zum Vormund des Volkmar K*****.

Die Klägerin kündigt der Verlassenschaft nach Leopoldine H***** den Mietvertrag über die Wohnung aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG auf. Die vermieteten Wohnräume dienten nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen.

Die Beklagte beantragt die Aufhebung der Aufkündigung. Der Pflegesohn Volkmar K***** habe mit der Verstorbenen seit 1965 in der aufgekündigten Wohnung im gemeinsamen Haushalt gelebt. Er habe zwar im Jahr 1985 aus beruflichen Gründen eine kleine Wohnung in Wien 17. gemietet, den Großteil seiner Freizeit jedoch nach wie vor im aufgekündigten Bestandobjekt verbracht.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und trug der Beklagten die Räumung des Bestandobjektes auf. Ein Pflegesohn gehöre nicht zu den eintrittsberechtigten Personen im Sinne des § 14 Abs 3 MRG.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht zusätzlich aus, daß § 14 Abs 3 MRG, in welchem Pflegekinder nicht als eintrittsberechtigte Personen genannt sind, auch nach der Neufassung der Bestimmungen über die Übernahme von Pflegekindern durch das KindRÄG keine planwidrige Lücke enthalte, die durch Analogie geschlossen werden könnte.

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG liegt vor, wenn die

vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht

mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter

Personen (§ 14 Abs 3 MRG) dienen. Eintrittsberechtigt nach § 14

Abs 3 MRG sind der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in

gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und Geschwister des

bisherigen Mieters, sofern diese Personen ein dringendes

Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit

dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Wie der Oberste

Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat (SZ 42/129 =

MietSlg 21.520; EvBl 1973/103 = MietSlg 24.327; MietSlg 34.454;

ImmZ 1988, 272 = MietSlg 39.298; MietSlg 40.301/10), ist

diese - schon in früheren Regelungen enthaltene - Aufzählung der Eintrittsberechtigten taxativ. Während nämlich nach der ursprünglichen Fassung des § 19 Abs 2 Z 11 MietG (BGBl 1922/872) alle Personen eintrittsberechtigt waren, die schon bisher mit dem Hauptmieter in der Wohnung wohnten, wurde der Kreis der Eintrittsberechtigten durch die Mietengesetznovelle 1929 eingeschränkt. Bei der erschöpfenden Aufzählung ist es in den folgenden gesetzlichen Regelungen bis zu der nunmehr geltenden Bestimmung geblieben; eine ausdehnende Auslegung oder analoge Anwendung ist daher ausgeschlossen (vgl auch Würth in Rummel ABGB, Rz 6 zu § 14 MRG und Rz 4 zu § 12 MRG). An dieser Rechtslage wurde im Zuge der Neuordnung des Pflegeverhältnisses durch das KindRÄG 1989 nichts geändert. Der Kreis der eintrittsberechtigten Personen im § 14 Abs 3 MRG wurde nicht erweitert. Aber auch eine nachträgliche Gesetzeslücke (siehe dazu Bydlinski, Methodenlehre 585 f), die durch Analogie geschlossen werden müßte, ist dadurch nicht entstanden:

Gemäß § 186 ABGB in der nunmehr geltenden Fassung üben Pflegeeltern ihre Rechte aufgrund einer Ermächtigung durch die unmittelbar Erziehungsberechtigten (§ 137a ABGB) oder durch den Jugendwohlfahrtsträger (§ 176a ABGB) aus. Welche Rechten und Pflichten der jeweiligen Pflegeperson im Einzelfall zukommen, hängt daher - wie bisher - vom Inhalt der Ermächtigung ab (172 BlgNR 17.GP). Eine gegenüber der früheren Rechtslage bedeutsame Stärkung der Stellung der Pflegeeltern enthält nunmehr § 186a ABGB. Danach hat das Gericht Pflegeeltern auf ihren Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn ein dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung besteht, das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht; die Regelungen über die Obsorge gelten dann für die Pflegeeltern. Diese Übertragung soll den Pflegeeltern im Interesse des Kindes eine raschere und einfachere Abwicklung seiner Angelegenheiten ermöglichen sowie das Kind noch mehr als vorher in die Pflegefamilie integrieren. Den Eltern bleiben jedoch die Mindestrechte nach § 178 ABGB. Die Übertragung aller aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten soll jedenfalls sehr restriktiv gehandhabt und nur als letztes Mittel angesehen werden; diese Maßnahme kommt daher nicht in Betracht, wenn dem Wohl des Kindes auch durch die Übertragung bloß einzelner Rechte und Pflichten - etwa Pflege und Erziehung - entsprochen werden kann (RV aaO). Mit dieser Änderung ist das Pflegeverhältnis der Annahme an Kindes statt nicht angenähert worden. Schon bisher waren Pflegeverträge möglich, durch die die elterlichen Rechte und Pflichten in der Weise eingeschränkt werden konnten, daß diejenigen der Pflegeeltern vorangingen (RV aaO). Aus einem Pflegeverhältnis ergeben sich nach wie vor keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern. Es ist auch weiterhin nur auf Zeit ausgelegt; die rechtlichen Beziehungen zwischen den Pflegeeltern und Pflegekindern erlöschen mit der Großjährigkeit des Kindes. Unter diesen Umständen erweist sich die Aufzählung der eintrittsberechtigten Personen in § 14 Abs 3 MRG ohne die Aufnahme von Pflegekindern nicht als unvollständig. Die bloße Meinung der Revision, die Anwendung des Eintrittsrechtes auf Pflegekinder des Mieters, zu denen eine innige Beziehung bestand, wäre wünschenswert, rechtfertigt nicht die Annahme einer Gesetzeslücke.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E26634

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00577.91.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19910904_OGH0002_0070OB00577_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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