TE OGH 1991/9/12 12Os44/91 (12Os45/91)

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Veröffentlicht am 12.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef M***** und andere wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Josef M***** und Patrik Josef H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 17. August 1990, GZ 23 Vr 553/90-20, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Josef M***** gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokuators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, der Angeklagten Josef M***** und Patrik Josef H***** und der Verteidiger Dr. Ritzberger und Dr. Mair zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß

1. die über Josef M***** verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 a Abs. 3 StGB im Ausmaß von 12 (zwölf) Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird, und

2. die über Patrik Josef H***** gemäß § 43 a Abs. 2 StGB verhängte Geldstrafe aufgehoben und die Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Im übrigen wird den Berufungen und der Beschwerde nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Josef M***** und Patrik Josef H***** die Kosten des Nichtigkeits- und Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (unter anderem) der am 1. Juli 1970 geborene Hilfsarbeiter Josef M***** und der am 28. September 1971 geborene Fliesenleger Patrik Josef H***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB (A) und der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (B 3; M***** auch B 2) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (E), Josef M***** überdies des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB (D) schuldig erkannt. Darnach haben die beiden genannten Angeklagten mit Markus M***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 25.Oktober 1989 in Vomperbach dem Mario L***** ca 5 Liter Benzin aus dessen unversperrtem Fahrzeug durch Abzapfen gestohlen (B 3) und sodann dadurch, daß sie in einem Aufenthaltsraum der Schottersortierungsanlage des Ernst D***** dieses Benzin ausschütteten und in Brand setzten, an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht (A), ferner haben sie im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Peter V***** als Mittäter am 1.Jänner 1990 in Kolsaß der Caroline G***** dadurch, daß sie sie einige Zeit hindurch nicht aus dem von ihnen benützten Personenkraftwagen aussteigen ließen, sie nicht nach Hause brachten, sondern mit ihr umher und schließlich zur Wohnung M***** nach Vomperbach fuhren, die persönliche Freiheit entzogen (E); schließlich hat Josef M***** als Mittäter mit zwei anderen am 14.Jänner 1990 in Weer eine Lederjacke im Wert von ca 2.000 S gestohlen (B 2) und am 30. Dezember 1989 in Vomperbach mit einem anderen als Mittäter fremde Sachen, die teils der öffentlichen Sicherheit dienten, beschädigt bzw zerstört, und zwar eine Meßstation (Schaden 3.170 S), zwei Straßenlampen (Schaden 2.172 S) und fünf Schneestangen (Schaden ca 700 S; D a bis c).

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten Josef M***** und Patrik Josef H***** haben gegen sie betreffende Schuldsprüche Nichtigkeitsbeschwerden ergriffen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

M*****:

Diese Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich unter Anrufung der Gründe des § 281 Abs. 1 Z 4, 5 a und 9 lit a StPO lediglich gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (E). Sie schlägt fehl.

Da im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens nur für die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz bedeutsame Umstände relevant sind, geht die Verfahrensrüge (Z 4), in welcher die Abweisung des Antrages, ein psychologisches Gutachten zum Beweis dafür einzuholen, daß beim Angeklagten eine verminderte Zurechnungsfähigkeit, also ein zusätzlicher Milderungsgrund, gegeben sei, ins Leere, ganz abgesehen davon, daß das Erstgericht diesen Umstand ohnehin als erwiesen angenommen hat.

Zur Tatsachenrüge (Z 5 a) genügt die globale Erwiderung, daß die darin ins Treffen geführten Argumente weder einzeln noch im Zusammenhalt geeignet waren, im Senat Bedenken gegen die den bekämpften Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hingegen entbehrt zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie mit den darin aufgestellten Behauptungen, Caroline G***** sei nicht gegen ihren Willen ins Auto gebracht worden und habe während der gesamten Fahrt niemals den Willen geäußert, auszusteigen, die Urteilskonstatierungen außer acht läßt, wonach M***** das Mädchen aufhob und zum Fahrzeug trug und wonach Caroline G***** während der Fahrt wiederholt darum bat ... sie wenigstens aussteigen zu lassen (S 322). Weshalb jedoch das zeitliche Element "einer gewissen Dauer" der Freiheitsentziehung - angesichts der im Urteil geschilderten Fahrstrecke und der darin gemachten Zeitangaben (S 322 f) - nicht gegeben sein soll, wird in der Beschwerde nicht weiter substantiiert und entzieht sich damit einer sachbezogenen Erörterung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war folglich zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*****:

Diese Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich aus den Gründen des § 281 Abs. 1 Z 4, 5 a und 9 lit a StPO bloß gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB (A). Sie rügt, daß das bekämpfte Urteil hinreichend deutliche Konstatierungen darüber vermissen lasse, welche tatbestandsverwirklichenden Handlungen der Beschwerdeführer setzte und von welchem Vorsatz er dabei erfüllt war. Zu einem Ommissivdelikt aber fehle es an der rechtlichen Verpflichtung zur Erfolgsabwendung. Dies alles indes zu Unrecht.

Nach dem unangefochten gebliebenen Schuldspruch wegen des Diebstahls von ca 5 l Benzin aus dem Kraftfahrzeug des Mario L***** (B 3) war der von den drei Mittätern abgezapfte Treibstoff dazu bestimmt, "etwas anzuzünden". Diesem Plan entsprechend hat sodann Josef M***** das Benzin im Aufenthaltsraum der Schottersortieranlage des Ernst D***** ausgeschüttet und mit einer getränken Holzlatte in Brand gesetzt (S 320, 324 f). Seine Mitangeklagten M***** und H***** haben aber dieses Verbrechen (ungeachtet ihrer Passivität bei der unmittelbaren Brandstiftung) mitzuvertreten, "weil sie" - so das Erstgericht - "diese Tat mitgeplant hatten, sie auch an der Beschaffung des Brennstoffes (Benzin) beteiligt waren, sie auch bei der Suche nach einem geeigneten Objekt zum Anzünden mit von der Partie waren und dann beim Anzünden selbst ebenfalls dabei waren und somit Josef M***** dadurch jedenfalls bei der Tat bestärkten" (S 325).

Die Beteuerung des Nichtigkeitswerbers in der Hauptverhandlung, "stets gegen die Tat gewesen zu sein", wurde vom Erstgericht angesichts der klaren Konstatierung, daß alle drei Angeklagten mit dem Vorschlag, etwas anzuzünden, einverstanden waren (S 324), als unglaubwürdig abgelehnt. Soweit das Erstgericht diese als unglaubwürdig abgetane Verantwortung H***** unter dem Aspekt eines von ihm allenfalls reklamierten strafaufhebenden Rücktritts vom Versuch beleuchtet (S 325), kann diese Urteilspassage als rein rechtstheoretische Erörterung schon deshalb auf sich beruhen, weil das Schöffengericht, wie gesagt, dieser Verantwortung der Angeklagten nicht gefolgt ist.

Das Verhalten des Beschwerdeführers im Zuge der Brandstiftung ist damit in mängelfreier Begründung (Z 5) mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt.

Erwägt man des weiteren, daß der Angeklagte H***** vor der Gendarmerie noch ausdrücklich einbekannt hat, daß er mitgezogen sei und sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollte (S 167 in Verbindung mit S 306) und (auch) zu diesem Anklagepunkt (differenziert) ein mildes Urteil beantragt wurde (S 308), so sind in Verbindung mit dem übrigen Akteninhalt, insbesondere auch angesichts der unbekämpft gebliebenen Beschaffung des zur Brandstiftung bestimmten und sogleich danach dazu verwendeten Treibstoffes keine, geschweige denn erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5 a) zu ersehen.

Dem rechtlichen Einwand (Z 9 lit a) zuwider haftet der Beschwerdeführer, den tatsächlichen Urteilsfeststellungen zufolge (siehe oben), zwar nicht als unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB), wohl aber als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) zur Brandstiftung, weil er nach der gemeinsamen, der eigentlichen Tathandlung unmittelbar vorausgegangenen Beschaffung des Benzins als Zündmittel in voller Kenntnis des Tatplanes in steter Begleitung seiner Komplizen bei der Auswahl des Objekts der Brandstiftung und der eigentlichen Brandlegung selbst anwesend war, sich mit dem Geschehen willentlich identifzierte (er wollte sich das Spektakel nicht entgehen lassen !) und solcherart einen seine Mittäter bestärkenden Einfluß bei der Brandstiftung selbst - so das Erstgericht - ausgeübt hat. Der Nichtigkeitswerber hat damit einen die Tat aktiv fördernden Beitrag geleistet und wurde damit zu Recht der Brandstiftung schuldig erkannt. Daß er bei dem festgestellten Verhalten Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) und nicht unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) war, verschlägt angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen (Mayerhofer-Rieder3 § 12 StGB Nr 2 und 3) nichts.

Zu den Unrechtsfolgen:

Das Gericht verhängte gemäß §§ 28, 169 Abs. 1 StGB über M***** eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, über H***** unter Anwendung des § 5 JGG und des § 43 a Abs. 2 StGB eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 4 Monaten und eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 30 S (75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und verpflichtete den Angeklagten H***** gemäß § 369 StPO zur Zahlung eines Betrages von 150.000 S an die Privatbeteiligte *****. Ferner faßte es den Beschluß, gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO vom Widerruf der dem Angeklagten M***** zu 22 Vr 2123/88 des Landesgerichtes Innsbruck gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen, jedoch gemäß § 494 a Abs. 7 StPO die dort bestimmte Probezeit auf 5 Jahre zu verlängern.

Bei der Strafbemessung waren erschwerend: bei M***** das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen, die Wiederholung der diebischen Angriffe und der Sachbeschädigung sowie die Vorstrafen, bei H***** die Konkurrenz eines Verbrechens mit zwei Vergehen; mildernd waren hingegen bei M***** das volle, teils sogar qualifizierte Geständnis mit Ausnahme zur Freiheitsentziehung, die teilweise Schadensgutmachung sowie das Alter unter 22 Jahren und eine zu seinen Gunsten angenommene, etwas verminderte Zurechnungsfähigkeit, bei H***** dessen bisherige Unbescholtenheit.

Der Angeklagte M***** strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren gänzliche (§ 43 StGB) oder teilweise (§ 43 a StGB) bedingte Nachsicht an. Mit seiner Beschwerde wendet er sich gegen die verfügte Verlängerung der zu 22 Vr 2123/88 des Landesgerichtes Innsbruck bestimmten Probezeit.

Die Berufung des Angeklagten H***** strebt eine Strafreduktion an und richtet sich überdies gegen das Adhäsionserkenntnis mit dem Begehren, die Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Beiden Berufungen kommt teilweise Berechtigung zu.

Angesichts des von einem Jahr bis zu zehn Jahren reichenden maßgeblichen Strafsatzes ist die beim Angeklagten M***** gefundene Freiheitsstrafe keineswegs überhöht, weil sein einschlägig getrübtes Vorleben im Zusammenhang mit der von ihm eingenommenen führenden Rolle bei der Brandstiftung eine merklich über der Untergrenze des Strafsatzes liegende Unrechtsfolge erheischt. Insoweit war seiner Berufung daher ein Erfolg zu versagen. Das umfassende Geständnis dieses Angeklagten und seine konstatierte verminderte Zurechnungsfähigkeit brachten den Senat aber zur Überzeugung, daß zwar angesichts der Vorverurteilungen nicht die ganze, wohl aber ein Teil von 12 Monaten der 18-monatigen Freiheitsstrafe gemäß § 43 a Abs. 3 StGB bedingt nachzusehen sei. In diesem Umfang war mithin seiner Berufung Folge zu geben.

Keine Berechtigung kommt hingegen der Beschwerde des Angeklagten M***** gegen die Verlängerung der obgenannten Probezeit zu; denn angesichts der während ihres Laufes gesetzten teilweise massiven Verfehlungen erweist sich diese Entscheidung namentlich aus spezialpräventiven Gründen als durchaus sachgerecht.

Beim - zur Tatzeit noch jugendlichen - Angeklagten H***** erschienen dem Obersten Gerichtshof die geschöpften Unrechtsfolgen angesichts der ersichtlich untergeordneten Rolle dieses Angeklagten bei der Brandstiftung und seiner bisherigen Unbescholtenheit als etwas überhöht; es wurde daher die bei der Sanktionsfindung in erster Instanz gedachte Freiheitsstrafe um den Teil, an dessen Stelle gemäß § 43 a Abs. 2 StGB eine Geldstrafe (= 150 Tagessätze = 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde, reduziert, was auf eine Aufhebung der Geldstrafe hinausläuft. Die durchaus vertretbare bedingte Nachsicht der (nunmehr allein verbliebenen) Freiheitsstrafe war (weil zur Gänze) auf § 43 Abs. 1 StGB zu stützen. Der Ausspruch über die Probezeit blieb unberührt aufrecht.

Mit Bezug auf die vom Angeklagten H***** gegen das Adhäsionserkenntnis erhobene Berufung ist davon auszugehen, daß der Zuspruch eines Betrages von 150.000 S zu Lasten des Berufungswerbers bei drei Schädigern und einem Gesamtschaden von über 600.000 S angesichts der aus den §§ 1324 und 1331 ABGB resultierenden Verpflichtung des Brandstifters zum Schadenersatz, und zwar zufolge § 1302 ABGB in Gesamtschuldnerschaft mit den anderen vorsätzlichen Schädigern, vollkommen unbedenklich ist. Da auch die Berufung weder gegen den Grund noch gegen die Höhe des zugesprochenen Adhäsionsbetrages etwas Substantielles vorzubringen vermochte, mußte ihr in diesem Punkt ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E26720

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00044.91.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19910912_OGH0002_0120OS00044_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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