TE OGH 1991/11/28 8Ob623/91

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Veröffentlicht am 28.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 22.Jänner 1975 geborenen mj. Mario Z***** infolge Revisionsrekurses des Amtes für Jugend und Familie für den 13. und 14.Wiener Gemeindebezirk als Sachwalter des Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 21.August 1991, GZ 44 R 560/91-104, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17. April 1991, GZ 10 P 524/90-98, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden teilweise dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß zu lauten hat:

Dem minderjährigen Mario Z***** werden gemäß § 4 Z 3 UVG Unterhaltsvorschüsse wie folgt gewährt: Für den Zeitraum vom 1.12.1990 bis 31.12.1990 im Betrage von S 1.455,50 und für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 31.3.1991 von monatlich S 1.667,50. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit dem Beschluß ON 98 vom 17.4.1991 wandelte das Erstgericht die dem in Betreuung seiner Mutter befindlichen mj. Mario Z***** bisher gewährten Titelvorschüsse in der Höhe von monatlich S 2.300,- für die Zeit vom 1.12.1990 bis 31.3.1991 in Richtsatzvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG um, weil sich der Vater Joe David Z***** in der Zeit vom 15.11.1990 bis 15.3.1991 in Haft befunden habe. In seinem dagegen gerichteten Rekurs brachte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien vor, der Minderjährige beziehe eine Lehrlingsentschädigung von durchschnittlich monatlich S 2.635,-; dieses Einkommen müsse im Sinne der Entscheidungen 7 Ob 519/91 und 6 Ob 598/90 auf den Pauschalbetrag des § 6 UVG angerechnet werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß dem Minderjährigen für den Zeitraum vom 1.12.1990 bis zum 31.3.1991 gemäß § 4 Z 3 UVG Unterhaltsvorschüsse in der monatlichen Höhe von lediglich S 300,- gewährt werden und das Mehrbegehren abgewiesen werde. Es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig und führte in seiner Entscheidungsbegründung aus: Vorschüsse seien nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG unter anderem insoweit zu versagen, als sich der Unterhaltsanspruch eines Kindes durch Eigeneinkünfte mindere. In den Fällen, in denen Unterhaltsanspruch und Eigeneinkünfte zusammen zur Deckung der Gesamtbedürfnisse des Kindes nicht hinreichten, trete trotz Bezug von Eigeneinkünften keine Minderung des Unterhaltsanspruches ein, sodaß - im Rahmen der Richtsatzhöhe - dennoch die vollen Titelvorschüsse weiterbezogen werden könnten. Im Gegensatz dazu normiere § 7 Abs.1 Z 2 UVG, daß die nicht auf einem Titel beruhenden Vorschüsse soweit zu versagen seien, als das Kind eigene Einkünfte habe oder unter Berückschtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig sei. Nach dem eindeutigen Wortsinn komme es hier nicht darauf an, ob ein hypothetischer Unterhaltsanspruch durch die Eigeneinkünfte gemindert würde, die Unterhaltsvorschüsse seien vielmehr um das Ausmaß der eigenen Einkünfte des Kindes zu reduzieren. Diese Differenzierung erscheine sachlich begründet, da in den Fällen eines Richtsatzvorschusses keine Unterhaltsverpflichtung substituiert werde, sondern unabhängig vom Bestand einer konkreten Unterhaltsverpflichtung Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung gestellt würden. Das Rekursgericht folge zwar der bisherigen veröffentlichten Judikatur zu § 7 Abs.1 Z 2 UVG, aus der im konkreten Fall folge, daß der Richtsatz von S 2.985,- um S 2.635,- zu mindern sei, woraus sich gerundet ein monatlicher Vorschußbetrag von S 300,- ergebe. Innerhalb der Z 2 der genannten Gesetzesstelle läge aber ein Widerspruch zwischen den beiden vom Gesetzgeber dargestellten Versagungsfällen vor, der allenfalls dann gelöst werden könnte, wenn auch Ziffer 2 leg cit nur als Hinweis auf die Prüfung des Unterhaltsanspruches im Sinne des § 140 Abs.3 ABGB zu verstehen sei.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhebt das Amt für Jugend und Familie für den 13. und 14.Wiener Gemeindebezirk als Sachwalter des Minderjährigen Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Im Rekurs wird ausgeführt, ein Unterhaltsvorschuß nach § 4 Z 3 UVG sollte nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur eine Mindestabsicherung der Kinder ermöglichen, sondern deren Unterhaltsanspruch schützen. Trotz Haft könne daher auch bei Bezug eines Eigeneinkommens durch den Unterhaltsverpflichteten, z. B. in Form einer Pension, Unterhaltsvorschuß in Titelhöhe beansprucht werden. Demnach sei davon auszugehen, daß auch § 7 Abs.1 Z 2 UVG lediglich eine Anpassung der Unterhaltsvorschüsse an den Unterhaltsanspruch im Sinne des § 140 Abs.3 ABGB normiere, weil ansonsten zweierlei Unterhaltsrecht - vgl. § 7 Abs.1 Z 1 UVG - entstehe. Die Kinder, die solcherart für die Straftaten ihrer Eltern büßen müßten, würden zu Almosenempfängern. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung habe hier der Minderjährige Anspruch auf einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von S 2.985,-

und auf sein Eigeneinkommen von monatlich S 2.635,-, insgesamt somit auf S 5.620.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis zum Teil gerechtfertigt. Gemäß § 7 Abs 1 Z 2 UVG sind die Vorschüsse in dem - hier vorliegenden - Fall des § 4 Z 3 UVG ganz oder teilweise zu versagen, wenn das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. Im Falle einer derartigen Gewährung von Vorschüssen nach § 4 Z 3 UVG sind diese vorbehaltlich des § 7 UVG weiter durch die in § 6 Abs 2 UVG genannten Richtsatzbeträge begrenzt. Die Anordnung des § 7 Abs 1 Z 2 UVG bewirkt also grundsätzlich - und davon geht auch das Rekursgericht aus - daß der Richtsatzvorschuß um eigene Einkünfte des Lehrlings zu kürzen ist. Der Zweck des Unterhaltsvorschußgesetzes ist eben nicht auf eine völlige Substitution von Unterhaltsleistungen gerichtet sondern nur darauf, den Unterhalt aus Mitteln der Allgemeinheit und daher auch nur bis zur Höhe des Richtsatzes zu sichern. Auch einem Kind ohne eigene Einkünfte wird solcherart zugemutet, mit Vorschüssen in Richtsatzhöhe augenblicklich das Auslangen zu finden. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, ihm gegenüber ein Kind mit eigenen Einkünften besser zu stellen (6 Ob 598/90; 7 Ob 519/91; 7 Ob 568/91; 6 Ob 584/91 ua).

Nach der ständigen Rechtsprechung bilden Bezüge aus Lehrlingsentschädigung Eigeneinkünfte des unterhaltsberechtigten Kindes iS des § 140 Abs 3 ABGB (8 Ob 504/91; 4 Ob 511/91; 2 Ob 534/91; 6 Ob 598/90 ua) und sind mangels nennenswerter berufsausbildungsbedingter Mehrauslagen bei der Unterhaltsbemessung zur Gänze zu berücksichtigen (8 Ob 650/90; 8 Ob 520/91 ua). Dabei darf jedoch keine einseitige Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen, nicht betreuenden Elternteiles erfolgen, sondern auch dem das Kind betreuenden Elternteil muß ein Teil des Eigenverdienstes des Kindes zugutekommen (5 Ob 513/91; 8 Ob 504/91; 4 Ob 511/91; 6 Ob 624/90 ua). Eigeneinkünfte des unterhaltsberechtigten Kindes sind daher grundsätzlich gleichrangig auf die von beiden Elternteilen geschuldeten Unterhaltsleistungen und daher auch auf die vom obsorgenden Elternteil in natura erbrachten Betreuungsleistungen anzurechnen (6 Ob 584/91 mwN).

Dieser Grundsatz ist, worauf das Rekursgericht nicht Bedacht genommen hat, auch bei der Unterhaltsvorschußgewährung gemäß § 6 UVG zu berücksichtigen. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Sinne in der Entscheidung 6 Ob 584/91 vom 4.7.1991 ausdrücklich erklärt, daß bei Eigeneinkünften des Kindes die Vorschüsse monatlich den Unterschiedsbetrag zwischen dem Richtsatz nach § 6 Abs 1 UVG und den Eigeneinkünften, soweit diese zur Befriedigung der vom Unterhaltsschuldner in Geld abzudeckenden Bedürfnisse heranzuziehen sind, nicht übersteigen dürfen. Weiters wurde in der vorgenannten Entscheidung ausgesprochen, daß dieser Grundsatz der teilweisen Anrechnung der Eigeneinkünfte des Kindes auf die Betreuungsleistungen des anderen Elternteiles auch bei den nach § 4 Z 3 UVG zu gewährenden, sich von den übrigen Vorschüssen grundlegend unterscheidenden sogenannten Haftvorschüssen gilt, bei denen der Vorschußbetrag unmittelbar nach den Richtsatzquoten des § 6 Abs 2 UVG festgelegt wird.

Demnach ist im vorliegenden Fall aber lediglich ein Betrag von S 1.317,50 als der Hälfte des monatlichen Eigeneinkommens des Minderjährigen von insgesamt S 2.635,- von den anzuwendenden Richtsatzbeträgen von S 2.773,- bzw. S 2.985,- in Abzug zu bringen, sodaß sich ein dem Minderjährigen zu gewährender Unterhaltsvorschuß für Dezember 1990 in der Höhe von S 1.455,50 und für die Zeit vom 1.1.1991 bis 31.3.1991 von monatlich S 1.667,50 errechnet. Das Mehrbegehren war entgegen den diesbezüglichen Ausführungen im Revisionsrekurs aus den bereits dargelegten Gründen abzuweisen. Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage eines angeblichen Widerspruches der gesetzlichen Regelungen innerhalb des § 7 Abs 1 Z 2 UVG kann dahingestellt bleiben, weil sie für die Entscheidung dieses Falles ohne Bedeutung ist.

Anmerkung

E28119

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00623.91.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19911128_OGH0002_0080OB00623_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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