TE OGH 1991/7/4 6Ob584/91

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Veröffentlicht am 04.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als Richter in der Pflegschaftssache des R*****, Friseurlehrling, wohnhaft bei seiner Mutter*****, in der Verfolgung von Unterhaltsansprüchen vertreten gewesen durch die Bezirkshauptmannschaft*****, wegen Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen im Sinn des § 4 Z 1 UVG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes ***** gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 16. April 1991, AZ 5 R 88/91 (ON 154), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 25. Februar 1991, GZ P 75/82-151, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Der am 3. Mai 1972 geborene Lehrling war nach dem Besuch der Pflichtschule in eine Lehre bei einem Stahlbauunternehmer eingetreten, aus dieser aber am 17. Dezember 1988 wieder ausgeschieden und hatte am 2. Januar 1989 eine Lehre als Friseurlehrling begonnen. Mit Beginn des Jahres 1991 trat er damit in sein drittes Lehrjahr. Am 3. Mai 1991 vollendete er sein 19. Lebensjahr.

Der Knabe wuchs in der Obhut seiner Mutter auf, die Ende des Jahres 1982 heiratete; der Ehemann der Mutter gab dem Knaben seinen Namen.

Ein 1940 geborener Tapezierergeselle ist urteilsmäßig als Vater des Knaben festgestellt. Die Unterhaltspflicht dieses Mannes, der mehrfach seine Beschäftigung wechselte, wiederholt arbeitslos und mehrmals in Haft war, war zunächst im Vaterschaftsstreit betraglich festgesetzt und in der Folge mit pflegschaftsgerichtlichem Beschluß wiederholt den geänderten Verhältnissen angepaßt worden (ON 70, 89, 97). Nach der letzten diesbezüglichen Beschlußfassung vom 8. Juni 1984 ist der Vater verpflichtet, ab 1. Mai 1981 zum Unterhalt seines Sohnes einen monatlichen Betrag von 1.600,-- S zu bezahlen. Dieser Unterhaltsfestsetzung lag die Beurteilung zugrunde, daß der nicht mit weiteren Sorgepflichten belastete Unterhaltsschuldner bei voller Anspannung seiner Arbeitskraft imstande wäre, als Kellner zumindest 9.000,-- S netto im Monatsdurchschnitt zu verdienen.

Auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters wurden dem Kind seit November 1976 Vorschüsse nach dem UVG gewährt (ON 15, 23, 72, 76, 105 und 139). Zeitweilig waren die Vorschüsse herabgesetzt; eingestellt oder auf den Tatbestand des § 4 Z 3 UVG gegründet. Zuletzt waren dem Lehrling mit Beschluß vom 8. März 1990 antragsgemäß auf die titelmäßig festgesetzten Unterhaltsverpflichtungen seines Vaters Unterhaltsvorschüsse bis 31. Dezember 1990 (dem Ende seines zweiten Lehrjahres als Friseurlehrling) bewilligt worden (ON 144).

Am 17. Januar 1991 langte der vom Unterhaltssachwalter namens des Kindes gestellte Antrag auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse bei Gericht ein. Dieser Antrag war ausdrücklich auf die §§ 3, 4 Z 1 und 18 UVG gegründet, konkret auf den Unterhaltserhöhungsbeschluß vom 8. Juni 1984 und die Behauptung gestützt, daß sich die Sachlage nicht geändert habe, der Jugendliche vielmehr nach wie vor nicht selbsterhaltungsfähig sei.

Das Pflegschaftsgericht wies den Antrag auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse mit der Begründung ab, daß der Jugendliche als Lehrling im dritten Lehrjahr über ein monatliches Durchschnittseinkommen von 4.460,-- S verfüge und deshalb als selbsterhaltungsfähig anzusehen sei.

Der durch den Unterhaltssachwalter vertretene Jugendliche erhob gegen diese Entscheidung Rekurs. Er bekämpfte die Annahme seiner Selbsterhaltungsfähigkeit und beantragte die Abänderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne einer Weitergewährung der Vorschüsse bis einschließlich Mai 1991 (dem Monat, in dem er sein 19. Lebensjahr vollendete).

Das Rekursgericht erhob, daß der Unterhaltsschuldner, von dem aktenkundig war, daß er in der Zeit vom 12. September 1990 bis 20. Dezember 1990 im landesgerichtlichen Gefangenenhaus Graz eine dreimonatige Freiheitsstrafe verbüßte, nach deren Ende wieder in Untersuchungshaft genommen wurde (AS 299), sich auch noch am 25. März 1991 in Untersuchungshaft befand (AV vom 25. März 1991) und dann in eine nicht vor Ende Mai 1991 endende Strafhaft genommen wurde (AV vom 16. April 1991).

Unter Zugrundelegung der auf diese Erhebungen gestützten Feststellung, daß sich der Unterhaltsschuldner seit 12. September 1990 (ununterbrochen) in Haft befunden habe, änderte das Rekursgericht den antragsabweisenden erstinstanzlichen Beschluß derart ab, daß für die Monate Januar bis März 1991 dem Lehrling antragsgemäß die Weitergewährung der Vorschüsse nach den §§ 3, 4 Z 1 und 18 UVG in der monatlichen Höhe von 1.600,-- S auf die nicht sofort einbringlichen Zahlungsverpflichtungen des Vaters bewilligt werden, für die Monate April und Mai 1991 jedoch Vorschüsse im Sinne des § 4 Z 3 UVG unter Bedachtnahme auf § 7 Abs 2 UVG nur in der monatlichen Höhe von 760,-- S gewährt werden.

Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht ging bei seiner Entscheidung davon aus, daß der Antrag auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse für die Zeit ab 1. Januar 1991 zwar ausdrücklich auf den Tatbestand des § 3 iVm § 4 Z 1 UVG gestützt worden sei, der Unterhaltsschuldner sich aber seit 12. September 1990 ununterbrochen in gerichtlicher Haft, und zwar zunächst in Strafhaft, anschließend in Untersuchungshaft und daran anschließend wieder in Strafhaft, befunden habe, so daß gemäß § 7 Abs 2 UVG zwar bis einschließlich März 1991 der beantragte sogenannte Titelvorschuß gewährt werden könne, für die Monate April und Mai 1991 aber von Amts wegen anstelle der Titelvorschüsse die sogenannten Haftvorschüsse im Sinne des § 4 Z 3 UVG zu gewähren seien.

Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen von Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG. Dazu führte es insbesondere aus, daß die eigenen Einkünfte des Jugendlichen an Lehrlingsentschädigung im monatlichen Durchschnittsbetrag von 4.450,-- S zur Deckung der seinen Lebensbedürfnissen angemessenen Unterhaltsbedürfnisse nicht hinreichten, daß hiezu vielmehr noch die vollen titelmäßig festgesetzten monatlichen Unterhaltsbeträge von 1.600,-- S erforderlich seien. Eigene Einkünfte des Lehrlings seien nicht bloß der Zahlungsverpflichtung des geldleistungspflichtigen Elternteils, sondern in gleicher Weise auch der Naturalunterhaltspflicht des anderen Elternteils, in dessen Obsorge und Betreuung der Heranwachsende stehe, gegenüberzustellen. Dabei ging das Rekursgericht von einer Gleichwertigkeit der von der Mutter naturaliter befriedigten Unterhaltsbedürfnisse und der vom Vater durch Geldzahlungen abzudeckenden Unterhaltsbedürfnisse des Lehrlings aus und folgerte auf dieser Grundlage weiter, die durch Geldzahlungen des Vaters zu deckenden Unterhaltsbedürfnisse könne der Lehrling nur mit einem der Hälfte seiner Nettolehrlingsentschädigung entsprechenden Teil, also nur mit einem Betrag von 2.225,-- S, selbst decken; er benötige den vollen ihm titelmäßig zuerkannten Monatsbetrag von 1.600,-- S, weil ein monatlicher Betrag von 3.825,-- S (2.225,-- S + 1.600,-- S) den Regelbedarf nicht in einem solchen Ausmaß übersteige, das eine Herabsetzung rechtfertigen würde. Der nach § 6 Abs 1 UVG die Obergrenze für sogenannte Titelvorschüsse bildende Richtsatz betrage seit 1. Januar 1991 3.980,-- S.

Für die Monate April und Mai 1991, für die die Vorschußgewährung von Amts wegen auf die Grundlage des § 4 Z 3 UVG umzustellen sei, sei der Pauschalbetrag nach dem § 6 Abs 2 Z 3 UVG im Sinne des § 7 Abs 2 UVG um das volle Ausmaß der eigenen Einkünfte (soweit sie auf die Geldzahlungsleistung des Unterhaltsschuldners anrechenbar seien, hier also nur im Teilbetrag von 2.225,-- S) zu vermindern (2.985,-- S - 2.225,-- S = 760,-- S).

Der Präsident des Oberlandesgerichtes ficht den abändernden Teil der Rekursentscheidung wegen einer nach § 14 Abs 1 AußStrG qualifizierten unrichtigen Anrechnung der eigenen Einkünfte des vorschußwerbenden Lehrlings auf die durch Vorschüsse nach dem UVG zu sichernden Teilbedürfnisse mit einem auf Wiederherstellung der antragsabweislichen erstinstanzlichen Entscheidung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der erwähnten Anrechnungsfragen zulässig, er ist aber nicht berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

Vorschüsse nach dem UVG werden auf die in Geldzahlungen zu erfüllenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gewährt. Die im Rahmen der elterlichen Obsorge zu erfüllenden Betreuungsleistungen bleiben völlig außer Ansatz. Soweit eigene Einkünfte eines unterhaltsberechtigten Minderjährigen zur Deckung seiner Unterhaltsbedürfnisse zur Verfügung stehen, kann das auch für die Vorschußgewährung nach dem UVG nur insoweit von Bedeutung sein, als die eigenen Einkünfte zur Befriedigung der durch Geldzahlungen des Unterhaltsschuldners abzudeckenden Unterhaltsbedürfnisse heranzuziehen sind. Eigene Einkünfte eines unterhaltsberechtigten Kindes sind gleichrangig auf die von beiden Elternteilen gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen und daher auch die vom obsorgenden Elternteil in natura erbrachten Betreuungsleistungen anzurechnen; das entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (6 Ob 624/90 = Jus 553, 3 Ob 547/90 = Jus 505, 1 Ob 594/90).

Im Sinne dieser Rechtsprechung ist der in der Entscheidung vom 31. Mai 1990, 6 Ob 598/90, entwickelte Leitsatz, der sich inhaltlich auch in der Entscheidung vom 21. März 1991, 7 Ob 519/91, niedergeschlagen hat, dahin zu ergänzen, daß § 6 Abs 1 UVG nach den Zwecken der Vorschußgewährung so auszulegen sei, als lautete ein zweiter Satz:

"Bezieht das minderjährige Kind eigene Einkünfte oder sind die ihm titelmäßig zustehenden Unterhaltsansprüche zum Teil einbringlich, dürfen die Vorschüsse monatlich den Unterschiedsbetrag zwischen dem erwähnten Richtsatz und den eigenen Einkünften, soweit diese zur Befriedigung der vom Unterhaltsschuldner in Geld abzudeckenden Bedürfnisse heranzuziehen sind, oder den einbringlichen Unterhaltsforderungen nicht übersteigen."

Die Anwendung dieser Formel bedeutet, daß die monatlichen Unterhaltsvorschüsse die Differenz zwischen dem Richtsatz von 2.980,-- S und den auf die Geldzahlungspflicht des Vaters anrechenbaren eigenen Einkünften von 2.225,-- S, also 1.755,-- S, nicht übersteigen dürfen. Ein monatlicher Vorschuß von 1.600,-- S liegt unter dieser Grenze. Die Weitergewährung der sogenannten Titelvorschüsse für das erste Quartal 1991 steht daher in voller Übereinstimmung mit den im dargelegten Sinn aufeinander abzustimmenden Leitsätze der herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Die nach § 4 Z 3 UVG zu gewährenden sogenannten Haftvorschüsse sind von einer sich von den übrigen Vorschußfällen grundlegend unterscheidenden Eigenart, weil sie nicht ein titelmäßig festgestelltes oder vermutetes Ausmaß der Geldunterhaltsverpflichtung des Schuldners, sondern nur eine grundsätzlich angenommene, betraglich nicht bestimmte Leistungspflicht zur Grundlage der Vorschußgewährung nehmen und der Vorschußbetrag unmittelbar nach den Richtsatzquoten des § 6 Abs 2 UVG festgelegt wird. Auch in diesen Fällen entspricht es aber dem oben dargelegten Grundsatz einer Gesamtberücksichtigung aller Unterhaltsbedürfnisse des Kindes, sowohl der durch Betreuungsleistungen in natura als auch der durch Geldzahlungen des Unterhaltsschuldners zu befriedigenden, nur den auf die Geldzahlungsverpflichtung anrechenbaren Teil der eigenen Einkünfte, diesen Anteil aber voll von der altersmäßig anzuwendenden Richtsatzquote abzuziehen, wie dies das Rekursgericht tat.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E27109

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00584.91.0704.000

Dokumentnummer

JJT_19910704_OGH0002_0060OB00584_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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