TE OGH 1991/12/18 13Os68/91 (13Os69/91)

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Veröffentlicht am 18.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf P***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt nach dem § 181 (§ 180 Abs. 1 Z 2) StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 12. März 1990, GZ 9 c E Vr 712/89-7, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 6.September 1990, AZ 26 Bs 369/90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Rudolf P***** wurde mit dem Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 12.März 1991, GZ 9 c E Vr 712/89-7, des Vergehens der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt nach dem § 181 (§ 180 Abs. 1 Z 2) StGB schuldig erkannt, weil er am 1. und 2. September 1989 in Gmünd als verantwortlicher Vorarbeiter der Fa.A***** GesmbH dadurch, daß er die Verregnung des Kartoffelfruchtwassers auf der Wiese des Johann Z*****, Parzelle 203, durchführte, obgleich sich im unmittelbaren Nahebereich ein Zuflußgraben zum Fischteich des Dr. Josef H***** befindet und er nicht darauf achtete, ob der gemäß Punkt 13 der wasserrechtlichen Bewilligung der nö. Landesregierung vom 30. Jänner 1962, LA III/1-3442/32, vorgeschriebene Rand des Beregnungsgebietes nicht näher als 50 m an bestehende Wasserversorgungsanlagen sowie fließende und stehende Gewässer heranreicht, wodurch es zum Einfließen des Restfruchtwassers in das Teichwasser kommen konnte und der Fischbestand hiedurch großteils vernichtet wurde, fahrlässig ein Gewässer so beeinträchtigt, daß eine Gefahr für den Tierbestand in einem größeren Gebiet entstehen konnte.

Der dagegen erhobenen Berufung des Verurteilten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 6.September 1990, AZ 26 Bs 369/90, nicht Folge.

Das Erstgericht stellte dazu fest, daß in dem im Jahr 1984 künstlich zur Besetzung mit Karpfen angelegten Fischteich mit einer Fläche von ca 2.300 m2 insgesamt 180 Stück Karpfen gehalten worden waren, von denen 109 wegen der durch die Konzentration des Kartoffelfruchtwassers im Teichwasser herbeigeführten Senkung des Sauerstoffgehalts verendeten.

Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht beurteilten den zur Karpfenzucht künstlich angelegten Teich als "größeres Gebiet" im Sinne des § 180 Abs. 1 Z 2 StGB (AS 99, 121 ff).

Die gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erblickt sowohl im Urteil des Kreisgerichtes als auch in jenem des Berufungsgerichtes einen Verstoß gegen den § 180 Abs. 1 Z 2 StGB iVm dem § 181 StGB. Sie führt aus, die flächenmäßige Ausdehnung von nur 2.300 m2 und das allenfalls noch zu berücksichtigende Wasservolumen von ca 2.800 m3 des Fischteiches, aber auch dessen eher kleinflächiger biotopartiger Charakter sprächen bei Berücksichtigung eines individuellen Maßstabes eher gegen den strafrechtlichen Schutz eines Gewässers dieser Größenordnung vor Verunreinigung. Wegen dessen aktenkundiger Verbindung mit anderen Gewässern käme jedoch der Frage, ob allenfalls auch durch deren Verunreinigung ein tatbestandsmäßiger Ausdehnungsbereich im Sinne des § 180 Abs. 1 Z 2 StGB vorlag, entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Feststellungen dazu seien nicht getroffen worden, weswegen beide Urteile mit einem Feststellungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a (§§ 468 Abs. 1 Z 4; 489 Abs. 1) StPO behaftet seien.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Der Grundtatbestand des § 180 Abs. 1 Z 2 StGB bedroht unter anderem den mit Strafe, der ein Gewässer so verunreinigt, daß dadurch eine Gefahr für den Tier- oder Pflanzenbestand in einem größeren Gebiet entstehen kann. Durch die Tathandlung einer Gewässerverunreinigung im Sinne dieser Strafnorm muß als Taterfolg eine potentielle Gefährdung des Tier- oder Pflanzenbestandes, also die Möglichkeit des Entstehens einer Gefahr, herbeigeführt werden.

Grundsätzlicher Zweck der Strafbestimmungen ist der Einsatz des Justizstrafrechtes im Dienste des umfassenden Umweltschutzes, der insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm besteht (vgl JAB, aaO, S 20).

Geschützt wird jene von der Natur vorgegebene Vielzahl tierischer oder pflanzlicher Organismen derselben oder verschiedener Art, die in einem größeren Gebiet vorkommen und von ökologischer Relevanz für dessen Fauna oder/und Flora sind. Vom Tierbestand im Sinne der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung wird beispielsweise dann gesprochen werden können, wenn "das Wild", "die Vögel", "die Insekten" betroffen sind. Strafbarkeit kann aber auch schon bei der Bedrohung einzelner Arten gegeben sein, denen im Zusammenspiel der Natur eine wesentliche Rolle zukommt. Durch die Einschränkung des Schutzes auf den Tierbestand in einem größeren Gebiet sollen Umweltbeeinträchtigungen ausgenommen bleiben, die sich auf kleinere, eng umgrenzte Gebiete beschränken und nicht darüber hinaus wirksam sind. Bei der Auslegung des Begriffes "größeres Gebiet" ist nach den Umständen des Falles ein individueller Maßstab anzulegen (JAB 359 BlgNR XVII GP S 22).

Teleologisch sinnvoll interpretiert hat der Begriff des "größeren Gebietes" mit der erforderlichen ökologischen Relevanz des gefährdeten Tier- oder Pflanzenbestandes für die Fauna oder/und Flora des bezüglichen Lebensraumes in Wechselwirkung zu stehen.

Mit anderen Worten: Je größer die (ökologische) Bedeutung des gefährdeten Tier- oder Pflanzenbestandes für das Zusammenspiel der Natur, umso geringere Anforderungen hinsichtlich seiner Ausdehnung wird man an das betroffene Gebiet zu stellen haben, um es schon als "größer" im Sinne des Gesetzes einstufen zu können. Freilich wird dies, wie sich schon aus der eigentümlichen Bedeutung des im Gesetz verwendeten Begriffes "Gebiet" ergibt, nicht so weit führen dürfen, daß der strafrechtliche Schutz Biotopen jeder Größe, also jedem Lebensraum eines Ökosystems zuteil wird. Selbst wenn durch ein an sich tatbestandsmäßiges Verhalten ein Tier- oder Pflanzenbestand gefährdet wird, dessen Bedeutung für die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts außer Zweifel steht, wird eine Strafbarkeit nach dem § 180 Abs. 1 Z 2 StGB dann nicht eintreten, wenn das (bedrohte) Biotop nur eine Fläche von wenigen Quadratmetern umfaßt. Die Grenze erst bei Gebieten von unwesentlich unter einem Quadratkilometer zu ziehen (Foregger-Serini, StGB5, Anm III zu § 180), würde allerdings dem vom Gesetzgeber angestrebten Schutz die praktische Bedeutung nehmen.

Unwesentlich ist, ob der maßgebliche Landschaftsteil künstlich gestaltet wurde oder nicht. Mit der Anlegung eines künstlichen (Fisch-)Teiches wird die Natur zwar in diesem Bereich gestaltlich verändert, bleibt aber dennoch ein Teil der Umwelt und verliert allein wegen solcher Umgestaltung bei Eintreten der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen ebensowenig den strafrechtlichen Schutz wie etwa ein neu angelegter Wald.

Nach all dem ist daher nicht auszuschließen, daß auch Biotope etwa von der Oberflächenausdehnung des hier in Rede stehenden Fischteiches bei besonderer Bedeutung ihres Tier- oder Pflanzenbestandes für die Fauna oder Flora oder für beides im Hinblick auf biologische Wechselwirkung und ökologische Relevanz, wie bereits dargelegt, als "größeres Gebiet" im Sinne des § 180 Abs. 1 Z 2 StGB angesehen werden können.

Das Erstgericht hat allerdings seinen Schuldspruch ausschließlich auf die Flächenausdehnung des Teiches gestützt, die im konkreten Fall für sich allein - entgegen auch der Ansicht des Oberlandesgerichtes, das bereits diese Größe als relevant erachtete (AS 123) - den strafrechtlichen Vorwurf noch nicht zu begründen vermag.

Die Generalprokuratur geht in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde davon aus, daß ein Fischteich von der Ausdehnung wie im vorliegenden Fall noch kein "größeres Gebiet" im Sinne des § 180 Abs. 1 Z 2 StGB darstellt und daß durch die Aktenlage indizierte Konstatierungen über einen möglichen größeren Gefahrenbereich nicht getroffen wurden. Sie übersieht jedoch, daß das Berufungsgericht - wenn auch ohne Wiederholung des Beweisverfahrens, was jedoch ungerügt blieb - gestützt auf den Akteninhalt ohnedies die (im Ersturteil unterbliebene) von der Generalprokuratur vermißte Feststellung nachgetragen und solcherart den dem Ersturteil anhaftenden Feststellungsmangel behoben hat. Denn das Oberlandesgericht hielt in seiner Entscheidung ausdrücklich fest, daß "der verfahrensgegenständliche Gefahrenbereich sich nicht nur unmittelbar auf den Karpfenteich ..., sondern auch auf dessen Zufluß und Abfluß, der seinerseits wieder in einen anderen Fischteich, von dort zuerst in den Lehmbach und dann in die Lainsitz führt" (AS 123), erstreckte. Damit umfaßte aber die potentielle Gefährdung des Fischbestandes (und auch anderer Lebewesen) in den angeführten Gewässern jedenfalls ein größeres Gebiet im Sinne der angewendeten Gesetzesstelle, weswegen die gerügte Gesetzesverletzung nicht vorliegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Anmerkung

E27874

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00068.91.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19911218_OGH0002_0130OS00068_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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