TE OGH 1991/12/19 7Ob603/91

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Veröffentlicht am 19.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DOROTHEUM Auktions-, Versatz- und Bank GesmbH, Wien 1., Dorotheergasse 17, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1.,

Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Karl W*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 142.092,01 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Februar 1991, GZ 16 R 252/90-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 18. Oktober 1990, GZ 24 Cg 136/88-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.471,80 (darin S 1.245,30 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der als Sachverständiger der Kunstabteilung der klagenden Partei bestellte akademische Maler Dr. Tassilo Maria B***** beurteilte für den Beklagten gegen Entgelt im Mai 1985 ein ihm vorgelegtes Bild wie folgt: "Das umseitig abgebildete Gemälde (Öl/Holz 62,5 x 85 cm), darstellend eine felsige Landschaft mit einem Wildbach, Landleuten und rastender Herde, links unten mit N. Berghem f. signiert, die Reste einer Datierung undeutlich lesbar, ist meiner Meinung nach ein charakteristisches und gut erhaltenes Werk des bedeutenden holländischen Malers Nicolas Berchem (Haarlem 1620 bis 1683 Amsterdam). Der Beklagte übergab dieses Bild am 6.8.1985 der klagenden Partei zur Versteigerung. Das Bild wurde nach einer neuerlichen Begutachtung durch Dr. Tassilo M. B***** in die 650. Kunstauktion der klagenden Partei aufgenommen und im Katalog wie folgt angekündigt: "Nicolas Berchem (Haarlem 1620 bis 1683), felsige Landschaft mit einem Wildbach, Landleuten und einer rastenden Herde, links unten signiert: M. Berghem F:

Datierungsreste, Öl auf Holz ... Ausrufpreis S 170.000". Laut § 14 der dieser Vereinbarung zugrunde gelegten Geschäftsordnung für den Versteigerungsbetrieb haben die Sachverständigen der Gesellschaft die zur Versteigerung eingebrachten Gegenstände zu schätzen und zu beschreiben und die Ausrufspreise zu bestimmen. Die Gesellschaft leistet aber für die Richtigkeit der Gutachten dieser Sachverständigen keine Gewähr. Laut § 31 leg. cit. sind Reklamationen betreffend den Preis, die Beschaffenheit und den Zustand der ersteigerten Gegenstände nach dem Zuschlag ausgeschlossen. Sonstige Reklamationen bezüglich der ersteigerten Gegenstände sind bei ihrer Übernahme zu erheben.

Das Bild wurde bei der Versteigerung am 11.12.1985 ohne Ansteigerung zum Rufpreis von S 170.000,-- an Andreas R***** verkauft. Dem Beklagten kam unter Anrechnung seines Vorschusses insgesamt ein Betrag von S 138.270 zur Auszahlung. Der Ersteher hat das Bild am Tag der Versteigerung übernommen. Er erklärte im November 1987 gegenüber der klagenden Partei, er habe versucht, dieses Gemälde im Auktionshaus Southeby's zur Versteigerung einzubringen, dieses Haus habe jedoch die Annahme mit der Begründung verweigert, das Gemälde rühre nicht von Nicolas Berchem her. Die von der klagenden Partei in der Folge eingeholten Sachverständigengutachten ergaben, daß das Bild nicht von Berchem (auch Berghem im folgenden Berchem) stammt. Es stammt aus dem 17. Jahrhundert, die Signatur wurde jedoch wesentlich später angebracht. Es hat einen Wert von ca S 70.000 bis 100.000.

Die im Versteigerungskatalog der klagenden Partei den Ankäufen zugrundegelegten Versteigerungsbedingungen sind dort wie folgt festgelegt: "Die Schätzung, fachliche Bestimmung und Beschreibung der Objekte erfolgt durch Experten des Dorotheums, sofern im Text nichts anderes angegeben ist. Die Angaben in den Katalogen erfolgen aufgrund sorgfältiger Untersuchungen, doch kann für die Richtigkeit der Gutachten keine Gewähr übernommen werden. Bei antiken Gegenständen werden nur solche Fehler und Beschädigungen angeführt, die den künstlerischen Wert des Gegenstandes beeinträchtigen.

Reklamationen betreffend den Preis, die Beschaffenheit und den Zustand der ersteigerten Gegenstände sind nach dem Zuschlag ausgeschlossen. Sonstige Reklamationen bezüglich der ersteigerten Gegenstände sind bei ihrer Übernahme zu erheben .... Hinweis:

Nach Meinung unserer Experten bedeutet: Signiert: Eigenhändig von der Hand des Künstlers; bezeichnet: möglicherweise auch von fremder Hand; zugeschrieben: ist jene Zuweisung in der Oeuvre eines Künstlers, die aufgrund von Stilverwandtschaft und Tradition wahrscheinlich, jedoch nicht eindeutig beweisbar ist;

Werkstatt: Werke, die wahrscheinlich in der Werkstatt, d.h. in der unmittelbaren Umgebung eines Künstlers entstanden sind;

Schule: Werke, die in stilistischer und zeitlich großer Nähe zu einem Künstler entstanden sind; Kreis: Werke, die im weiteren Einflußbereich eines Künstlers entstanden sind; Nachfolge: Werke, die im Stil eines Künstlers, jedoch später entstanden sind."

Die Klägerin hat aufgrund der Expertenaussagen die Reklamation des Erstehers R***** am 7.1.1988 anerkannt und den Ankauf des Bildes durch Rückzahlung des Kaufpreises rückgängig gemacht. Gleichzeitig (und ohne vorher dem Beklagten die Möglichkeit zur Anbringung seiner Argumente und Einwendungen zu geben) hat die Klägerin den Beklagten von diesem Sachverhalt mit Schreiben vom 7.1.1988 in Kenntnis gesetzt und ersucht, den ihm ausbezahlten Nettoerlös zurückzuzahlen.

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Bezahlung von S 142.092,01 s.A. und brachte vor, sie sei für den Beklagten als Kommissionär tätig geworden. Es träfen diesen daher alle Nachteile, die das Geschäft mit sich bringe, insbesondere auch jene im Zusammenhang mit den von ihr erfüllten Gewährleistungsansprüchen. Aus der Beschreibung des Kaufobjektes gehe hervor, daß ein echtes, sohin unverfälschtes Gemälde zum Verkauf gelangen sollte. Die fehlende Übereinstimmung mit dieser Eigenschaft sei ein wesentlicher Mangel, dessen Geltendmachung durch einen Gewährleistungsverzicht nicht ausgeschlossen werden könne. Der Reklamation des Erstehers habe daher Rechnung getragen werden müssen. Als Beginn der Gewährleistungsfrist sei der Tag anzunehmen, an dem sich für den Ersteher mit Sicherheit herausgestellt habe, daß die zugesicherte Eigenschaft nicht vorliege, sohin der 1.7.1987. Letztlich lag dem Rechtsgeschäft zwischen der Klägerin und dem Ersteher ein gemeinsamer Irrtum über die Echtheit des Gemäldes zugrunde. Die Klägerin sei daher auch aus diesem Grunde verpflichtet gewesen, den ersteigerten Gegenstand gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurückzunehmen. Der Beklagte habe für einen verfälschten, praktisch wertlosen Gegenstand den Klagsbetrag erhalten und sei dadurch sachlich nicht gerechtfertigt bereichert worden.

Der Beklagte wendete unter anderem ein, die Klägerin habe den Kaufpreis zu Unrecht und ohne Rechtsverpflichtung zurückbezahlt. Nach ihren eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre das Begehren des Erstehers abzulehnen gwesen. Es wurde bestritten, daß das Gemälde nicht von Nicolas Berchem gemalt worden sei, es habe einen S 60.000,-- bei weitem übersteigenden Wert. Die Voraussetzungen für die Vertragsaufhebung wegen gemeinsamen Irrtums der Klägerin und des Erstehers lägen nicht vor.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie gelangten rechtlich zum Ergebnis, daß die Klägerin ohne Rechtspflicht und ohne dem Beklagten die Möglichkeit gegeben zu haben, zum Begehren des Erstehers Stellung zu nehmen, den Kaufpreis zurückbezahlt habe. Dem Ersteher sei beim Erwerb nicht ausdrücklich zugesichert worden, daß das Bild von Nicolas Berchem stamme. Der Ersteher könne sich lediglich darauf berufen, daß die Schätzung, die fachliche Bestimmung und Beschreibung des Objektes nicht durch Experten des Dorotheums erfolgt sei, was aber weder vorgebracht noch hervorgekommen sei. Gewährleistungsansprüche seien nach den Versteigerungsbedingungen der beklagten Partei ausgeschlossen. Um sich auf Irrtum berufen zu können, müßte der Ersteher über den Inhalt der von der klagenden Partei abgegebenen Erklärungen, die die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit des Bildes - Herkunft des Bildes von Nicolas Berchem - in Irrtum sein und die Klägerin müßte diesen Irrtum veranlaßt haben. Die Klägerin habe aber nicht die unbedingte Erklärung abgegeben, daß das Bild von Nicolas Berchem stamme.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unbestritten blieb, daß zwischen den Streitteilen ein Kommissionsvertrag im Sinne der §§ 383 ff HGB zustandegekommen (vgl. § 1 Abs. 3 der Geschäftsordnung für den Versteigerungsbetrieb der klagenden Partei) und abgewickelt worden ist. Die klagende Partei begehrt mit ihrer ca. 2 1/2 Jahre nach dem Verkauf des Bildes eingebrachten Klage vom beklagten Einbringer die Herausgabe all dessen, was dieser von ihr aufgrund dieses Rechtsgeschäftes erhalten hat; sohin die Rückabwicklung. Sie stützt ihr Begehren auf drei Rechtsgründe, und zwar auf die Rückabwicklungsnormen der Gewährleistung, jene der Irreführung sowie des gemeinsamen Irrtums und Bereicherung.

Soweit die Revision vermeint, die klagende Partei habe einem berechtigten Gewährleistungsanspruch des Erstehers entsprochen, ist ihr entgegenzuhalten, daß nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung (MGA ABGB33 § 933/16 f) auch bei geheimen Mängeln die Gewährleistungsfrist mit der körperlichen Übergabe der Sache und nicht erst im Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Mangels in Lauf gesetzt wird. Der Mangel lag bereits bei Übergabe des Bildes an den Ersteher vor. Von einem stillschweigend vereinbarten Hinausschieben des gesetzlichen Fristbeginnes auf den Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Mangels kann keine Rede sein. Die Klägerin hätte daher gegenüber dem Ersteher aus dem Titel der Gewährleistung keine Rückabwicklungspflicht getroffen. Es erübrigen sich sohin Erwägungen über die Zulässigkeit des Ausschlusses der Gewährleistung.

Nach § 384 Abs 2 HGB ist der Kommissionär verpflichtet, dem Kommittenten dasjenige herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Er muß die Interessen des Kommittenten wahren, wobei er pflichtwidrig handelt, wenn er das Ausführungsgeschäft ohne Zustimmung des Kommittenten storniert. Besteht zwischen seinen Interessen und denen des Kommittenten ein Konflikt, muß er den Interessen des Kommittenten den Vorrang geben. Er darf Maßnahmen im Interesse des Kommittenten nicht deshalb unterlassen, weil sie Aufwendungen verursachen (Griß-Reiterer in Straube HGB Rz 3 zu § 384 HGB). Daraus ergibt sich aber, daß der Kommissionär nicht berechtigt ist, die Rücktrittserklärung des Erwerbers des Kommissionsgutes aus bloßen Kulanzgründen zu akzeptieren.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Klägerin als Kommissionär einen Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB gegen den Beklagten als Kommittenten nur haben kann, wenn eine Stornierung des Ausführungsgeschäftes nicht zu vermeiden gewesen wäre. Diesen Umstand hätte die Klägerin als derjenige, der die Rückforderung begehrt, beweisen müssen.

Nach den Versteigerungsbedingungen der Klägerin, denen sich auch ihre Kunden zu unterwerfen haben, wird ausdrücklich jede Gewähr für die Richtigkeit der Gutachten ausgeschlossen. Ebenso werden Reklamationen betreffend den Preis, die Beschaffenheit und den Zustand der ersteigerten Gegenstände nach dem Zuschlag ausgeschlossen. Sonstige Reklamationen sind bei der Übernahme der Gegenstände zu erheben. Dieser Ausschluß verweist schließlich ausdrücklich auf die in den Gutachten verwendeten Ausdrücke bezüglich des begutachteten Gegenstandes. Damit ist aber klar zum Ausdruck gebracht, daß durch die Versteigerungsbedingungen nicht nur Gewährleistungsansprüche, sondern auch eine nachträgliche Anfechtung wegen Irrtums ausgeschlossen werden sollte. Gerade bei Kunstgegenständen liegt dies auch auf der Hand, weil hier eine absolute Garantie für die Echtheit und insbesondere für die Zuorndung zu einem bestimmten Künstler vergangener Epochen ausgeschlossen ist. Es sei nur daran erinnert, daß häufig Jahre oder Jahrzehnte nach einer scheinbar sicheren Zuordnung solcher Werke ernste Zweifel an der Richtigkeit dieser Zuordnung entstehen, ja diese Zuordnung sich geradezu als unrichtig herausstellt. Dies muß jedem, der sich näher mit solchen Gegenständen beschäftigt und der ihren Erwerb anstrebt, klar sein. Dem Berufungsgericht ist daher dahin beizupflichten, daß aus der Interessenlage ein Ausschluß der Irrtumsanfechtung nahezu zwingend ist.

Grundsätzlich kann auf die Irrtumsanfechtung im voraus verzichtet werden (Rummel in Rummel Rz 23 zu § 871 ABGB, SZ 41/33, RZ 1979/14 ua). Eine vorsichtige Einschränkung macht Krejci (in Rummel Rz 85 zu § 879 ABGB und ausführlicher in KSchG Handbuch 697 ff), und zwar bezüglich grob fahrlässig veranlaßten Irrtums, wenn der Irrende selbst nicht in der Lage ist, seinerseits rechtzeitig ausreichende Nachprüfungen der irrtumsrelevanten Umstände vorzunehmen. Den Nachweis von Umständen, die den Anschluß der Irrtumsanfechtung im Verhältnis zum Ersteher des Kommissionsgutes unwirksam gemacht hätten, hätte im vorliegenden Fall gegenüber dem Beklagten die Klägerin zu erbringen gehabt. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergeben sich keine Umstände, die einen zwingenden Schluß auf grobe Fahrlässigkeit bei der Begutachtung des Bildes durch einen Sachverständigen der Klägerin zulassen würden. Auch sonstige Umstände, die zur Unwirksamkeit der strittigen Klausel führen könnten, sind nicht hervorgekommen.

Die Entscheidung SZ 43/123 kann hier außer Betracht bleiben, weil dort eine Abweichung von im Vertrag mündlich gemachten Zusagen vorlag, was hier nicht der Fall ist.

Das Berufungsgericht hat also richtig erkannt, daß der Rückforderungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten deshalb nicht berechtigt ist, weil die Klägerin nicht nachweisen konnte, daß der Erwerber des Kommissionsgutes seinerseits ihr gegenüber mit seinem Begehren auf Rückabwicklung Erfolg gehabt hätte. Eine Rückabwicklung aus Kulanzgründen oder bloß zur Vermeidung eines Prozeßrisikos kann aber die Klägerin nicht zu Lasten ihres Vertragspartners vornehmen.

Die Revision erweist sich sohin als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E28081

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00603.91.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19911219_OGH0002_0070OB00603_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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