TE OGH 1992/2/26 3Ob14/92

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Veröffentlicht am 26.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Allgemeine Sparkasse O*****, vertreten durch Mag.Dr.Reinhard Selendi, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Rudolf B*****, vertreten durch Dr.Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 16. September 1991, GZ R 680/91-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 18. April 1991, GZ 9 C 65/91-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 24.Oktober 1985 wurde über das Vermögen des Beklagten der Anschlußkonkurs eröffnet. Der Konkurs wurde nach rechtskräftiger Bestätigung eines am 24.Juli 1986 angenommenen Zwangsausgleiches mit Beschluß vom 16.Oktober 1986 gemäß § 157 Abs 1 KO aufgehoben. Am 14.Juli 1987 beantragte die klagende Partei auf Grund einer Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis dieses Konkursverfahrens die Bewilligung der Fahrnisexekution zur Hereinbringung eines Betrages von S 1,110.596 sA, der infolge Zahlungsverzuges des Beklagten trotz qualifizierter Mahnung und Setzung einer vierwöchigen Nachfrist bei Erfüllung des Zwangsausgleiches nach Eintritt von Terminsverlust und relativem Wiederaufleben der ursprünglich angemeldeten Forderung unberichtigt aushafte. Die beantragte Exekution wurde am 10.August 1987 bewilligt. Die vom Beklagten dagegen erhobene Impugnationsklage wurde in allen Instanzen abgewiesen. Die zufolge Verzuges des Beklagten mit der Erfüllung des Ausgleichs wieder aufgelebte Forderung der klagenden Partei haftet nach wie vor mit einem S 128.600,90 übersteigenden Betrag unberichtigt aus.

Mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 28.Oktober 1988, 1 Cg 205/87, wurde das Begehren der klagenden Partei, der Beklagte sei schuldig, ihr S 661.220 sA zu bezahlen, abgewiesen und die klagende Partei verpflichtet, dem Beklagten die mit S 97.698,50 bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben; die klagende Partei wurde schuldig erkannt, dem Beklagten auch die mit S 30.902,40 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen. Der Beklagte war in diesem Verfahren zunächst durch einen frei gewählten Rechtsanwalt vertreten. Im Berufungsverfahren wurde dem Beklagten über seinen Antrag die Verfahrenshilfe einschließlich der vorläufig unentgeltlichen Beigebung eines Rechtsanwaltes bewilligt. Weder von dem dem Beklagten beigegebenen Rechtsanwalt Dr.Günther G***** noch von dessen frei gewähltem Vorgänger wurde die Erklärung abgegeben, daß sie die Bezahlung der Prozeßkosten zu eigenen Handen begehren.

Mit Schreiben vom 6.August 1990 an Dr.Günther G***** erklärte der Vertreter der klagenden Partei hinsichtlich dieser Kostenforderungen des Beklagten die Kompensation mit der im Konkursverfahren festgestellten Forderung der klagenden Partei, zu deren Gunsten mit Beschluß vom 10.August 1987 die Exekution bewilligt worden war. Eine derartige Aufrechnungserklärung wurde mit Schreiben vom 22.Jänner 1991 auch gegenüber dem Beklagten abgegeben.

Bereits zuvor war mit Beschluß des Erstgerichtes vom 11.Oktober 1990 dem Beklagten zur Hereinbringung der Kostenforderungen von zusammen S 128.600,90 sA gegen die klagende Partei die Fahrnisexekution bewilligt worden.

Gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten diese Exekution bewilligt wurde, erhebt die klagende Partei mit der vorliegenden Klage Einwendungen nach § 35 EO. Die Kostenforderungen, zu deren Hereinbringung die Exekution bewilligt worden sei, seien durch Aufrechnung erloschen. Die aufrechnungsweise eingewendete Forderung der klagenden Partei habe bereits vor den im Verfahren 1 Cg 205/87 des Kreisgerichtes Wels ergangenen Entscheidungen bestanden; sie sei daher ungeachtet eines etwaigen Kostenpfandrechtes des Dr.Günther G***** gemäß § 19 a RAO gültig.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die von der klagenden Partei vorgenommene Aufrechnung sei zufolge des gemäß § 19 a RAO vom Vertreter des Beklagten in Anspruch genommenen gesetzlichen Pfandrechtes und der damit fehlenden Gleichartigkeit zwischen beiden Forderungen unzulässig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt; es sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Stehe einem Dritten an einer Forderung ein Pfandrecht zu, sei die Befugnis des Schuldners zur Aufrechnung mit einer Gegenforderung beschränkt. Der Schuldner könne wegen der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung auf den Zeitpunkt, in dem die Forderungen sich zuerst aufrechenbar gegenüberstanden, zwar mit solchen Gegenforderungen aufrechnen, die ihm schon vor der Begründung des Pfandrechtes zugestanden seien, nicht aber mit erst später entstandenen oder von ihm erst später erworbenen Forderungen. Dieser Grundsatz komme auch bei Forderungen zum Tragen, an denen ein gesetzliches Pfandrecht gemäß § 19 a RAO bestehe. Dieses gesetzliche Pfandrecht entstehe zwar gleichzeitig mit der Kostenersatzforderung, aber nur unter der Voraussetzung, daß zur Zeit des Existentwerdens der Forderung diese nicht schon infolge des früheren Bestandes einer Gegenforderung des Kostenschuldners aufgehoben sei. Die Gegenforderungen des Kostenschuldners, die schon im Zeitpunkt des Entstehens der Kostenforderung aufrechenbar bestehen, könnten daher dem Kostengläubiger gegenüber aufgerechnet werden; das gleichzeitig entstehende Pfandrecht nach § 19 a RAO verhindere dies nicht. Für die Geltendmachung der Aufrechnung in einer Oppositionsklage durch den Kostenschuldner mache es auch keinen Unterschied, ob die Gegenpartei im Vorprozeß durch einen frei gewählten Vertreter oder durch einen Anwalt zur Verfahrenshilfe vertreten worden sei. Durch § 70 ZPO in der Fassung des Verfahrenshilfegesetzes BGBl 1973/569 sei der Kostenersatz für den frei gewählten und den zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt völlig gleichgestellt worden. Die in der Oppositionsklage geltend gemachte Gegenforderung der klagenden Partei habe schon im Zeitpunkt der Entstehung der betriebenen Kostenforderungen aufrechenbar und in einer die Kostenforderungen übersteigenden Höhe bestanden. Die bewilligte Exekution sei daher unzulässig. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil die zuletzt zur behandelten Frage veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 1. Juli 1987, WBl 1987, 346, auch anders als in der vom Berufungsgericht vertretenen Weise verstanden werden könnte und eine Rechtsprechung zur Frage fehle, inwieweit einem Kostengläubiger, der im Vorprozeß durch einen zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt vertreten worden sei, Gegenforderungen im Wege des § 35 EO aufgerechnet werden können.

Die Revision ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes darüber, daß die Aufrechnung einer Forderung des Verpflichteten mit der Kostenforderung einer Prozeßpartei, die schon im Zeitpunkt ihres Entstehens mit dem gesetzlichen Pfandrecht ihres Vertreters nach § 19 a RAO belastet ist, möglich ist, wenn diese Forderung der Kostenforderung der betreibenden Partei bereits im Zeitpunkt ihres Entstehens aufrechenbar gegenüberstand und insbesondere zu diesem Zeitpunkt auch bereits fällig war, entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Diese Rechtsprechung (SZ 12/217; RSpr 1933/113; SZ 19/296; SZ 25/289;

EvBl 1954/284; EvBl 1967/121; 3 Ob 107/78; AnwBl 1981, 427;

WBl 1987, 346 ua) stimmt mit der Lehre (Ehrenzweig2 II/1, 338;

Gschnitzer in Klang2 VI, 513; Heller-Berger-Stix 388; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 25 zu § 1440; Honsell in Schwimann, ABGB, V, Rz 12 zu § 1440) überein. Die Entscheidung WBl 1987, 346 weicht weder von dieser Rechtsprechung ab, noch gibt sie zu Zweifeln Anlaß. Auch in ihr wird der Standpunkt vertreten, daß der Schuldner einer mit dem Pfandrecht nach § 19 a RAO belasteten Kostenforderung mit einer Gegenforderung aufrechnen kann, wenn sich diese und die Kostenforderung im Zeitpunkt des Entstehens der Kostenforderung bereits aufrechenbar gegenüberstanden, die Gegenforderung also insbesondere in jenem Zeitpunkt bereits fällig war (was bei dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht der Fall war). Der Umstand, daß in der genannten Entscheidung der Unterschied zwischen einer überhaupt nur mit der Belastung durch das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwalts nach § 19 a RAO existent werdenden Kostenforderung und dem "gewöhnlichen" Fall der Verpfändung oder Pfändung einer Forderung, wie er etwa in den Entscheidungen SZ 46/49 und SZ 51/67 behandelt wurde, erörtert wird, verdeutlicht dies nur.

Auch die Frage, "inwieweit einem Kostengläubiger, der im Vorprozeß durch einen zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt vertreten war, im Wege des § 35 EO Gegenforderungen aufgerechnet werden können", kann nicht als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO angesehen werden. Das bis dahin bestandene Aufrechnungsverbot des § 70 Abs 2 ZPO alter Fassung (vgl hiezu Gschnitzer aaO, 513 f und Fasching II, 450) wurde durch das Verfahrenshilfegesetz BGBl 1973/569 beseitigt. Durch das genannte Gesetz erfolgte eine völlige Gleichstellung des Kostenersatzes für den frei gewählten und für den gerichtlich bestellten Rechtsanwalt (Fasching ErgBd 45, Fasching, Lehrbuch2 Rz 505). Dies wird auch in 846 BlgNR 13. GP 14 f ausdrücklich hervorgehoben ("... daß es für eine Partei keinen Unterschied bewirken soll, ob ihr Gegner Verfahrenshilfe genießt ... Beseitigung des Aufrechnungsverbotes ..."). Liegt aber eine derart zweifelsfreie gesetzliche Regelung vor, so bedarf es zur Wahrung der Rechtssicherheit nicht einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Bemerkt sei, daß auch die Parteien dieses Rechtsstreites niemals Zweifel am Bestehen einer Aufrechnungsmöglichkeit aus dem Grund, weil der Beklagte im Vorverfahren zuletzt durch einen zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt vertreten war, geäußert haben.

Die klagende Partei hat in der von ihr erstatteten Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen. Sie hat daher keinen Kostenersatzanspruch (§§ 40, 50 ZPO).

Anmerkung

E28751

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00014.92.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19920226_OGH0002_0030OB00014_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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