TE OGH 1992/4/8 9ObA65/92

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Veröffentlicht am 08.04.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Winfried Kmenta in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erika K*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei G. & E. ***** OHG *****, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen S 134.814,17 brutto sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20.November 1991, GZ 31 Ra 60/91-109, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6.November 1990, GZ 7 Cga 5004/89-104, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision der Klägerin wegen unrichtiger Kostenentscheidung wird zurückgewiesen.

Im übrigen wird beiden Revisionen nicht Folge gegeben. Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.103,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 603,48 Umsatzsteuer und S 480,-- Barauslagen), die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 6.404,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 849,-- Umsatzsteuer und S 1.320,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 8.2.1978 angestellt. Sie wurde zunächst mit Schreiben vom 28.10.1982 (zeitwidrig) zum 31.12.1982 gekündigt und am 10.12.1982 entlassen. Sie behauptet, ungerechtfertigt entlassen worden zu sein und begehrt von der Beklagten S 134.814,17 brutto sA an Gehalt (zuzüglich durchschnittlicher Provisionen) für November 1982 und vom 1. bis 10.12.1982, Weihnachtsremuneration, Kündigungsentschädigung, einschließlich der aliquoten Sonderzahlungen, Abfertigung und Urlaubsentschädigung.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und behauptete, die Klägerin wegen eines (verschuldeten) Warenfehlbestandes von S 52.159,- unentschuldigten Fernbleibens, rufschädigender Äußerungen über die Beklagte sowie Bewirtung von Freunden und Bekannten auf Kosten der Beklagten entlassen zu haben. Die Klägerin habe nur Anspruch auf 2 % Provision vom Gesamtumsatz. Sie habe an ihrem letzten Arbeitstag den auf Grund der Kündigung der Beklagten ermittelten Endabrechnungsbetrag von S 46.902 erhalten.

Über das Vermögen der Beklagten wurde am 6.12.1984 zu Sa 125/84 des Handelsgerichtes Wien das Ausgleichsverfahren eröffnet und mit Beschluß vom 8.7.1985 der zwischen der Beklagten und ihren Gläubigern abgeschlossene Ausgleich, wonach alle (nicht bevorrechteten) Gläubiger eine 40 %ige Quote erhalten, bestätigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auch im dritten Rechtsgang (das Verfahren ist seit 17.12.1982 anhängig!) statt.

Es stellte fest, daß die Klägerin zuletzt ein Gehalt von S 8.500 brutto 14mal jährlich bezog und insgesamt S 13.250 monatlich verdiente.

Die behaupteten Entlassungsgründe nahm es als nicht erwiesen an. Auch den Beweis für die Zahlung eines Betrages von S 46.902 habe die Beklagte nicht erbracht. Die Beklagte habe im Ausgleichsverfahren zu Sa 125/84 des Handelsgerichtes Wien (gemäß § 66 Abs 1 AO) die vorläufige Feststellung der Höhe der von der Klägerin mit S 136.352,67 netto angemeldeten (bestrittenen) Forderung beantragt. Eine Entscheidung über diesen Antrag sei "in dieser Form ergangen". Die Klägerin habe die Beklagte unter Setzung einer 8-tägigen und unter tatsächlicher Gewährung einer mehrwöchigen Nachfrist gemäß § 53 Abs 4 AO aufgefordert, die Forderung zu erfüllen. Die Beklagte habe keine Zahlung geleistet, so daß die Nachfrist im Zeitpunkte des Schlusses der Verhandlung ergebnislos abgelaufen gewesen sei.

Da die Klägerin unberechtigt entlassen worden sei, habe sie Anspruch auf die rechnerisch richtig geltend gemachten Beträge. Aus den obigen Feststellungen ergebe sich auch das Wiederaufleben ihrer Forderung nach § 53 AO.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge; es sprach der Klägerin S 48.092,53 brutto sA zu und wies das Mehrbegehren von S 86.721,64 brutto sA ab.

Die zweite Instanz setzte sich ausführlich mit der Beweisrüge der Beklagten auseinander und erachtete danach die Beweiswürdigung des Erstgerichtes im Ergebnis als zutreffend. Zur Frage der Höhe des Provisionsanspruches der Klägerin ergänzte das Berufungsgericht das Beweisverfahren. Das durchschnittliche Provisionseinkommen der Klägerin habe jedenfalls mehr betragen als aus den Provisionsabrechnungen hervorgehe, wenngleich auch die von der Klägerin verfaßten Aufstellungen das Berufungsgericht nicht voll überzeugten. Da die Höhe der monatlichen Durchschnittsprovision auch durch das ergänzte Beweisverfahren nicht vollständig habe geklärt werden können, sei der Durchschnittsbetrag unter Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO mit S 2.500 monatlich zu ermitteln. Das Berufungsgericht nahm auch nicht als erwiesen an, daß der Klägerin der behauptete Betrag von S 46.942,- am 12.11.1982 ausgezahlt wurde. Auf der Basis eines Monatsbezuges von S 11.000 (S 8.500 Gehalt, S 2.500 Durchschnittsprovision gemäß § 273 Abs.1 ZPO) errechnete das Berufungsgericht die Gesamtansprüche der Klägerin an Gehalt, Weihnachtsremuneration, Kündigungsentschädigung, Abfertigung, Wohnungsbeihilfe und Urlaubsentschädigung mit S 120.231,32.

Die Feststellung des Erstgerichtes, daß das Ausgleichsgericht über den Antrag der Beklagten (als Ausgleichsschuldnerin im Verfahren Sa 125/84 des Handelsgerichtes Wien) gemäß § 66 Abs 1 AO entschieden hat, sei aktenwidrig. Die für den Fall des Verzuges in der Erfüllung des Ausgleiches vorgesehenen Rechtsfolgen (§ 53 Abs 4 AO) könnten den Schuldner gemäß § 66 Abs 2 AO jedenfalls dann nicht treffen, wenn er bei der Erfüllung des Ausgleichs bestrittene Forderungen bis zur endgültigen Feststellung des Bestehens oder der Höhe der Forderung in dem Ausmaß berücksichtige, das einer vom Ausgleichsgericht gemäß § 66 Abs 1 AO getroffenen Entscheidung entspreche. Solange eine Entscheidung iS des§ 66 Abs 1 AO nicht getroffen worden sei, würden trotz der Mahnung des Gläubigers der Nachlaß und die sonstigen Begünstigungen, die der Ausgleich gewähre, nicht gemäß § 53 Abs 4 AO hinfällig. Die Forderungen der Klägerin seien bereits vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens am 6.12.1984 entstanden. Sie seien daher keine bevorrechteten Forderungen, sondern Ausgleichsforderungen. Sie seien daher von den im § 53 Abs 1 AO bezeichneten Rechtswirkungen des Ausgleichs betroffen worden. Die Beklagte habe somit der Klägerin nur die Ausgleichsquote, also 40 % von S 120.231,32 = S 48.059,53, zu leisten. Das Mehrbebehren sei abzuweisen.

Beide Parteien bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes - soweit es für sie nachteilig ist - mit Revision; die Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, die Beklagte auch wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt werde. Die Beklagte beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellen beide Revisionswerber Aufhebungsanträge. In ihren Revisionsbeantwortungen stellen sie den Antrag, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Beide Revisionen sind nicht berechtigt.

1.) Zur Revision der Beklagten:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Beklagte bekämpft mit ihren umfangreichen Ausführungen zur Frage, ob sie der Klägerin am 12.11.1982 S 46.902 gezahlt habe und in welchem Ausmaß der Klägerin aus den sogenannten Paragonverkäufen Provision gebührte, nur die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes. Dies ist aber im Revisionsverfahren unzulässig. Auch die Frage, ob das Berufungsgericht (zu Kontrollzwecken) weitere Sachverständigenbeweise anzuordnen hatte, betrifft die im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigung. In der strittigen Frage der Provisionshöhe durfte das Berufungsgericht unter Übergehung der von der Beklagten angebotenen Beweise nach § 273 Abs.1 ZPO vorgehen.

Ein Verstoß gegen die Denkgesetze ist dem Berufungsgericht bei der Behandlung der Beweiswürdigung nicht unterlaufen. Die Rechtsrüge der Beklagten ist nur insoweit gesetzmäßig ausgeführt, als sie geltend macht, daß die "Gesamtforderung" der Klägerin im Anmeldungsverzeichnis des Ausgleichsgerichtes lediglich mit einem Betrag von S 67.622,41 eingetragen ist, so daß ihr höchstens 40 % dieses Betrages zuzusprechen gewesen wären. Die Revisionswerberin übersieht aber, daß sich die Rechtswirkungen eines rechtskräftig bestätigten Ausgleichs auch auf die Forderungen jener Gläubiger erstrecken, die am Verfahren nicht teilgenommen haben (§ 53 Abs 1 AO), und daß das Unterlassen der Anmeldung einer Forderung im Ausgleich auch nicht deren Verlust zur Folge hat (SZ 61/244; Bartsch-Pollak, Komm3 II 434 f). Umsoweniger kann es der Klägerin schaden, wenn ihre Forderung - angeblich wie die Beklagte behauptet, wegen einer undeutlichen Forderungsanmeldung - nur mit S 67.622,41 in das Anmeldungsverzeichnis eingetragen wurde, hatte sie doch die volle Forderung im Zeitpunkte der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens längst gerichtlich geltend gemacht.

2.) Zur Revision der Klägerin:

Die Revisionswerberin weist darauf hin, daß ihr Anspruch von der Beklagten mit Hilfe einer verfälschten Lohnbefriedigungserklärung bestritten worden sei; es habe eines langwierigen Beweisverfahrens bedurft, um die Ehegatten E***** des der Beklagten zuzurechnenden deliktischen Verhaltens zu überführen. Im Zusammenhang mit diesem Vorgehen habe die Beklagte den Antrag nach § 66 Abs 1 AO rechtsmißbräuchlich gestellt, so daß ihr die Rechtswirkungen dieser Bestimmung nicht zugutekämen.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Abgesehen davon, daß die anwaltlich vertretene Klägerin Rechtsmißbrauch in erster Instanz nicht geltend machte, steht nicht mit Sicherheit fest, ob das Schreiben vom 12.11.1982 tatsächlich verfälscht wurde. Im Strafverfahren 22 c Vr 11.588/84 des Landesgerichtes Wien wurden die Ehegatten E***** vom Vorwurf des Betruges (durch Urkundenverfälschung) freigesprochen. Der Zuspruch zugunsten der Klägerin beruht darauf, daß das Berufungsgericht auf Grund der Gesamtwürdigung aller einschlägigen Beweise zum Ergebnis kam, daß nicht erwiesen ist, daß der Klägerin der Betrag von S 46.902 ausgezahlt wurde.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen und dem Inhalt des Aktes Sa 125/84 des Handelsgerichtes Wien scheint im Anmeldungsverzeichnis (§ 32 AO) unter PostNr 36 eine Forderungsanmeldung der Klägerin in Höhe von S 67.622,41 auf, die von der Ausgleichsschuldnerin und vom Ausgleichsverwalter bestritten wurde. Nach ihrem Vorbringen im Ausgleichsverfahren (dort ON 35; die Anmeldung selbst liegt nicht vor) hat allerdings die Klägerin S 136.352,67 angemeldet, während die Beklagte (im vorliegenden Verfahren) behauptet, daß die Eintragung von S 67.622,41 in das Anmeldungsverzeichnis auf einer "undeutlichen Forderungsanmeldung" der Klägerin beruhe und sie es versäumt habe, auf einen allfälligen Irrtum hinzuweisen (AS 279, 617, 694). Am 28.11.1986 hat die Beklagte unter Vorlage einer Fotokopie des Mahnschreibens des Klagevertreters vom 19.11.1986 den Antrag gestellt, gemäß § 66 AO die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung mit der im § 66 Abs 2 KO bezeichneten Wirkung "mit dem Betrag von 0 S oder mit dem Betrag von 0 bis 67.622,41 S" festzustellen. Die Klägerin beantragte, diesen Antrag zurückzuweisen, weil die Rechtsfolgen des Wiederauflebens bereits eingetreten seien, und legte nachträglich das im vorliegenden Rechtsstreit eingeholte graphologische Gutachten über die Echtheit des Schreibens vom 12.11.1982 vor. Eine Entscheidung über den Antrag der Beklagten erging nicht und wurde von den Prozeßparteien auch nicht mehr betrieben.

Ist das Bestehen oder die Höhe einer Forderung (im

Ausgleichsverfahren)... bestritten und liegt darüber keine

Entscheidung nach § 44 Abs 2 AO (Stimmrechtsentscheidung) ... vor,

so hat das Ausgleichsgericht, gleichviel, ob das Verfahren nach der

Bestätigung aufgehoben wurde oder nicht, auf Antrag des Schuldners

oder des Gläubigers die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung

mit der in Abs 2 bezeichneten Wirkung festzustellen. Diese Wirkung

besteht darin, daß die Verzugsfolgen nach § 53 Abs 4 AO

(Wiederaufleben) den Schuldner jedenfalls dann nicht treffen, wenn

er bei der Erfüllung des Ausgleichs bestrittene .... Forderungen

bis zur endgültigen Feststellung des Bestehens oder der Höhe der

Forderung ... in dem Ausmaß berücksichtigt, das einer vom

Ausgleichsgericht gemäß Abs 1 oder gemäß § 44 Abs 2 AO

(Stimmrechtsentscheidung) .... getroffenen Entscheidung entspricht.

Der Ausgleichsschuldner hat selbst nach Erhalt einer qualifizierten Mahnung des Gläubigers iS des § 53 Abs 4 AO noch die Möglichkeit, eine Provisiorialentscheidung des Ausgleichsgerichtes nach § 66 Abs 1 AO zu beantragen (SZ 52/143 = EvBl 1980/66 zu § 55 f Abs 1 AO). Ein solcher Antrag kann - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - auch noch nach der Aufhebung des Ausgleichsverfahrens infolge der Ausgleichsbestätigung gestellt werden. Stellt weder der Gläubiger noch der Schuldner den Antrag, so kommt dem Ausgleichsschuldner die Milderung der Verzugsfolgen nicht zustatten, weil es auf das Tätigwerden des Schuldners ankommt, in dessen Interesse die Erwirkung einer solchen Provisorialentscheidung gelegen ist (SZ 52/143 = EvBl 1980/66; 5 Ob 319/81). Mit dieser Regelung soll verhindert werden, daß der Ausgleichsschuldner unter dem Druck der drohenden Sanktion des Wiederauflebens gezwungen ist, eine bestrittene Forderung vor der Klärung der Sach- und Rechtslage im streitigen Verfahren (im Umfang der Ausgleichsquote) zu begleichen, weil er dann, wenn die Klärung zu seinem Nachteil ausginge, objektiv in Verzug und damit bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen den Rechtsfolgen des § 53 Abs 4 AO ausgesetzt wäre. Diese Folgen mildert die Ausgleichsordnung, unbeschadet der allgemeinen zivilrechtlichen Verzugsfolgen (Bartsch-Pollak3 II 506). Der Ausgleichsschuldner muß nur den Betrag (nach Maßgabe der Fälligkeit der nach dem angenommenen Ausgleichsvorschlag zu begleichenden Raten) zahlen, den das Ausgleichsgericht auf Grund der vorläufigen Feststellung als wahrscheinliche Schuld ansieht. Hat der Schuldner diesen Antrag einmal gestellt, so kommt er erst in Verzug, wenn eine wirksame Entscheidung des Ausgleichsgerichtes iS des § 66 Abs 1 AO vorliegt. Verfahrensverzögerungen gehen dann nicht mehr zu seinen Lasten, zumal auch der Gläubiger die Möglichkeit hat, die Entscheidung über diesen Antrag zu betreiben.

Dieser Schutz kommt der Beklagten zugute, weil sie auf Grund der Mahnung der Klägerin vom 19.11.1986 eine Entscheidung des Ausgleichsgerichtes nach § 60 Abs 1 AO beantragt hat. Damals galt bereits die 14-tägige Nachfrist des § 53 Abs 4 AO (Art XI § 2 Abs 2 Z 2 lit.c IRÄG). Eine frühere Mahnung der Beklagten wurde nicht behauptet. Daß sich der Antrag der Beklagten nur auf eine im Anmeldungsverzeichnis mit S 67.622,41 aufscheinende Forderung bezogen hat, führt nicht zum Eintritt der Verzugsfolgen hinsichtlich der Restforderung. Die Beklagte hat im Antrag darauf hingewiesen, daß die Klägerin insgesamt S 136.352,67 eingeklagt hat, und das Mahnschreiben der Klägerin vom 19.11.1986 (das sich auf die Bestreitung ihrer Forderung durch die Beklagte im vorliegenden Verfahren (zitiert wird dort 7 Cr 394/84 statt richtig 7 Cr 394/82) bezogen hat) in Fotokopie vorgelegt; die Klägerin hat daraufhin in ihrer Gegenäußerung behauptet, sie habe ohnehin die gesamte Forderung von S 136.352,67 im Ausgleichsverfahren angemeldet. Bei Erledigung dieses Antrages nach § 60 Abs 1 AO hätte daher das Ausgleichsgericht darüber absprechen müssen, ob der Entscheidung über die vorläufige Feststellung der Höhe der bestrittenen Forderung eine angemeldete Forderung von S 136.352,67 oder nur von S 67.622,41 zugrunde zu legen sei. In letzterem Fall hätte aber die Beklagte ihren Antrag noch entsprechend ausdehnen können. Die Verzugsfolgen des § 53 Abs 4 AO sind daher nicht eingetreten.

In der Entscheidung SZ 57/138 = JBl 1986, 126 = EvBl 1985/61 hat allerdings der Oberste Gerichtshof die Ansicht vertreten, daß eine Ausgleichsforderung auch nach Bestätigung des Ausgleichs und unabhängig von einem etwaigen Wiederaufleben in voller Höhe einklagbar sei; das Fehlen der Wiederauflebensvoraussetzungen sei erst im Exekutionsverfahren zu prüfen. Der damals erkennende Senat leitete diese Rechtsansicht insbesondere aus der Neufassung des § 53 Abs 3 AO durch das IRÄG ab, nach der es zur Bewilligung der Exekution im Falle des Verzuges nicht mehr des Nachweises bedürfe, daß sich der Schuldner im Verzug befinde. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung dem Umstand Rechnung tragen wollen, daß dem Gläubiger durch die bisherige Rechtsprechung eine unzumutbare Beweislast aufgebürdet und damit dem Schuldner die Möglichkeit nicht gewünschter Verzögerungen geboten wurde. Da § 54 Abs 4 AO Leistungsklagen auch über Forderungen zulasse, zu deren Gunsten gemäß § 54 Abs 1 AO ein Exekutionstitel geschaffen wurde, müßten solche Leistungsklagen auch zugunsten der gesamten Forderung ohne Rücksicht auf die sich aus § 53 Abs 1 AO ergebende Kürzung möglich sein, weil der hiedurch geschaffene Exekutionstitel auch für den Fall des Wiederauflebens nach § 53 Abs 4 AO wirke und das Fehlen der Voraussetzungen für das Wiederaufleben erst im Exekutionsverfahren zu prüfen sei.

§ 54 Abs 4 Satz 2 AO besagt aber nur, daß das Vorliegen eines Exekutionstitels nach § 54 Abs 1 AO die Zulässigkeit einer Leistungsklage über diese Forderung nicht ausschließt, also kein Prozeßhindernis besteht. Hält man an der bisher herrschenden Auffassung fest, daß der im Ausgleich erlassene Forderungsteil zur unklagbaren Naturalobligation wird (Bartsch-Pollak I 651 f mwN in Anm 20, II 437 f; Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht 653;

Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht 275; Fink, JBl 1986, 80;

Mayrhofer-Ehrenzweig3 12 mwN FN 15; demnächst Gamerith in Rummel2 II Rz 2 zu § 1351; JBl 1931, 126; AnwZ 1931, 150 f; SZ 16/67;

JBl 1950, 342; EvBl 1969/177; EvBl 1991/25) und dem Urteil im Erkenntnisverfahren die Sachlage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (im arbeitsrechtlichen Verfahren mit den einschlägigen Abweichungen) zugrundezulegen ist (§ 406 ZPO), so kann die bloße Möglichkeit, daß es künftig zu einem Wiederaufleben des erlassenen Forderungsteils kommen könne, im Titelverfahren nicht mitberücksichtigt werden. § 53 Abs 3 AO setzt - soweit sich die allgemeine Fassung dieser Bestimmung auch auf das Wiederaufleben bezieht - voraus, daß über die Forderung ein die Ausgleichsquote übersteigender Exekutionstitel, sei es im Ausgleichsverfahren selbst oder in einem anderen Verfahren, geschaffen worden ist; aus dieser Bestimmung ist aber (auch in Verbindung mit § 54 Abs 4 AO) nicht abzuleiten, daß nach der Wirksamkeit des bestätigten Ausgleichs ohne Vorliegen eines Wiederauflebenstatbestandes ein Exekutionstitel in voller Höhe der ursprünglichen Forderung geschaffen werden dürfe. Der erkennende Senat folgt daher im wesentlichen der Kritik von Fink (Neue Streitfragen um § 54 AO, JBl 1986, 80) gegen die zitierte Vorentscheidung, die trotz ihrer Praktikabilität mit wesentlichen Grundsätzen des österreichischen Prozeßrechts nicht in Einklang gebracht werden kann.

Die Kostenentscheidung kann im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden; auf die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin ist daher nicht einzugehen.

Beiden Revisionen ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

Anmerkung

E29385

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00065.92.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19920408_OGH0002_009OBA00065_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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