TE OGH 1992/4/30 8Ob558/91

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Veröffentlicht am 30.04.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.F***** G*****, als Masseverwalter im Konkurs der J***** S***** Gesellschaft mbH, ***** wider die beklagte Partei Ö*****bank Aktiengesellschaft, ***** (nunmehr B***** Aktiengesellschaft), vertreten durch Dr.Wilhelm Grünauer ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Anfechtung von Sicherstellungsvereinbarungen und S 2,046.378,36 sA, infolge des Rekurses der beklagten Partei gegen Punkt II (Aufhebungsbeschluß) der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14.Februar 1991, GZ 3 R 209/90-22, womit infolge der Berufungen beider Teile das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29.März 1990, GZ 25 Cg 216/88-15, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird im Umfang der Aufhebung des Leistungsbegehrens von S 994.000 samt Anhang und der Kostenentscheidung nicht, im übrigen aber Folge gegeben. Soweit die Entscheidung des Erstgerichtes über das Begehren auf Unwirksamerklärung der persönlichen Haftungsübernahme durch M***** T***** und der mit Kreditvereinbarung vom 13.8.1987 erlangten Sicherheiten aufgehoben wurde, wird das erstgerichtliche Urteil als Teilurteil wiederhergestellt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß vom 23.12.1987 wurde über das Vermögen der nunmehrigen Gemeinschuldnerin, einer GmbH, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Mit der am 22.7.1988 erhobenen, auf § 30 Abs 1 Z 1 und 3 und § 31 Abs 1 Z 2 KO schließlich auf "alle Rechtsgründe" sowie Sittenwidrigkeit gestützten Klage begehrte der Masseverwalter, die mit Zessionserklärungen vom 21.1., 13.4. und 27.7.1987 durch die Gemeinschuldnerin erfolgten Abtretungen an die beklagte Kreditunternehmung sowie die von dieser erhaltenen Zahlungen und Sicherstellungen, insbesondere die persönliche Haftungsübernahme durch M***** T***** vom 30.1.1987, die mit der angefochtenen Zessionsvereinbarung vom 21.1.1987 in Zusammenhang stehe, und die mit Kreditvereinbarung vom 13.8.1987 erlangten Sicherstellungen der Beklagten den Gläubigern im Konkurs gegenüber für unwirksam zu erklären sowie die Beklagte zur Bezahlung von S 2,046.378,36 zu verurteilen.

Umstritten ist im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof die Anfechtbarkeit der persönlichen Haftungsübernahme (Bürgschaft) durch M***** T*****, dem Sohn des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin, und der in diesem Zusammenhang erfolgten Zahlung von S 994.000, formell auch die Frage der mit Kreditvereinbarung vom 13.8.1987 erlangten Sicherheiten der Beklagten (zu diesem Punkt enthält allerdings weder der Aufhebungsbeschluß noch der Rekurs irgendwelche Ausführungen).

Hiezu steht folgender Sachverhalt fest:

Am 12.6.1985 räumte die beklagte Kreditunternehmung der nunmehrigen Gemeinschuldnerin einen Kredit in der Höhe von zunächst S 500.000 ein. Bereits damals wurde vereinbart, daß die Grundlage der Geschäftsverbindung die AGBKr 1979 bilden, die Gemeinschuldnerin den S 100.000 übersteigenden Debetsaldo durch Fakturenzessionen mit der Marge von 25 % besichern und ihren Bankverkehr vorwiegend über die Beklagte abwickeln werde. Allerdings war ihre Hauptbankverbindung eine andere. In der Folge wurde der Kreditrahmen mehrfach erweitert und die Kreditlaufzeit verlängert.

Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin trat bereits Ende 1986 ein. Sie war jedoch zu diesem Zeitpunkt weder für deren Geschäftsführer noch für einen Dritten, der die Bücher der Gemeinschuldnerin durchgesehen hätte, erkennbar, weil die Bilanzen der Gemeinschuldnerin für 1983 und 1984 keinen Hinweis auf eine Zahlungsunfähigkeit enthielten und sich auch aus der vorläufigen Bilanz für 1985 kein Hinweis hierauf ergab. Der der Gemeinschuldnerin eingeräumte Überziehungsrahmen von schließlich S 1,700.000 war im Jänner 1987 um nicht ganz S 100.000 überschritten, bis zur Konkurseröffnung sank die Kredithöhe auf unter S 1,400.000. Die Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit trat in der ersten Hälfte des Jahres 1987 ein; ob diese bereits im Jänner 1987 erkennbar war, konnte nicht festgestellt werden.

Die Gemeinschuldnerin betrieb den Handel mit Maschinen und Werkzeugen für Steinbearbeitung, vor allem für Steinmetze. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes entschloß sich der Geschäftsführer der nunmehrigen Gemeinschuldnerin, den Betrieb einzustellen und eine Handelsagentur zu betreiben. Er beabsichtigte, die Schulden der Gemeinschuldnerin in Raten zu bezahlen, und zwar unter anderem aus dem Erlös für das Warenlager. Dieses wurde an den in derselben Branche tätigen Sohn des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin, M***** T*****, verkauft, der mit der Gemeinschuldnerin schon länger in Geschäftsbeziehung stand; er bezog von ihr seit etwa 1985 Werkzeuge. Der Kaufpreis für das Warenlager lag etwa in der Größenordnung des damaligen Debetsaldos auf dem Konto der Gemeinschuldnerin bei der Beklagten. Bezüglich der Bezahlung wurde vereinbart, daß M***** T***** versuchen werde, das Warenlager binnen 36 Monaten abzuverkaufen. Vom Erlös sollte der Kaufpreis bezahlt werden. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin war zu diesem Zeitpunkt der Meinung, daß es ihm gelingen werde, sämtliche Schulden der Gemeinschuldnerin zu bezahlen, wenn auch nicht auf einmal.

Anfang Jänner 1987 informierte der Geschäftsführer der nunmehrigen Gemeinschuldnerin den Filialleiter der Beklagten darüber, daß er die Absicht habe, die Gemeinschuldnerin "in Ehren zu liquidieren" und alle Gläubiger in Raten aus dem Erlös für den Verkauf des Warenlagers und aus dem Handelsagenturgewinn zu befriedigen. Eine im wesentlichen gleichartige Information erhielten damals auch die übrigen Gläubiger der Gemeinschuldnerin.

Der Filialleiter der beklagten Kreditunternehmung erklärte sich bereit, von dem Recht der Beklagten, das Kreditverhältnis jederzeit zu lösen, keinen Gebrauch zu machen, falls die Gemeinschuldnerin zusätzliche Sicherheiten beibringe.

Als zusätzliche Sicherheit bot die Gemeinschuldnerin die Bürgschaft des M***** T***** an, welcher am 30.1.1987 eine Wechselbürgschaft für die der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin zustehenden Forderungen übernahm, einen Blankowechsel unterfertigte und der Beklagten übergab. Weiters zedierte die Gemeinschuldnerin am 21.1.1987 der Beklagten Forderungen in Höhe von insgesamt S 1,822.838,76. Von diesen Zessionen bezog sich der Betrag von S 1,720.929,76 auf Forderungen gegen M***** T*****. In der Folge wurden noch weitere Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen M***** T***** und andere der Beklagten zediert, die zum Teil bei dieser eingingen.

Im Mai 1987 zahlte die Gemeinschuldnerin die erste Moratoriumsrate. Weitere Raten wurden nicht mehr bezahlt. In der zweiten Hälfte des Jahres 1987 wurde dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin klar, daß es sehr schwer sein werde, das Moratorium zu erfüllen.

Anläßlich einer weiteren Kreditprolongation vom 13.8.1987 übergab M***** T***** der Beklagten ein weiteres Blankowechselakzept zur Sicherstellung der Forderungen der Beklagten aus dem Kreditvertrag und räumte weitere Sicherheiten ein, nämlich eine Hypothek auf einer ihm gehörenden Liegenschaft und eine Pfandbestellungsurkunde ob eines ihm gehörigen Superädifikats.

Am 14.6.1988, also etwa ein halbes Jahr nach Konkurseröffnung, zahlte M***** T***** an die Beklagte S 962.000, gewidmet als "Teilzahlung des Bürgen M***** T***** aus übernommener Mithaftung aus Blankoakzept", wobei dieser Widmungstext von einem Angestellten der Beklagten vorgeschrieben wurde und dem Willen des M***** T***** entsprach. Außerdem leistete er aufgrund seiner Bürgschaftsverpflichtung in den Monaten August bis November 1988 weitere vier Zahlungen a S 8.000, zusammen also S 994.000.

Das Erstgericht erklärte die mit Zessionsvereinbarung vom 26.1., 13.4. und 27.7.1987 durch die Gemeinschuldnerin an die Beklagte erfolgten Abtretungen den Gläubigern gegenüber für unwirksam und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger S 159.574,20 sA zu bezahlen. Das Klagebegehren des Inhalts, die mit Kreditvereinbarung vom 13.8.1987 erlangten Sicherheiten der Beklagten gegenüber den Gläubigern im Konkurs der Gemeinschuldnerin für unwirksam zu erklären, und das Zahlungsmehrbegehren von S 1,886.804,16 wies es ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, der des Klägers hingegen teilweise Folge. Es bestätigte mit Teilurteil (Punkt I) die Unwirksamerklärung der Zessionsvereinbarungen vom 26.1., 13.4. und 27.7.1987 und die Zahlungsverpflichtung von S 159.574,20 ( - diesbezüglich sei der Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 3 KO verwirklicht - )sowie die Teilabweisung von S 892.804,14. Dieses Teilurteil erwuchs in Rechtskraft.

Im übrigen, also hinsichtlich der Anfechtung der von der Beklagten erlangten Zahlungen und Sicherstellungen, insbesondere der persönlichen Haftungsübernahme des M***** T***** und der mit Kreditvereinbarung vom 13.8.1987 erlangten Sicherheiten der Beklagten sowie der Bezahlung von weiteren S 994.000 hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück (Punkt II).

Zur Bürgschaft des M***** T***** und zu den darauf geleisteten Zahlungen führte das Berufungsgericht aus, der Kläger habe ausdrücklich erklärt, die Bürgschaftserklärung des M***** T***** vom 30.1.1987 anzufechten; es seien auch die mit der Zessionsvereinbarung im Zusammenhang stehenden Sicherungsgeschäfte zu "vernichten". Es bestehe ein über das Leistungsbegehren hinausgehendes Interesse auch an der Unwirksamerklärung der Bürgschaft, weil nicht auszuschließen sei, daß M***** T***** auch aus dem Titel der Bürgschaft noch Leistungen an die Beklagte zu erbringen habe; es sei daher auch darüber ausdrücklich abzusprechen. Zu Recht vertrete der Kläger die Ansicht, die Bürgschaftserklärung des M***** T***** könne wie eine "direkte" Rechtshandlung der Gemeinschuldnerin angefochten werden.

In den Fällen der §§ 30 und 31 KO erfordere der Anfechtungstatbestand keine Rechtshandlung des Schuldners. Als anfechtbare Rechtshandlung sei nicht nur eine einzelne Handlung, sondern auch eine zusammengehörige Kette von Handlungen anzusehen, wenn der anfechtbare Tatbestand durch ihre Gesamtheit bewirkt werde, so wenn der Gemeinschuldner durch einen Dritten eine anfechtbare Sicherstellung auf Kosten der Masse gewähre. Es könne auch die Bürgschaft eines Dritten anfechtbar sein, wenn diese nicht geschenkweise, sondern verbunden mit einem Rückgriffsrecht erfolge, sodaß letztlich weder der begünstigte Gläubiger noch der Bürge, sondern der Schuldner die Kosten der Tilgung der begünstigten Forderung zu tragen habe.

Sei die von der Gemeinschuldnerin angebotene Bürgschaft mit einem Rückgriffsrecht verbunden gewesen, dann könnte der Bürge gegen eine - angenommen - rückzedierte Kaufpreisforderung mit der Regreßforderung aus der Bürgschaft gegenüber der Gemeinschuldnerin kompensieren. Dieses Recht bliebe dem Bürgen bei Zahlungen aufgrund seiner Bürgschaft vom 30.1.1987 aber auch nach der Konkurseröffnung gewahrt: Gemäß § 17 Abs 1 KO könne der Bürge des Gemeinschuldners das Begehren auf Ersatz der vor, aber auch nach der Konkurseröffnung von ihm auf die Forderung geleisteten Zahlungen stellen, soweit ihm ein Rückgriff gegen den Gemeinschuldner zustehe. Ein solches Rückgriffsrecht des Bürgen habe jedoch bereits bei Konkurseröffnung bedingt durch die Bezahlung an den Gläubiger bestanden, sodaß die Rückgriffsforderung noch im Konkurs gemäß § 20 Abs 2 Satz 1 KO zur Aufrechnung verwendet werden könne. Diese Aufrechnungsmöglichkeit sei gemäß § 20 Abs 2 KO - als Ausnahme zu § 20 Abs 1 2.Satz KO - auch dann gegeben, wenn der Bürge von der Zahlungsunfähigkeit des nachmaligen Gemeinschuldners Kenntnis hatte oder haben mußte, wenn die maßgebliche Bürgschaftserklärung - wie im vorliegenden Fall behauptet werde - mehr als 6 Monate vor der Konkurseröffnung abgegeben worden sei.

Da somit ein rückgriffsberechtigter Bürge durch die dargestellte Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber der Konkursmasse gesichert wäre, bestehe die Möglichkeit, daß der Gesamtvorgang eine Begünstigung der Beklagten nicht auf die - anfechtungsrechtlich unbedenkliche - Rechnung des Bürgen, sondern unter Benachteiligung der Konkursmasse bzw der Konkursgläubiger bewirkt habe. Dann wäre aber auch die über Auftrag der Gemeinschuldnerin erfolgte Bürgschaftserklärung als Teil des Gesamtvorganges anfechtbar. Das Erstgericht habe aber keine Feststellungen über die zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Bürgen allenfalls abgeschlossene Vereinbarung getroffen, die zu seiner Bürgschaftserklärung geführt habe, weshalb derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden könne, ob der Bürge aufrechenbare Regreßforderungen gegen die Konkursmasse erworben habe. Das angefochtene Urteil sei daher hinsichtlich der Bürgschaftserklärung aufzuheben. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofes sei zulässig, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur konkursrechtlichen Anfechtbarkeit von Bürgschaftserklärungen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, ihn aufzuheben, Punkt 2 b des erstgerichtlichen Urteils wiederherzustellen und das gesamte Mehrbegehren abzuweisen.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Soweit die Beklagte meint, die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei schon deshalb verfehlt, weil sie zu dem unhaltbaren Ergebnis führen würde, daß jede Bürgschaft, die ja in der Regel mit einem Rückgriffsrecht gegen den Schuldner verbunden sei, im Insolvenzfall des Schuldners angefochten werden könne, mißversteht sie - bewußt oder unbewußt - die Ausführungen des Berufungsgerichtes: Im Regelfall ist die Übernahme einer persönlichen Haftung durch einen Dritten für den späteren Gemeinschuldner unanfechtbar, auch wenn dem Bürgen ein Regreßrecht zusteht (vgl § 17 Abs 1 KO). Ein solches Rückgriffsrecht schmälert in der Regel auch in keiner Weise das Massevermögen, weil es gleichgültig ist, ob die Rechte aus einer Forderung, die einem Gläubiger gegenüber dem Schuldner zustehen, von ihm selbst oder vom rückgriffsberechtigten Bürgen ausgeübt werden. Das Massevermögen kann nur dann geschmälert werden, wenn durch eine "zusammengehörige Kette von Handlungen" bewirkt wird, daß der Gemeinschuldner mittelbar durch einen Dritten eine Befriedigung oder Sicherstellung auf Kosten der Masse gewährt. Das Berufungsgericht meinte lediglich, eine solche "mittelbare" Leistung könne wie eine "direkte" Rechtshandlung des Gemeinschuldners angefochten werden; eine solche Konstellation sei auch durch die Zwischenschaltung eines Bürgen unter gewissen hinzukommenden Voraussetzungen möglich; diese wären noch zu prüfen.

Der Beklagten ist aber zuzugestehen, daß die vom Berufungsgericht in concreto aufgezeigte "Kette von Handlungen" die Anfechtbarkeit nicht begründen kann. Es meinte, wenn M***** T***** gegen die Gemeinschuldnerin ein Rückgriffsrecht zustehe (was im fortgesetzten Verfahren geprüft werden müsse), dann könne dieser mit der - angenommenen (?) - rückzedierten Kaufpreisforderung aus dem Verkauf des Warenlagers kompensieren und so letztlich bewirken, daß die Leistung auf Kosten der Masse gewährt werde. Dem steht aber entgegen, daß eine Rückzedierung weder behauptet noch bewiesen ist. Ist ein rückgriffsberechtigter Bürge nicht mehr Schuldner des Gemeinschuldners, weil dieser die Forderung (hier an die Beklagte) zediert hat, kann er mangels Gegenseitigkeit nicht mehr die Aufrechnungseinrede erheben. Im Fall einer nunmehr erst erfolgten Rückzession wäre er erst nach der Konkurseröffnung wieder Schuldner der Konkursmasse geworden; gleiches gilt, wenn er erst infolge erfolgreicher Anfechtung der Zession durch den Kläger wieder in diese Position gelangt ist. In einem solchen Fall besteht keine Aufrechenbarkeit: die Aufrechnung ist nämlich nach § 20 Abs 1 KO jedenfalls unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung (wieder) Schuldner der Konkursmasse geworden ist; in diesem Fall nützt es ihm nichts, daß er die Gegenforderung - bedingt durch die Zahlung an den Gläubiger - früher als sechs Monate vor der Konkurseröffnung erworben hat (§ 20 Abs 2 erster Halbsatz KO), weil sich diese Ausnahmebestimmung wohl nur auf den dritten Fall des § 20 Abs 1 KO bezieht (Bartsch in Bartsch-Pollak, Komm AO, KO und AnfO II3, 221 zu § 20 AO; undeutlich ders I3, 119 zu § 20 KO).

In der Rekursbeantwortung stützt sich der klagende Masseverwalter unter anderem auf das Vorliegen einer der Anfechtung unterliegenden mittelbaren Zuwendung. Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach § 27 KO können Rechtshandlungen, die vor Konkurseröffnung vorgenommen wurden und das Vermögen des Gemeinschuldners betreffen, nach den Bestimmungen des II. Abschnittes der Konkursordnung angefochten werden. Die Befriedigung eines Gläubigers mit fremden Mitteln ist, weil nicht das Vermögen des Gemeinschuldners betreffend, im Regelfall nicht anfechtbar. Leistet ein Dritter anstelle des Gemeinschuldners, so tritt zwar (gemäß §§ 1358 oder 1422 ABGB) ein Wechsel in der Person des Gläubigers ein. Durch Rückgängigmachung der Zahlung würde dann zwar die Forderung des Leistenden erlöschen, die des früheren Gläubigers aber aufleben (JBl 1979, 325; RZ 1969, 34; 7 Ob 644/90, 3 Ob 656/82; Bartsch-Pollak, Konkursordnung 3 I 168). Ziel jeder Anfechtung ist es, die Konkursmasse so zu stellen, wie sie ohne Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung stünde (SZ 59/228 ua). Es muß dasjenige, das dem Vermögen des Gemeinschuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden ist, zur Konkursmasse geleistet werden (§ 39 Abs 1 KO).

Eine Ausnahme vom Grundsatz, daß nur Handlungen des Gemeinschuldners angefochten werden können, läge aber vor, wenn sich der spätere Gemeinschuldner hinter einem Mittelsmann verbirgt (mittelbare Zuwendung; König, Anfechtung, Rz 25), wenn er sich also des Dritten bedient, um Bestandteile seines Vermögens zu verschieben (Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung10 Rz 18 zu § 29 dKO). Dann ist das gesamte Rechtsverhältnis so zu beurteilen, wie wenn der Gemeinschuldner selbst seinen Gläubiger befriedigt hätte (Kilger, KO15 161; Bartsch-Pollak aaO 160 f). Ob eine solche mittelbare Zuwendung vorliegt, muß insbesondere dann geprüft werden, wenn die Leistung des Dritten über Anweisung des Gemeinschuldners erfolgte (König aaO; vgl die von Henckel in Jaeger, KO9 Rz 141 ff zu § 30 dKO gebildeten Fallgruppen). Daraus folgt, daß eine anfechtbare Rechtshandlung jedenfalls dann ausgeschlossen wäre, wenn M***** T***** ohne Zutun des Gemeinschuldners die Bürgschaft übernommen hätte. Erfolgten Zahlungen durch M***** T***** aufgrund der Bürgschaft, ging zwar gemäß § 1358 ABGB die Darlehensforderung der Anfechtungsgegnerin auf ihn über, darin läge aber nur ein Wechsel in der Person des Konkursgläubigers, der zu keiner Veränderung im Umfang der Masse geführt hätte. Daß für M***** T***** aufgrund der Begleichung der Bürgschaftsschuld keine Aufrechnungsmöglichkeit geschaffen worden wäre, wurde bereits dargelegt.

Aber selbst wenn die Übernahme der Bürgschaft aufgrund einer Anweisung der Gemeinschuldnerin erfolgte, läge ein Anfechtungstatbestand nicht vor. Nach dem feststehenden Sachverhalt zedierte die Gemeinschuldnerin am 21.1.1987 unter anderem die ihr gegen M***** T***** aus dem Verkauf des Warenlagers zustehende Kaufpreisforderung von S 1,720.229,76 an die beklagte Partei. Die Unterfertigung des Blankoakzeptes und die Abgabe der Wechselerklärung durch M***** T***** erfolgte am 30.1.1987, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Rechtszuständigkeit der Kaufpreisforderung von der Gemeinschuldnerin bereits auf die beklagte Partei übergegangen war. Sollte der Übernahme der Bürgschaft eine Anweisung der Gemeinschuldnerin zugrunde gelegen sein, könnte es sich somit nur um eine Anweisung auf Kredit gehandelt haben. Hätte sich die Gemeinschuldnerin statt auf Kredit anzuweisen bei M***** T***** einen Kredit in der Höhe der übernommenen Bürgschaft aufgenommen und damit die Schuld der Anfechtungsgegnerin vor Konkurseröffnung befriedigt, würde dies zur Folge gehabt haben, daß die Konkursmasse diesen Betrag nicht mehr an die beklagte Partei, sondern an M***** T***** schuldete. Die Masse selbst hätte dadurch keine Änderung erfahren. Wie bereits in der Entscheidung SZ 36/144 ausgesprochen wurde, liegt dann aber auch in der Anweisung des Gemeinschuldners auf Kredit keine Gläubigerbenachteiligung, weil bloß ein Wechsel in der Person des Gläubigers eintritt. Auch sie ist daher nicht anfechtbar. Daraus folgt, daß die Übernahme der Bürgschaft und die unter diesem Rechtstitel erfolgten Zahlungen anfechtungsfest sind.

Soweit weitere von M***** T***** gewährte Sicherheiten angefochten werden, ist das Vorbringen nicht schlüssig.

Befriedigungstauglichkeit und Gläubigerbenachteiligung gehören zum objektiven Tatbestand. Daß sie vorliegen, hat stets der Kläger zu behaupten und zu beweisen (SZ 62/97; ÖBA 1990, 139 ua, zuletzt 1 Ob 604/91). Angefochten wurden von der klagenden Partei eine Hypothek im dritten Rang ob der dem M***** T***** gehörigen Liegenschaft EZ 31766 KG S***** (Vorlasten S 2,320.000) und eine Pfandbestellungsurkunde im zweiten Rang ob einem dem M***** T***** gehörenden Superädifikat in L*****. Ein Vorbringen, daß ungeachtet der erheblichen Vorbelastungen bei erfolgreicher Anfechtung Befriedigungstauglichkeit gegeben sei, wurde von der klagenden Partei nicht erstattet. Schon aus diesem Grund erweist sich auch die restliche Anfechtung als nicht berechtigt.

Die klagende Partei hat sich aber, was das Leistungsbegehren betrifft, ausdrücklich auch auf der beklagten Partei vorzuwerfende Sittenwidrigkeit gestützt (ON 8, AS 45). Die guten Sitten sind der Inbegriff der zwar im Gesetz nicht ausdrücklich normierten, sich aber aus der Gesamtbetrachtung der rechtlichen Interessen ergebenden Rechte (SZ 62/138 mwN; Koziol, Hatpflichtrecht2 II 95 mwN in FN 6). Die Wertentscheidungen und Grundprinzipien der Rechtsordnung sind für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblich (Mayrhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3 268; Soergel-Hefermehl12 Rz 10 zu § 138 BGB). Gegen die guten Sitten kann auch ein Gläubiger verstoßen, der seine an sich berechtigten Interessen auf Schuldbefriedigung mit rechtlich nicht gebilligten Mitteln anstrebt und dadurch andere Gläubiger seines Schuldners wissentlich schädigt. Grundvoraussetzung für die Annahme einer Sittenwidrigkeit im vorliegenden Fall wäre das Bestreben der beklagten Partei, der Anfechtung unterliegende Zahlungen in anfechtungsfeste umzuwandeln: Der Schuldner der ihr zedierten Kaufpreisforderung verpflichtet sich ohne Zutun des Darlehensschuldners oder aufgrund einer Anweisung auf Kredit eine Bürgschaft für die Darlehensforderung der Gemeinschuldnerin zu übernehmen, wobei Zahlungen aufgrund dieser Verpflichtung wie dargelegt anfechtungsfest sind. Während, wie bereits rechtskräftig feststeht, Zahlungen aus dem Rechtsgrund der zedierten Kaufpreisforderung an die Masse geleistet werden müßten, wären Zahlungen aufgrund der Bürgschaft anfechtungsfest. Zu diesem Sachverhalt muß, um eine Schadenersatzverpflichtung der beklagten Partei zu begründen, aber noch ein weiteres Moment treten. War bei Hereinnahme der Bürgschaft vom Vorsatz (Harrer in Schwimann, ABGB Rz 105 zu § 1295; Reischauer in Rummel, ABGB Rz 56 zu § 1295; Bydlinski in Klang2 IV/1, 117; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 96), der beklagten Partei umfaßt, daß der Bürgschaftsschuldner durch Erfüllung seiner Bürgschaftsverpflichtung zu weiteren Zahlungen aufgrund früher eingegangener Verpflichtungen unfähig wird und dadurch die erfolgreiche Anfechtung der Zession für die Masse wirtschaftlich wertlos ist, läge eine bewußte Aushöhlung fremder Rechte vor: Es widerspricht den guten Sitten, wenn sich ein Gläubiger des beim Schuldner vorhandenen Befriedigungssubstrats in eigennütziger Weise bemächtigt und dadurch die anderen Gläubiger leerlaufen läßt (Mertens in MünchKomm2 Rz 134 zu § 826 BGB; Soergel-Hönn11, Rz 145 zu § 826 BGB; vgl NJW 1965, 249; NJW 1957, 587). Erblickt man in der zumindest mit bedingtem Vorsatz (Harrer aaO) vorgenommenen Aushöhlung fremder Forderungsrechte eine Sittenwidrigkeit, erübrigt sich demnach eine nähere Untersuchung, ob die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte nicht nur bei Einwirken auf die obligationsgemäße Willensrichtung des Schuldners, sondern immer schon dann anzunehmen ist, wenn ein Dritter in Kenntnis des fremden Rechtes die schlichte Leistungsbewirkung vereitelt (so Lindinger in JBl 1990, 698). Für den dann wegen Eingriffes in das absolut geschützte Befriedigungsrecht der Gemeinschuldnerin dem § 1295 Abs 1 ABGB zu unterstellenden Fall wäre nämlich ebenso Wissentlichkeit erforderlich (Koziol, Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte 76, 152 ff, 174 ff; Bydlinski aaO).

Daraus folgt, daß zwar die Bekämpfung der Aufhebung des Leistungsbegehrens im Umfang von S 994.000 samt Anhang nicht, wohl aber die Aufhebung des Anfechtungsbegehrens berechtigt ist. In diesem Umfang war die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht dem Grunde nach zu prüfen haben, ob sich die beklagte Partei sittenwidrig verhielt, der Höhe nach wäre die Schadenersatzforderung der klagenden Partei insoweit berechtigt, als M***** T***** nicht in der Lage wäre, bis zur Höhe der erfolgten Zahlung der Bürgschaftsschuld an die beklagte Partei die Kaufpreisforderung zu begleichen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 50, 52 Abs 2, 392 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E29354

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00558.91.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19920430_OGH0002_0080OB00558_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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