TE OGH 1992/6/23 14Os128/91-10 (14Os129/91-10, 14Os130/91-10)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.1992
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juni 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Liener als Schriftführerin in der Strafsache gegen Genady S***** und Anita M***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 erster Fall und 15 StGB sowie Genady S***** allein wegen einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Angeklagten Genady S***** gegen den Beschluß gemäß § 285 a Z 2 StPO und dessen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Frist zur Ausführung von Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 17.Mai 1991, GZ 12 a Vr 528/86-203, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

I. Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

II. Die Wiedereinsetzung wird verweigert.

III. Die Berufung wird zurückgewiesen.

IV. Aus Anlaß der in diesem Verfahren von Anita M***** ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde behält sich der Oberste Gerichtshof ein Vorgehen gemäß § 290 Abs. 1 StPO in bezug auf Genady S***** vor.

Text

Gründe:

Genady S***** wurde (ebenso wie die Mitangeklagte Anita M*****) mit Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 17.Mai 1991, GZ 12 a Vr 528/86-203, wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 erster Fall und 15 StGB sowie (Genady S***** allein) des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und (unter Anrechnung der Vorhaft) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Zugleich wurde gemäß § 21 Abs. 2 StGB seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt.

Gegen dieses Urteil meldete er am (Montag den) 21.Mai 1991 Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, ohne Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen und zu erklären, gegen welche Unrechtsfolge sich seine Berufung richtet (ON 205).

Das Urteil wurde nach der am 17.Mai 1991 durchgeführten Hauptverhandlung gefällt. Dem waren Hauptverhandlungen am 21. Dezember 1990 (ON 165), 25.Jänner 1991 (ON 173), 15.Feber 1991 (ON 182), 15.März 1991 (ON 187) und 26.April 1991 (ON 192) vorangegangen. Die Monatsfrist des § 276 a StPO war zwischen den Hauptverhandlungen vom 25.Jänner, 15.Feber und 15.März 1991 sowie zwischen jener vom 26.April und 17.Mai 1991 gewahrt.

Die Urteilsausfertigung wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 6. August 1991 zugestellt (sh RSa bei AS 239/VI). Die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wurde am 3.September 1991 zur Post gegeben (ON 216).

Mit Beschluß des Vorsitzenden vom 11.November 1991 (ON 217) wurde die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen, weil weder in der Anmeldung noch in einer rechtzeitigen Ausführung einer der im § 281 Abs. 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet waren. Dieser Beschluß wurde dem Verteidiger am 24. September 1991 zugestellt (RSa bei AS 397/VI).

Am 27.September 1991 beantragte er unter gleichzeitiger Wiederholung der Ausführungen der von ihm angemeldeten Rechtsmittel gegen das Urteil die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung.

Der Antrag wird darauf gestützt, nach der Hauptverhandlung vom 15. März 1991 wäre in Anwesenheit des Schöffensenates, des Staatsanwaltes und der Angeklagten mit ihren Verteidigern erörtert worden, daß eine Wahrung der Monatsfrist des § 276 a StPO nicht möglich sei. Als frühestmöglicher nächster Termin sei vom Vorsitzenden der 26.April 1991 genannt worden. Sämtliche Beteiligten hätten sich auf diesen Termin geeinigt, ohne daß eine Wiederholung des Verfahrens durchzuführen wäre. Zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft sei vereinbart worden, daß aus der Überschreitung der Monatsfrist keine Rechtsfolgen abgeleitet würden. Die Prozeßvereinbarung sollte die Gültigkeit des § 285 Abs. 3 StPO nicht berühren.

Rechtliche Beurteilung

Einheitliche Hauptverhandlung im Sinne des § 276 a erster Satz StPO sind nur die Verhandlungstage vom 26.April und 17.Mai 1991. Die Erweiterung der Rechtsmittelausführungsfrist im Sinne des § 285 Abs. 3 StPO auf vier Wochen für Hauptverhandlungen, die an mehr als fünf Tagen stattgefunden haben, gilt nur für solche einheitliche, wenn auch gemäß § 276 a erster Satz StPO vertagte Hauptverhandlungen, nicht aber für jene, die gemäß § 276 a zweiter Satz wiederholt werden. Bei diesen können die davorliegenden Verhandlungen nicht mitgezählt werden (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 16 a zu § 285).

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen das Versäumen der Frist zur Ausführung eines rechtzeitig angemeldeten Rechtsmittels kann nur erteilt werden, wenn nachgewiesen wird, daß es dem Wiedereinsetzungswerber durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten, um die Wiedereinsetzung innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses angesucht und zugleich damit die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt wird (§ 364 Abs. 1 StPO).

Der Angeklagte hat in seinem Antrag keinen unabwendbaren Umstand geltend gemacht, sondern sich darauf berufen, unter den Parteien des Verfahrens wäre für den vorliegenden Fall (ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen) die Geltung der Vorschrift des § 285 Abs. 3 StPO, also der sonst nur für den Fall des Stattfindens der Hauptverhandlung an mehr als fünf Tagen vorgesehenen Ausführungsfrist für die Beschwerdegründe, vereinbart worden.

Strafprozeßrecht ist öffentliches und damit grundsätzlich zwingendes Recht. Wenn auch innerhalb sehr eng gezogener Grenzen die Vornahme einzelner Prozeßhandlungen der freien Verfügung der Prozeßparteien nicht ganz entrückt ist, kann, soweit der Gesetzgeber selbst nicht ausdrücklich derartige Abweichungen gestattet, auch durch übereinstimmende Erklärung der Parteien von den Bestimmungen des Gesetzes nicht abgewichen werden. Das gesetzlich geregelte Verfahren kann nicht durch ein von den Parteien vereinbartes ersetzt werden (Lohsing-Serini, Strafprozeßrecht4, S 3; Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 3 zu § 1).

Die geltend gemachten Gründe stellen daher keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar, die begehrte Maßnahme war zu verweigern.

Damit geht aber auch die mit denselben Umständen begründete Beschwerde gegen die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde ins Leere. Bei deren Anmeldung wurde weder einer der im § 281 Abs. 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet und insbesondere nicht der Tatumstand, der den Nichtigkeitsgrund bilden soll, ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung angeführt. Da dies erst, wie bereits dargelegt, nach Ablauf der im vorliegenden Fall vierzehn Tage währenden Ausführungsfrist (§ 285 Abs. 1 StPO) erfolgte, war die Zurückweisung des Rechtsmittels durch den Vorsitzenden berechtigt.

Der Angeklagte wurde mit dem angefochtenen Urteil zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und zugleich als weitere Unrechtsfolge gemäß § 21 Abs. 2 StGB seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt. In der Anmeldung der Berufung hat er nicht erklärt, gegen welche der Unrechtsfolgen sich sein Rechtsmittel richtet. Mangels einer solchen Erklärung und infolge verspäteter Überreichung der Rechtsmittelausführung war daher auch die Berufung zurückzuweisen (§ 294 Abs. 2 StPO).

Der Oberste Gerichtshof behält sich aber aus Anlaß der von der Angeklagten Anita M***** erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ein Vorgehen gemäß § 290 Abs. 1 StPO in bezug auf den Angeklagten Genady S***** vor (SSt 39/42).

Anmerkung

E29467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00128.910001.0623.000

Dokumentnummer

JJT_19920623_OGH0002_0140OS00128_9100010_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten