TE OGH 1992/8/25 1Ob29/92

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Veröffentlicht am 25.08.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** T***** L*****gesellschaft mbH, Wien 1, Walfischgasse 5, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 53.799,89 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. März 1992, GZ 14 R 183/91-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 19. Juni 1991, GZ 35 Cg 19/89-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.624,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei erwirkte beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien gegen eine im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien registrierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung (in der Folge kurz verpflichtete Partei) am 4. März 1988 einen Wechselzahlungsauftrag über S 45.000,-- s.A. und beantragte aufgrund dieses Exekutionstitels beim Exekutionsgericht Wien die Bewilligung der Exekution durch Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Partei gegen die Drittschuldnerin, eine in Miami, Florida, USA, ansässige Gesellschaft, zufolge einer zwar übernommenen, aber nicht eingezahlten Stammeinlage zustehenden Forderung von S 250.000,-- mehr oder weniger.

Das Exekutionsgericht wies den Antrag ab, weil das Zahlungsverbot an einen Drittschuldner mit dem Sitz im Ausland nicht zugestellt werden dürfe; eine Zweigniederlassung habe die Antragstellerin nicht behauptet. Diesen Beschluß bestätigte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht. Es führte zur Begründung unter anderem aus, die Zuständigkeit für die Klage auf Einzahlung der Stammeinlage gegen den säumigen Gesellschafter könne nicht auf den Gerichtsstand des § 83 b JN gestützt werden; im übrigen ermangle die betriebene Forderung jeder Inlandsbeziehung. Die Drittschuldnerin habe in Österreich weder eine Zweigniederlassung, noch befinde sich im Inland ein diese Forderung sicherndes Pfand. Es sei auch nicht richtig, daß die betriebene Forderung nur im Inland durchgesetzt werden könne.

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung des beklagten Rechtsträgers zum Ersatz der mit S 53.799,89 s.A. bezifferten Schadens im Amtshaftungsweg. Sie brachte vor, die Entscheidung des Rekursgerichtes im Exekutionsverfahren sei oberflächlich und praktisch nicht begründet. Die von Lehre und Rechtsprechung geforderte Inlandsbeziehung habe sich einerseits aus dem Gerichtsstand des § 92 b JN ergeben, andererseits habe die Drittschuldnerin im Inland Vermögen in Form eines Geschäftsanteiles an der verpflichteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung gehabt, so daß auch eine Vollstreckung des Wechselzahlungsauftrages im Inland möglich gewesen wäre.

Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, die Entscheidung des Rekursgerichtes sei ausführlich begründet und zumindest vertretbar. Auch wenn § 51 Abs 1 Z 6 iVm § 92 b JN der verpflichteten Partei seit 1. Jänner 1986 die Möglichkeit eingeräumt habe, die Drittschuldnerin vor dem Handelsgericht Wien auf Zahlung der Stammeinlage zu klagen, seien zu den hier einschlägigen Fragen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes bisher nicht ergangen, von welchen der beanstandete Beschluß des Rekursgerichtes abgewichen wäre.

Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren mit Zwischenurteil dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Es führte aus, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Zustellung von Zahlungsverboten an einen Drittschuldner im Ausland seien im Gesetz überhaupt nicht geregelt. Das belangte Rechtsmittelgericht sei auch nicht von den in den spärlichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes aufgestellten Grundsätzen abgewichen, setze sich jedoch mit der Meinung von Heller-Berger-Stix (Komm EO 2144) sowie der dieser folgenden eigenen Rechtsprechung in Widerspruch, wonach allein schon die Klagemöglichkeit im Inland eine für die Bewilligung der von der klagenden Partei beantragten Exekution ausreichende Inlandsbeziehung schaffe. Die Entscheidung sei daher unvertretbar gewesen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte in Erledigung der allein ausgeführten Rechtsrüge aus, die Pfändung von Forderungen des Verpflichteten erfolge gemäß § 294 EO durch Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner. Wohne dieser im Ausland oder habe er dort seinen Sitz, ergäben sich aus der territorialen Beschränkung der Vollstreckungsgewalt österreichischer Gerichte Hindernisse, die zur Abweisung des Exekutionsantrages führen könnten. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes schwanke insofern, als einerseits die Zustellung des Zahlungsverbotes im Ausland als unzulässig erkannt werde, weil darin eine Überschreitung der österreichischen Vollstreckungsgewalt liege, andererseits aber die Zustellung zwar für zulässig gehalten werde, diese aber nur im Inland Wirkungen entfalte. In der letzten einschlägigen Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof in Abwägung der Argumente für diese beiden Varianten die Meinung vertreten, daß ein Zahlungs- oder ein Drittverbot an einen Drittschuldner im Ausland mangels gegenteiliger Bestimmung in Staatsverträgen nicht erlassen werden dürfe. Von diesem Grundsatz nehme die Rechtsprechung unter Bedachtnahme auf § 99 Abs 2 JN iVm § 18 Z 3 EO nur jene Fälle aus, in denen der Drittschuldner im Inland Vermögen habe oder sich wenigstens ein die Forderung sicherndes Pfand im Inland befinde. Stets werde aber auch in solchen Fällen die Auffassung vertreten, daß die Forderung gegen den ausländischen Drittschuldner selbst kein inländisches Vermögen sei; als dieses könnten nur solche Vermögenswerte verstanden werden, die auch den Vermögensgerichtsstand begründen würden. In diesem Zusammenhang seien sowohl die von Heller-Berger-Stix (aaO) als auch die ihr folgenden Entscheidungen vertretene Rechtsauffassung zu verstehen, wonach eine Forderungspfändung nur dann zulässig sei, wenn der Drittschuldner seinen (Wohn-)Sitz oder eine Zweigniederlassung im Inland habe, sich das Pfand im Inland befinde oder die Forderung sonst „nur“ im Inland durchgesetzt werden könne; sie müsse im Inland klagbar und vollstreckbar sein. Den Heller-Berger-Stix folgenden Entscheidungen liege stets die Zulässigkeit der Klagsanbringung im Inland infolge inländischen Vermögens im Sinne des § 99 JN zugrunde. Die Klagbarkeit sei daher auch nach diesen Entscheidungen nicht Voraussetzung, sondern Folge eines Inlandsvermögens, das auch für die Vollstreckung des Klagsanspruches zur Verfügung stehe und damit weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Exekutionsbewilligung sei. Der betreibende Gläubiger habe daher Inlandsvermögen als Voraussetzung für die Bewilligung der Forderungsexekution gegen einen Drittschuldner im Ausland als Ausnahme vom Regelfall schon im Exekutionsantrag unmißverständlich zu behaupten. Die Berufung auf solches Inlandsvermögen erst im Rekurs sei als unzulässige Neuerung und umso mehr im Amtshaftungsverfahren unbeachtlich. Der in der Umschreibung der gepfändeten Forderung enthaltene Hinweis auf die Gesellschafterstellung der Drittschuldnerin in bezug auf die verpflichtete Partei reiche hiezu schon deshalb nicht aus, weil die in Exekution gezogene Forderung auf Einzahlung der noch nicht entrichteten Stammeinlage gerichtet gewesen sei. Soweit der Kläger meine, er hätte sich aus dem Geschäftsanteil befriedigen können, übersehe er, daß sein Exekutionsantrag die sinnvolle Verwertung des Geschäftsanteiles nicht deutlich erkennbar mache. Nur bei besonderen Umständen, die im Exekutionsantrag hätten behauptet werden müssen, könne ein Geschäftsanteil auch ohne Einzahlung der Stammeinlage als sinnvolle Verwertungsmöglichkeit angesehen werden, was umsomehr gelte, als der betreibende Gläubiger selbst Exekution auf den darauf gerichteten Anspruch der Gesellschaft geführt habe. Deshalb habe auch der Wahlgerichtsstand des § 92 b JN keine Änderung der Voraussetzungen für die Bewilligung der Forderungsexekution gebracht. Das Exekutionsgericht habe das fehlende Inlandsvermögen des Drittschuldners als einen der Abweisungsgründe genannt. Da die Zulässigkeit der Klage im Inland nur eine zusätzliche Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit im Inland sei, habe das Rekursgericht trotz unrichtiger Verneinung der Klagbarkeit zutreffend die Berechtigung des Exekutionsantrages verneint. Das belangte Gericht sei auch in Wahrheit nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung abgegangen. Jedenfalls sei seine Ansicht aber nicht unvertretbar.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Nach wie vor steht sie auf dem Standpunkt, die Auffassung der Rekursinstanz im Exekutionsverfahren, daß die inländische Gerichtsbarkeit fehle, sei angesichts der Meinung von Heller-Berger-Stix und der eigenen Rechtsprechung dieses Gerichtes unvertretbar. Dem kann indessen nicht beigepflichtet werden:

Die klagende Partei hatte die Exekution durch Pfändung der der verpflichteten Partei gegen eine in Miami ansässigen Gesellschaft als Drittschuldnerin „aufgrund übernommener und nicht eingezahlter Stammeinlage an der ... (verpflichteten Partei) ... angeblich zustehenden Forderung im Betrage von S 250.000,-- mehr oder weniger“ und durch Überweisung dieser Forderung zur Einziehung ... beantragt. Das Rekursgericht bestätigte den abweislichen erstinstanzlichen Beschluß im wesentlichen mit der Begründung, die Wirksamkeit eines Zahlungsverbotes beschränke sich auf das Gebiet des Staates, dessen Organe das Verbot erlassen haben. Die Zulässigkeit der das Pfandrecht schaffenden Zustellung des Zahlungsverbotes im Ausland sei von der Rechtsprechung bisher grundsätzlich verneint worden. In mehreren Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof daher die Erlassung eines Zahlungs- oder Drittverbotes an einen ausländischen Drittschuldner verweigert. Es treffe zwar zu, daß das Rekursgericht in RPflSlgE 1974/72 die Zustellung von Zahlungsverboten im Ausland dann als zulässig angesehen habe, wenn eine entsprechende Inlandsbeziehung die Forderung als im Inland gelegen erscheinen lasse, was unter anderem dann der Fall sei, wenn die in Exekution gezogene Forderung nur im Inland durchgesetzt werden könne. Davon könne im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Im übrigen biete der im Rekurs ins Treffen geführte Gerichtsstand des § 83 b JN keine Handhabe dafür, die Klage auf Zahlung rückständiger Stammeinlagen gegen den säumigen ausländischen Gesellschafter bei dem dort bezeichneten Gericht anhängig zu machen.

Dem hält die klagende Partei in ihrer Amtshaftungsklage entgegen, das Rekursgericht habe den die inländische Gerichtsbarkeit der in Exekution gezogenen Forderung indizierenden Gerichtsstand nach § 92 b JN einfach übergangen, obwohl dieser die Zustellung des Zahlungsverbotes im Sinne der herrschenden Lehre und Rechtsprechung als zulässig erscheinen lasse; die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht sei demnach nicht bloß rechtswidrig, sondern auch unvertretbar.

Nicht jede objektiv unrichtige Entscheidung eines Gerichtes zieht Amtshaftung nach sich, vor allem dann nicht, wenn die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen nicht völlig eindeutig sind, Unklarheiten über die Tragweite ihres Wortlauts enthalten und höchstgerichtliche Rechtsprechung als Entscheidungshilfe nicht zur Verfügung steht. Im Amtshaftungsverfahren ist somit nicht wie im Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung richtig ist, sondern ob sie sich auf eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Gesetzesauslegung gründet. Sie mag dann zwar rechtswidrig sein, beruht aber nicht auf einem Verschulden der zur Entscheidung berufenen Organe, das ebenso wie die Rechtswidrigeit des Organhandelns Voraussetzung der Amtshaftung ist. Nur eine von der klaren Gesetzeslage oder der ständigen Rechtsprechung eines Höchstgerichts abweichende Entscheidung, der sorgfältig begründete Erwägungen, weshalb das Organ abweichend entschieden hat, nicht entnommen werden können, ist grundsätzlich als Organverschulden anzusehen (JBl 1986, 192; SZ 52/56 ua).

Zutreffend bemerkt schon der Erstrichter, daß zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Zustellung eines von einem inländischen Gericht erlassenen Zahlungsverbots an einen Drittschuldner im Ausland überhaupt verfügt werden darf, jedwede ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt. Die Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit für die Pfändung von Forderungen des Verpflichteten können somit unmittelbar keiner inländischen Norm entnommen werden (V. Hoyer in Heller-Berger-Stix 2137 ff). Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit diesen Fragen lediglich in älteren Entscheidungen zu befassen. In der Entscheidung SZ 7/406 sprach er aus, daß ein von einem deutschen Gericht verfügtes Ausfolgeverbot in Österreich nicht vollstreckt werden dürfe. In der Entscheidung SZ 9/174 bejahte er dagegen die Zulässigkeit der Zustellung eines Zahlungsverbotes an einen Drittschuldner im Ausland, weil es nicht Sache der österreichischen Gerichte sei, zu prüfen, ob das Zahlungsverbot im Ausland die ihm von der Rechtsordnung zugemessenen Wirkungen entfalten könne. Aber schon in SZ 14/52 erklärte der Oberste Gerichtshof wieder ein von einem ausländischen Gericht erlassenes Leistungsverbot als unwirksam, obwohl dessen Zustellung von einem österreichischen Gericht verfügt worden war. In ZBl 1930/94 sprach er aus, im Ausland vorzunehmende Rechtshandlungen (dort: der Erlag von Aktien) könne einer ausländischen Aktiengesellschaft durch einstweilige Verfügung eines österreichischen Gerichts nicht aufgetragen werden; die Wirksamkeit des Drittverbots sei auf den Staat beschränkt, dessen Behörden das Verbot erlassen haben. An dieser Auffassung hielt das Höchstgericht in EvBl 1959/302 in einem Fall fest, in dem die Erlassung eines Drittverbots an einen ausländischen Drittschuldner mit Sitz im Ausland begehrt worden war, um Verfügungen des ausländischen Drittschuldners im Ausland zu verhindern: Ein Zahlungs- oder ein Drittverbot an einen ausländischen Drittschuldner im Ausland könne mangels gegenteiliger Bestimmungen in Staatsverträgen nicht erlassen werden. Auch in EvBl 1972/288 = ZfRV 1972, 301 (mit Glosse von H.Hoyer) erklärte der Oberste Gerichtshof ein von einem ausländischen Gericht verfügtes Leistungsverbot in Österreich als unwirksam; das gelte selbst dann, wenn die Zuständigkeit dieses Verbots von einem inländischen Gericht an den inländischen Drittschuldner im Inland angeordnet worden sein sollte. Im gleichen Sinn äußerte sich der Oberste Gerichtshof in der (nicht veröffentlichten) Entscheidung 3 Ob 47/89.

In RPflgSlgE 1969/47 gab der Oberste Gerichtshof dagegen einem Antrag auf Pfändung des Anspruches auf bücherliche Übereignung einer im Inland gelegenen Liegenschaft und dessen Überweisung zur Einziehung statt, obgleich sowohl der Verpflichtete wie auch der Drittschuldner ihren Wohnsitz im Ausland hatten; er bezeichnete das Bezirksgericht der gelegenen Sache als Exekutionsgericht und führte zur Zulässigkeit der Pfändung unter Berufung auf die Entscheidungen SZ 7/406, SZ 14/52, ZBl 1930/94 und EvBl 1959/302 aus, bei ausländischen Drittschuldnern sei die Wirksamkeit des Zahlungs(Leistungs)verbots auf das Gebiet des Staates beschränkt, dessen Behörden es erlassen haben, sofern nicht in Staatsverträgen etwas anderes vorgesehen sei. Nun sei aber nicht nur der in Exekution gezogene Anspruch eine im Inland „gelegene“ Forderung, sondern auch das an den ausländischen Drittschuldner erlassene Leistungsverbot angesichts des gewählten Exekutionsmittels ausschließlich auf das Inland beschränkt, sodaß der Pfändung durch Erlassung des begehrten Leistungsverbots kein Hindernis entgegenstehe.

In Ablehnung der vorher genannten Entscheidungen und in Billigung der in dieser Entscheidung dargelegten Grundsätze vertritt V. Hoyer in Heller-Berger-Stix aaO 2144 f die Ansicht, die Forderung (bzw der Anspruch) könne als - nur oder auch - im Inland gelegen vom österreichischen Gericht gepfändet werden, sofern eine entsprechende Inlandsbeziehung gegeben sei. Diese könne im Wohnsitz oder Sitz, aber auch in einer Zweigniederlassung des Drittschuldners, in der Lage des Pfandes für die in Exekution gezogene Forderung und schließlich auch darin bestehen, daß die Forderung (der Anspruch) „nur“ im Inland durchgesetzt werden könne. Bei dieser Einschränkung hatte der Autor offensichtlich die vorher zitierte Entscheidung vor Augen, in der von einem „ausschließlich“ auf das Inland beschränkten Leistungsverbot die Rede ist. In seinen weiteren Ausführungen relativierte er diese Einschränkung nämlich, wie der Erstrichter zutreffend bemerkt, dahin, die Forderungspfändung sei bei Auslandsberührung jedenfalls dann zulässig, wenn für die Drittschuldnerklage im Inland ein Gerichtsstand bestehe und „damit die inländische Gerichtsbarkeit“ gegeben sei; das träfe - außer der in der genannten Entscheidung vorgefundenen Fallkonstellation - etwa dann zu, wenn die Zuständigkeit eines österreichischen Gerichtes vereinbart wurde oder - als praktisch wichtiger Fall - der Drittschuldner im Inland Vermögen hat, aber kein Pfandrecht für die Forderung des Verpflichteten besteht.

Dieser Auffassung ist das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursinstanz in mehreren Entscheidungen beigetreten (zB RPflSlgE 1974/72, 1986/134 und 1987/26). Auch Holzhammer (Zwangsvollstreckungsrecht3 247) und Feil (Exekutionsordnung3 § 294 Rz 13) haben sich dieser Auffassung angeschlossen.

Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob der Rekursinstanz im Exekutionsverfahren - wie von der klagenden Partei behauptet - eine unvertretbare Rechtsansicht und damit schuldhaft rechtswidriges Organhandeln zur Last zu legen ist. Das belangte Gericht hat der Sache nach - unter anderem - die Auffassung vertreten, die Zustellung des Zahlungsverbots an die in den USA ansässige Drittschuldnerin dürfe schon deshalb nicht verfügt werden, weil Zwangsmittel naturgemäß auf das Inland beschränkt seien und die Zustellung des Zahlungsverbotes an die Drittschuldnerin, mit der das Pfandrecht entstehe, im Ausland bewirkt werden müßte. Von einer völlig eindeutigen Rechtslage kann schon deshalb keine Rede sein, weil die Frage, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen das Zahlungsverbot auch an einen Drittschuldner im Ausland erlassen bzw die Zustellung eines Zahlungsverbotes im Ausland verfügt werden dürfe, jedweder gesetzlichen Regelung entbehrt (vgl hiezu V. Hoyer aaO 2139). Es fehlt aber auch eine einhellige oder doch zumindest herrschende höchstgerichtliche Rechtsprechung im Sinne der von der klagenden Partei vertretenen Auffassung; der Oberste Gerichtshof hat im Gegenteil die Erlassung von Zahlungs- und Drittverboten im Ausland überwiegend (EvBl 1959/302; ZBl 1930/94 ua) abgelehnt, wenn nicht bestehenden Staatsverträgen etwas anderes entnommen werden kann; ein solches Übereinkommen mit den USA besteht jedoch nicht.

Die dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden Erwägungen haben viel für sich. Gemäß § 294 Abs 3 EO ist die Pfändung mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen (vgl hiezu auch Heller-Berger-Stix aaO 2128). Die Zustellung des Zahlungsverbotes ist demnach der entscheidende Vollzugsakt im Rahmen der Forderungsexekution; geht man nun davon aus, daß die Vollstreckungsgewalt des Staats auf das Territorium beschränkt ist, auf das sich dessen Gebietshoheit erstreckt, so scheint es nur folgerichtig, auch schon die Zustellung des Zahlungsverbotes im Ausland abzulehnen, so daß, da dieser Schritt das wichtigste Element jeder Forderungsexekution ist, auch ein darauf abzielender Exekutionsantrag abzuweisen wäre. Von einer unvertretbaren Rechtsansicht des Rekursgerichtes im Exekutionsverfahren kann schon deshalb keine Rede sein.

Diesem Ergebnis steht auch die von der klagenden Partei ins Treffen geführte und vom Erstrichter unbesehen übernommene Auffassung von V. Hoyer (aaO) nicht entgegen. Abgesehen davon, daß die von Lehrmeinungen (selbst in einem „führenden Kommentar“) abweichende, jedoch auf oberstgerichtliche Rechtsprechung gestützte Entscheidung eines Gerichtes zweiter Instanz grundsätzlich nicht unvertretbar ist, stützt sich der Autor, der die herrschende Rechtsprechung ablehnt, letztlich allein auf die Entscheidung RPflSlgE 1969/47, die aber den Sonderfall einer Exekution auf den Anspruch auf Übereignung einer inländischen Liegenschaft betraf und demnach eine besonders enge Inlandsbeziehung der begehrten Anspruchsexekution zum Gegenstand hatte. Überdies knüpft V. Hoyer die inländische Gerichtsbarkeit ohne weiters an das Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes an und hängt damit der Lehre von der „Doppelfunktionalität der Gerichtsstände“ an, die in jüngerer Zeit von Lehre und Rechtsprechung einmütig abgelehnt wird (IPrax 1991, 126 uva; Schwimann in RdW 1985, 332 ff). Die Rechtsprechung folgt (zumindest seit SZ 55/95) vielmehr der „Indikationentheorie“ (zuletzt SZ 62/101 uva; EvBl 1991/182; JBl 1992, 330 und 331 mit zustimmender Glosse von Pfersmann), nach der die inländische Gerichtsbarkeit stets eine ausreichende inländische Nahebeziehung voraussetzt; sie ist demnach auch dann zu verneinen, wenn zwar ein inländischer Gerichtsstand gegeben ist, aber eine ausreichende inländische Anknüpfung fehlt.

Selbst wenn man - im Sinne der Entscheidung RPflSlgE 1969/47 - die Zulässigkeit der Zustellung von Zahlungsverboten an Drittschuldner im Ausland auch bei Geldforderungsexekutionen (wie im vorliegenden Fall) bejahen wollte, deren Wirksamkeit dann allerdings auf das Bundesgebiet beschränkt wäre, müßten dann aber schon im Exekutionsantrag entsprechende Tatsachen behauptet werden, die den Schluß auf eine über das bloße Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes hinausgehende ausreichend enge Inlandsbeziehung und damit auf die inländische Gerichtsbarkeit der Forderungsexekution trotz deren Auslandsberührung rechtfertigten. Daß ein inländischer Gerichtsstand für die Drittschuldnerklage besteht wie etwa seit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 gemäß § 92 b iVm § 51 Abs 1 Z 6 JN der Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis (vgl hiezu RdW 1989, 366), reicht allein für die zur Annahme der inländischen Gerichtsbarkeit einer Exekution notwendige Inlandsbeziehung deshalb nicht aus, weil damit noch nicht die der Vollstreckung vorausgesetzte Befriedigungsmöglichkeit (vgl § 39 Abs 1 Z 8 EO) im Inland dargetan ist; diese ist aber - wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt - für die „Durchsetzung“ der hereinzubringenden Forderung (vgl V. Hoyer aaO 2144) allein schon deshalb notwendig, weil ein über die Drittschuldnerklage ergehendes stattgebendes Urteil - wie schon erwähnt - in den USA mangels mehr- oder zweiseitiger Abkommen nicht vollstreckt werden könnte. Dazu hätte es aber bereits im Exekutionsantrag entsprechender Behauptungen durch die klagende Partei bedurft. Der Antrag entbehrt aber ausreichend bestimmter Angaben über das Vorhandensein und die Möglichkeit der Verwertung eines Geschäftsanteiles der Drittschuldnerin an der verpflichteten Partei und überhaupt über inländisches Vermögen der Drittschuldner. Der Beachtung solcher erst im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß nachgeholter Behauptungen stand schon das Neuerungsverbot entgegen, so daß die Entscheidung des belangten Rekursgerichtes auch unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls als nicht unvertretbar erkannt werden kann.

Das Gericht zweiter Instanz hat das Amtshaftungsbegehren somit zu Recht mangels schuldhaften Organverhaltens abgewiesen, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E30665

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00029.92.0825.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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