TE OGH 1992/9/17 12Os88/92

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Veröffentlicht am 17.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, Dr.Rzeszut, Dr.Markel und Dr.Schindler als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Held als Schriftführer in der Strafsache gegen Fritz Viktor B***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 25.März 1992, AZ 22 Bl 41,44/92, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Weiss, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 25.März 1992, AZ 22 Bl 41,44/92 (GZ 16 U 761/91-14 des Bezirksgerichtes Wels) verletzt insoweit das Gesetz in der Bestimmung des § 43 a StGB, als darin in "sinngemäßer Anwendung des § 43 a Abs. 1 und 2 StGB" ein Teil von vier Wochen der über den Beschuldigten verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Wochen für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Text

Gründe:

Mit dem im Spruch bezeichneten Urteil gab das Kreisgericht Wels als Berufungs-(und Beschwerde-)gericht der Berufung des Angeklagten Fritz Viktor B***** wegen Nichtigkeit gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 7.Jänner 1992, GZ 16 U 761/91-7, womit er wegen § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war, Folge, hob das angefochtene Urteil auf und erkannte in der Sache selbst dahin zu Recht, daß es den Angeklagten (lediglich) des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (§§ 15 Abs. 1, 127) StGB schuldig erkannte und über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Wochen verhängte. Gemäß § 43 a Abs. 1 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Wochen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Weiters gab das Kreisgericht Wels der Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß, womit gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 erster Fall StPO die bedingte Nachsicht einer über ihn mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 8.September 1989, GZ 2 U 484/89-5, verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen worden war, Folge, hob diesen Beschluß auf und verlängerte die dem Angeklagten im obgenannten Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz bestimmte Probezeit gemäß § 53 Abs. 2 StGB auf fünf Jahre.

Die Gewährung der bedingten Nachsicht eines Teiles der (sechs Monate nicht übersteigenden) Freiheitsstrafe rechtfertigte das Berufungsgericht mit "sinngemäßer Anwendung" des § 43 a Abs. 1 und 2 StGB.

In der schriftlichen Urteilsausfertigung unterblieb in Ansehung des gemäß § 43 a Abs. 1 StGB bedingt nachgesehenen Strafteiles die Angabe der (mündlich mit drei Jahren verkündeten, siehe S 91) Dauer der Probezeit.

Rechtliche Beurteilung

Der Strafausspruch des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht steht insoweit mit dem Gesetz (§ 43 a StGB) nicht im Einklang, als damit ungeachtet der Verhängung einer sechs Monate nicht übersteigenden Freiheitsstrafe ein Teil derselben (für eine Probezeit von drei Jahren) bedingt nachgesehen wurde.

Entgegen der Rechtsansicht des Kreisgerichtes Wels sind die Bestimmungen des § 43 a Abs. 1 und 2 StGB auf sechs Monate nicht übersteigende Freiheitsstrafen auch sinngemäß nicht anwendbar. Eine (sinngemäße) Auslegung einer Gesetzesbestimmung findet nämlich jedenfalls stets ihre äußerste Grenze im "möglichen Wortsinn" der auszulegenden Norm; sie muß immer (noch) im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (Leukauf-Steininger3, RN 10 zu § 1 StGB). Die bedingte Nachsicht von Teilen der über einen Angeklagten verhängten Strafe gemäß § 43 a Abs. 1 StGB setzt jedoch voraus, daß eine Geldstrafe verhängt wurde. Die Anwendung des Abs. 2 leg cit hinwieder bedingt, daß auf eine sechs Monate (aber nicht zwei Jahre) übersteigende Freiheitsstrafe zu erkennen wäre, die Voraussetzungen für eine bedingte Nachsicht der ganzen Strafe aber nicht vorliegen und eine solche Nachsicht des verbleibenden Teiles der Freiheitsstrafe erst in Frage kommt, wenn anstelle eines Teiles der Freiheitsstrafe eine (unbedingte) Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verhängt wird. Die im Gesetz in den Bestimmungen des § 43 a Abs. 3 und 4 StGB vorgesehenen weiteren beiden Möglichkeiten einer bedingten Nachsicht eines Teiles einer Freiheitsstrafe schließlich haben unter anderem zur Voraussetzung, daß auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten (Abs. 3) oder mehr als zwei Jahren (Abs. 4) erkannt wird. Nur bei Geldstrafen besteht somit gemäß Abs. 1 leg cit unabhängig von ihrem (Mindest-)Ausmaß die Möglichkeit, einen Teil der jeweiligen Strafe bedingt nachzusehen. Bei Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten kommt dagegen eine teilbedingte Freiheitsstrafe in keinem Fall in Betracht (Leukauf-Steininger3, RN 13 zu § 43 a StGB).

Die Bestimmungen des § 43 a Abs. 1 und 2 StGB können mangels einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten, somit planwidrigen Regelungslücke auch nicht analog auf sechs Monate nicht übersteigende Freiheitsstrafen angewendet werden. Nach dem im Justizausschußbericht (359 BlgNR 17.GP 10) ausdrücklich hervorgehobenen Willen des Gesetzgebers soll nämlich die Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe nur dann in Betracht kommen, wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten erkannt wird. Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten sollen hingegen grundsätzlich gemäß dem § 37 StGB durch Geldstrafen ersetzt werden, woran auch § 43 a Abs. 2 StGB nichts ändern soll. Erfordert jedoch die ultima-ratio-Klausel des § 37 StGB die Verhängung einer solchen Freiheitsstrafe, so kann diese entweder nur zur Gänze unbedingt verhängt oder zur Gänze bedingt nachgesehen werden, zumal auch § 43 a Abs. 3 StGB auf Freiheitsstrafen abstellt, die sechs Monate übersteigen (Leukauf-Steininger3, RN 8 zu § 43 a StGB).

Da sich die im vorliegenden Fall ungeachtet der Verhängung einer sechs Monate nicht übersteigenden Freiheitsstrafe gewährte bedingte Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe zum Vorteil des Beschuldigten ausgewirkt hat, konnte es in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde mit der Feststellung dieser Gesetzesverletzung sein Bewenden haben.

Die schriftliche Urteilsausfertigung des Kreisgerichtes Wels, in welcher der Ausspruch einer Probezeit in Ansehung der gemäß dem § 43 a (gesetzwidrig) gewährten bedingten Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe fehlt, kann dagegen in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 270 Abs. 4 StPO an das mündlich verkündete Urteil angeglichen werden (vgl Mayerhofer-Rieder3, E 26 zu § 270 StPO). Die Rechtsmittelentscheidung war noch nicht Grundlage weiterer gerichtlicher Entscheidungen (vgl Mayerhofer-Rieder3, E 25 zu § 270 StPO); sie wurde, weil das Bezirksgericht Wels die Akten sogleich nach ihrem Einlangen der Staatsanwaltschaft Wels mit der Anregung auf Prüfung gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO übermittelte (ON 16), auch noch nicht in Vollzug gesetzt.

Anmerkung

E30474

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0120OS00088.9200005.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19920917_OGH0002_0120OS00088_9200005_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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