TE OGH 1992/10/13 14Os124/92

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Veröffentlicht am 13.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Held als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerhard Maximillian W***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. August 1992, GZ 14 Vr 949/92-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler, und des Verteidigers Dr.Wolf-Dieter Auer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard Maximillian W***** der Vergehen (1.) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, (2.) des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 3 Z 1 und 2 StGB, (3.) der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, (4.) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und (5.) der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB sowie (6.) des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Nur die Schuldsprüche wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit (Punkt 5) und des Verbrechens der schweren Nötigung (Punkt 6) bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Gründe nach Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO stützt.

Insoweit liegt ihm zur Last, er habe am 21.Mai 1992 in Klagenfurt

(zu 5) "durch das unter 2) angeführte Abfeuern eines Schusses auf die Tür unter besonders gefährlichen Verhältnissen eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit der unmittelbar hinter der Tür stehenden Waltraud K***** herbeigeführt";

(zu 6) "Iveta M***** dadurch, daß er mit einer mit Schrotkugeln geladenen Pump-gun auf ihre Beine zielte und ihr wiederholt drohte, abzudrücken, sowie dadurch, daß er sie in weiterer Folge an den Haaren aus den Räumlichkeiten des Bordells "Villa de Paris" zerrte, durch gefährliche Drohung mit einer erheblichen Verstümmelung sowie mit Gewalt zum Verlassen der Bordellräumlichkeiten genötigt".

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt in keinem Anfechtungspunkte Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Ablehnung des zum Faktum Punkt 5 gestellten Beweisantrages des Beschwerdeführers auf Vornahme eines Ortsaugenscheines zum Nachweis dafür, daß ein Schuß gegen die Eingangstür die im Nebenraum sitzenden Personen wegen einer dazwischenliegenden Wand nicht habe gefährden können (S 297, 299), vermag schon deshalb keine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO zu bewirken, weil das Beweisthema ungeeignet ist, auf die Entscheidung der Strafsache irgendeinen Einfluß zu üben. Denn der Schöffensenat ging ohnedies (verantwortungskonform) davon aus, daß die im Barraum anwesenden Personen durch den vom Angeklagten abgegebenen Schuß gegen die Eingangstür nicht gefährdet waren, wohl aber - und nur insoweit abweichend von der Verantwortung des Angeklagten - Waltraud K*****, die sich zu diesem Zeitpunkt im Vorraum im Bereich der Tür (US 8 f, 10) befunden hat. Im übrigen wurden dem Beschwerdevorbringen zuwider die (gemäß § 238 Abs. 2 StPO) im Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlich gemachten Gründe des Zwischenerkenntnisses (S 299) ohnedies im Urteil ergänzt (US 10). Daß aber durch den Ortsaugenschein auch hätte dargetan werden sollen, "daß der Angeklagte mit der Anwesenheit der Waltraud K***** in der Türe in der Nähe der anderen Türe überhaupt nicht mehr rechnen konnte" (letzter Satz der Verfahrensrüge), ist dem Beweisantrag (S 297, 299) nicht zu entnehmen. Insoweit gebricht es daher schon an der prozeßordnungsgemäßen Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 40, 41 zu § 281 Z 4).

Aber auch die den Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung (Punkt 6) betreffende Mängelrüge (Z 5) ist nicht zielführend, weil sie sich gegen eine Urteilsfeststellung wendet, die das Erstgericht in Wahrheit gar nicht getroffen hat. Denn entgegen den Beschwerdeausführungen ist weder dem Urteilsspruch (worauf der Angeklagte selbst zutreffend hinweist) noch den Entscheidungsgründen zu entnehmen, daß der Angeklagte Iveta M***** mit dem Tode bedroht hat (US 2, 10, 11). Der Schöffensenat konstatierte vielmehr bloß, daß Iveta M***** infolge des Verhaltens des Angeklagten Todesängste ausstand, weil sie - subjektiv und ohne diesbezügliche Bedrohung (vgl. US 10 vorletzter Absatz) - auch befürchtete, der Angeklagte könnte sie töten (US 11). Eine Urteilsfeststellung im Sinne der Beschwerdebehauptung läßt sich aber auch nicht - wie der Beschwerdeführer meint - aus den Strafzumessungsgründen ableiten, weil die Urteilsgründe - liest man alles zusammen - keinen Zweifel daran lassen, daß die als Erschwerungsgrund angeführte "zweifache Qualifikation im Falle des Verbrechens der schweren Nötigung" (US 12)

allein auf den Einsatz beider Begehungsmittel nach § 105 Abs. 1 StGB, nämlich Gewalt und gefährliche Drohung, abstellt.

Mit dem weiteren Einwand, die Urteilsfeststellung, der Angeklagte habe das Gewehr waagrecht gehalten (US 10), stehe in unlösbarem Widerspruch zur Annahme, das Tatopfer habe eine "Verstümmelung fürchten müssen", greift der Beschwerdeführer jenen Satz der Urteilsbegründung heraus, der die Überzeugung des Schöffengerichts wiedergibt, daß ein Zielen des Angeklagten gegen den Kopf der Bedrohten, sohin eine Drohung mit dem Tode nicht erfolgt ist (US 10). Dem Urteil ist jedoch - der Beschwerde zuwider - mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Angeklagte die Waffe - geständniskonform (vgl. S 281) - gegen die Beine der Iveta M***** gerichtet und ihr mit dem Durchschießen der Kniescheibe gedroht hat (US 10, 11). Der behaupete Widerspruch mit dem "Urteilstenor" liegt sohin gleichfalls nicht vor.

Schließlich ist auch die Rechsrüge (Z 10) zum Schuldspruch wegen des zuletzt bezeichneten Verbrechens (Punkt 6) unbegründet. Mag auch das Wort Verstümmelung von "Stummel" abgeleitet sein und auf einen - fallbezogen keineswegs auszuschließenden - Verlust von Gliedmaßen oder inneren Organen hindeuten, so erfolgte die Annahme einer strafsatzerhöhenden besonders schwerwiegenden Drohung nach § 106 Abs. 1 Z 1 StGB schon darum zu Recht, weil die Androhung der Zertrümmerung der Kniescheibe jedenfalls eine Drohung mit auffallender Verunstaltung darstellt und es sich dabei um eine von mehreren, den übrigen - daher auch jener durch erhebliche Verstümmelung - gleichwertigen Begehungsformen ein und derselben Deliktsqualifikation handelt. Eine auffallende Verunstaltung kann nämlich nicht nur - wie der Beschwerdeführer offenbar meint - das Gesicht, sondern den gesamten Körper treffen, wobei eine solche Verunstaltung auch dann gegeben ist, wenn sie erst durch die Bewegung des Körpers (etwa beim Gehen), nicht aber auch schon in Ruhelage sichtbar wird. Die Androhung der Zertrümmerung der Kniescheiben suggeriert dem Bedrohten geradezu ein daraus folgendes Leben als verunstalteter gehbehinderter Mensch (Leukauf-Steininger Komm.3 § 106 RN 2, § 85 RN 13). Dem Erstgericht ist sohin der behauptete Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 106 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren.

Dabei wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit vier (richtig: fünf) Vergehen und die "zweifache Qualifikation" beim Verbrechen der schweren Nötigung, als mildernd hingegen das Geständnis und den Umstand, daß es in Ansehung des Vergehens der Nötigung beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt. Entgegen dem Berufungsvorbringen wurden die (drei) Vorverurteilungen des Angeklagten wegen schweren Raubes (in zwei Fällen) und wegen Körperverletzung zu Recht als Erschwerungsgrund nach § 33 Z 2 StGB gewertet; ist doch nicht nur der gleichartige Rückfall, sondern auch der ungleichartige Rückfall erschwerend, sofern die Taten auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhen, also entweder gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet oder auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen sind, wobei die Umstände des Einzelfalles maßgebend sind und darauf Bedacht zu nehmen ist, ob es sich, kriminologisch gesehen, um ein gleichartiges Verhalten des Täters handelt (SSt. 46/48 = ÖJZ-LSK 1975/197; Leukauf-Steininger aaO § 33 RN 6 ff, § 71 RN 2 ff). Eine zweifache Qualifikation zur schweren Nötigung nach § 106 Abs. 1 StGB hinwieder wurde vom Schöffengericht - wie bereits bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde dargelegt - ohnedies nicht angenommen, der erfolgte Einsatz sowohl von Gewalt als auch von gefährlicher Drohung als Begehungsmittel der Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB) jedoch zu Recht als Erschwerungsgrund herangezogen.

Die (bloße) Bereitwilligkeit zur Schadensgutmachung ist kein Milderungsgrund, desgleichen auch nicht das bloße Anerkenntnis des Schadens (ÖJZ-LSK 1978/276); insoweit ist vielmehr eine tatsächlich erfolgte Schadensgutmachung erforderlich. Schließlich ergibt die Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, daß der Berufungswerber die Straftaten nur aus Unbesonnenheit begangen bzw. sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hat hinreißen lassen. Insoweit genügt der Hinweis auf die sorgfältige Planung beginnend mit dem Ankauf einer Vorderschaftrepetierflinte (Pump-gun) durch den Angeklagten, dem Sichvertrautmachen damit in der Wohnung und der vorübergehenden Verwahrung der Waffe durch die Besitzerin des Bordells "Villa de Paris" (vgl. US 4 f). Somit vermag die Berufung insgesamt auch weitere Milderungsgründe nicht aufzuzeigen.

Wird bei der Gewichtung der Strafzumessungsschuld des Angeklagten nicht nur das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, sondern vor allem auch der Umstand berücksichtigt, daß der Berufungswerber mehrfach wegen Gewalttätigkeitsdelikten vorbestraft ist, wobei ihm die zum Teil sehr empfindlichen - die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB erfüllenden - Abstrafungen nicht davon abgehalten haben, abermals straffällig zu werden, so erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß nicht als überhöht. Es entspricht vielmehr der Schwere der personalen Täterschuld, weshalb eine Strafherabsetzung nicht in Betracht kam.

Über die Rechtsmittel des Angeklagten war demnach insgesamt wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E30529

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00124.9200009.1013.000

Dokumentnummer

JJT_19921013_OGH0002_0140OS00124_9200009_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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