TE OGH 1992/11/24 14Os131/92

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Fuchs als Schriftführer, in der Strafsache gegen Reinhold T***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Juni 1992, GZ 2 c Vr 4357/92-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiss, und der Verteidigerin Rechtsanwalt Dr.Heide Schubert, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhold T***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 7.April 1992 in Wien dadurch "mit Gewalt gegen eine Person einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, daß er Dragomirka J***** von rückwärts (gemeint: hinten) am Kragen erfaßte, sie an den Haaren nach rückwärts und schließlich zu Boden riß, ihr den Mund zuhielt, die Herausgabe ihrer Tasche samt Geld forderte und an ihrer Umhängetasche, in der sich 2.000 S Bargeld befanden, so stark anriß, daß der Riemen ausriß, die Tasche ergriff und an sich nahm".

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer (nominell) auf die Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Auf die von ihm (außerdem) selbst verfaßte Eingabe (ON 15), deren Inhalt zudem auf eine gegen Urteile der Schöffengerichte nach wie vor unzulässige Schuldberufung hinausläuft, war nicht einzugehen, weil das Gesetz (§§ 282 Abs. 1, 285 Abs. 1 StPO) nur eine Ausführung der Beschwerdegründe durch den Beschwerdeführer vorsieht.

In den zunächst undifferenziert auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Beschwerdeausführungen bestreitet der Angeklagte unter Hinweis auf einzelne, vom Erstgericht angeblich teilweise nicht erörterte Divergenzen in den Zeugenaussagen deren Tragfähigkeit als Feststellungsgrundlage für den Schuldspruch. Soweit er dabei behauptet, Abweichungen in den Zeugenaussagen würden seine (leugnende) Verantwortung untermauern, wonach er die Zeugin J***** im Stiegenhaus unabsichtlich angerempelt und zu Sturz gebracht habe, wegen ihrer Hilferufe in Panik geraten sei, ihr deshalb den Mund zugehalten habe und beim Weglaufen - abermals unabsichtlich - den Lederriemen der Handtasche abgerissen habe, übergeht er, daß das Schöffengericht die den Schuldspruch tragenden Feststellungen (gemäß § 258 Abs. 2 StPO) auf die als glaubwürdig beurteilten (US 4-8), im wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Zeugen Dragomirka J***** (S 73 ff), Sonja N***** (S 87 ff), Metin D***** (S 101 ff) und Monika P***** (S 111 ff) gestützt hat, wobei es Divergenzen in den bezüglichen Aussagen keineswegs unerörtert ließ, sondern mit dem Hinweis, den Zeugen müsse zugebilligt werden, daß sie sich auf Grund der "sicherlich vorhandenen Aufregung über diesen nicht alltäglichen Vorfall" nicht mehr an alle Details erinnern konnten (US 6, 7), zum Ergebnis gelangte, daß dadurch ihre Glaubwürdigkeit nicht beeinträchtigt wird. Die im Hinblick auf die leugnende Verantwortung wesentliche Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte von der Zeugin J***** während der Gewaltausübung auch ausdrücklich (verbal) die Herausgabe der Tasche forderte, findet jedenfalls in ihren Angaben vor der Polizei (S 21) und in der Hauptverhandlung (S 75, 77) volle Deckung. Im übrigen mußte sich das Urteil nicht im voraus mit allen Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit von Belastungszeugen auseinandersetzen, sofern es nur - wie vorliegend geschehen - jene Erwägungen in gedrängter Darstellung anführt, aus welchen die Tatrichter diesen Zeugen Glauben schenkten.

Aber auch unter dem Gesichtspunkt einer Tatsachenrüge (Z 5 a) unternimmt die Beschwerde nur den Versuch, die Beweiskraft der vom Schöffengericht verwerteten Verfahrensergebnisse in Zweifel zu ziehen, ohne jedoch aktenkundige Verfahrensergebnisse aufzeigen zu können, die geeignet wären, schwerwiegende Bedenken gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter zu erwecken.

Soweit dem bezüglichen Beschwerdevorbringen auch eine - Feststellungsmängel reklamierende - Rechtsrüge (Z 9 lit. a) entnommen werden kann, geht sie nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt, sondern von der vom Schöffensenat mit mängelfreier Begründung abgelehnten Verantwortung des Beschwerdeführers aus, nicht mit Raubvorsatz gehandelt zu haben; damit wird aber der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht.

Schließlich ist auch die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht zielführend, mit welcher sich der Beschwerdeführer zum einen gegen die Annahme eines vollendeten Raubes (anstatt bloßen Raubversuchs) wendet und zum andern die Beurteilung der Tat als bloß "minderschweren" Raub im Sinn des Abs. 2 des § 142 StGB anstrebt.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die Tat als (bloßer) Raubversuch zu werten, weil er die dem Raubopfer entrissene Tasche infolge der geringen Entfernung zwischen dem Ort des Überfalls und jenem seiner Anhaltung noch nicht in Sicherheit bringen konnte und es für die Abgrenzung des Versuchs von der Deliktsvollendung keineswegs darauf ankomme, daß die endgültige Entfernung der weggenommenen Sache vom Tatort durch das Opfer selbst verhindert werde.

Diese Argumentation geht fehl. Vollendet ist der Raub zwar erst, wenn die Sache weggenommen oder abgenötigt worden ist. Maßgebend hiefür sind jedoch (anders als beim Diebstahl) nicht so sehr die räumlichen Gewahrsamsverhältnisse, als vielmehr die Abwehr und Verteidigungssituation des Opfers; danach ist beim Raub die Sache weggenommen (bzw. abgenötigt), wenn das Tatobjekt dem unmittelbaren Zugriff des Opfers entzogen ist (SSt. 56/46 = ÖJZ-LSK 1985/84; Leukauf-Steininger Komm.3 § 142 RN 16). Zwar bewirkt das bloße Entreißen einer Sache, vor allem wenn damit keine ins Gewicht fallende räumliche Veränderung (Verbringung) derselben verbunden ist, in der Regel noch nicht den Gewahrsamsverlust des bisherigen Sachinhabers. Im vorliegenden Fall ist jedoch bereits eine derartige räumliche Verbringung der dem Raubopfer weggenommenen Sache erfolgt. Die Zeugin J***** lag bei der in den ersten Stock des mehrgeschossigen Hauses führenden Stiege am Boden, als ihr der Angeklagte die Tasche entriß und anschließend durch das Hochparterre über mehrere Stufen bis zum Haustor gelangen konnte, bei welchem er erst durch vom Opfer verschiedene Personen, die durch dessen Hilferufe alarmiert worden waren und deshalb dem Angeklagten nacheilten, gestellt werden konnte. Eine raubspezifische normative Gesamtwertung der Tat nach Art, Intensität und Fortdauer der Bedrohungssituation und der realen Abwehrchance des Opfers (Kienapfel BT2 RN 20; Zipf in WK Rz 6 je zu § 142) ergibt sohin, daß die Sachbemächtigung durch den Angeklagten bereits abgeschlossen und der Raub damit vollendet war. Der insoweit behauptete Rechtsirrtum liegt sohin in Wahrheit nicht vor.

Das Erstgericht hat aber auch das Vorliegen der Voraussetzungen eines sogenannten "minderschweren" Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB zu Recht verneint. Diese privilegierte Form des Raubes setzt voraus, daß die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde, nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelte, wobei alle diese (vier) Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssen (ÖJZ-LSK 1975/188; Leukauf-Steininger aaO § 142 RN 27 ff und die dort zitierte Judikatur).

Vorliegend scheitert die Annahme der Privilegierung nach § 142 Abs. 2 StGB schon daran, daß die Raubtat weder ohne Anwendung erheblicher Gewalt noch an einer Sache geringen Wertes begangen wurde.

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte die Zeugin Dragomirka J***** an den Haaren zu Boden gerissen, ihr am Boden liegend den Mund zugehalten und sodann derart heftig am Riemen der Handtasche gezerrt, daß dieser aus der Halterung gerissen wurde. Solcherart hat der Angeklagte bereits beachtliche physische Kraft in vehementer Weise eingesetzt, wobei die Belastung des Opfers im Vergleich zu Durchschnittsfällen jedenfalls nicht mehr als geringfügig eingestuft werden kann (Leukauf-Steininger aaO RN 28).

Die Grenze hinwieder, bis zu welcher im allgemeinen (noch) von

geringem Wert einer Sache gesprochen werden kann, ist (nunmehr) bei

(maximal) 1.000 S anzusetzen (vgl. EvBl. 1989/112 = NRsp 1989/121;

EvBl. 1991/33 = NRsp 1990/253 ua). Dieser Betrag wird durch das in

der weggenommenen Handtasche befindliche Bargeld von etwa 2.000 S bereits um rund das Doppelte überschritten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist somit nach keiner Richtung hin berechtigt, weshalb sie zu verwerfen war.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 142 Abs. 1 StGB zu sieben Jahren Freiheitsstrafe.

Dabei wertete es die einschlägigen - die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB erfüllenden - Vorstrafen und den Umstand, daß die Tat während des Vollzuges einer Freiheitsstrafe erfolgte, als erschwerend, hingegen die objektive Sicherstellung der Raubbeute als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafherabsetzung an; ihr kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Weitere, vom Schöffengericht noch nicht berücksichtigte Milderungsgründe vermag der Berufungswerber nicht aufzuzeigen. Zu seinem Einwand, die vorliegende Straftat habe "das Versuchsstadium kaum überschritten" und bewege sich an der Grenze zum minderschweren Raub (§ 142 Abs. 2 StGB), kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die bezüglichen Ausführungen bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen werden.

Mit Rücksicht auf die Schwere der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten, der die Raubtat als Freigänger (§ 126 Abs. 2 StVG) während des Vollzuges einer - (ua) wegen Mordes über ihn verhängten - Freiheitsstrafe (von achtzehn Jahren) verübt hat, ist die vom Schöffengericht verhängte Freiheitsstrafe jedenfalls gerechtfertigt (§ 32 StGB).

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E31472

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00131.9200009.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19921124_OGH0002_0140OS00131_9200009_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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