TE OGH 1992/12/1 15Os148/92

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Veröffentlicht am 01.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Dezember 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Hager und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kurt T***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.Juni 1991, AZ 4d E Vr 4410/91 (S 38), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, des Verurteilten Kurt T***** sowie des Verteidigers Dr.Bernhauser zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren gegen Kurt T***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, AZ 4 d E Vr 4410/91 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, verletzt der Beschluß des Einzelrichters dieses Gerichtes vom 17.Juni 1991 (Seite 38) das Gesetz in der Bestimmung des § 488 Z 3 StPO.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft erhob - ohne vorangegangene Voruntersuchung oder gerichtliche Vorerhebungen - gegen Kurt T***** Strafantrag wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (ON 3). In der Hauptverhandlung vom 17. Juni 1991 vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, AZ 4 d E Vr 4410/91 - Hv 2582/91, beantragte der Beschuldigte (nach Befragung über seine persönlichen Verhältnisse) "den Ausschluß der Öffentlichkeit" (ohne nähere Begründung - S 38). Diesen Antrag wies der Einzelrichter "gemäß § 229 Abs 1 StPO" mit der Begründung ab, daß "ein Ausschluß der Öffentlichkeit weder aus Gründen der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung geboten erscheint, noch ein solcher durch die Aktenlage indiziert wäre" (abermals S 38).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß steht - wie der Generalprokurator in seiner dagegen gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz ist der Ausschluß der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung nämlich nicht auf die für die Hauptverhandlung vor den Gerichtshöfen erster Instanz allgemein geltenden Gründe des § 229 Abs 1 (und Abs 2) StPO beschränkt. Vielmehr normiert die spezielle (vergl. § 488 1. Satz StPO) Bestimmung des § 488 Z 3 StPO für das Verfahren vor dem Einzelrichter ausdrücklich, daß die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auf Verlangen des Beschuldigten (auch) dann auszuschließen ist, wenn (wie hier) weder eine Voruntersuchung noch gerichtliche Vorerhebungen stattgefunden haben. Bei Vorliegen einer dieser zwei genannten Voraussetzungen bedarf es sohin keiner der im § 229 StPO angeführten Ausschließungsgründe, weil diesfalls der Ausschluß der Öffentlichkeit auf Verlangen des Beschuldigten nach dem Gesetz zwingend ist. Hiedurch soll der Beschuldigte, zumal der Strafantrag im Einzelrichterverfahren - anders als die Anklage im Verfahren vor Kollegialgerichten - nicht mit Einspruch bekämpfbar ist, eine öffentliche Bloßstellung in der Hauptverhandlung durch einen (bis dahin) nicht näher überprüften Tatvorwurf vermeiden können (vgl hiezu Bertl, Grundriß des österr. Strafprozeßrechtes3 Rz 607).

Da in dem hier aktuellen Fall der Einbringung des Strafantrages gegen Karl T***** weder eine Voruntersuchung noch gerichtliche Vorerhebungen vorangegangen waren, verstößt der Beschluß des Einzelrichters auf Abweisung des Verlangens des Beschuldigten, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszuschließen, gegen die Bestimmung des § 488 Z 3 StPO. Hieraus erwuchs dem Beschuldigten, der mit dem (seit 26.September 1991 rechtskräftigen) Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.Juni 1991, GZ 4 d E Vr 4410/91-9, (nur) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt worden war (ON 14), aber kein Nachteil; denn nach der Aktenlage liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, daß das Beweisverfahren bei Ausschluß der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung ein anderes Ergebnis erbracht hätte.

Der vom Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E33294

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0150OS00148.9200005.1201.000

Dokumentnummer

JJT_19921201_OGH0002_0150OS00148_9200005_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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