TE OGH 1992/12/15 1Ob643/92

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Veröffentlicht am 15.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul P*****, Gebäudeverwalter, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Holzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dragan R*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Juni 1992, GZ 48 R 326/92-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 22. Jänner 1992, GZ 7 C 2120/91-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Wohnung im Haus Wien 20, ***** bestehend aus Zimmer, Kabinett und Küche samt Zubehör (eine Nachtspeicherheizung, einem Meller-Ofen, einem Kasten, einem Gasherd Marke Gebe, einem Waschbecken und einem Durchlauferhitzer der Marke Junkers) im Ausmaß von 41,96 m2, geräumt von eigenen Fahrnissen, binnen 14 Tagen bei Exekution zu übergeben, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.645,12 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 1.027,52 USt und S 2.480,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Räumung der von diesem in seinem Haus in Wien - Brigittenau gemieteten Wohnung Nr. 20 sowie zur Entrichtung des Benützungsentgelts in Höhe von S 2.367,80 für den Monat August 1991. Er habe dem Beklagten die Wohnung mit Vertrag vom 13.2.1991 vom 1.2. bis 31.7.1991 vermietet; der Mietvertrag hätte an diesem Tag durch Zeitablauf ohne Kündigung erlöschen sollen. Der Beklagte verweigere aber die Räumung der Wohnung.

Der Beklagte wendete insbesondere ein, er habe mit - nicht datiertem - Vertrag die Wohnung Nr. 21 im selben Haus vom 15.8.1989 bis 14.8.1990 und die streitverfangene Wohnung mit gleichfalls nicht datiertem Vertrag vom 1.8.1990 bis 31.1.1991 gemietet gehabt. Der Wohnungstausch ändere nichts an der Beurteilung all dieser Verträge als Kettenvertrag.

Das Erstgericht gab dem Räumungs- und dem Zahlungsbegehren statt.

Es stellte - soweit für die Erledigung der Revision von Bedeutung - fest, der Kläger habe dem Beklagten die in seinem Haus in Wien - Brigittenau gelegene Wohnung Nr. 21 vom 15.8.1989 bis 14.8.1990 und sodann mit - gleichfalls nicht datiertem - Vertrag die Wohnung Nr. 20 zunächst vom 1.8.1990 bis 31.1.1991 und in der Folge mit Vertrag vom 13.2.1991 vom 1.2.1991 bis 31.7.1991 vermietet. Das Mietverhältnis hätte nach allen Verträgen durch Zeitablauf ohne Kündigung erlöschen sollen.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Verpflichtung des Beklagten zur Räumung der von ihm gemieteten Wohnung wegen Zeitablaufs, weil das Mietverhältnis, soweit es diese Wohnung betreffe, nach den Verträgen insgesamt ein Jahr nicht überstiegen habe. Daß der Beklagte zuvor mit gleichfalls befristetem Vertrag Mieter einer anderen Wohnung im selben Haus gewesen sei, bedeute noch keine Umgehung von gesetzlichen Befristungsmöglichkeiten.

Das Rekursgericht hob das Ersturteil im Ausspruch über das Zahlungsbegehren zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf, ohne auszusprechen, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, bestätigte es hingegen im Ausspruch über das Räumungsbegehren und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte in Erledigung der Rechtsrüge aus, in der unmittelbar aufeinanderfolgenden Vermietung zweier verschiedener Bestandobjekte im selben Haus sei noch keine Umgehungsabsicht zu erkennen. Nur wenn die Umgehung der Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 MRG durch den Abschluß eines neuen Mietvertrages mit demselben Mieter oder einem seiner Hausgenossen beabsichtigt sei, müsse das Umgehungsgeschäft jener Rechtsnorm unterworfen werden, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden sei; der zweite Mieter sei dann so zu behandeln, als wäre der Mietvertrag mit ihm bloß eine Verlängerung des schon vorher begründeten Mietverhältnisses gewesen. Habe der Mieter nach Ablauf der Jahresfrist eine andere Wohnung im selben Haus des Vermieters in Bestand genommen, liege darin noch keine Umgehung, weil § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG die Befristungsmöglichkeit nur für ein und dasselbe Bestandobjekt auf ein Jahr beschränke. Sei der Mieter bereit gewesen, seine Wohnung zu verlassen, um eine andere Wohnung auf bestimmte Zeit in Bestand zu nehmen, so müsse es damit sein Bewenden haben. Der Kündigungsschutz werde nicht verkürzt, wenn das Bestandverhältnis "tatsächlich ein anderes" sei, weil der Leistungsgegenstand und das Entgelt neu vereinbart werden müßten.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen dieses Urteil im Ausspruch über die Räumung erhobene Revision ist berechtigt.

Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG wird ein Hauptmietvertrag über eine Wohnung durch Zeitablauf aufgelöst, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Die Zeiten wirtschaftlich als Einheit zu betrachtender Verträge sind danach zusammenzurechnen. Kettenverträge sind nicht unzulässig, sondern als Einheit zu sehen und lösen bei Überschreiten von Höchstfristen die entsprechenden Rechtsfolgen aus (Würth in Rummel, ABGB2 § 29 MRG Rz 7). Die genannte Bestimmung kann daher durch den Abschluß eines neuen Vertrages anstelle einer Vertragsverlängerung nicht mit dem Ziel umgangen werden, das wirklich beabsichtigte Geschäft - die Verlängerung des ersten Mietvertrags - zu verschleiern. Nach der Rechtsprechung sind aber auch einem solchen Kettenvertrag ähnliche Versuche, die Eingriffsnormen des Mietrechtsgesetzes zu umgehen, gleichzuhalten: Das trifft etwa dann zu, wenn der neue Mietvertrag mit einem Hausgenossen des bisherigen Mieters abgeschlossen wird, sodaß der alte Mieter nicht räumen muß, sondern bloß mit seinem bisherigen Hausgenossen die Rollen tauscht, der bisherige Mieter also Hausgenosse und dieser neuer Mieter wird; der zweite Mieter ist dann so zu behandeln, als stelle der mit ihm abgeschlossene Mietvertrag nur eine Verlängerung des schon bestehenden Mietverhältnisses um ein Jahr dar, sodaß wegen Überschreitung der im § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG vorgesehenen Frist der Mietvertrag nicht schon durch bloßen Zeitablauf aufgelöst wird (SZ 63/50; 1 Ob 605/90). Auf eine besondere Umgehungsabsicht der Parteien kommt es in der Regel nicht an. Es genügt vielmehr, daß das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt (SZ 63/50 mwN).

Mit der im WoBl 1992, 226/149, veröffentlichten Entscheidung vom 9.7.1992, 7 Ob 577/92, sprach der Oberste Gerichtshof in einem völlig gleichgelagerten Fall aus, Sinn und Zweck des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG würden auch durch den Abschluß eines weiteren Mietvertrags mit dem Beklagten (allerdings über eine andere Wohnung im selben Haus des Klägers) vereitelt. Objektiv sei nämlich nicht der geringste Grund dafür zu erkennen, daß der Kläger nach Ablauf des im früheren Mietvertrag vereinbarten Zeitraums einen neuerlichen befristeten Mietvertrag über eine andere, im wesentlichen gleichartige Wohnung im selben Haus abschloß. Daß die Verlängerung des früheren Mietvertrags nicht, wie nach den zitierten Vorentscheidungen, durch Abschluß eines weiteren Mietvertrages über dieselbe Wohnung mit einem Hausgenossen des bisherigen Mieters, sondern durch einen Wohnungstausch erzielt wurde, ändere nichts daran, daß die mehrfach genannte mietrechtsgesetzliche Bestimmung auch bei Wahl dieses Weges objektiv umgangen worden sei. Sei damit aber ein Verstoß diese Bestimmung anzunehmen, sei das Mietverhältnis nicht durch den Ablauf der in diesem Vertrag bedungenen Dauer aufgelöst, sondern im Sinne des § 1114 ABGB stillschweigend erneuert worden.

An dieser Auffassung hält auch der erkennende Senat fest. Dem Kündigungsschutz, der sich auch in der gesetzlichen Beschränkung der Möglichkeiten zum Abschluß von Zeitmietverträgen niederschlägt, geschieht durch den Umzug des Mieters in eine - gleichartige (vgl hiezu Beilagen A, 1 und 5) - Wohnung ebenso Abbruch, als wenn der bisherige Mieter mit einem seiner Wohnungsgenossen die Rollen tauscht; hier wie dort wird ein neues Bestandverhältnis nur deshalb begründet, um den engen Befristungsmöglichkeiten des Mietrechtsgesetzes formell Genüge zu tun.

Da der Beklagte somit die Wohnung nicht ohne Rechtstitel benützt, ist dem Räumungsbegehren ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E34315

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00643.92.1215.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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