TE OGH 1990/6/20 1Ob605/90

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Mag.Johann Z***, und 2.) Ingrid Z***, beide St.Pölten, Purkersdorferstraße 4, vertreten durch Dr.Rudolf Holzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rahmi T***, Angestellter, Wien 15., Goldschlagstraße 78/24, vertreten durch Dr.Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 15.März 1990, GZ 48 R 125/90-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 7.Dezember 1989, GZ 6 C 1011/89-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses Wien 15., Goldschlagstraße 78. Mit Vertrag vom 28.4.1987 vermieteten sie die Wohnung Nr.24 durch die von ihnen bestellte Hausverwaltungsgesellschaft vom 1.5.1987 an befristet auf ein Jahr an Elmas T***, die Ehegattin des Beklagten. Mit Vertrag vom 16.5.1988 vermieteten sie diese Wohnung mit Wirkung ab 1.5.1988 an den Beklagten; danach sollte das Mietverhältnis am 30.4.1989, ohne daß es aufzukündigen war, enden.

Die Kläger begehrten die Verurteilung des Beklagten zur Räumung der genannten Wohnung, weil die vereinbarte einjährige Mietdauer abgelaufen und der Beklagte mehrfach aufgefordert worden sei, die Wohnung unverzüglich zu räumen, der Aufforderung jedoch nicht nachgekommen sei.

Der Beklagte wendete ein, der inhaltsgleiche Mietvertrag mit seiner Ehegattin und der daran unmittelbar anschließende Bestandvertrag mit ihm seien, weil die Kläger diese Vorgangsweise bloß deshalb gewählt hätten, um damit die Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG zu umgehen, als Kettenverträge zu beurteilen. Im übrigen sei er von den Klägern nicht rechtzeitig zur Räumung aufgefordert worden.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt und stellte fest, der Beklagte sei von der Hausverwalterin mit Schreiben vom 8.5.1989 aufgefordert worden, die Wohnung unverzüglich zu räumen, sei dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen. Rechtlich meinte es, die Tatsache, daß ein Jahr zuvor ein ebensolcher Mietvertrag mit der Ehegattin des Beklagten abgeschlossen worden sei, ändere nichts an der nach § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG durchsetzbaren Befristung des Mietverhältnisses, weil sich das Verbot von Kettenverträgen nur auf Verträge mit demselben Vertragspartner beziehe, wogegen der durch die beschränkte Zulässigkeit von Befristungen bezweckte Schutz des Mieters ausreichend gewahrt bleibe, wenn die Vertragspartner auf der Mieterseite nicht ident seien, selbst wenn die wechselnden Mieter Familienmitglieder oder sonstige Hausgenossen des ursprünglichen Vertragspartners sein sollten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. § 1114 ABGB stelle wohl eine stillschweigende Rechtsvermutung für die Verlängerung des Bestandverhältnisses auf, wenn der Wille des Bestandgebers, es nicht zur stillschweigenden Erneuerung kommen zu lassen, nicht innerhalb der dort genannten 14tägigen Frist hinreichend zum Ausdruck gebracht wurde, doch hätten die Kläger in erster Instanz ohnedies Entsprechendes behauptet und durch die Vorlage des Schreibens der Hausverwalterin vom 8.5.1989 ein Beweismittel hiefür angeboten. Der Beklagte habe nicht nur diese Behauptung, sondern auch die Richtigkeit der Urkunde nicht ausdrücklich bestritten, sondern lediglich auf sein Vorbringen verwiesen. Im übrigen habe das Erstgericht aber sogar festgestellt, der Beklagte sei mit diesem Schreiben aufgefordert worden, die Wohnung unverzüglich zu räumen. Wäre dem Beklagten dieses Schreiben nicht zugekommen, hätte dies bereits in erster Instanz vorgebracht werden müssen. Aufgrund der Erklärung des Beklagten habe für das Erstgericht kein Anlaß an der rechtzeitigen Absendung und am Zugang dieses Schreibens zu zweifeln bestanden; diese Umstände seien auch durch die getroffene Feststellung gedeckt.

Ein gesetzwidriges Umgehungsgeschäft verstoße zwar nicht gegen ein gesetzliches Verbot, sei aber so konzipiert, daß im Ergebnis ein widerrechtlicher Erfolg eintrete, weil es die gesetzgeberischen Intentionen durchkreuze. Ob die fragliche Norm auch auf das Umgehungsgeschäft anzuwenden sei, müsse an Hand des Normzweckes beurteilt werden. Diese Erwägungen träfen auf den Abschluß inhaltlich gleichlautender aufeinander folgender Mietverträge mit ein und demselben Mieter deshalb zu, weil damit die nach § 29 Abs 1 Z 3 MRG beschränkte Durchsetzbarkeit einer vertraglichen Befristung umgangen werde. Die Formvorschriften und Beschränkungen in bezug auf die Beendigung von Mietverhältnissen durch Zeitablauf bezweckten den besonderen Schutz des Mieters, dem dadurch die geringere Dauer des Rechtsverhältnisses vor Augen geführt werden solle, um ihn vor Übereilung zu schütze. Sei - wie hier - zunächst ein ebenso befristeter Mietvertrag mit der Ehegattin des Mieters und nach dessen Ablauf ein neuer Mietvertrag des gleichen Inhalts mit diesem abgeschlossen worden, so werde dem dargestellten Schutzzweck durch diese Vorgangsweise und insbesondere dadurch, daß nunmehr ein anderer an die Stelle des bisherigen Mieters trete, ausreichend Rechnung getragen. Anders wäre der Sachverhalt möglicherweise dann zu beurteilen, wenn hintereinander jeweils befristete Mietverträge abgeschlossen werden und auf der Mieterseite Ehegatten, andere Familienangehörige oder Mitbewohner einander ständig abwechselten. Dieser Fall wäre den Kettenmietverträgen stark angenähert, sodaß ein Umgehungsgeschäft zu vermuten sei. Handle es sich, wie hier, aber lediglich um "einen einmaligen Neuabschluß mit einmaligem Mieterwechsel", könne darin noch keine klare Umgehungsabsicht erblickt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil - abgesehen von einer bisher nicht veröffentlichten Entscheidung, die zum gegenteiligen Ergebnis

gelangte - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, und auch berechtigt.

Soweit der Beklagte - wie schon in der zweiten Instanz - einen Feststellungsmangel rügt, weil zur "abschließenden rechtlichen Beurteilung" Feststellungen über den Zeitpunkt der Absendung des Schreibens, mit welchem der Beklagte zur Räumung aufgefordert wurde, und dessen Zugang fehlten, übersieht er, wie schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend hervorgehoben hat, die erstinstanzliche Feststellung, daß er "mit Schreiben der Hausverwaltung vom 8.5.1989 aufgefordert " worden sei, die Wohnung unverzüglich zu räumen, dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen sei. Dieser Feststellung ist ohne Zweifel impliziert, daß dem Beklagten das Schreiben zugegangen ist, weil sich sonst gar nicht die Frage gestellt hätte, ob er der Räumungsaufforderung "nachgekommen" sei oder nicht. Insoweit ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt. Berechtigt erweisen sich dagegen im Ergebnis die Ausführungen des Beklagten dahin, daß die Vorgangsweise der Hausverwalterin der Kläger, alternierend mit Hausgenossen der Mieterseite jeweils auf ein Jahr befristete Mietverhältnisse abzuschließen, auf der Absicht beruhen könne, die engen Grenzen wirksamer Befristung von dem Mietrechtsgesetz unterliegenden Bestandverträgen zu umgehen. Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG wird ein Hauptmietvertrag über eine Wohnung durch Zeitablauf aufgelöst, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Diese Bestimmung kann nicht durch den Abschluß eines neuen Vertrages im Sinne eines "Kettenvertrages" anstelle einer Vertragsverlängerung umgangen werden (vgl auch Würth in Rummel, ABGB, § 29 MRG Rz 7). Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 28.3.1990, 3 Ob 614/89, ausgesprochen, daß einem solchen Kettenvertrag ähnliche Versuche, die Eingriffsnormen des Mietrechtsgesetzes zu umgehen, gleichzuhalten seien. Das gelte auch für Fälle, in welchen der neue Mietvertrag mit einem Hausgenossen des bisherigen Mieters abgeschlossen wird, sodaß der alte Mieter nicht räumen muß, sondern bloß mit seinem bisherigen Hausgenossen die Rollen tauscht, der bisherige Mieter also Hausgenosse und dieser neuer Mieter wird. Wenn auch Anhaltspunkte dafür, daß der neue Vertrag ein Scheingeschäft sei, um die wirklich beabsichtigte Vereinbarung - die Verlängerung des bisherigen Mietvertrages - zu verschleiern, fehlten, so wählten die Parteien mit dieser Vorgangsweise doch nur einen Umweg, um zum gleichen wirtschaftlichen Ergebnis zu gelangen, wenn der zweite Vertrag mit einem anderen als Mieter eingesetzten Mitglied der Familie des bisherigen Mieters abgeschlossen werde. Das Umgehungsgeschäft sei zwar nicht schlechthin nichtig, aber jenen Rechtsnormen zu unterwerfen, die auf das in Wahrheit gewollte Rechtsgeschäft anzuwenden wären. Demnach sei der neue Mieter so zu behandeln, als wäre durch den mit ihm abgeschlossenen Mietvertrag bloß die Verlängerung des bisherigen Mietverhältnisses um ein Jahr vereinbart worden, sodaß der Mietvertrag wegen Überschreitung der im § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG vorgesehenen einjährigen Frist nicht schon durch den bloßen Zeitablauf aufgelöst worden sei. Eine konkrete Umgehungsabsicht der Parteien sei zwar im allgemeinen nicht erforderlich; es genüge vielmehr, daß das Umgehungsgeschäft objektiv Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitle. Das gelte freilich uneingeschränkt nur in Fällen, in welchen der Zweck der umgangenen Norm präzise faßbar sei. Da Zeitmietverträge jedoch nicht schlechthin verboten seien, könne in Fällen der vorliegenden Art auf die Kenntnis jener Umstände, die objektiv die Umgehung des Gesetzes bewirkten, durch die Beteiligten nicht verzichtet werden. Diesen Ausführungen ist auch in dem hier zur Beurteilung stehenden Fall beizupflichten. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß der Abschluß eines neuen Mietvertrages mit einem - noch dazu familiär verbundenen - Hausgenossen des bisherigen Mieters, vor allem mit dessen in aufrechter ehelicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten, das gleiche wirtschaftliche Ergebnis zeitigt, wie wenn das bisherige Mietverhältnis um ein Jahr verlängert worden wäre. Dabei kann es - entgegen der vom Berufungsgericht geäußerten Ansicht - keinen rechtlichen Unterschied machen, ob diese Vorgangsweise erstmals oder bereits wiederholt gewählt wurde, wenngleich in letzterem Fall die dem zugrunde liegenden Absicht der Beteiligten deutlicher sein mag. Dem Gericht zweiter Instanz kann auch nicht darin zugestimmt werden, daß dem Schutzweck der genannten mietrechtlichen Vorschrift durch den Abschluß des sonst inhaltsgleichen neuen Mietvertrages mit einem (familiär verbundenen) Hausgenossen des bisherigen Mieters besser entsprochen werde als bei Kettenverträgen zwischen denselben Partnern, bei welchen dem bisherigen Mieter im neuen Vertrag ebenso vor Augen geführt werden muß, daß das Bestandverhältnis gleichfalls wieder ohne Kündigung bloß durch Zeitablauf endet, weil sich der Vermieter sonst auf die Wirksamkeit der Befristung des Mietverhältnisses ohnedies nicht berufen könnte.

Von einem Umgehungsgeschäft könnte im Sinne der vorangestellten Grundsätze nur dann nicht gesprochen werden, wenn der Hausverwalterin, deren Wissen und Handeln aufgrund der Verwaltungsvollmacht den Klägern zuzurechnen ist, bei Abschluß des neuen Vertrages gar nicht bekannt gewesen sein sollte, daß es sich beim Beklagten und der Vormieterin um Eheleute handelt. Dementsprechende Behauptungen haben die klagenden Parteien in erster Instanz aufgestellt; sie blieben allerdings im bisherigen Verfahren ungeprüft, weil die Vorinstanzen, ausgehend von ihrer Rechtsansicht, Feststellungen in dieser Richtung zu treffen nicht genötigt zu sein glaubten. Diese werden - allenfalls nach Erörterung des Sachverhaltes mit den Parteien gemäß § 182 ZPO - vom Erstgericht im fortgesetzten Verfahren nachzutragen sein. Erst danach wird verläßlich beurteilt werden können, ob der Mietvertrag mit dem Beklagten als Umgehungsgeschäft zu beurteilen ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E20869

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00605.9.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19900620_OGH0002_0010OB00605_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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