TE OGH 1992/7/9 7Ob577/92

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Veröffentlicht am 09.07.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Schwarz und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald W*****, vertreten durch Dr.Karl Putschi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mehmet Ali A***** vertreten durch Dr.Thomas Prader und Dr.Werner Göritz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung (Streitwert S 6.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Februar 1992, GZ 41 R 913/91-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 27. Mai 1991, GZ 6 C 2810/90k-8 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Wohnung Nr. 19 im Haus Wien 20, Karajangasse 11, von ihren Fahrnissen zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.436,48 (darin S 726,08 an Ust. und S 80,-- an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz, die mit S 3.664,96 (darin S 604,16 an Ust. und S 40,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 2.175,36 (darin S 362,56 an Ust.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Räumung einer Wohnung. Er habe dem Beklagten die Wohnung nach dem Mietvertrag vom 1. Dezember 1989 bis zum 30. November 1990 vermietet; der Mietvertrag sollte an diesem Tag durch Zeitablauf ohne Kündigung erlöschen. Der Beklagte weigere sich, die Wohnung zu räumen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er habe mit Mietvertrag vom 1. Dezember 1988 bereits eine andere Wohnung in dem gleichen Haus für die Dauer eines Jahres gemietet gehabt. Bei Abschluß jenes Mietvertrages sei vereinbart worden daß der Beklagte nach einem Jahr weiter Mieter in dem Haus bleiben könne, wenn er bereit sei, seine Wohnung mit einem anderen Mieter zu tauschen, der ebenfalls einen Einjahresmietvertrag habe. Es sei nach einem Jahr auch tatsächlich zu einem Wohnungstausch gekommen und es sei diesselbe Abrede wie beim ersten Mietvertrag geschlossen worden. Nunmehr aber werde dem Beklagten keine andere Wohnung zur Verfügung gestellt. Der Wohnungstausch habe ausschließlich dazu gedient, die zwingenden Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes zu umgehen. Die Befristung des Mietvertrages sei daher ungültig.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Mit Mietvertrag vom 6. Dezember 1988 mietete der Beklagte die Wohnung Nr. 27, bestehend aus Zimmer, Kabinett, Küche und Klosett für die Dauer eines Jahres, bis zum 30. November 1989; der Mietvertrag sollte durch Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlöschen.

Mit Mietvertrag vom 1. Dezember 1989 mietete der Beklagte die Wohnung Nr. 19 im gleichen Haus, gleichfalls für die Dauer eines Jahres, bis zum 30. November 1990. Auch dieses Mietverhältnis sollte durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung enden.

Die Wohnung Nr. 19 war im Jänner 1989 an Miroslava P***** vermietet worden; ihr wurde für den Zeitraum 1. Dezember 1989 bis 30. Juni 1990 die Wohnung Nr. 27 vermietet, die im Jänner 1991 an Mahmut S***** vermietet wurde.

Es konnte nicht festgestellt werden, daß dem Beklagten bei Anmietung der Wohnung Nr. 27 zugesagt worden wäre, er könne nach Ablauf des Mietvertrages im Haus wohnhaft bleiben, und daß ihm bei Anmietung der Wohnung Nr. 19 eine gleichartige Zusage gegeben worden wäre.

Vor dem 30. November 1989 hatte der Beklagte die Hausverwalterin Ilse W***** aufgesucht und sie gefragt, ob sie ihm eine andere Wohnung zur Verfügung stellen könne. Er wollte zwar in der Wohnung Nr. 27 bleiben, erklärte sich aber, als die Hausverwalterin meinte, dies ginge nicht, mit dem Tausch einverstanden.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, es seien zwei Mietverträge hinsichtlich verschiedener Wohnungen abgeschlossen worden. Ein Kettenmietvertrag zur Umgehung der Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG liege nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung.

Die Revision des Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG wird ein Hauptmietvertrag über eine Wohnung durch Zeitablauf aufgelöst, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Die Zeiten wirtschaftlich als Einheit zu betrachtender Verträge sind danach zusammenzurechnen. Kettenverträge sind nicht unzulässig, sondern als Einheit zu sehen, was bei Überschreiten von Höchstfristen die entsprechende Rechtsfolgen auslöst (Würth in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 29 MRG). Die zitierte Bestimmung kann daher nicht durch den Abschluß eines neuen Vertrages im Sinne eines Kettenvertrages anstelle einer Vertragsverlängerung umgangen werden, um das wirklich beabsichtigte Geschäft, nämlich die Verlängerung des ersten Mietvertrages, zu verschleiern. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind einem solchen Kettenvertrag ähnliche Versuche, die Eingriffsnormen des Mietrechtsgesetzes zu umgehen, gleichzuhalten: Dies gilt etwa dann, wenn der neue Mietvertrag mit einem Hausgenossen des bisherigen Mieters abgeschlossen wird, sodaß der alte Mieter nicht räumen muß, sondern bloß mit seinem bisherigen Hausgenossen die Rollen tauscht, der bisherige Mieter also Hausgenosse und dieser neuer Mieter wird; der zweite Mieter ist dann so zu behandeln, als stelle der mit ihm abgeschlossene Mietvertrag nur eine Verlängerung des schon bestehenden Mietverhältnisses um ein Jahr dar, sodaß wegen Überschreitung der Frist des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG der Mietvertrag nicht schon durch bloßen Zeitablauf aufgelöst wird (SZ 63/50; 1 Ob 605/90). Auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es in der Regel nicht an. Es genügt, daß das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt (SZ 63/50 mwN).

Auch im vorliegenden Fall wurden Sinn und Zweck des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG durch den Abschluß des zweiten Mietvertrages mit dem Beklagten objektiv vereitelt. Es war objektiv nicht der geringste Grund dafür vorhanden (und wurde auch gar nicht geltend gemacht), daß der Kläger nach Ablauf des im ersten Mietvertrag vereinbarten Zeitraumes einen neuerlichen mit einem Jahr befristeten Mietvertrag über eine andere, im wesentlichen gleichartige Wohnung im selben Haus abschloß und mit der bisherigen Mieterin dieser Wohnung, mit der der Kläger gleichfalls einen Mietvertrag für die Dauer eines Jahres abgeschlossen hatte, die Wohnung tauschte, wobei auch die Mieterin der zuvor vom Beklagten gemieteten Wohnung über diese nur einen im Sinn des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG befristeten Mietvertrag abschloß. Daß die Verlängerung des ersten Mietvertrages hier nicht, wie bei den genannten Vorentscheidungen, durch Abschluß eines zweiten Mietvertrages über dieselbe Wohnung mit einem Hausgenossen des bisherigen Mieters, sondern durch einen Wohnungstausch erreicht wurde, ändert nichts daran, daß auch auf diese Weise objektiv die mehrfach zitierte gesetzliche Bestimmung umgangen wurde. Liegt aber damit ein Verstoß gegen die genannte Bestimmung vor, wurde das Mietverhältnis nicht durch den Ablauf der in diesem Vertrag bedungenen Dauer aufgelöst, sondern im Sinne des § 1114 ABGB stillschweigend erneuert.

Der Beklagte benützt demnach den Bestandgegenstand nicht ohne Titel, sodaß in Stattgebung der Revision dem Räumungsbegehren ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E30460

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00577.92.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19920709_OGH0002_0070OB00577_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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