TE OGH 1993/2/2 11Os148/92

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Veröffentlicht am 02.02.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Februar 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Dr.Hager und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr.Gernot P***** wegen des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1, Abs. 2, zweiter Fall, StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Vorgang, daß vom Landesgericht Linz die Vorführung des Verurteilten zum Strafantritt ohne vorherige Zustellung der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 25.Mai 1992, GZ 33 Vr 2850/87-399, verfügt wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Dr.Gernot P***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB, AZ 33 Vr 2850/87 des Landesgerichtes Linz, wurde durch die am 28.Mai 1992 von diesem Gericht getroffene Anordnung der polizeilichen Vorführung des Verurteilten Dr.Gernot P***** zum Strafantritt ohne vorherige Zustellung der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 25.Mai 1992, AZ 8 Bs 187/92, oder eines anderen Hinweises darauf, daß infolge Aufhebung des mit Beschluß vom 16.Jänner 1992 zu Unrecht gewährten Strafaufschubes die Strafe unverzüglich - bei sonstiger Vorführung - anzutreten war, das Gesetz durch Außerachtlassung der aus § 3 StPO hervorgehenden Belehrungspflicht verletzt.

Diese Gesetzesverletzung wird festgestellt.

Text

Gründe:

Über Dr.Gernot P***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11. März 1991, GZ 33 Vr 2850/87-369, wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1, Abs. 2 zweiter Fall StGB eine (Zusatz-)Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Den Strafberufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 14.November 1991, AZ 8 Bs 263/91 (ON 381 der landesgerichtlichen Strafakten), nicht Folge.

In einem am 13.Jänner 1992 bei Gericht eingelangten "Hemmungsgesuch" brachte der auf freiem Fuß befindliche Verurteilte vor, nach der Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt am 27.Dezember 1991 ein Gnadengesuch im Wege des Bundesministeriums für Justiz an den Bundespräsidenten mit der Bitte gerichtet zu haben, ihm den Vollzug der restlichen - nicht durch Anrechnung der Verwahrungs- und Untersuchungshaft bereits verbüßten (vgl. ON 401) - Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit nachzusehen, und stellte den Antrag auf vorläufige Hemmung des Vollzuges der Freiheitsstrafe bis zur Entscheidung des Bundespräsidenten über das Gnadengesuch. Die Staatsanwaltschaft Linz erklärte, gegen die Hemmung des Vollzuges keinen Einwand zu erheben (ON 384). Mit Beschluß vom 16.Jänner 1992 schob das Landesgericht Linz die Einleitung des Strafvollzuges bis zur Erledigung des Gnadengesuchtes des Verurteilten auf, "weil sonst dem Gnadenrecht des Herrn Bundespräsidenten vorgegriffen würde". Die in der Zustellverfügung vom 16.Jänner 1992 angeordnete Zustellung einer Ausfertigung dieses Beschlusses an die Staatsanwaltschaft unterblieb vorerst ebenso wie eine Mitteilung der Urschrift im Sinn des § 78 StPO; am 29.April 1992 wurden zwar die Akten der Staatsanwaltschaft übersendet, jedoch nur in Durchführung der Zustellverfügung zum (in keinerlei Zusammenhang mit dem Strafaufschub stehenden) Beschluß ON 393, welche keinen Hinweis für die Anklagebehörde auf die frühere Beschlußfassung enthielt.

Erst nach neuerlicher Aktenbeischaffung am 18.Mai 1992 erhob die Staatsanwaltschaft Linz noch am selben Tag gegen den Strafaufschubsbeschluß vom 16.Jänner 1992 Beschwerde (ON 395, 396). In Stattgebung dieser Beschwerde wies das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 25.Mai 1992, 8 Bs 187/92 (ON 399 der landesgerichtlichen Akten), den Antrag des Verurteilten auf vorläufige Hemmung des Vollzuges der Freiheitsstrafe mit der Begründung ab, daß ein Aufschub nach § 6 StVG angesichts des drei Jahre übersteigenden Ausmaßes der Freiheitsstrafe unzulässig sei und die Anordnung einer vorläufigen Hemmung in Beziehung auf das Gnadengesuch in die (vorliegend nicht ausgeübte) Kompetenz des Bundesministers für Justiz in Übereinstimmung mit dem Bundespräsidenten falle. Das Landesgericht Linz, bei welchem die Beschwerdeentscheidung am 27.Mai 1992 einlangte, erließ am 28.Mai 1992 ohne vorherige Verständigung des Verurteilten von der Aufhebung des Strafaufschubs einen Befehl zur Vorführung zum Strafantritt, wobei es der Bundespolizeidirektion Linz zugleich auftrug, eine Ausfertigung der oberlandesgerichtlichen Beschwerdeentscheidung dem Vorzuführenden auszuhändigen (ON 400/II).

In Ausführung dieses Befehles wurde der Verurteilte am 1.Juni 1992 um 9.00 Uhr festgenommen, dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus Linz vorgeführt und dort um 9.45 Uhr in Strafhaft übernommen (ON 401, 404).

Die noch am selben Tage vom Verurteilten gegen die Vorführung zum Strafantritt erhobene (am 2.Juni 1992 bei Gericht eingelangte) Beschwerde (ON 402) wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 5.Juni 1992, 7 Bs 152/92 (ON 405) als gegen einen auf § 3 StVG beruhenden Vollzugsakt unzulässig zurückgewiesen. Zu einer dienstaufsichtsbehördlichen Maßnahme im Sinn des § 15 StPO sah sich das Oberlandesgericht nicht veranlaßt, weil dem Verurteilten nach Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt mehr als ein Monat Zeit für den Antritt der Strafe eingeräumt worden und daher - ungeachtet der letztlich erfolglosen Antragstellung auf Strafaufschub - der Strafvollzug sofort einzuleiten gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Es trifft zwar zu, daß der Verurteilte, dem die - ab Zustellung der schriftlichen Aufforderung zum Strafantritt laufende (vgl. SSt. 46/19) - einmonatige Frist zur Ordnung seiner Angelegenheiten bereits einmal eingeräumt worden ist, keiner nochmaligen Aufforderung nach § 3 Abs. 2 StVG unter neuerlicher Fristgewährung bedarf; dies selbst dann, wenn aus Anlaß eines an sich zulässigen Strafaufschubsantrages die vorläufige Hemmung der Anordnung des Strafvollzuges (§ 7 Abs. 3 StVG) abgelehnt worden ist. Die für einen solchen Fall vom Obersten Gerichtshof (in SSt. 46/19) nur als zweckmäßig erachtete Belehrung des Verurteilten darüber, daß er nunmehr die Strafe im Sinn der bereits an ihn ergangenen Aufforderung bei sonstiger Vorführung unverzüglich anzutreten habe, ist hingegen in Anbetracht der dem Gericht durch § 3 StPO auferlegten Belehrungspflicht dann zwingend geboten, wenn der Verurteilte - wie im vorliegenden Fall - auf Grund einer ihm rechtsirrig vom Gericht gewährten Vollzugshemmung zur Auffassung gelangen mußte, der Strafantrittaufforderung vorläufig nicht nachkommen zu müssen. In Erfüllung dieser Manuduktionspflicht hätte das Landesgericht Linz zunächst wenigstens die Beschwerdeentscheidung vom 25.Mai 1992 über die Ablehnung der Strafvollzugshemmung als Hinweis, daß die Strafe nunmehr (bei sonstiger Vorführung) unverzüglich anzutreten war, dem Verurteilten zustellen müssen. Solange eine solche Verständigung nicht ergangen war, beruhte nämlich die Säumnis des Verurteilten (auf welche sich mangels jeglichen Hinweises in der Aktenlage auf einen anderen Vorführungsgrund die Anordnung seiner Vorführung nach § 3 Abs. 2 drittem Satz StVG stützte) auf einem vom Erstgericht selbst veranlaßten Irrtum, durch welchen dem Verurteilten nicht bekannt sein konnte, daß er die Strafe (bei sonstiger Vorführung) sofort anzutreten hatte.

Mit der Feststellung dieses Verstoßes gegen die Manuduktionspflicht mußte es allerdings sein Bewenden haben. Dem Verurteilten, der durch die Fehlleistung des Erstgerichtes faktisch in den Genuß eines ihm nicht zustehenden Strafaufschubes von mehreren Monaten gelangte, wurde nämlich kein durch eine konkrete Maßnahme nach dem letzten Satz des § 292 StPO behebbarer Nachteil zugefügt.

Anmerkung

E30902

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0110OS00148.9200006.0202.000

Dokumentnummer

JJT_19930202_OGH0002_0110OS00148_9200006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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