TE OGH 1993/3/11 2Ob5/93

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Veröffentlicht am 11.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Engelbert H*****, vertreten durch Dr.Heinz Buchmayr, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. mj. Harald H*****, vertreten durch den Vater Hans H*****, ***** und 2. I***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Klaus Dieter Strobach und Dr.Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen 35.611,-- S s.A. infolge "außerordentlicher" Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 2.November 1992, GZ R 757/92-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Peuerbach vom 12. Juni 1992, GZ C 110/92-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Der Antrag des Rechtsmittelwerbers, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Bestimmung des § 502 Abs 2 ZPO wegen Verfassungswidrigkeit zu beantragen, wird zurückgewiesen.

2. Die "außerordentliche" Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.985,34 (darin enthalten S 664,22 an Umsatzsteuer, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte die Zahlung von S 35.611,-- (S 15.611,-- an Sachschaden und S 20.000,-- an Schmerzengeld) mit der Behauptung, durch einen vom Erstbeklagten am 18.5.1991 verschuldeten Unfall verletzt worden zu sein; weiters sei sein PKW beschädigt worden.

Die Beklagten wendeten ein, den Kläger treffe das Alleinverschulden an dem Unfall; aufrechnungsweise wurde eine Gegenforderung von S 276.578,-- geltend gemacht.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Klagsforderung mit S 25.611,-- s. A. zu Recht bestehe, nicht hingegen die eingewendete Gegenforderung; es verurteilte die Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 25.611,-- samt Zinsen, das Mehrbegehren auf Zahlung von S 10.000,-- s.A. wurde abgewiesen.

Während der klagsabweisende Teil dieser Entscheidung mangels Anfechtung in Teilrechtskraft erwuchs, erhoben die Beklagten Berufung. Diesem Rechtsmittel wurde zum Teil Folge gegeben und ausgesprochen, daß die Klagsforderung mit S 19.208,25 zu Recht bestehe, nicht aber mit S 16.402,75; die Gegenforderung der beklagten Parteien bestehe bis zur Höhe der als gerechtfertigt anerkannten Klagsforderung zu Recht. Das Klagebegehren wurde abgewiesen und ausgesprochen, die Revision sei gemäß § 502 Abs.2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Dagegen richtet sich die "außerordentliche" Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei nicht zuzulassen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht zulässig.

Der Kläger vertritt die Ansicht, im Hinblick auf die von den Beklagten eingewendete Gegenforderung habe das Berufungsgericht nicht über einen Streitgegenstand von nur S 25.611,-- entschieden. Würde man § 502 Abs.2 ZPO so interpretieren, daß der Berufungsstreitwert nur S 25.611,-- ausmache, so entstünde eine unverständliche Ungleichheit. Während nämlich bei einem Streitwert von unter S 15.000,-- gemäß § 501 ZPO eine Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen Nichtigkeit erhoben werden könne, könne derjenige, der sich erstmals durch die Entscheidung der zweiten Instanz beschwert erachte, selbst bei Vorliegen dieser Gründe bei einem Streitwert unter S 50.000,-- kein weiteres Gericht mehr zur überprüfenden Kontrolle anrufen. Dieser fehlende Rechtsschutz verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz "sowie gegen den tragenden Pfeiler jeder Rechtsordnung, nämlich den der Rechtskontrolle sowie der Rechtsrichtigkeit". Die Verweisung auf Amtshaftungsansprüche sei nicht ausreichend, weil in der Regel kaum jemand bereit sei, diesen Weg zu beschreiten. Bei einem Streitwert zwischen S 15.000,-- und S 50.000,-- fehle eine Überprüfungsmöglichkeit bei Vorliegen divergierender Entscheidungen. Richtigerweise müsse daher eine außerordentliche Revision bei einem Streitwert über S 15.000,-- zulässig sein, andernfalls hätte der Gesetzgeber die Verpflichtung gehabt, die Wertgrenze des § 501 ZPO ebenfalls auf S 50.000,-- anzuheben. Ein etwaiges Versehen des Gesetzgebers dürfe nicht zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden gehen. Die neue Regelung des § 502 Abs 2 ZPO gebe vom Gesichtspunkt des Rechtsschutzes aus gesehen Anlaß, an ihrer Verfassungskonformität zu zweifeln. Der Kläger sei in seinem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz insoferne verletzt, als bei Zurechtbestehen auch nur eines Teiles der Gegenforderung die ganze Klagsforderung erlösche, was infolge der Rechtskraftbzw.Bindungswirkung hinsichtlich der Verschuldensaufteilung für ein etwaiges nachfolgendes Verfahren nicht unproblematisch erscheine. Eine restriktive Interpretation der Bestimmung des § 502 Abs.2 ZPO begegne erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken und habe einer teleologischen Interpretation zu weichen. Auch aus Gründen der Prozeßökonomie wie auch aus rechtsstaatlicher Sicht erscheine eine sofortige Kontrolle durch den Obersten Gerichtshof einfacher und zweckmäßiger. Die Beschwer des Klägers sei daher in eben mindestens dem doppelten Ausmaß der von der ersten Instanz als zu Recht bestehend anerkannten Klagsforderung anzunehmen, sie betrage daher S 51.222,--. Dazu komme, daß der Gesetzgeber in der neuen Regelung des § 502 Abs.2 ZPO zur Verdeutlichung des Inhaltes das Wort "Entscheidungsgegenstand" ausdrücklich in Klammer angefügt habe.

Der Kläger beantragte auch die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 502 Abs.2 ZPO durch den Verfassungsgerichtshof, "insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes und der Rechtskontrolle".

Im übrigen wird in dem Rechtsmittel dargelegt, daß das Berufungsgericht eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung unrichtig gelöst habe.

Den Ausführungen im Rechtsmittel des Klägers kann nicht gefolgt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung - unabhängig von ihrer Höhe - für die Frage der Zulässigkeit der Revision im Hinblick auf § 411 Abs.1 Satz 2 ZPO unerheblich, es sei denn, die Gegenforderung wurde - was hier nicht der Fall ist - im Wege einer Widerklage oder eines Zwischenantrags auf Feststellung geltend gemacht (SZ 38/13; SZ 43/185; 6 Ob 704/84; 7 Ob 591/86 uva; Fasching IV 281).

Von dieser Rechtsansicht abzugehen besteht auch im vorliegenden Fall kein Anlaß. Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht besteht nämlich bei einem Streitwert zwischen S 15.000,-- und S 50.000,-- keineswegs eine Lücke im Kontrollsystem; vielmehr ist in diesem Bereich die Berufung (nicht nur wegen Nichtigkeit oder unrichtiger rechtlicher Beurteilung) zulässig. Daß der Oberste Gerichtshof gemäß Art.92 B-VG oberste Instanz ist, besagt nicht, daß in ausnahmslos jeder Gerichtssache ein Instanzenzug bis zum Obersten Gerichtshof vorgesehen werden müßte. Der Gesetzgeber kann vielmehr - wie er dies insbesondere durch die Zulassungsrevision in Form der WGN 1989 getan hat - auch bestimmen, daß gegen die Entscheidung eines Untergerichtes kein Rechtsmittel zulässig ist (Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 289; Walter-Mayer, Grundriß des österr. Bundesverfassungsrechts7, Rz 766).

Auch der verfassungsmäßig gewährleistete Gleichheitsgrundsatz wird durch § 502 Abs 2 ZPO nicht verletzt, weil ja beide Parteien den Revisionsbeschränkungen unterworfen sind. Unrichtig ist die vom Kläger vertretene Ansicht, die vorliegende Entscheidung sei präjudiziell für die Frage des Bestehens der gesamten Gegenforderung. Wie sich aus der schon zitierten Bestimmung des § 411 Abs.1 2.Satz ZPO ergibt, erwächst die Entscheidung über die Aufrechnungseinrede nur bis zur Höhe der Klagsforderung in Rechtskraft (Fasching, LB2, Rz 1291).

Auch aus der Neufassung des § 502 Abs.2 ZPO durch die WGN 1989 läßt sich für den Standpunkt des Klägers nichts gewinnen. Der "Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat", ist jener der Entscheidung des Berufungsgerichtes, gleichgültig, ob das erstgerichtliche Urteil zur Gänze oder zum Teil bestätigt, abgeändert oder aufgehoben wurde. Dafür wurde (in der Klammer) der Begriff "Entscheidungsgegenstand" geschaffen (siehe den Bericht des Justizausschusses in 991 BlgNR 17.GP, 11). Der erkennende Senat hält daher an der bisherigen Rechtsprechung fest, es bestehen auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 502 Abs.2 ZPO.

Ist aber die Revision "jedenfalls" unzulässig, so ist der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof schlechthin ausgeschlossen und ist auch eine sogenannte außerordentliche Revision nicht zulässig (5 Ob 510/91).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, gemäß § 507 Abs.1 letzter Satz ZPO konnten die Beklagten ihre Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Revision in einer Revisionsbeantwortung geltend machen.

Anmerkung

E31111

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0020OB00005.93.0311.000

Dokumentnummer

JJT_19930311_OGH0002_0020OB00005_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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