TE OGH 1993/3/17 7Ob509/93

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Veröffentlicht am 17.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ursula N*****, vertreten durch Dr.Helmut A.Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dkfm.Peter S*****, vertreten durch Dr.Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 210.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 18.November 1992, GZ 11 R 246/92-19, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28.Juli 1992, GZ 1 Cg 240/91-14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.518,40 (darin S 1.586,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile haben ihren ordentlichen Wohnsitz in Deutschland. Der Beklagte war Wirtschaftsprüfer und Vermögensberater der Klägerin und gleichzeitig Bevollmächtigter des in Österreich, und zwar in B*****, wohnhaften Kaufmanns Hermann S*****. Der Beklagte riet der Klägerin zu einer Darlehensgewährung an S*****. Auf seine Zusicherung (in seiner Kanzlei in Deutschland), daß S***** zuverlässig und solvent sei, gewährte die Klägerin S***** ein Darlehen über 400.000,-- DM; der Beklagte verfaßte den Vertrag und nahm als Bevollmächtigter S***** die Valuta entgegen. S***** hat der Klägerin auf dieses Darlehen nur DM 100.000,-- zurückbezahlt und erklärt, nicht mehr zahlen zu können. Die Klägerin erwirkte in der Folge einen Exekutionstitel gegen S***** auf die restliche unbeglichene Forderung, die sie bislang noch nicht einbringlich machen konnte. Dem Beklagten stehen aus seiner Vertretungstätigkeit gegenüber S***** Honorarforderungen von zumindestens einer halben Million DM zu. S***** ist derzeit in Zahlungsschwierigkeiten, die Forderung ist aber nicht als gänzlich uneinbringlich zu werten.

Die Klägerin begehrt gegenüber dem Beklagten die Feststellung, daß er für alle Schäden aus dem Abschluß des Darlehensvertrages mit Hermann S***** über DM 400.000,-- hafte. Der Beklagte habe es schuldhaft unterlassen, ihre Forderung zu besichern. S***** habe ihr in der Folge einen außergerichtlichen Vergleich mit einer nur teilweisen Befriedigung angeboten. Der Beklagte habe bei Abschluß des Darlehensvertrages erklärt, daß er sich für S***** verbürge; er habe, als die Unsicherheit der klägerischen Forderung offenkundig geworden sei, der Beklagten gegenüber ausdrücklich zugesichert, daß sie keinen Schaden erleiden werde und zugesagt, daß er für den Ausfall haften werde. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gründete die Klägerin darauf, daß der Beklagte offene, das Streitinteresse der Klage übersteigende Forderungen gegen Hermann S***** habe (§ 99 JN).

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und bestritt das Klagsvorbringen. Er wendete unter anderem den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit und die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit sowie seiner eigenen Unzuständigkeit. Die Honorarforderung des Beklagten gegenüber S***** stelle ein im Inland befindliches Vermögen dar, das für die Begründung des Gerichtsstandes nach § 99 JN ausreiche. Daß die Forderung derzeit uneinbringlich sei, stehe der Begründung dieses Gerichtsstandes nicht entgegen. Der Gerichtsstand des Vermögens begründe eine ausreichende Inlandsbeziehung. Die Akzessorietät einer allfällig übernommenen Bürgschaft bzw. eines Garantievertrages hinsichtlich eines in Österreich lebenden Darlehensschuldners begründe eine weitere Inlandsbeziehung.

Das Rekursgericht wies die Klage zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach der herrschenden Indikationentheorie begründe ein rein zufällig im Inland befindliches Vermögen des im Ausland lebenden Beklagten erst im Zusammenhang mit einer dazutretenden ausreichenden inländischen Nahebeziehung die inländische Gerichtsbarkeit. Eine solche Nahebeziehung lasse sich aber aus den vom Erstgericht festgestellten und von der Klägerin behaupteten Sachverhalt nicht entnehmen. Allfällige Verpflichtungserklärungen seien nach den Klagsbehauptungen vom Beklagten in Deutschland abgegeben worden, auch das behauptete schuldhafte Verhalten sei dort gesetzt worden. Der Umstand, daß der Darlehensnehmer in Österreich lebe, reiche nicht für die Annahme einer ausreichenden Inlandsbeziehung aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.

Nach der nunmehr herrschenden Rechtsprechung indiziert ein inländischer Gerichtsstand zwar die inländische Gerichtsbarkeit; fehlt es aber an einer hinreichenden Nahebeziehung, ist dennoch die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen (SZ 62/101; SZ 60/277; SZ 60/106; SZ 53/124, 7 Ob 545/92). § 99 Abs.1 JN ist nach der neueren Rechtsprechung daher einschränkend auszulegen. Das Vorhandensein von inländischem Vermögen im Sinne der zitierten Norm vermag danach nur unter der weiteren Voraussetzung, daß zusätzlich eine anderweitige Inlandsbeziehung, mag sie auch für sich allein noch nicht die inländische Zuständigkeit rechtfertigen, vorliegt, die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte zu begründen (vgl. 6 Ob 609/92). Ist das inländische Vermögen eines Ausländers von einer solchen Art und einem solchen Umfang, daß es eine im Inland ausgeübte Verwaltung erfordert, so kann dies als teilweise "Ansässigkeit" des Beklagten in vermögensrechtlichen Belangen betrachtet werden. Andernfalls stellt das inländische Vermögen eines Ausländers nur ein für die Vollstreckung vermögensrechtlicher Ansprüche taugliches Exekutionsobjekt dar, was aber für das Erkenntnisverfahren höchstens ausnahmsweise und vor allem dann nicht von Bedeutung sein sollte, wenn eine im Inland vollstreckbare Entscheidung von den Behörden jenes Staates erwartet werden darf, in dem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Der geltende deutsch-österreichische Vollstreckungsvertrag BGBl. 1960/105 regelt zwar die internationale Zuständigkeit im Verhältnis der Vertragsstaaten nicht ausdrücklich, läßt aber in seiner Regelung über die Versagung der Anerkennung einer im anderen Vertragsstaat ergangenen Entscheidung erkennen, daß der Vermögensgerichtsstand (im Sinne des § 99 JN) für sich allein noch nicht als Voraussetzung der internationalen Zuständigkeit anerkannt wird (Art.2 Z 4).

Nach diesen Ausführungen kann das Erfordernis einer zusätzlichen Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien (6 Ob 609/92) für den vorliegenden Fall nicht als gegeben angesehen werden. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung des Beklagten wegen Schäden, die ihr aus dem durch ihn vermittelten und abgeschlossenen Darlehensvertrag entstehen könnten. Daß es sich bei dem Darlehensnehmer - zu dem die Klägerin niemals in Kontakt getreten ist - (zufällig - vgl. EvBl. 1991/182) um einen im Inland wohnhaften Kaufmann handelt, gegen den auch der Beklagte Forderungen zu stellen hat, stellt einen derartigen Inlandsbezug, wie die zweite Instanz zutreffend erkannt hat, nicht her.

Mit Recht hat daher die zweite Instanz die Klage mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E31145

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00509.93.0317.000

Dokumentnummer

JJT_19930317_OGH0002_0070OB00509_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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