TE OGH 1992/10/29 6Ob609/92

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Veröffentlicht am 29.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Luise K*****, vertreten durch Dr.Hubert Tramposch und Dr.Paul Bauer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Claus Stephan K*****, vertreten durch Dr.Johannes Waldbauer, Dr.Roland Paumgarten und Dr.Helmut Naschberger, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen 70.000 S samt Nebenforderungen, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den zum Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.November 1991, GZ 8 Cg 286/90-20, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 10.März 1992, AZ 3 R 30/92 (ON 24), den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten wird stattgegeben und die angefochtene Rekursentscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses mit der Maßgabe abgeändert, daß Punkt 2 lautet: "Die Klage wird mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit zurückgewiesen."

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 11.368,44 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 1.894,74 S) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Nach Klagebehauptungen habe der Beklagte, der sich damals noch in München aufgehalten habe, für die in Bayern wohnhafte Klägerin im Rahmen einer ihr von ihm angebotenen Vermögensanlage eine in einer nordrhein-westfälischen Stadt gelegene Eigentumswohnung gekauft und schulde der Klägerin nach seinen eigenen Abrechnungen aus dieser Vermögensveranlagung 10.000 DM. Das Klagebegehren ist auf Zahlung des Schillinggegenwertes dieses Betrages samt Verzugszinsen gerichtet.

Als Wohnsitzadresse des Beklagten führte die Klägerin ein in einer Tiroler Stadt gelegenes Haus an und brachte ihre Klage bei dem inländischen Gericht an, in dessen Sprengel die als Wohnort des Beklagten angegebene Stadt liegt.

Die Klagsgleichschrift konnte dem Beklagten am 24.September 1990 in der in der Klage angeführten Tiroler Wohnung zu eigenen Handen zugestellt werden.

Der Beklagte führte in seiner Klagebeantwortung die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes mit der Behauptung aus, er habe weder an dem in der Klage als Wohnsitz angegebenen Ort noch sonst wo im Inland seinen ordentlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Sein ordentlicher Wohnsitz sei in einer nordrhein-westfälischen Stadt. Unter der in der Klage angegebenen Adresse halte er lediglich eine möblierte Ferienwohnung in Bestand, in welcher er sich unregelmäßig und jeweils nur für wenige Tage aufhalte.

Zu dieser Unzuständigkeitseinrede stellte die Klägerin die Gegenbehauptung auf, der Beklagte habe unter der in der Klage angeführten Anschrift seinen den allgemeinen Gerichtsstand begründenden Wohnsitz.

In der zur mündlichen Streitverhandlung ausgeschriebenen Tagsatzung vom 11.Dezember 1990 stützte die Klägerin die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes mit der Behauptung ausdrücklich auch auf den Vermögensgerichtsstand gemäß § 99 JN, daß das in der Tiroler Wohnung des Beklagten befindliche Inventar in dessen Eigentum stünde.

Der Beklagte entgegnete, das Inventar gehörte nicht ihm, überdies erreiche dessen Wert nicht einmal ein Zehntel des Klagebetrages.

Nach abgesonderter Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede sowie die zunächst von Amts wegen aufgegriffene Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit, deren Mangel der Beklagte dann auch ausdrücklich geltend machte, faßte das Prozeßgericht erster Instanz den Beschluß auf Aufhebung des bisher durchgeführten Verfahrens als nichtig und auf Zurückweisung der Klage. Dazu stellte das Prozeßgericht erster Instanz fest:

Der Beklagte hat seit April 1990 seinen Hauptwohnsitz in der nordrhein-westfälischen Stadt Hamm. 1988 oder 1989 mietete er für kurzfristige Aufenthalte eine 140 m2 große, teilweise möblierte Tiroler Wohnung und zahlte dem Vormieter für dessen in der Wohnung belassenes Inventar sowie für die Abtretung des Optionsrechtes auf Vertragsverlängerung zusammen 30.000 S. Er übernahm vom Vormieter an Mobilar eine Couchgarnitur, eine Eßecke, zwei Betten und einen Schrank. Der Verkehrswert dieser damals bereits 10 Jahre in Gebrauch gestandenen Möbel betrug zur Zeit der Klagsanbringung möglicherweise nur noch mehrere tausend Schilling. Der monatliche Mietzins der Tiroler Wohnung beträgt 8.000 S. Ein Recht des Beklagten zur Untervermietung nahm das Gericht nicht als erwiesen an. Im Herbst 1990 hielt sich der Beklagte regelmäßig nur an Wochenenden in seiner Tiroler Mietwohnung auf; er erledigte dort auch geschäftliche Angelegenheiten. Überwiegend benützt der Beklagte seine Tiroler Wohnung nur unregelmäßig zu kurzfristigen Ferienaufenthalten. Er beabsichtigt nicht, in Tirol bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Das Gericht erachtete es für nicht feststellbar, in welchen Zeiträumen sich der Beklagte im Jahr 1990 in seiner Tiroler Mietwohnung aufgehalten hat. Der Beklagte ist ebenso wie die Klägerin deutscher Staatsbürger. Er ist Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften, deren Gesellschafter er auch ist, deren Sitze aber nicht im Inland liegen. Seine Geschäftstätigkeit übt der Beklagte vor allem in München, Dortmund sowie in Hamm aus. Auch in Avignon und Paris unterhält der Beklagte gemeldete Unterkünfte bzw. Büros.

Daraus folgerte das Prozeßgericht erster Instanz: Der Klägerin sei der Nachweis nicht gelungen, daß der Beklagte zur Zeit der Klagszustellung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der in der Klage genannten Tiroler Mietwohnung gehabt hätte. Der Klägerin sei aber auch der Nachweis mißglückt, daß der Beklagte in Ansehung der von ihm benützten Tiroler Mietwohnung ein verwertbares Mietrecht besäße oder daß die Wohnungseinrichtung (soweit sie dem Beklagten gehöre) im September 1990 wertmäßig die Erheblichkeitsschwelle des § 99 Abs 1 zweiter Satz JN überstiegen hätte. Da beide Streitteile Ausländer seien, fehle es an der inländischen Gerichtsbarkeit.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Verwerfung der Einreden der örtlichen Unzuständigkeit sowie des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit ab. Dazu sprach es aus, daß der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht erachtete eine Bekämpfung der erstrichterlichen Feststellungen aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung verfahrensrechtlich ausgeschlossen und legte seiner Entscheidung die von der Klägerin bekämpften erstrichterlichen Feststellungen zugrunde. Es erachtete aber die Voraussetzungen für das Vorliegen des subsidiären Gerichtsstandes des Vermögens nach § 99 JN als erfüllt, weil die Ansprüche des Beklagten aus seinem Mietvertrag samt Option auf Vertragsverlängerung ebenso wie die in der Tiroler Mietwohnung befindlichen Fahrnisse des Beklagten ein Vermögen im Sinne des § 99 JN darstellten, dessen Wert keinesfalls unverhältnismäßig geringer wäre als der Streitgegenstand von 70.000 S. Zufolge Erfüllung der Voraussetzungen für den Vermögensgerichtsstand nach § 99 JN sei auch das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit zu bejahen. Dies nicht schon nach der sogenannten Doppelfunktionslehre, sondern auch nach der sogenannten Indikationentheorie.

Der Beklagte erhebt gegen die abändernde Rekursentscheidung außerordentlichen Revisionsrekurs. Er rügt, daß das Rekursgericht in einer nach § 528 Abs 1 ZPO qualifizierten Weise zu Unrecht die inländische Gerichtsbarkeit bejaht habe, da es für den Streit zweier Ausländer aus einem im Ausland über eine im Ausland abzuwickelnde Vermögensveranlagung geschlossene Vereinbarung an einer hinreichenden Inlandsbeziehung fehle. Überdies bemängelte der Beklagte die Wertung des festgestellten inländischen Vermögens als verwertbares Vermögen im Sinne des § 99 JN.

Die Klägerin strebt mit der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung über die Prozeßvoraussetzung der inländischen Zuständigkeit von der Frage abhängt, ob das Vorliegen eines nach § 99 Abs 1 JN qualifzierten Vermögens des Beklagten allein ohne sonstige Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien zur Begründung der inländischen Zuständigkeit hinreiche.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt:

Die inländische Gerichtsbarkeit im Sinne der internationalen Zuständigkeit ist eine selbständige allgemeine Prozeßvoraussetzung. Ihr Vorliegen ist ausschließlich nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht (zu dem freilich vor allem auch die aus dem Regelungsgebiet völkerrechtlicher Verträge in das innerstaatliche Recht aufgenommenen Normen zu zählen sind) zu beurteilen. Für allgemein vermögensrechtliche Streitigkeiten fehlt es derzeit an positiv-gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen, unter denen solche Streitigkeiten mit sachlicher oder persönlicher Auslandsbeziehung von den inländischen Gerichten zu entscheiden sind. Im Anwendungsbereich des Luganer Abkommens, dessen Ratifizierung im Zusammenhang mit der Schaffung des EWR in nächster Zukunft erwartet werden darf, wird diese Lücke geschlossen sein. Solange und soweit es an der Gesetzeskraft dieser Regelung über die internationale Zuständigkeit fehlt, sind die Voraussetzungen der vom Gesetz vorausgesetzten, aber weitgehend ungeregelten inländischen Zuständigkeit in vermögensrechtlichen Angelegenheiten mit den anerkannten Mitteln der Lückenfüllung zu schließen. Das hat bei der enormen Spannweite des gesetzlichen Freiraums in der Vergangenheit zu Lösungen geführt, die eher als freie Rechtsfindung nach rechtspolitischem Gutdünken erscheinen müssen. Universalitäts-, Gleichslaufs- und Doppelfunktionstheorie etwa sind nunmehr als Lösungsversuche erkannt, die in ihrem jeweiligen Grundansatz nicht auf eindeutige Wertungen des positiven innerstaatlichen Rechtes zu Fragen der internationalen Zuständigkeit rückführbar sind.

Aus den positiv-rechtlichen innerstaatlichen Regelungen der internationalen Zuständigkeit auf Teilgebieten kann freilich nicht viel mehr, aber auch nicht weniger abgeleitet werden, als daß für die Bejahung der inländischen Zuständigkeit eine berücksichtigungswürdige Inlandsbeziehung des Verfahrensgegenstandes oder der Parteien erforderlich ist. Dieser Grundsatz muß auch für die Bestimmung der inländischen Zuständigkeit in vermögensrechtlichen Angelegenheiten uneingeschränkte Geltung beanspruchen. Das gebietet nicht nur eine sinnvolle Beschränkung der staatlichen Aufgaben aus organisatorischen und Kostengründen, sondern auch die Rücksichtnahme auf die Akzeptanz der typischerweise Angehörige ausländischer Staaten betreffenden innerstaatlichen Regelungen durch diese ausländischen Staaten, nicht zuletzt um mögliche Retorsionen, von denen die Inländer betroffen würden, zu vermeiden. In diesem Zusammenhang könnten letztlich auch Regelungen ausländischer Rechtsordnungen zur Lückenfüllung herangezogen werden und zur Gewichtung einzelner Tatbestandselemente und zur Bestimmung der Lösungstendenzen auch die Regelungen in Völkerrechtsverträgen, die Österreich zwar bereits unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat (Luganer Abkommen).

Die für die positive Umschreibung der inländischen Zuständigkeit - auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten - zu fordernde Inlandsbeziehung kann entweder in einer Ortsgebundenheit der Parteien oder einer Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes gelegen sein, mag die örtliche Beziehung im zweiten Fall auf Elementen des Begehrens oder des anspruchsbegründenden Sachverhaltes beruhen.

Derartige örtliche Beziehungen sind wesentliche Kriterien für die positiv-rechtlichen Zuordnungen im System der Gerichtsstände. Bei allem Unterschied der Regelungszwecke der örtlichen Zuständigkeit einerseits und der internationalen Zuständigkeit andererseits ist es doch geboten, die nach den einzelnen Gerichtsstandstatbeständen für die örtliche Zuständigkeit als erheblich erkannten Elemente einer Ortsbezogenheit daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie auch zur Bestimmung der Voraussetzungen der inländischen Zuständigkeit tauglich sind.

Dabei ist zu beachten, daß es für die inländische Zuständigkeit beim Zusammentreffen mehrerer inlandsbezogener Elemente nicht auf deren relative Gewichtung ankommt, weil sich solche inlandsbezogenen Elemente nach dem Regelungszweck der internationalen Zuständigkeit wechselseitig nicht konkurrenzieren, sondern nur verstärken können. Eine ausschließende Kraft kommt einer bestimmten Ortsbeziehung im Bereich der internationalen Zuständigkeit zum Unterschied vom System der Gerichtsstände keinesfalls zu, weil es nur eine einheitliche internationale Zuständigkeit gibt, die grundsätzlich davon unberührt bleibt, wie einzelne ortsbezogene Elemente nach einer anderen Rechtsordnung oder einer hypothetisch angewandten inländischen Ordnung der örtlichen Zuständigkeit zu gewichten wären.

In der Gerichtsstandsordnung drückt sich in der hervorragenden Bedeutung des allgemeinen Gerichtsstandes ein Vorzug der Wahrung der Interessen des Beklagten aus, weil im allgemeinen der Ort, den dieser mit einer gewissen Dauerhaftigkeit zum Mittelpunkt seiner allgemeinen Lebensverhältnisse gemacht hat, das zur Verfahrensdurchführung berufene Gericht bestimmt. Dieser Grundsatz muß für die Bestimmung der inländischen Zuständigkeit umso mehr Geltung haben, als für die Parteien hiebei nicht nur die Entfernung zwischen dem eigenen Aufenthalt und dem Behördensitz, sondern vor allem auch die Unterwerfung unter eine vielfach fremde Behördenorganisation und Verfahrensart mit einer möglicherweise nicht geläufigen Amtssprache auf dem Spiele steht und der einlassungspflichtige Beklagte vor einer Willkür des das Verfahren einleitenden Klägers geschützt werden muß. Ausnahmen vom erwähnten Grundsatz sollten nur aus überwiegendem Interesse des Klägers und im Zweifel nur eingeschränkt gemacht werden.

Insofern sollte einer im Sinne des Vermögensgerichtsstandes nach § 99 JN umschriebenen Belegenheit eines dem Beklagten gehörenden Vermögens, das von den mit der Klage in Anspruch genommenen Gegenständen verschieden ist, für die Begründung der internationalen Zuständigkeit kein zu hoher Stellenwert beigelegt werden.

Andererseits läßt gerade die Novellierung des § 99 Abs 1 JN durch die ZVN 1983 ein gesetzliches Anliegen erkennen, eine zumindest mittelbar für die internationale Zuständigkeit erhebliche Neuregelung getroffen zu haben, weil für die örtliche Zuständigkeit des einen oder anderen inländischen Gerichtes der Wert des gesamten inländischen Vermögens kaum als sinnvolles Tatbestandsmerkmal anzusehen wäre.

Dennoch sind mit dem Vorliegen eines nach § 99 Abs 1 zweiter Satz JN qualifizierten Vermögens ohne weitere Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien die Voraussetzungen für das Vorliegen der inländischen Zuständigkeit noch nicht erfüllt.

Mit der erwähnten Verfahrensnovelle hat der Gesetzgeber unter anderem die Ordinationsvoraussetzungen neu gefaßt und dabei versucht, die Kriterien für die Ordinationsvoraussetzung der inländischen Zuständigkeit zu umschreiben. Unkritisch gelesen bedeutete die Alternativvoraussetzung nach § 28 Abs 1 Z 2 JN (Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Rechtsverfolgung im Ausland), daß unabhängig von jeder Inlandsbeziehung der Parteien oder des Verfahrensgegenstandes eine für den Kläger unmögliche oder untunliche Rechtsverfolgung gegen den Beklagten an dessen ausländischem Aufenthaltsort bereits eine Hilfszuständigkeit der inländischen Gerichte begründete. Der Aufenthalt des Beklagten in einem ausländischen, sei es europäischen oder außereuropäischen Kriegs- oder sonstigen Krisengebiet, in dem die Gerichtsbarkeit nicht funktioniert, hätte bei unkritischer Auslegung des § 28 Abs 1 Z 2 JN zur Folge, daß nicht nur aus einem Sachverhalt mit markanter Inlandsbeziehung jedem Kläger, also etwa auch einem solchen, der sich wie der Beklagte im Krisengebiet aufhält, auf Grund eines rein auslandsbezogenen Sachverhaltes die Rechtsverfolgung im Inland eröffnet wäre. Eine derart weitreichende internationale Hilfestellung erscheint kaum gerechtfertigt, weil nicht einzusehen wäre, aus welchem Grund sich Österreich mit den Kosten und Schwierigkeiten einer typischerweise nach ausländischem Recht vorzunehmenden behördlichen Streitschlichtung belasten sollte, wenn der Streitgegenstand selbst und die Parteien keinerlei Inlandsbeziehung aufwiesen. Deshalb ist eine einschränkende Auslegung des § 28 Abs 1 Z 2 JN in Fällen mit unzureichender Inlandsbeziehung geboten.

Gleiches ist aber auch bei der Auslegung des § 99 Abs 1 JN angezeigt. Auch hier ist die einschränkende Auslegung geboten, daß das Vorhandensein von Vermögen im Sinne des § 99 Abs 1 zweiter Satz JN die internationale Zuständigkeit nur unter der weiteren Voraussetzung zu begründen vermöchte, daß eine zusätzliche anderweitige Inlandsbeziehung, mag sie auch für sich allein die inländische Zuständigkeit noch nicht zu rechtfertigen, vorliegt:

Entweder ist das Vermögen von einer solchen Art und einem solchen Umfang, daß es eine im Inland ausgeübte Verwaltung erfordert, dann mag dies auch für vermögensrechtliche Streitigkeiten, die sie nicht auf dieses Vermögen beziehen, eine hinreichende zusätzliche Inlandsbeziehung darstellen, weil eine erforderliche Vermögensverwaltung als teilweise "Ansässigkeit" des Beklagten in vermögensrechtlichen Belangen betrachtet werden könnte. Anderenfalls kann im inländischen Vermögen nur ein für die Vollstreckung vermögensrechtlicher Ansprüche taugliches Exekutionsobjekt erblickt werden, was aber für das Erkenntnisverfahren höchstens ausnahmsweise und vor allem dann nicht von Bedeutung sein sollte, wenn eine im Inland vollstreckbare Entscheidung von den Behörden jenes Staates erwartet werden darf, in dem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, weil nämlich eine solche Rechtsverfolgung und die Anerkennung der zu erwartenden Entscheidung im Inland durch Staatsverträge gesichert ist. Eine derartige Tendenz der Interessensabwägung kann den Regelungen des Luganer Übereinkommens vom 16.September 1988 unterstellt werden, nach dessen Regelung der vielfach als competance ex orbitante verrufene Gerichtsstand des Vermögens innerhalb des Vertragsgebietes ausgeschlossen wird (vgl Art 3). Der geltende deutsch-österreichische Vollstreckungsvertrag, BGBl 1960 Nr 105, regelt zwar die internationale Zuständigkeit im Verhältnis der Vertragsstaaten nicht ausdrücklich, läßt aber in seiner Regelung über die Versagung der Anerkennung einer im anderen Vertragsstaat ergangenen Entscheidung erkennen, daß der Vermögensgerichtsstand (im Sinn des § 99 JN) für sich allein nicht als Voraussetzung der internationalen Zuständigkeit anerkannt wird (Art 2 Z 4). Aus diesen Erwägungen gelangt der Oberste Gerichtshof zu folgender, für die Entscheidung über die im vorliegenden Fall strittige Prozeßvoraussetzung der inländischen Zuständigkeit erheblichen Rechtsansicht:

Ein Vermögen im Sinn des § 99 Abs 1 JN begründet die inländische Zuständigkeit nur unter der Voraussetzung einer zusätzlichen Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß es unabhängig vom genauen Wert des festgestellten inländischen Vermögens des Beklagten nach der Art des Vermögens und der Größenordnung seines Wertes deshalb an der internationalen Zuständigkeit der österreichischen Gerichte mangelt, weil der Beklagte, für den im Inland kein allgemeiner Gerichtsstand begründet ist, einen Aufenthalt von ausreichender Beständigkeit in der BRD genommen hat, die Klägerin nach ihren Lebensverhältnissen überhaupt keine Inlandsbeziehung aufweist und der Geldzahlungsanspruch aus einem Sachverhalt ohne die geringste Inlandsbeziehung abgeleitet wird.

In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses war daher die angefochtene Rekursentscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses abzuändern. Dabei war im Sinne der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung deren Spruch dahin zu berichtigen, daß die Klage wegen des angenommenen Prozeßhindernisses zurückgewiesen wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 und 52 ZPO.

Anmerkung

E33101

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00609.92.1029.000

Dokumentnummer

JJT_19921029_OGH0002_0060OB00609_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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