TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/23 2004/01/0508

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Veröffentlicht am 23.02.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des I K in S, geboren 1976, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. September 2004, Zl. 200.366/6-V/13/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben Staatsangehöriger von Sierra Leone und Angehöriger der Volksgruppe Mandingo, beantragte am 11. Juli 1997 Asyl. Bei seiner Einvernahme am 31. Juli 1997 gab er zu seinen Fluchtgründen - zusammengefasst - an, sein Vater sei im Dezember 1994 von "RUF-Soldaten" getötet worden; er sei beschuldigt worden, die Regierung über die Rebellen zu informieren. Bei einem Überfall auf sein Dorf im Dezember 1995 sei seine Schwester vergewaltigt und getötet worden. Im Dezember 1996 sei schließlich er (der Beschwerdeführer) gefangengenommen, in ein Rebellencamp (der "RUF") verschleppt und gezwungen worden, sich den Rebellen anzuschließen. Das am 30. November 1996 zwischen der Regierung und der Rebellenbewegung "RUF" geschlossenen Friedensabkommens sei ihm bekannt, er habe jedoch Angst, sich an Behörden zu wenden, da es sein könnte, dass sein nur erzwungener Beitritt zur "RUF" nicht geglaubt werde.

Im - nach einer Aufhebung des ursprünglichen erstinstanzlichen Bescheides - fortgesetzten erstinstanzlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 26. Februar 2004 - zusammengefasst - an, er halte seine Angaben zu den Fluchtgründen aufrecht. Der Bürgerkrieg in Sierra Leone "mag vorbei sein, aber es gibt noch immer genügend Gefahren die entstehen". Während er bei den Rebellen gewesen sei, habe er gesehen, "daß viele der Rebellen mit den Behörden zusammengearbeitet haben".

Mit Bescheid vom 10. August 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß "§§ 7, 8 Abs. 1, 8 Abs. 2 AsylG" ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Behörde erster Instanz habe die grundlegende Lageänderung im Heimatstaat des Beschwerdeführers festgestellt. Neuerungen seien der Berufung nicht zu entnehmen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei zwar glaubwürdig, eine asylrelevante Verfolgung sei aber nicht geltend gemacht worden. Dem Beschwerdeführer drohe - wegen der Lageänderung und aufgrund der Beendigung des Bürgerkrieges - bei seiner Rückkehr nach Sierra Leone mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein "individuell-konkretes Gefahrenpotential aus den von ihm dargelegten Gründen". Die Verfolgungsgefahr sei nicht mehr aktuell. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung genüge nicht, seine Abschiebung als unzulässig erscheinen zu lassen. Gründe, die gegen eine Ausweisung des Beschwerdeführers sprächen, seien "in casu" nicht vorgetragen worden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde verweist nur darauf, dass "eine Bürgerkriegssituation als Asylgrund gewertet werden muss", sie übergeht dabei aber die über die Beendigung des Bürgerkrieges getroffenen Feststellungen. Die Flüchtlingseigenschaft wurde von der belangten Behörde mit der Begründung verneint, dass die ins Treffen geführte Verfolgungsgefahr nicht aktuell und der Beschwerdeführer nicht (mehr) mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bedroht sei. Die Beschwerde vermag dem nichts entgegen zu setzen.

Mit dem Hinweis auf das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung (um sich einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer zu verschaffen) wird kein Verfahrensmangel aufgezeigt, wurde in der Berufung doch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt neu und in konkreter Weise behauptet. Ausgehend davon bestand für die belangte Behörde vorliegend keine Verpflichtung, eine Berufungsverhandlung durchzuführen. Auch der behauptete Begründungsmangel liegt nicht vor. Soweit sich die Beschwerde gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, war ihr ein Erfolg zu versagen.

Bei der unveränderten Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. Februar 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004010508.X00

Im RIS seit

22.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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