TE OGH 1993/3/29 Okt2/93

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.1993
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Kopf

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch seine stellvertretende Vorsitzende Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Jelinek sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Hon.Prof. Dr. Smolka, Dkfm. Dr. Grünwald, Dr. Lettner, Dr. Reissig und Mag. Dr. Slezak in der Kartellrechtssache der Antragsteller 1. M***** Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, und der von dieser gebundenen Mitglieder einer Vertriebsbindung 2.-130. Heinz V*****, Kaufmann, ***** Hans E***** Gesellschaft m.b.H., ***** D***** Gesellschaft m.b.H., ***** Max K***** Gesellschaft m.b.H., *****; Gottfried D***** Gesellschaft m.b.H.*****; Hans S***** Gesellschaft m.b.H., ***** Karl Sch*****, Kaufmann,***** Max W*****, Kaufmann, ***** Franz Sch***** & Co Gesellschaft m.b.H., ***** L***** Gesellschaft m.b.H., ***** Herbert H*****, Kaufmann, ***** Autohaus B***** Gesellschaft m.b.H., ***** Alois S*****, Kaufmann, ***** Josef M*****, Maschinen- und Kraftfahrzeugreparatur, Erzeugung technischer Artikel Gesellschaft m.b.H., ***** S***** Gesellschaft m.b.H., ***** "Auto R*****" Gesellschaft m.b.H. & Co, ***** prot. Fa. Gerhard H*****, Kraftfahrzeuge und Landmaschinen, prot. Fa. Autohaus K*****, ***** Karl L*****, Kaufmann, ***** K***** Gesellschaft m.b.H., ***** Auto N***** Ges.m.b.H., ***** A***** Kfz Handelsges.m.b.H. & Co KG, ***** Autohaus Ing. Stefan P*****, ***** Andreas L*****, Kaufmann, ***** Adolf G*****, Kaufmann, ***** Karl S*****, Kaufmann, ***** Franz P*****, Kaufmann, ***** Autohaus Manfred S*****, ***** V***** KG, ***** A. O***** KFZ-Werkstätte Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** Matthias K*****, Kaufmann, ***** Gerhard K*****, Kaufmann, ***** E***** Auto-Handelsgesellschaft m.b.H., ***** Bruno J*****, Kaufmann, ***** Engelbert P*****, Kaufmann, ***** W***** OHG, ***** Helmut I*****, Kaufmann, ***** Heinz W*****, Kaufmann, ***** Johann G*****, Kaufmann, ***** Felix H*****, Kaufmann, ***** Rudi P*****, Kaufmann, ***** Josef M*****, Kaufmann, ***** Autohaus M***** Gesellschaft m. b.H. & Co KG, ***** Martin H*****, Kaufmann, ***** Josef B***** OHG, ***** KFZ-W***** Gesellschaft m.b.H., ***** Franz Ö*****, Kaufmann, ***** Alfred M*****, Kaufmann, ***** "Autohaus G*****" B***** Gesellschaft m.b.H., ***** Charlotte K*****, Geschäftsfrau, ***** Karl M***** Gesellschaft m.b.H., ***** Franz K***** Gesellschaft m.b.H., ***** Ing. Rudolf B*****, Kaufmann, ***** Sch***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** Fa. B*****, ***** Josef H***** Gesellschaft m.b.H., ***** Peter W*****, Kaufmann, ***** F.S.***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** Josef Sch***** Gesellschaft m.b.H., ***** Alois B*****, Kaufmann, ***** Automobile S***** Gesellschaft m.b.H., ***** Hans K*****, Kaufmann, ***** Franz S*****, Kaufmann, ***** Hans F*****, Kaufmann, ***** Josef H*****, Kaufmann, ***** Günther G*****, Kaufmann, ***** Autohaus N***** Gesellschaft m.b.H., ***** Manfred Paul K*****, Kaufmann, ***** prot. Fa. Anton und Rudolf S***** Kraftfahrzeugwerkstätte, ***** A***** Handelsgesellschaft m.b.H., ***** Dietmar R*****, Kaufmann, ***** KFZ-Handel S***** Gesellschaft m.b.H., ***** Autohaus F***** Gesellschaft m.b.H., ***** Mazda-Zentrum-B*****, ***** Dipl.Ing. Wolf F***** Gesellschaft m.b.H., ***** A*****, Emmerich P*****, Kraftfahrzeug-Handels- und Reparatur-Gesellschaft m.b.H., ***** Richard R*****, Kaufmann, ***** Roman H*****, Kaufmann, ***** Autohaus M***** Gesellschaft m.b.H., ***** Peter K*****, Kaufmann, ***** Auto S***** Gesellschaft m.b.H. & Co, ***** Auto H***** Gesellschaft m.b.H., ***** Gottfried H*****, Kaufmann, ***** Toni S*****, ***** Helmut O*****, ***** Georg K*****, ***** Balthasar N*****, ***** Gerhard G*****, Kaufmann, ***** Johann Sch***** Gesellschaft m.b.H., ***** Hubert G***** Gesellschaft m.b.H., ***** Th. R***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** S***** Autohaus Gesellschaft m.b.H., ***** Franz B*****, Kaufmann, ***** Manfred E*****, Kaufmann, ***** K***** Gesellschaft m.b.H., ***** Autohaus K***** Gesellschaft m.b.H., ***** Martin W*****, Kaufmann, ***** Walter Sch***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** Arnold W***** Gesellschaft m.b.H., ***** B*****Kfz- und Landmaschinenhandel und -reparatur Gesellschaft m.b.H., ***** Reinhard K*****, Kaufmann, ***** Günter S*****, Kaufmann, ***** Autohaus E*****, Kfz-Landmaschinen-Reparatur und Prüfstelle, Karosseriefachwerkstätte, Zweiräder, ***** Alfred K*****, Kaufmann, ***** Franz W*****, Kaufmann, ***** O***** Josef Gesellschaft m.b.H. & Co KG, I***** Auto, ***** S*****KG„ ***** Autohaus F***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** Viktor M***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** Peter K*****, Kaufmann, ***** Ing. Eugen M*****, Kaufmann,***** Fritz U***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** Richard S*****, Kaufmann, ***** Josef H*****, *****8230 Hartberg; Dipl.Ing. Ferdinand J*****, Kaufmann, ***** Konrad M*****, Kaufmann, ***** Autohaus H***** Gesellschaft m.b.H., ***** Automibile K***** Gesellschaft m.b.H., ***** Johann G*****, Kaufmann, ***** Harald H*****, Kaufmann, ***** Fa. Karl K*****, ***** Willibald W*****, Kaufmann, ***** Auto M***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG Handel-Reparatur-Service, ***** Gottfried G***** Gesellschaft m.b.H., ***** Thomas F*****, Kaufmann, ***** Franz W***** Gesellschaft m.b.H., ***** Hans B***** Gesellschaft m. b.H., ***** Rudolf W*****, Kaufmann, ***** Mazda G***** Gesellschaft m.b.H., ***** H***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, ***** (im angefochtenen Beschluß nicht erwähnt), sämtliche vertreten durch Dr. Herbert Felsberger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Genehmigung eines Wirkungskartells, infolge der Rekurse der Erstantragstellerin sowie der übrigen Antragsteller gegen den Beschluß des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 11. November 1992, 2 Kt 663/91-138, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 30.6.1989 zeigte die Erstantragstellerin zu Kt 1052/89-1, dort als Beil./A, Händlerverträge an und legte als Beil./B eine Liste aller M*****-Händler vor.

Aus dem Händlervertrag sind im Zusammenhang mit den zu erörternden Fragen folgende Bestimmungen hervorzuheben:

Gemäß P 2.5 ist der Händler nicht berechtigt, ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung des Importeurs nebst den zu P 2.4 genannten standortgebundenen Betriebsstätten weitere Betriebsstätten innerhalb und außerhalb der Gemeinde(n) des (der) genannten Standorte(s) zu eröffnen. Er bedarf dieser Zustimmung auch zur Verlegung eines Standortes.

Mit P 3.1 wird dem Händler ein Verkaufsgebiet zugewiesen.

Nach P 6.1 ist der Händler grundsätzlich nicht berechtigt, während der Laufzeit des Vertrages ohne schriftliche Zustimmung des Importeurs fabriksneue Automobile anderer Marke anzubieten, zu verkaufen oder zu vermitteln oder den offiziellen Kundendienst für solche zu übernehmen.

P 9.4 verbietet ohne ausdrückliche Zustimmung des Importeurs Werbemaßnahmen des Händlers, die über den lokalen Bereich des Händlergebietes hinauswirken.

Gemäß P 12.2 wird der Händler nur Originalersatzteile lagern, einbauen und/oder verkaufen und diese ausschließlich vom Importeur beziehen.

Die Republik Österreich beantragte zu Kt 1338/89 (fortgesetzt zu 5 Kt 350/90)-1, die Erstantragstellerin nebst 18 weiteren Generalimporteuren von Erzeugnissen der Kraftfahrzeugindustrie jeweils für den Bereich ihres Vertriebssystems zur Kartellanmeldung aufzufordern.

Mit Beschluß vom 5.4.1991, 5 Kt 350/90-23, wurden auf Antrag der Amtspartei Republik Österreich die Mitglieder der Vertriebsbindung "M*****", nämlich 1. der Betriebsbinder und 2. die gebundenen Mitglieder der Vertriebsbindung aufgefordert, als Mitglieder eines Wirkungskartells (§ 10 Abs 1 KartG) binnen einem Monat ab Zustellung des Beschlusses beim Kartellgericht die Genehmigung des Kartells zu beantragen, und iSd § 57 Abs 2 und 3 KartG belehrt.

Die Erstantragstellerin beantragte mit einem beim Kartellgericht am 29.5.1991 eingelangten Schriftsatz, 1. das im Antrag der Republik Österreich behauptete "Wirkungskartell" zu genehmigen; 2. diesen zeit- und formgerecht, jedoch nur vorsichtshalber gestellten Genehmigungsantrag mangels Vorliegens des von der Republik Österreich behaupteten Wirkungskartells zurückzuweisen. Die Mehrzahl der gebundenen Mitglieder der Vertriebsbindung beantragten ihrerseits vorsichtshalber vorerst, für den Fall der rechtskräftigen Feststellung durch das Kartellgericht, daß ein Wirkungskartell vorliege, dessen Genehmigung. In den beim Kartellgericht am 14.8.1992 eingelangten Schriftsätzen beantragten die aus dem Kopf der Entscheidung ersichtlichen gebundenen Mitglieder die Abweisung des Genehmigungsantrages mangels Vorliegens eines Kartells.

Das Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien wies die Anträge, die darauf hinauslaufen, das Genehmigungsverfahren mangels Vorliegens eines Kartells nicht fortzusetzen, ab und trug den Antragstellern auf, binnen drei Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses einen Kartellbevollmächtigten zu bestellen.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, den gemäß § 57 Abs 1 KartG zur Antragstellung auf Genehmigung eines Wirkungskartells Aufgeforderten stehe es frei, die Genehmigung eines allenfalls vorliegenden Kartells zu beantragen, in ihrem Antrag aber gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß nach ihrer Meinung ein solches Kartell nicht vorliege und die Genehmigung nur vorsichtshalber beantragt werde. Solange die Parteien im Verfahren vor dem Kartellgericht das Vorliegen eines Kartells bestreiten und darüber vom Kartellgericht noch nicht rechtskräftig im Sinn des Bestehens eines Kartells abgesprochen worden sei, könnten sich die Parteien durch einen von ihnen gewählten Rechtsanwalt vertreten lassen.

Eine Beschränkung des Wettbewerbs iSd § 10 Abs 1 KartG liege grundsätzlich vor, wenn eine Vereinbarung zwischen Unternehmern dazu führe, daß die Beteiligten marktrelevante Verhaltensmöglichkeiten nicht mehr wahrnehmen könnten, die sie ohne die Vereinbarung hätten. Nach dem Händlervertrag verpflichteten sich die Händler, keine neuen Automobile anderer Marken in ihr Verkaufsprogramm aufzunehmen und keine anderen als die vom Importeur bezogenen Ersatzteile zu vertreiben. Der wesentliche wettbewerbsbeschränkende Effekt dieser Exklusivbindung bestehe darin, daß Wettbewerber des bindenden Unternehmers infolge des Vertrages Absatzmittler einbüßten, die sie sonst einsetzen könnten. Durch die Zuweisung eines bestimmten Verkaufsgebietes, das Verbot, weitere Betriebsstätten zu eröffnen, und die Beschränkung der Wirkung von Werbemaßnahmen auf das lokale Verkaufsgebiet werde der Wettbewerb zwischen den einzelnen M*****-Händlern beschränkt. Diese Beschränkung sei nicht zuletzt auch der Erhaltung eines bestimmten Preisniveaus dienlich. Da die Verträge eine Verhaltensbindung, nicht aber eine Änderung der internen Unternehmensstruktur herbeiführten, sei auch die nach § 10 KartG erforderliche Selbständigkeit der an der Vertriebsbindung beteiligten Unternehmen gegeben. Das "gemeinsame Interesse" müsse nicht gerade auf die Beschränkung des Wettbewerbs gerichtet sein. Es genüge das gemeinsame Interesse der am System Beteiligten in der Stärkung der Position der M*****-Produkte auf dem Fahrzeugmarkt.

Ob es sich bei dieser Vertriebsbindung - der Rechtsprechung des Kartellobergerichtes folgend - um ein Wirkungskartell oder aber um ein Absichtskartell handle, könne in diesem Verfahren dahingestellt bleiben, weil sich die Voraussetzungen für die - wenn auch nur vorsichtshalber beantragte - Genehmigung des Kartells nicht unterschieden.

Soweit sich die vertriebsbindende Gesellschaft darauf berufe, sie habe auf allenfalls ihr zustehende Rechte gemäß P 1.1 des Händlervertrages verzichtet, entfalle damit zwar die Zusicherung, daß es zu keinen Parallelimporten nach Österreich kommen könne; die durch den Vertrag geregelte Bindung der Händler an den bindenden Importeur werde dadurch jedoch nicht aufgehoben. So bleibe beispielsweise die Verpflichtung nach P 12.2 des Händlervertrages, die Ersatzteile ausschließlich von der Erstantragstellerin zu beziehen, aufrecht.

Von der Entscheidung, ob im vorliegenden Fall ein Kartell vorliege, bleibe die Frage unberührt, ob dieses nach § 23 KartG als volkswirtschaftlich gerechtfertigt zu genehmigen sei. Auf die Behauptung der vertriebsbindenden Gesellschaft, die Kraftfahrzeughersteller hätten ein schutzwürdiges Interesse an einer Vertriebs- und Kundenorganisation der vorliegenden Art, sei daher hier bei Prüfung des Vorliegens eines Kartells - als Voraussetzung für die Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens - noch nicht einzugehen.

Gegen diesen Beschluß richten sich der Rekurs der Erstantragstellerin und der gemeinsame Rekurs der übrigen Antragsteller.

Die Erstantragstellerin ficht den Beschluß (formell zur Gänze, auch hinsichtlich des sie nicht betreffenden Punktes 1.b) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafter Tatsachenfeststellung und Nichtigkeit an. Sie beantragt, das gesamte Verfahren zufolge nicht gehöriger Besetzung des Kartellgerichtes und des Kartellobergerichtes für nichtig zu erklären, in eventu das Verfahren zu unterbrechen und gemäß Art 140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 57 Abs 3 KartG iVm § 54 KartG zu stellen, sodann in Stattgebung des Rekurses den Beschluß des Kartellgerichtes ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß der Antrag auf Genehmigung des von der Amtspartei behaupteten Wirkungskartells mangels Vorliegens eines solchen und der Freistellung gemäß Art 53ff EWR-Vertrag mit Anhang XIV lit B Z 4 zurückgewiesen werde; allenfalls beantragt sie, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Kartellgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die übrigen Antragsteller fechten den Beschluß wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Nichtigkeit in den sie betreffenden Punkten 1.b und 2. an. Sie beantragen das Verfahren zu unterbrechen und gemäß Art 140 B-VG den Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 57 Abs 1 KartG sowie der §§ 54 bis 56 KartG zu stellen, sodann in Stattgebung des Rekurses den angefochtenen Beschluß ersatzlos aufzuheben, in eventu ihn aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Amtspartei (Republik Österreich) beantragt, den Rekurs der Erstantragstellerin mangels Beschwer zurückzuweisen, hilfsweise ihm ebenso wie dem Rekurs der übrigen Antragsteller nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind zulässig, aber nicht berechtigt. Die von der Erstantragstellerin gewählte Vorgangsweise ist zulässig (ÖBl 1990, 234); nach der von der Amtspartei vertretenen Ansicht könnte eine Partei, die nur vorsichtsweise die Genehmigung des Kartells beantragt, zugleich aber die Zurückweisung ihres Antrages mangels Vorliegens der Voraussetzungen begehrt, das Vorliegen eines bejahenden Beschlusses niemals anfechten.

I. Zum Rekurs der Erstantragstellerin:

1. Soweit die betriebsbindende Gesellschaft in ihrem Rechtsmittel davon ausgeht, das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof habe als Rekursgericht bereits die Rechtslage nach Inkrafttreten des Übereinkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) zu berücksichtigen, weil dieses im Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits in Geltung stehe, und daher "supranationales Recht" anzuwenden, erübrigt sich ein Eingehen hierauf, weil das Abkommen im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht in Kraft getreten ist; sein Inkrafttreten wird der Bundeskanzler erst zu einem späteren Zeitpunkt mit Verordnung festlegen (Art 7 Abs 2 EWR-BundesverfassungsG, BGBl 1993/115).

2. Daß die verfassungswidrige Zusammensetzung des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts vom Verfassungsgerichtshof für die Übergangszeit saniert wurde und die verfassungswidrige Regelung mit Ausnahme des Anlaßfalles auf alle bis zum Ablauf der Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden ist (Art 140 Abs 7 B-VG), erkennt die Rekurswerberin selbst; der Umstand, daß auch sie vor dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung in einem früheren Schriftsatz an das Kartellobergericht geltend gemacht hat, ändert an dieser Rechtslage nichts.

3. Die Rekurswerberin meint, § 54 und Teile des (hier nicht zur Anwendung kommenden) § 55 KartG über den Zwang zur Bestellung eines gemeinsamen Kartellbevollmächtigten seien bei Wirkungs- und Verhaltenskartellen verfassungswidrig. Dieser Zwang könne dann niemals wirksam sein, wenn es an einer sozietären oder durch eine Rechtsgemeinschaft bedingten Grundlage für eine solche gesetzliche Anordnung fehle. Obwohl sie bereits in einem früheren Verfahrensstadium darauf hingewiesen habe, sei bisher weder das Kartellobergericht in seinen diesen Rekursen stattgebenden Entscheidungen, noch das Kartellgericht auf diese Frage eingegangen, obwohl die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen eine Vorfrage für die Verfassungsmäßigkeit der Anordnungen des § 10 KartG über Wirkungskartelle sowie des § 57 KartG sei. Auch das deutsche Recht kenne nur für gesellschaftsrechtliche oder gesellschaftsähnliche Konstruktionen die Pflicht zur Bestellung eines "Kartellvertreters".

Hiezu ist zunächst zu bemerken, daß einerseits wegen der weitreichenden Verschiedenheit der Rechtslage aus dem deutschen Recht keine Schlüsse auf das österreichische Recht gezogen werden können, sodaß sich eine Stellungnahme zu den diesbezüglichen Ausführungen erübrigt, und andererseits bisher kein Anlaß bestand, auf diese Frage einzugehen, weil sich - wie das Kartellobergericht in einem gleichgelagerten Verfahren bereits ausgesprochen und ausführlich begründet hat (ÖBl 1990, 234) - eine Partei, solange sie im Verfahren vor dem Kartellgericht das Vorliegen eines Kartells bestreitet und darüber vom Kartellgericht noch nicht rechtskräftig im Sinn des Bestehens des Kartells abgesprochen worden ist, durch einen von ihr gewählten Rechtsfreund vertreten lassen kann; bis zu einer solchen Entscheidung sind nämlich Gemeinschaftsrechte weder auszuüben noch betroffen und deshalb § 54 Abs 1 KartG noch nicht anwendbar. Von diesem Recht haben die Parteien bisher auch Gebrauch gemacht.

Soweit die Rekurswerberin behauptet, für den Fall der Nichtstattgebung dieses Rekurses würde ihr gesamtes Vertriebssystem in sich zusammenbrechen, wenn sie sich nicht der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen wolle, handelt es sich um unzutreffende Ausführungen: Sie braucht nämlich, wenn das Vorliegen eines Kartells rechtskräftig bejaht wird, nur die zu seiner Genehmigung erforderlichen Angaben, insbesondere hinsichtlich seiner volkswirtschaftlichen Rechtfertigung, von der sie überzeugt zu sein scheint (vgl ihre Ausführungen zum künftigen EWR-Recht), zu machen.

Die Frage der Notwendigkeit und Verfassungsmäßigkeit der die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters anordnenden (einfach-) gesetzlichen Bestimmung bei Wirkungskartellen (§ 54 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 zweiter Fall KartG) stellt sich somit nicht als Vorfrage, sondern erst dann, wenn es rechtskräftig feststeht, daß ein Kartell vorliegt. Aus Zweckmäßigkeit wird jedoch die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung hier vorweg behandelt:

Die Rekurswerberin meint, die in § 54 Abs 1 KartG statuierte Pflicht zur Bestellung eines gemeinsamen Kartellbevollmächtigten könne für Wirkungskartelle nicht gelten. Von "Mitgliedern" könne man nämlich nur dann sprechen, wenn eine zumindest lose Gesamtorganisation vorliege, sonst sei der Begriff "sinnlos"; es müsse eine gemeinsame Basis für eine Rechtsgemeinschaft obligatorischer Natur vorliegen. Das Kartellgesetz spreche von Kartellmitgliedern, ohne diesen Begriff zu definieren; er könne auch nicht durch Auslegung ermittelt werden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Das Kartellgesetz kennt verschiedene Arten von Kartellen (§ 9); Mitglieder des jeweiligen Kartells sind diejenigen, die eine Vereinbarung nach § 10 KartG treffen, an einer Verhaltensweise nach § 11 KartG teilnehmen oder eine Empfehlung nach § 12 KartG herausgeben bzw befolgen. Nur die dem § 10 KartG zu unterstellenden Vereinbarungs-, nicht aber Verhaltens- oder Empfehlungskartelle können der Natur der Sache nach eine Gesamtorganisation gesellschaftsähnlicher Art besitzen. Wesentlich ist dies aber für den Begriff eines Vereinbarungskartells nicht; auch ein solches muß keine Organisation besitzen; dies gilt sowohl für Absichtskartelle als auch für Wirkungskartelle, weil sich diese nur dadurch unterscheiden, ob durch sie im gemeinsamen Interesse eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirkt werden soll (Absichtskartell) oder, ohne daß dies beabsichtigt ist, tatsächlich bewirkt wird (Wirkungskartell). Die Frage der mangelnden Organisation ist somit kein Spezifikum des Wirkungskartells, sondern eine allgemeine, die selbst bei einem Absichtskartell auftreten kann. Aus der Tatsache, daß die Amtspartei nur ein Wirkungs- und kein Absichtskartell behauptet hat, können keine für diese Frage relevanten Schlüsse gezogen werden.

Treffen die Mitglieder eines Vertragskartells anläßlich seiner Vereinbarung keine Regelung darüber, wer ihr Bevollmächtigter sein soll, oder enthält diese keine Bestimmungen, wie der Bevollmächtigte zu bestellen ist, oder konnte - wie bei Verhaltens- und Empfehlungskartellen - naturgemäß mangels vertraglicher Vereinbarung eine solche Regelung gar nicht getroffen worden sein, gilt subsidiär die gesetzliche Regelung des § 54 Abs 1 Satz 2 KartG: Die Mitglieder des Kartells haben ihn mit einfacher Mehrheit zu bestimmen. Es kann durchaus sein, daß ein Kartellmitglied gegen die zum Kartellbevollmächtigten vorgeschlagene Person Einwände hat und in einer Kartellversammlung, der die Bestellung im Zweifel obliegt, nicht für sie stimmt. Ist aber die Mehrheit aller (nicht nur der anwesenden) Kartellmitglieder mit dem Vorschlag einverstanden, wird diese Person gültig Kartellbevollmächtigter mit allen gesetzlichen Befugnissen und Pflichten. Das überstimmte Mitglied hat entweder die Möglichkeit, sich dem Mehrheitsbeschluß zu beugen oder aber dem Kartell nicht beizutreten bzw. es zu verlassen (Heil, GesRZ 1981, 212 f).

Ein solcher Mehrheitsbeschluß ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil er aus verfahrensökonomischen Erwägungen sachlich gerechtfertigt ist. Die Behörden können die ihnen obliegenden Aufgaben nur dann mit der nötigen Raschheit und Zuverlässigkeit erfüllen, wenn ihnen anstelle zahlreicher Vertragsteilnehmer nur eine einzige Person gegenübersteht. Im Kartellverfahren ist die Belastung des Gerichtes durch fehlerhafte Eingaben oder widersprüchliches Verhalten nicht tragbar. Wegen der Schwierigkeit des Kartellverfahrens und der denkbaren Vielzahl der Beteiligten ist allein der Kartellbevollmächtigte als gewillkürter Vertreter zum wirksamen Handeln vor dem Kartellgericht berufen; die Beteiligten sind insofern postulationsunfähig (W.Jelinek, ÖBl 1968, 25, 27).

Auch die Behauptung, die Mitglieder des Kartells könnten wegen widerstreitender Interessen keinen gemeinsamen Kartellbevollmächtigten bestellen, würden sich aber durch das weitere Aufrechterhalten der Händlerverträge "automatisch" strafbar machen und dies würde dem Recht auf rechtliches Gehör bzw dem Willkürverbot widersprechen (Art 6 Abs 1 MRK und Art 7 B-VG; die übrigen Rekurswerber behaupten ohne nähere Begründung auch einen Verstoß gegen die Art 18, 83 und 95 B-VG), trifft nicht zu.

Fühlen sich die Mitglieder des Kartells wegen der - trotz des gemeinsamen Interesses an der Durchführung des Kartells - auch bestehenden gegensätzlichen Interessen übervorteilt, ist es ihre Sache, im Kartellvertrag eine Regelung vorzusehen, die eine solche Überstimmung verhindert - das ist grundsätzlich bei Absichts- und Wirkungskartellen möglich - oder das Kartell zu verlassen (Heil aaO).

Auch in die hier zur Beurteilung anstehenden Händlerverträge hätte eine Bestimmung aufgenommen werden können, wie und auf welche Art im Fall des Vorliegens eines Kartells ein Kartellbevollmächtigter zu bestellen ist. Tun sie das nicht und können sich die Mitglieder nicht einmal mit einfacher Stimmenmehrheit auf einen gemeinsamen Kartellbevollmächtigten einigen, kann und darf das Kartell nicht durchgeführt werden. Zuwiderhandelnden droht die Sanktion des § 130 KartG, der sie sich nur durch Verlassen des Kartells entziehen können. Es haben sich somit die einzelnen Mitglieder selbst zuzuschreiben, wenn sie trotzdem das Kartell durchführen, sich dadurch der strafrechtlichen Verfolgung aussetzen und die Beurteilung des Vorliegens eines Verhaltenskartells in die Zuständigkeit des Strafgerichtes verschieben. Ein "völlig Unbeteiligter" braucht dort nichts zu befürchten.

Es geht aber nicht an, mit der Behauptung, für die Bestellung eines Kartellbevollmächtigten keine vertragliche Vorsorge getroffen zu haben und auch nicht treffen zu können, der kartellrechtlichen Kontrolle entgehen zu wollen und die Vereinbarung, auch wenn sie an sich kartellrechtlicher Kontrolle zu unterwerfen wäre, ohne Genehmigung und damit insbesondere ohne Prüfung ihrer volkswirtschaftlichen Rechtfertigung (§ 23 Z 3 KartG) durchzuführen.

4. Soweit die Rekurswerberin dem Kartellgericht Mangelhaftigkeit des Verfahrens unterstellt, weil es seine rechtliche Beurteilung, ob in den Händlerverträgen eine Kartellvereinbarung liege, nur auf Grund dieser Verträge vorgenommen hat, ohne sie zu hören oder ein weiteres Sachvorbringen zu verlangen, ist dies grob aktenwidrig. Die Rekurswerberin hat vielmehr trotz Aufforderung nichts vorgebracht und sich sogar ausdrücklich geweigert, ein weiteres Vorbringen zu erstatten, weil es genüge, Händlerverträge vorzulegen (2 Kt 350-4).

Die den allgemeinen Bestimmungen des AußStrG vorgehende Spezialregelung des § 60 iVm §§ 62 f und 65 KartG verpflichtet die Parteien die erforderlichen Unterlagen beizubringen; tun sie das trotz Aufforderung nicht, ist das Gericht nicht zu weiteren Erhebungen verpflichtet, sondern kann auf Grund der vorliegenden Unterlagen (hier Vereinbarungsmuster über die Vertriebsbindung) den Sachverhalt beurteilen; keineswegs ist es verpflichtet, von Amts wegen nach irgendwelchen Prozeßakten zu forschen, in denen diese Vertriebsbindung eine Rolle spielen könnte.

5. Das Kartellgericht hat nicht ohne jede Begründung, sondern mit ausführlicher Begründung unter Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung des Kartellobergerichts dargelegt, wieso in dem zwischen der Rekurswerberin und ihren Vertragshändlern abgeschlossenen und beim Kartellgericht zu Kt 1052/89 hinterlegten Vereinbarungsmuster ihrer Händlerverträge eine als Kartell zu beurteilende Vertriebsbindung iSd § 13 Abs 2 KartG zu sehen ist. Daß solche vertikale Vertriebsbindungen zwischen Angehörigen verschiedener Wirtschaftsstufen Kartelle sein können, ergibt sich aus § 13 Abs 2 KartG sowie aus anderen Bestimmungen (zB § 62 Z 1 KartG) eindeutig. Die §§ 13 bis 15 gehen von den Kartelltatbeständen der §§ 10 bis 12 aus und klassifizieren die dort geregelten Kartellformen nach bestimmten inhaltlichen oder quantitativen Kriterien. Aus diesen Bestimmungen kann somit nicht abgeleitet werden, daß überhaupt ein Kartell vorliegt; dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für einen der in den §§ 10 bis 12 geregelten Tatbestände erfüllt sind. Andererseits bedeutet dies, daß Kartelle mit den in den §§ 13 bis 15 umschriebenen Merkmalen grundsätzlich in jeder Kartellform nach den §§ 10 bis 12 verwirklicht werden können (EB 633 BlgNR 17.GP, abgedruckt bei Barfuß-Auer, Kartellrecht4, 42). Eine Vertriebsbindung nach § 13 Abs 2 KartG ist dann als Kartell zu beurteilen, wenn sie einen oder mehrere Angehörige einer, mehrerer oder aller nachfolgenden Wirtschaftsstufen - anders als durch Preisbindungen (§ 13 Abs 1 KartG) - im Vertrieb von Waren oder bei Erbringung von Leistungen den Wettbewerb beschränkt, wobei es nach § 10 Abs. 1 zweiter Fall KartG genügt, daß im gemeinsamen Interesse diese Beschränkung des Wettbewerbs, ohne beabsichtigt zu sein, tatsächlich bewirkt wird (Wirkungskartell).

Die Rekurswerberin meint, eine Wettbewerbsbeschränkung liege nicht vor, weil der Kraftfahrzeughandel zwangsläufig standortgebunden (sog "car miles") und mit großen Investitionen verbunden sei. Ein Kraftfahrzeugbetrieb müsse daher ortsgebunden bestehen bleiben, nur der Eigentümer bzw. die vertriebenen Marken könnten sich ändern. Auf den "car miles" stünden die einzelnen, verschiedene Marken vertreibenden Kraftfahrzeughändler im größten Gegensatz und Wettbewerb. Die Zuweisung eines Vertragsgebietes ergebe sich damit "automatisch", ohne daß deshalb eine Exklusivität für dieses Gebiet gegeben wäre, weil der Händler dort seine Fahrzeuge auch an Käufer, die in anderen Gebieten wohnen, veräußern könne. Daß die Händler verpflichtet seien, Reparaturen an Vertragswagen durchzuführen und nur Originalersatzteile zu verwenden, liege ausschließlich im Interesse der Kunden. Daneben betriebe jeder Vertragshändler wegen der "Eintauschgeschäfte" auch einen Gebrauchtwagenhandel mit Kraftfahrzeugen aller Marken. In der Kraftfahrzeugbranche könne von einem intrabrand-Wettbewerb überhaupt nicht gesprochen werden, der auch der Erhaltung eines bestimmten Preisniveaus diene; der Preiswettbewerb wirke sich vor allem bei den Einkaufspreisen für die sogenannten Eintauschfahrzeuge aus. Die angefochtene Entscheidung erkläre auch nicht, was sie unter dem dem Gesetz nicht bekannten Begriff der "Verhaltensbindung" verstehe. Der Coca-Cola-Fall sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil es an einem straffen Sternvertriebssystem fehle.

Was den Hinweis auf die von der Rekurswerberin selbst kritisierte Entscheidung des OGH SZ 63/175 (Ausgleichsanspruch eines Kraftfahrzeughändlers analog dem bisherigen § 25 HVG wegen dessen einem Handelsvertreter ähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit) anlangt, ist vorweg zu bemerken, daß diese für den vorliegenden Fall irrelevant ist, zumal die Rekurswerberin keineswegs behauptet, ihre Vertragshändler wären wirtschaftlich unselbständig.

Das Kartellgericht hat zutreffend erkannt, daß eine Beschränkung des Wettbewerbs iSd § 10 KartG vorliegt, wenn eine Vereinbarung zwischen Unternehmern dazu führt, daß die Beteiligten marktrelevante Verhaltensmöglichkeiten, die sie ohne die Vereinbarung hätten, nicht mehr wahrnehmen können. Deren Entschließungs- und Betätigungsfreiheit soll vornehmlich im Interesse der Auswahl- und Wettbewerbsfreiheit Dritter unbeschränkt erhalten werden (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht I2, 109), sofern nicht die Beschränkung volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist.

Nach den hier zu beurteilenden Händlerverträgen verpflichten sich die Händler, keine neuen Automobile anderer Marken in ihr Verkaufsprogramm aufzunehmen und keine anderen als die vom Importeur bezogenen Ersatzteile zu vertreiben; es handelt sich also um eine Exklusivbindung hinsichtlich der zu vertreibenden Kraftfahrzeuge; hinsichtlich der Ersatzteile besteht auch noch eine Ausschließlichkeitsbindung an die von der Rekurswerberin vertriebenen Produkte. Der Effekt dieser Exklusivbindungen besteht darin, daß Wettbewerber der Rekurswerberin infolge des Vertrages Absatzmittler einbüßen, die sie sonst einsetzen könnten (Koppensteiner aaO 120). Durch die Zuweisung eines bestimmten Verkaufsgebietes - das sich keineswegs "automatisch" ergibt -, das Verbot, weitere Betriebsstätten zu eröffnen, und die Beschränkung der Wirkung von Werbemaßnahmen auf das lokale Verkaufsgebiet wird der Wettbewerb zwischen den einzelnen Vertragshändlern der Rekurswerberin beschränkt. Ob diese Beschränkung auch der Erhaltung eines bestimmten Preisniveaus dienlich ist, ist nicht wesentlich. Richtig ist sicher, daß es auch im Interesse der Kunden liegt, wenn zur Reparatur nur Originalersatzteile verwendet werden. Bedenklich iS des Kartellrechts ist jedoch die auch durch die jetzige Fassung des Händlervertrages aufrecht erhaltene Verpflichtung der Händler, Ersatzteile nur von der Rekurswerberin und nicht allenfalls auch von anderen Anbietern zu beziehen; in diesem Umfang liegt eine Exklusivbindung der Händler an die Rekurswerberin vor (Koppensteiner aaO 120). Diesbezüglich bleibt also die Zusicherung, daß es zu keinen Parallelimporten von Ersatzteilen nach Österreich kommen wird, aufrecht. Hieraus folgt, daß durch die gleichlautenden Händlerverträge sowohl der interbrandals auch der intra-brand-Wettbewerb beschränkt wird

Wurden die Verträge im gemeinsamen Interesse geschlossen, genügt dies für das Vorliegen eines Wirkungskartells, weil es hiefür ausreicht, daß hiedurch der Wettbewerb, wenn auch unbeabsichtigt, beschränkt wird. Bei Vertikalbindungen wie der vorliegenden fehlt sogar in der Regel ein gemeinsamer wettbewerbsbeschränkender Zweck. Der Vertrag liefert jedoch das Instrument, gleichgerichtete Interessen - z.B. Optimierung des Absatzes der Vertragsprodukte, Effektuierung der Schutzrechtsverwertung - der Beteiligten zu realisieren (Koppensteiner aaO 145). Die hinter den Vereinbarungen stehende Absicht der Vertragspartner ist nur insofern von Bedeutung, als durch sie geklärt werden kann, ob die Vereinbarung im gemeinsamen Interesse geschlossen wurde. Die Ersetzung des Merkmales "Zusammenschlüsse" durch den Begriff des "gemeinsamen Interesses" durch das Kartellgesetz 1972 hat zu lebhaftem Meinungsstreit über das korrekte Verständnis dieses Begriffes geführt (Schönherr, JBl 1973, 225 f;

ders, ÖBl 1973, 79f; Dittrich, ÖBl 1973, 98, 100; Aicher, ÖBl 1973, 73, 79; Koppensteiner, JBl 1973, 398, 412f; ders, RIW 1976, 61, 66f;

ders, JBl 1978, 243, 249f; Schumacher, ÖZW 1974, 41, 45; Straberger, Sonderdruck zur GesRZ 1975, 293ff, 301; Braumann-Nowotny, ÖBl 1984, 57, 61ff; zuletzt Wollmann, ÖBl 1991, 1 ff; siehe hiezu zusammenfassend Koppensteiner, Wettbewerbsrecht I2 132f). Vor dem Inkrafttreten des KartG 1972 hat die Rechtsprechung den Kartellbegriff von der Feststellung einer Gesellschaft oder jedenfalls eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses abhängig gemacht. Austauschverträge, insbesondere solche, in denen nur einem Teil eine wettbewerbsbeschränkende Verpflichtung auferlegt wurde, waren danach keine Kartelle. Sog "Sternverträge" hat die Rechtsprechung allerdings stets anders behandelt. Darunter sind Vertragssysteme zu verstehen, in denen der Hersteller (Importeur) gebundenen Händlern gegenüber die Verpflichtung übernimmt, dieselbe Bindung auch allen anderen Abnehmern in gleicher Lage aufzuerlegen. Die dadurch bewirkte Beschränkung des Wettbewerbs auf der Ebene der Händler entspricht einem "gemeinsamen Zweck", der infolge der Bindung des Lieferanten auch in das Zweckgefüge seiner Vereinbarungen mit den Abnehmern integriert ist (Koppensteiner, aaO 132f). Daran hat sich durch das Kartellgesetz 1972 nichts geändert, wie insbesondere die richtungsweisenden Entscheidungen ÖBl 1978, 78 (Coca-Cola) und ÖBl 1978, 82 (Grundig) zeigen.

Wie sich aus den Tatbestandsmerkmalen des Wirkungskartells zweifelsfrei ergibt, braucht das "gemeinsame Interesse" (das nicht mit einem Gesellschaftsverhältnis in Verbindung gebracht werden darf) nicht in der Beschränkung des Wettbewerbs zu liegen. Mit der Tatbestandsmäßigkeit auch nur bewirkter, nicht bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen wird daher vorausgesetzt, daß diese nicht im gemeinsamen Wettbewerbsbeschränkungsinteresse der Parteien zu liegen brauchen, vielmehr auch ein anderes Interesse den Tatbestand erfüllt. Bei den schon erwähnten leading cases wurde einerseits das gemeinsame Interesse in der Optimierung des Absatzes der Vertragsprodukte gesehen (Coca-Cola), andererseits mit der Einwirkung der Vertriebsverträge auf den Wettbewerb der Vertragsfirmen mit Dritten begründet (Grundig). Solche gemeinsamen Interessen liegen aber - wie Koppensteiner aaO 136 zutreffend ausführt - auch einfachen Alleinvertriebsverträgen und Exklusivbindungen zugrunde. Durchschlagend ist jedenfalls das gemeinsame Interesse an der Optimierung des Absatzes. Daß es dem Produzenten um seinen Gesamtabsatz, dem Wiederverkäufer um seine eigenen Verkaufszahlen geht, ändert nichts daran, daß sich der Absatzmittler die Ziele des Lieferanten für den von ihm beeinflußbaren Bereich zu eigen macht. Das bedeutet, daß der Kartellcharakter von vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen nicht davon abhängt, ob ein Sternvertrag mit einer ausdrücklichen Verpflichtung des Herstellers (Importeurs) vorliegt, dieselbe Bindung auch allen anderen Abnehmern in gleicher Lage aufzuerlegen (vgl Koppensteiner aaO 130). Der Importeur hat im vorliegenden Fall gleichartige Verträge mit allen seinen Händlern geschlossen. Von individuell ausgehandelten Einzelverträgen zwischen dem Importeur und den einzelnen Händlern, die nach den EB in der Regel nicht als Kartell zu betrachten seien (JA 717 BlgNR 17.GP, 2), kann nicht die Rede sein (so auch Hanreich, ÖZW 1991, 33, 35 allgemein für die Vertriebsbindungen im österreichischen Kfz-Handel).

Der Kartellcharakter der zwischen der Rekurswerberin als Importeur und ihren Händlern abgeschlossenen gleichlautenden Händlerverträge, die im gemeinsamen Interesse, insbesondere an einer Optimierung des eigenen Absatzes eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirken (§ 10 Abs 1 zweiter Fall iVm § 13 Abs 2 KartG), ist daher zu bejahen. Daß naturgemäß zwischen dem Importeur und den einzelnen Händlern sowie zwischen diesen neben dem gemeinsamen Interesse auch divergierende Interessen bestehen, die selbst zu gerichtlichen Streitigkeiten führen können, ändert nichts am gemeinsamen Interesse.

Das Kartellgericht hat daher das Begehren der Erstantragstellerin, ihren Antrag auf Genehmigung des von der Republik Österreich behaupteten Wirkungskartells mangels Vorliegens eines Kartells zurückzuweisen, mit Recht abgewiesen. Auf Grund dieser Entscheidung steht nunmehr rechtskräftig fest, daß in den vorliegenden Händlerverträgen ein Kartell zu erblicken ist. Da ab diesem Zeitpunkt die Mitglieder des Kartells verpflichtet sind, einen Kartellbevollmächtigten zu bestellen, ist auch dieser Teil des Beschlusses zu bestätigen.

Zu Recht hat bereits das Kartellgericht darauf hingewiesen, daß von der Entscheidung, ob im vorliegenden Fall ein Kartell vorliegt, die Frage zu unterscheiden ist, ob dieses nach § 23 KartG zu genehmigen ist, insbesondere weil es volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist. Auf die Behauptung der Rekurswerberin, daß die Kraftfahrzeughersteller ein schutzwürdiges Interesse an einer Vertriebs- und Kundendienstorganisation der vorliegenden Art haben, ist daher hier bei Prüfung des Vorliegens eines Kartells - als Voraussetzung für die Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens - noch nicht einzugehen. Es wird allerdings Sache der ab nun nur mehr durch einen gemeinsamen Kartellbevollmächtigten handlungsbefugten Mitglieder (ÖBl 1990, 234) sein, dem Kartellgericht die insbesondere zur Beurteilung der volkswirtschaftlichen Rechtfertigung erforderlichen genauen und erschöpfenden Angaben zu machen und die hiefür notwendigen Unterlagen anzuschließen (§ 60 Z 1 KartG), widrigenfalls die Genehmigung zu versagen und infolgedessen die weitere Durchführung der Vereinbarung strafbar wäre.

II. Zum Rekurs der übrigen Antragsteller:

1. Zum Einwand, die Frist zur Anmeldung eines Kartells habe ihnen gegenüber noch gar nicht zu laufen begonnen, sind die Rekurswerber auf die von ihnen selbst zitierte Entscheidung des Kartellobergerichts zu verweisen; aus dieser und anderen erhellt, daß zwar alle angeblichen Kartellmitglieder zur Anmeldung aufzufordern sind, gemäß § 57 Abs 2 KartG aber die Zustellung an ein einzelnes Kartellmitglied genügt, und daß diese Bestimmung verfassungsrechtlich unbedenklich ist (Okt 20, 26, 28, 30, 31, 32/90 sowie - im vorliegenden Verfahren - Okt 1/92).

2. Zu ihrem Vorbringen betreffend die "Unmöglichkeit" der Bestellung eines Kartellbevollmächtigten bei Wirkungskartellen und die angebliche Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen werden die Rekurswerber auf die Erledigung der im Rekurs der Erstantragstellerin enthaltenen Einwendungen verwiesen. Gleiches gilt hinsichtlich ihrer Ausführungen in der Sache selbst; teilweise divergierende Interessen einzelner Kartellmitglieder hindern nicht das Vorliegen eines Kartells, sofern auch im gemeinsamen Interesse Beschränkungen des Wettbewerbs bewirkt werden.

Anmerkung

E31284

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:000OKT00002.93.0329.000

Dokumentnummer

JJT_19930329_OGH0002_000OKT00002_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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