TE OGH 1993/4/15 6Ob524/93

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.1993
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Klinger, Dr.Redl und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag.Dr.Erhard Buder, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei David N*****, vertreten durch Dr.Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert gemäß § 60 Abs 2 JN 332.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27.November 1992, GZ 16 R 164/92-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17.April 1992, GZ 8 Cg 254/91-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 48.344,40 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 12.042 S Barauslagen und 6.050,40 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind je Hälfteeigentümer einer Liegenschaft in W***** mit einem darauf errichteten Mietwohnhaus. Der Beklagte erwarb seinen Liegenschaftsanteil mit Kaufvertrag vom 15.Oktober 1986 um 320.000 S, die klagende Partei ihren Anteil mit Kaufvertrag vom 10.Juni 1991 um 900.000 S.

Der Beklagte tritt dem Klagebegehren auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung mit der Behauptung entgegen, die Teilungsklage erfolge zur Unzeit und zu seinem Nachteil, weil er im Falle einer freiwilligen Versteigerung innerhalb der einkommensteuerrechtlichen "Spekulationsfrist" 50 % Einkommensteuer zahlen müsse. Seit dem Kauf seiner Liegenschaftshälfte hätten Mietwohnhäuser einen exorbitanten Preis- und Wertanstieg erfahren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Aus § 30 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 könne der Beklagte weder das Teilungshindernis der Unzeit noch jenes eines Nachteiles für ihn ableiten, bedeute doch die zehnjährige Spekulationsfrist, daß der klagenden Partei ein Zuwarten bis zum 15.Oktober 1996 zugemutet werde. Ein so langer Zeitraum komme aber als Teilungshindernis nicht mehr in Betracht, laufe er doch nicht in naher Zukunft ab; er sei demnach auch nicht bloß vorübergehend.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es liege das im § 830 ABGB normierte Aufhebungshindernis zum Nachteil des Beklagten vor. Eine Aufhebung der Gemeinschaft könne auch dann zum Nachteil des anderen Miteigentümers sein, wenn diesem bei einer Veräußerung innerhalb einer bestimmten Frist eine unverhältnismäßige Steuerpflicht drohe. Das sei hier nach § 30 Abs 1 Z 1 lit a und Abs 4 EStG 1988 der Fall, weil der Beklagte seinen Liegenschaftsanteil erst am 15.Oktober 1986 erworben habe. Es drohe ihm die Versteuerung eines entsprechenden Spekulationsgewinnes bei einer Veräußerung der Liegenschaft innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung seines Anteiles. Dieser Nachteil sei nicht von unabsehbarer Dauer, sodaß eine Interessenabwägung vorzunehmen sei. Da die klagende Partei schon vor ihrem Erwerb aus dem Grundbuch den Anschaffungszeitpunkt des Beklagten habe entnehmen können, sei ihr der zehnjährige Fristenlauf des § 30 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 erkennbar gewesen und müsse ihr ein Zuwarten bis zum Ablauf dieser Frist zugemutet werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Nach § 830 zweiter Satz ABGB kann jeder Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft deren Aufhebung verlangen, wobei § 843 ABGB den Vorrang der Naturalteilung normiert. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, daß eine Naturalteilung der gemeinschaftlichen Liegenschaft nicht möglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung räumt § 830 ABGB jedem Teilhaber einer gemeinschaftlichen Sache einen unbedingten Anspruch auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft ein (MietSlg 42.033; WoBl 1989/6 mit Anm von Oberhofer; SZ 54/38 = MietSlg 33.059 ua; Klang in Klang2 III 1097; Gamerith in Rummel2, Rz 3 zu § 830 ABGB; Hofmeister in Schwimann, Rz 55 zu § 830 ABGB), worunter die jederzeitige Fälligkeit bei "Verlangen" und die Entbehrlichkeit eines besonderen Grundes für das Teilungsbegehren zu verstehen ist (MietSlg 42.033, 39.045, 34.068 ua). Das Verlangen auf Aufhebung der Gemeinschaft darf aber in keinem Fall "zur Unzeit" oder "zum Nachteil der übrigen" erhoben werden.

Auf schikanöse und damit sittenwidrige Rechtsausübung der klagenden Partei hat sich der Beklagte nicht berufen. "Unzeit" liegt deshalb nicht vor, weil darunter ein Umstand erblickt wird, der die Teilung zur gegebenen Zeit und für beide Teile schädigend macht (Gamerith aaO Rz 6 mwN). Der vom Beklagten erhobene Einwand des "Nachteils der übrigen" bildet ein selbständiges Teilungshindernis, kraft dessen auch subjektiv nur einen Teilhaber betreffende Umstände berücksichtigt werden können (MietSlg 42.033; ImmZ 1990, 191; WoBl 1989/6 ua; Gamerith aaO Rz 11). So wie "Unzeit" hindert aber auch ein subjektiver Nachteil der übrigen die Aufteilung nur dann, wenn es sich um bloß vorübergehende Umstände handelt, die in Bälde wegfallen oder beseitigt werden können (MietSlg 42.033; EvBl 1990/93; WoBl 1989/6 ua; Gamerith aaO Rz 11; Hofmeister aaO Rz 63 und 122). Eine Prüfung der Interessenlage hat dabei nur dann zu erfolgen, wenn in diesem Sinne ein Aufschub der Teilung überhaupt in Frage kommt (MietSlg 42.033; ImmZ 1990, 191; SZ 31/79 ua; Gamerith aaO Rz 11), also wenn feststeht, daß das Teilungshindernis ein bloß vorübergehendes ist, welches in Bälde wegfällt (Hofmeister aaO Rz 68).

Hiezu wurde bereits ausgesprochen, daß ein zum Nachteil eines Miteigentümers gereichendes Teilungshindernis auch darin liegen kann, daß ihm bei einem Verkauf innerhalb der zweijährigen (seit der Novelle BGBl 1960/285: fünfjährigen) Sperrfrist des § 23 EStG 1953 eine unverhältsnismäßige Steuerpflicht droht (SZ 36/6; JBl 1965, 207) bzw der Verkaufserlös bei einer Veräußerung vor Ablauf von fünf Jahren seit der Anschaffung gemäß § 30 Abs 1 Z 1 lit a und Abs 4 EStG ganz oder teilweise als Spekulationsgewinn zu versteuern wäre (SZ 54/38). In all diesen bereits entschiedenen Fällen waren aber nicht mehr die vollen Sperr- bzw "Spekulations"-Fristen von zwei bzw fünf Jahren offen, sondern währte das Hindernis höchstens noch drei Jahre (so in der Entscheidung SZ 54/38). Auch im Fall der Entscheidung 4 Ob 1608/91, die schon zu den verlängerten Fristen des § 30 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 ergangen ist, war nur mehr eine Restfrist von einem Jahr offen. Die Frist für das Vorliegen eines der erhöhten Steuerpflicht unterliegenden Spekulationsgeschäftes beträgt nunmehr zehn Jahre; sie verlängert sich sogar auf 15 Jahre, wenn für das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach seiner Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs 3 EStG abgesetzt wurden. Auch bei Zivilteilung einer Liegenschaft und der damit verbundenen Feilbietung liegt eine Veräußerung iS des § 30 Abs 1 EStG 1988 vor (Hofstätter-Reichel, EstG 1988, Rz 18 zu § 30 mwN auf die Rechtsprechung des VwGH). Daraus folgt, daß der Beklagte einen Umstand als Teilungshindernis geltend macht, welcher zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz (ImmZ 1973, 156, MietSlg 32.050 ua; zuletzt etwa 4 Ob 1608/91), somit hier am 15.Jänner 1992, noch 4 3/4 Jahre andauerte. In einem solchen Fall fehlt es aber entgegen der Rechtsauffassung der zweiten Instanz schon an der erforderlichen bloß vorübergehenden Natur des als Teilungshindernis geltend gemachte Umstandes, kann dieser doch frühestens erst in 4 3/4 Jahren und damit nicht mehr in naher Zukunft, geschweige denn in Bälde, wegfallen. Aus der Unbedingtheit des Teilungsanspruches folgt aber, daß immer nur eine angemessene Aufschiebung der Teilung stattfinden kann (EvBl 1990/93 mwN). Anders als im Fall der Entscheidung SZ 57/45 = JBl 1985, 165 = MietSlg 36/8, wo die dortige Klägerin das als Teilungshindernis anerkannte lebenslängliche Fruchtgenußrecht ihrem Sohn erst knapp vor Erhebung des Teilungsbegehrens selbst eingeräumt hatte, ist hier der klagenden Partei in bezug auf das vom Beklagten geltend gemachte Teilungshindernis kein derartiger Verstoß gegen die von ihr aus dem Gemeinschaftsverhältnis nach Treu und Glauben geschuldete Rücksichtnahme auf die Interessen des Partners vorwerfbar. Sie muß daher auch nicht eine Beschränkung der Rechtsausübung auf einen längeren oder gar unabsehbaren Zeitraum hinnehmen.

Dem vom Beklagten geltend gemachten Nachteil fehlt daher schon wegen der dem anderen Teilhaber an der Gemeinschaft angesonnenen unzumutbaren Dauer des Aufschubes der Teilung auf mindestens 4 3/4 Jahre hinaus die für ein Teilungshindernis unerläßliche, bloß vorübergehende (MietSlg 36.052) Natur, sodaß eine Interessenabwägung gar nicht mehr stattzufinden hat. Der Revision ist Folge zu geben und das der Zivilteilungsklage stattgebende Ersturteil wieder herzustellen. Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens fußt auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E32460

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0060OB00524.93.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19930415_OGH0002_0060OB00524_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten