TE OGH 1993/4/22 12Os26/93

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Veröffentlicht am 22.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.April 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kobler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich K***** wegen des Vergehens der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs 1 Z 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15.April 1991, GZ 18 E Vr 321/91-6, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Friedrich K***** zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache des Landesgerichtes Klagenfurt, AZ 18 E Vr 321/91, wurde das Gesetz verletzt durch

1./ das Ersetzen des Protokolls über die Hauptverhandlung durch einen Vermerk und die Ausfertigung des Urteils in gekürzter Form, obwohl kein umfassendes Geständnis des Beschuldigten vorlag, in den Bestimmungen der §§ 458 Abs 2 und 3, 488 Abs 7 StPO;

2./ die Unterlassung der Unterfertigung des Protokollsvermerkes durch den Einzelrichter in den Bestimmungen der §§ 458 Abs 2, 488 Abs 7 StPO;

3./ das Urteil vom 15.April 1991 soweit die als Vergehen der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach dem § 180 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierte Tat durch Angabe eines Anfangs- und Endzeitpunktes nicht individualisiert wurde, in den Bestimmungen der §§ 260 Abs 1 Z 1, 270 Abs 2 Z 4, 458 Abs 3 Z 1, 488 Abs 7 StPO.

Dieses Urteil wird gemäß § 292 StPO aufgehoben und dem Landesgericht Klagenfurt die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über den Strafantrag des öffentlichen Anklägers gegen Friedrich K***** wegen § 180 Abs 1 Z 1 StGB aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15.April 1991, GZ 18 E Vr 321/91-6, wurde der am 18.Juli 1924 geborene Pensionist Friedrich K***** des Vergehens der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt.

Das Protokoll über die Hauptverhandlung wurde gemäß §§ 488 Z 7, 458 Abs 2 StPO durch einen Vermerk ersetzt, das Urteil gemäß §§ 488 Z 7, 458 Abs 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigt. Der Sachverhalt wurde in der gekürzten Urteilsausfertigung mit folgenden Worten umschrieben: "Friedrich K***** hat nach dem 6.Juni 1989 in Sielach entgegen einem behördlichen Auftrag ein Gewässer, nämlich das Grundwasser, durch Versickernlassen von hochbelasteten Abwässern über den Ablauf einer Senkgrube vorsätzlich so verunreinigt, daß dadurch eine Gefahr für Leib und Leben einer größeren Zahl von Menschen herbeigeführt werden konnte". Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung (StPOForm U 7) wurden vom Richter nicht unterschrieben.

Rechtliche Beurteilung

Das erwähnte Urteil steht mit dem Gestez nicht im Einklang.

Wird der Beschuldigte freigesprochen oder nach einem umfassenden und durch die übrigen Ergebnisse der Verhandlung unterstützten Geständnis verurteilt oder wird die aus mehreren Punkten bestehende Anklage teils auf die eine, teils auf die andere Art erledigt und verzichten in allen diesen Fällen die Parteien auf alle Rechtsmittel oder melden sie innerhalb der hiefür offenstehenden Frist kein Rechtsmittel an, so kann das Protokoll über die Hauptverhandlung (§ 271 StPO) durch einen vom Richter und vom Schriftführer zu unterschreibenden Vermerk ersetzt werden, der lediglich die Namen der Parteien, ihrer Vertreter und der vernommenen Zeugen und Sachverständigen enthält (§ 458 Abs 2 erster Satz StPO). Unter diesen Voraussetzungen kann das Urteil in gekürzter Form ausgefertigt werden, es sei denn, daß die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet wird (§ 458 Abs 3 erster Satz StPO). Diese für das Verfahren vor den Bezirksgerichten geltenden Vorschriften sind nach Maßgabe des § 488 Z 7 StPO auch im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz anzuwenden.

Im Falle eines Schuldspruchs kann somit nur dann das Protokoll über die Hauptverhandlung durch einen Vermerk ersetzt und das Urteil in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn der Beschuldigte nach einem umfassenden und durch die übrigen Ergebnisse der Verhandlung unterstützten Geständnis verurteilt wurde. Ob diese Voraussetzungen gegeben waren, kann im Regelfall im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht überprüft werden, weil Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung weder die Verantwortung des Beschuldigten noch das (diese im einzelnen stützende) Ergebnis der Beweisaufnahme in der Verhandlung enthalten (siehe Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 458 ENr 18).

Im vorliegenden Fall ist eine solche Überprüfung jedoch möglich, weil das Vorliegen eines umfassenden Geständnisses durch die Anführung eines bloß teilweisen Geständnisses als Milderungsgrund in der gekürzten Urteilsausfertigung unmißverständlich verneint wurde (S 51).

Durch die Unterlassung der Unterfertigung des Protokollvermerkes und der gekürzten Urteilsausfertigung wurde das Gesetz gleichfalls verletzt.

Wird ein Urteil in gekürzter Form ausgefertigt, so hat diese Ausfertigung gemäß § 458 Abs 3 Z 1 StPO die im § 270 Abs 2 StPO erwähnten Angaben mit Ausnahme der Enscheidungsgründe zu enthalten. Gemäß § 270 Abs 2 Z 4 StPO in Verbindung mit § 260 Abs 1 Z 1 StPO muß aus der gekürzten Urteilsausfertigung auch hervorgehen, welcher Tat der Beschuldigte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände. Zeit, Ort und Gegenstand der Tat sind mit einer hinreichenden Kennzeichnung anzugeben, um Verwechslungen mit anderen Straftaten oder eine Doppelbestrafung auszuschließen. Diese Individualisierung der strafbaren Handlung ist bei einer Ausfertigung des Urteils in gekürzter Form von besonderer Bedeutung, weil sich in einem solchen Fall die dem Schuldspruch zugrunde gelegten Feststellungen allein aus dem Urteilsspruch ergeben (14 Os 91, 92/92).

Das angeführte Urteil wird diesen Erfordernissen nicht gerecht. Beim Vergehen der (vorsätzlichen) Beeinträchtigung der Umwelt durch eine einen bestimmten Zeitraum dauernde Handlung oder Unterlassung erfordert die Tatindividualisierung eine zeitliche Umgrenzung mit Anfangs- und Endzeitpunkt (vergleiche nochmals 14 Os 91, 92/92). Im vorliegenden Fall wurde hingegen weder der Beginn noch das Ende des strafbaren Verhaltens mit hinreichender Deutlichkeit angegeben. Durch die Bezeichnung des Tatzeitraumes mit den Worten "nach dem 6. Juni 1989" wurde zunächst dessen Beginn offengelassen. An diesem Tag wurde nach der Aktenlage der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt erlassen, mit welchem dem Angeklagten die wasserdichte Verschließung seiner Abwasserbeseitigungsanlage innerhalb von 6 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides aufgetragen worden war (S 7). Ob als Endzeitpunkt der Tat der Tag der Stellung des Strafantrages angenommen wurde oder allenfalls eine (zeitliche) Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung erfolgte, geht aus der gekürzten Urteilsausfertigung und dem Protokollsvermerk nicht hervor.

Da eine Benachteiligung des Angeklagten durch die aufgezeigten Gesetzesverletzungen nicht ausgeschlossen werden kann, war in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde gemäß § 292 letzter Satz StPO wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E34529

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0120OS00026.9300006.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19930422_OGH0002_0120OS00026_9300006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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