TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/27 2004/05/0128

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Veröffentlicht am 27.02.2006
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §18 Abs1 Z1 lita;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
GewO 1994 §359b;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §77;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. der Waltraud Gruber in Lilienfeld, 2. der Ingrid Monaghan in Bethesda (USA) und 3. des Dr. Heinz Gruber in Wien, alle vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. März 2004, Zl. RU1-BR-30/010-2004, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Fried von Neumann GesmbH in Marktl, vertreten durch Dr. Herbert Hofbauer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Berufung der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers abgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für einen Hallenzubau sowie Umbauarbeiten des Aluminium Strangpresswerkes. Die mitbeteiligte Partei führte in ihrem Antrag aus, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 4. Februar 1999 sei ihr die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Strangpresswerkes, und zwar für Neu- und Zubauten sowie Abänderungen von bestehenden Bauwerken und Lagerplätzen, Abstellflächen für Kraftfahrzeuge, Einfriedungen und innerbetriebliche Verkehrswege, erteilt worden. Diesbezüglich sei derzeit ein Berufungsverfahren zur Zl. RU1-B-9904/06 anhängig (Anmerkung: Vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/05/0006). Bei einem Großbrand am 1. April 2003 sei ein Teil einer Produktionshalle zerstört worden. Auf Grund dieses Brandschadens habe sich die Notwendigkeit von Zu- und Umbauarbeiten an dieser Produktionshalle ergeben. Zusätzlich sei weiters die Errichtung einer Lager- und Versandhalle vorgesehen.

Bei der mündlichen Verhandlung am 28. August 2003 wurde festgestellt, dass für einen Teil des Altbestandes der Anlage eine Baubewilligung aus dem Jahre 1990 und 1993 vorliege. Seitens der mitbeteiligten Partei wurde erklärt, dass der nunmehrige Antrag hinsichtlich des Betriebsanlagenverfahrens auf Neugenehmigung und hinsichtlich des Bauverfahrens auf Genehmigung der Änderung "abgeändert" werde.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 22. Dezember 2003 wurde die beantragte baubehördliche Bewilligung den Einreichunterlagen gemäß für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage Strangpresswerk durch Wiedererrichtung der durch Brand zerstörten Betriebsanlagenteile und Neubau einer Kommissionierlagerhalle sowie Neuerrichtung einer Leichtbauhalle erteilt. Im Bescheid wurde unter anderem festgehalten, dass das Baugrundstück im Bauland-Industriegebiet liege. Das am nächsten liegende Privatgrundstück sei die Liegenschaft der Beschwerdeführer, die als Grünland-Landwirtschaft, ihr darauf befindliches Wohnhaus als "Grünland erhaltenswerter Bau" gewidmet sei. Das Wohnhaus habe einen Abstand von ca. 80 m zur südöstlichen Grundstücksgrenze des Industriegrundstückes beim Strangpresswerk. In der Bescheidbegründung ist weiters festgehalten, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 4. November 1999 festgestellt worden sei, dass es sich beim Strangpresswerk um eine Betriebsanlage handle, auf die wegen ihrer Beschaffenheit das vereinfachte gewerberechtliche Genehmigungsverfahren anzuwenden sei. Dieser Bescheid sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. Dezember 2002 behoben und das Verfahren zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld zurückverwiesen worden. Festgehalten wurde weiters unter Berufung auf die Verhandlung vom 28. August 2003, dass Gegenstand des Bauverfahrens nur die beantragten Änderungen seien, die nicht bereits Gegenstand des im Zeitpunkt der Verhandlung anhängigen Berufungsverfahrens gewesen seien. Gegenstand des gewerberechtlichen Verfahrens sei aber die Gesamtanlage, das gesamte Verfahren werde nunmehr in der Form des ordentlichen Verfahrens neuerlich durchgeführt. Zu den von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen betreffend Lärmimmissionen wurde auf § 23 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) verwiesen; da betreffend die gegenständliche Betriebsanlage ein gewerbebehördliches Genehmigungsverfahren parallel durchgeführt werde, in welchem der Immissionsschutz berücksichtigt worden sei, entfalle eine Prüfung des Immissionsverhaltens der gegenständlichen Anlage im Bauverfahren. Die diesbezüglichen Einwendungen der Anrainer seien daher als unbegründet abzuweisen. Raumordnungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Entstehung des örtlichen Raumordnungsprogrammes und der Bebauungsvorschriften, die die Anrainer vorgebracht hätten, seien nicht Beurteilungsmaßstab im gegenständlichen Bauverfahren.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Zweitbeschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen. Die Berufung der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers wurde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Zweitbeschwerdeführerin sei laut Grundbuchsauszug vom 5. Februar 2004 nicht Miteigentümerin des Nachbargrundstückes. Sie habe daher im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung. Entgegen vorgebrachten Zweifeln der Beschwerdeführer sei im Übrigen die mitbeteiligte Partei Antragstellerin und als Grundeigentümerin auch befugt gewesen, die Baubewilligung zu beantragen. Mit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Flächenwidmungsplanes habe sich die belangte Behörde nicht auseinander zu setzen. Auf die Einwendungen der Beschwerdeführer betreffend Lärmimmissionen sei nicht einzugehen gewesen, da im vorliegenden Fall ein "ordentliches Betriebsanlagengenehmigungsverfahren" durchgeführt werde. Der den Nachbarn nach § 48 BO gewährte Immissionsschutz sei damit behandelt, die Widmung Bauland-Industriegebiet sehe keinen Immissionsschutz für Nachbarn vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, dass für die Zweitbeschwerdeführerin auf der Nachbarliegenschaft das dingliche Recht des Fruchtgenusses einverleibt sei. Des Weiteren machen die Beschwerdeführer geltend, dass der Flächenwidmungsplan, der für die Liegenschaft der mitbeteiligten Partei Bauland-Industriegebiet vorsehe, gesetzwidrig sei. Ferner sei nicht nachvollziehbar, über welches Projekt verhandelt worden sei und welches Rechtssubjekt, die mitbeteiligte Partei oder die N. GmbH, letztlich als Konsenswerber auftrete und an wen daher der Bescheid tatsächlich zu adressieren gewesen sei. Es mangle an der Zustimmung des grundbücherlichen Eigentümers zum Bauprojekt. Darüber hinaus legen die Beschwerdeführer ausführlich dar, dass von der Betriebsanlage Lärmemissionen ausgingen, die das gesetzlich zulässige bzw. ortsübliche Maß bei weitem überschritten und damit zu einer gesundheitlichen Schädigung bzw. Gefährdung der Beschwerdeführer, zumindest aber zu einer das ortsübliche Maß überschreitenden und damit unzumutbaren Belästigung der Beschwerdeführer führten. Entsprechend nachvollziehbare Gutachten von Sachverständigen diesbezüglich lägen nicht vor.

§ 6 BO lautet:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

1.

der Bauwerber und/oder der Eigentümer des Bauwerks

2.

der Eigentümer des Baugrundstücks

3.

die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn),

und

              4.              die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen Bauwerks auf den Grundstücken nach Z. 2 und 3, z.B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang (Nachbarn).

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

(3) Grenzt eine Straße an das Baugrundstück, dann hat der Straßenerhalter Parteistellung im Sinne des Abs. 1. Abweichend davon darf der Straßenerhalter nur jene Rechte geltend machen, die die Benützbarkeit der Straße und deren Verkehrssicherheit gewährleisten."

§ 20 Abs. 1 BO lautet:

"§ 20

Vorprüfung

(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben

1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone,

2.

der Bebauungsplan,

3.

eine Bausperre,

4.

die Unzulässigkeit der Erklärung des betroffenen Grundstücks im Bauland zum Bauplatz,

5.

ein Bauverbot nach § 11 Abs. 5 oder

6.

eine Bestimmung dieses Gesetzes, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210, oder einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze entgegensteht. Bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, ist die Prüfung nach Z. 6 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt durch diese Genehmigung nicht erfaßt ist."

§ 23 Abs. 1 BO hat folgenden Wortlaut:

"§ 23

Baubewilligung

(1) Die Baubehörde hat über einen Antrag auf Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.

Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 angeführten Bestimmungen besteht. Bei gewerblichen Betriebsanlagen gilt § 20 Abs. 1, letzter Satz, sinngemäß. Liegt ein Widerspruch vor, ist die Baubewilligung zu versagen. Die Baubewilligung umfaßt das Recht zur Ausführung des Bauwerks und dessen Benützung nach Fertigstellung, wenn eine Bescheinigung nach § 30 Abs. 2 Z. 3 vorgelegt wird. Wird diese Bescheinigung nicht vorgelegt, darf die Benützung erst nach Überprüfung des Bauwerks durch die Baubehörde, bei der die bewilligungsgemäße Ausführung festgestellt wird, erfolgen. Bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, darf das Recht aus der Baubewilligung für die Anlage erst nach Vorliegen der gewerbebehördlichen Genehmigung ausgeübt werden."

§ 48 BO lautet:

"§ 48

Immissionsschutz

(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

1.

das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;

2.

Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

Wie sich aus § 6 Abs. 1 BO ergibt, kommt nur dem Eigentümer des Nachbargrundstückes oder Nachbarbauwerkes Parteistellung zu. Ein Fruchtgenussrecht auf der Nachbarliegenschaft vermittelt keine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren. Die Zurückweisung der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht.

Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, hinsichtlich des geltenden Flächenwidmungsplanes läge Gesetzwidrigkeit vor, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid auch mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft haben (vgl. dazu den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2005/05/0349). Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 10. Oktober 2005, B 113/04 u. a., abgelehnt und ausgeführt, die Beschwerdeführer berücksichtigten nicht ausreichend, dass unter den hier gegebenen Umständen die Voraussetzungen für die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bzw. Flächenwidmungsplanes vorgelegen seien (Hinweis zur Abrundung eines bestehenden Betriebsgebietes auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 13.835/1994), die vorgenommene Umwidmung den Anforderungen des NÖ ROG 1976 entspreche und im Hinblick auf die Grünlandwidmung des Grundstückes der Beschwerdeführer insbesondere auch keine konfligierende Widmung geschaffen worden sei.

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des geltenden Flächenwidmungsplanes. Ein Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung dessen Rechtmäßigkeit hat daher zu unterbleiben.

Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, dass die Zustimmung des Grundeigentümers nicht vorliege bzw. nicht feststehe, wer als Konsenswerber auftrete, sind sie darauf hinzuweisen, dass ihnen diesbezüglich kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zusteht (dazu ist gemäß § 43 Abs. 2 2. Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2004/05/0006, zu verweisen).

Im Übrigen machen die Beschwerdeführer nicht geltend, dass sie dadurch, dass sich das hier gegenständliche Projekt ausdrücklich nur auf Baumaßnahmen bezieht, die nicht Gegenstand des zur hg. Zl. 2004/05/0006 (auf Grund einer Beschwerde derselben Beschwerdeführer) behandelten Verfahrens sind, in der Verfolgung ihrer in § 6 Abs. 2 BO taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte beeinträchtigt seien. Eine solche Beeinträchtigung ist auch nach der Aktenlage nicht ersichtlich. Das diesbezügliche Vorbringen führt die Beschwerde daher nicht zum Erfolg.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, Zl. 2001/05/0387, zu § 23 Abs. 1 iVm § 20 Abs. 1 BO ausgeführt hat, kommt den Baubehörden bei gewerblichen Betriebsanlagen (nur) eine "Restkompetenz" zu. Soweit der Regelungsinhalt einer Bestimmung der BO durch die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung erfasst ist, besteht keine gesetzliche Grundlage für die Baubehörde, die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Bauvorhabens nach diesen Bestimmungen zu beurteilen. Soweit der Regelungsinhalt baurechtlicher Vorschriften durch die gewerberechtlichen Vorschriften in diesem Sinne hingegen nicht abgedeckt ist, hat die Baubehörde vor Erteilung der Baubewilligung eine entsprechende Prüfung vorzunehmen.

Im Hinblick auf § 48 BO bedeutet dies zunächst, dass die Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen (§ 48 Abs. 1 Z 1 BO) von der Baubehörde nicht zu prüfen ist, da diese bereits Prüfgegenstand der Gewerbebehörde im gewerberechtlichen Betriebsanlagenverfahren gemäß § 77 Abs. 1 iVm 74 Abs. 2 Z 1 Gewerbeordnung 1994 ist.

Sehr wohl besteht allerdings die Prüfpflicht der Baubehörde hinsichtlich § 48 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 BO, ob nämlich eine örtlich unzumutbare Belästigung von Menschen durch Emissionen vorliegt. Die örtliche Zumutbarkeit ist nämlich nach § 48 Abs. 2 BO nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen. Eine derartige Prüfung hat die Gewerbebehörde nicht vorzunehmen. Diese hat vielmehr gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1994 die Zumutbarkeit der Belästigungen auf Grund der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse zu prüfen. Das bedeutet, dass die Gewerbebehörde die bei den Nachbarn nach den - tatsächlichen - örtlichen Verhältnissen zu erwartenden Immissionen der zu genehmigenden Betriebsanlage an den bei den Nachbarn nach den - tatsächlichen - örtlichen Verhältnissen bestehenden Immissionen jedweder Art, einschließlich jener bereits genehmigter Betriebsanlagen, zu messen hat. Die Lösung der Frage, ob von einer Betriebsanlage ausgehende Emissionen unzumutbare Belästigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 bewirken, hängt also nicht von der Widmung des Betriebsanlagenstandortes im Flächenwidmungsplan ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 98/04/0075).

Im Zusammenhang mit den subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten ist weiters darauf hinzuweisen, dass Nachbarn im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß § 359b Gewerbeordnung 1994 keine Parteistellung haben. Sie haben daher auch keine Gelegenheit, in diesem Verfahren den Immissionsschutz geltend zu machen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000, Zl. 2000/05/0210, ausgesprochen hat, muss § 23 Abs. 1 dritter Satz iVm § 20 Abs. 1 BO im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 1999, Slg. Nr. 15.417 (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1998, Slg. Nr. 15.360), so ausgelegt werden, dass den Nachbarn dort, wo ihnen im gewerbebehördlichen Verfahren keine Parteistellung zukommt, im Baubewilligungsverfahren die Möglichkeit eingeräumt ist, den ihnen durch die Bauordnung gewährten Immissionsschutz geltend zu machen.

Im vorliegenden Fall wurde von den Beschwerdeführern nicht bestritten, dass das Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht im "vereinfachten Verfahren" durchgeführt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass ihnen im gewerbebehördlichen Verfahren Parteistellung zukommt. Sie können daher dort den ihnen inhaltsgleich durch § 48 Abs. 1 Z 1 BO eingeräumten Immissionsschutz geltend machen.

Nicht geltend machen können sie vor der Gewerbebehörde den Immissionsschutz nach § 48 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 BO. Eine Beeinträchtigung insbesondere auch durch Lärmimmissionen haben die Beschwerdeführer bereits vor der mündlichen Verhandlung und damit zeitgerecht mit Schreiben vom 25. August 2003 geltend gemacht. Die belangte Behörde hätte auf diese Einwendungen unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 BO eingehen müssen (diesbezüglich wird gemäß § 43 Abs. 2 2. Satz VwGG zur näheren Begründung auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/05/0006, verwiesen). In Verkennung des Inhaltes des § 23 Abs. 1 iVm § 20 Abs. 1 BO hat die belangte Behörde dies unterlassen und ist davon ausgegangen, dass angesichts des gewerberechtlichen Verfahrens auf die Immissionseinwendungen der Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren nicht einzugehen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit mit ihm die Berufung der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers abgewiesen worden ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Februar 2006

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Gewerberecht Nachbar RechtsnachfolgerBesondere Rechtsgebietesachliche ZuständigkeitBaubewilligung BauRallg6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Auslegung Diverses VwRallg3/5Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004050128.X00

Im RIS seit

28.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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