TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/15 2005/18/0159

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.03.2006
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §19 Abs2 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §21 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §24a Abs8 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §32 Abs8 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §36b Abs1 idF 2003/I/101;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, geboren 1982, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. März 2005, Zl. SD 397/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. März 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 8. Dezember 2003 illegal nach Österreich gekommen und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der am 31. Dezember 2003 vom Bundesasylamt rechtskräftig abgewiesen worden sei. Er habe während seines Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt. Am 22. September 2004 habe er neuerlich einen Asylantrag eingebracht, welcher vom Bundesasylamt gemäß § 68 AVG iVm § 32 Abs. 8 AsylG "durchsetzbar" zurückgewiesen worden sei.

Mit Schreiben vom 1. September 2004 habe die Erstbehörde den Beschwerdeführer unter anderem aufgefordert, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt bekannt zu geben. In der Stellungnahme vom 17. September 2004 habe dieser angegeben, als Zeitungszusteller auf Werkvertragsbasis EUR 600,-- im Monat zu verdienen. Einen Nachweis für diese Behauptung habe er nicht vorgelegt. Auch in der Berufung habe er es unterlassen, die ihm zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel von sich aus (initiativ) darzulegen. Die bloße Behauptung, er sei nicht mittellos, weil er eine "finanzielle Unterstützung im Rahmen der Grundversorgung" erhalte und außerdem von Freunden unterstützt werde, sei nicht ausreichend. Er sei als mittellos anzusehen. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG sei erfüllt. Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sowie sein unrechtmäßiger Aufenthalt würden die öffentliche Ordnung in hohem Maß beeinträchtigen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei - vorbehaltlich der Bestimmungen der § 37 und § 38 leg. cit. - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Auf Grund seines mehr als einjährigen inländischen Aufenthaltes sei von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen relevanten Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung der Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe seinen unrechtmäßigen Aufenthalt trotz rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens fortgesetzt. Dass er einen weiteren Asylantrag eingebracht habe, könne ihm nicht zum Vorteil gereichen, weil gemäß § 32 Abs. 8 AsylG Berufungen gegen Entscheidungen, mit denen ein Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei, keine aufschiebende Wirkung zukomme, wenn über einen vorherigen Asylantrag des Asylwerbers - wie im vorliegenden Fall - in den der weiteren Antragstellung vorausgehenden zwölf Monaten bereits rechtskräftig abweisend entschieden worden sei. Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung zusätzlich, sodass das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei. Auch die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG gehe zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. In Ermangelung besonderer für den Beschwerdeführer sprechender Umstände könne auch im Rahmen des zustehenden Ermessens nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden. Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Nach § 36 Abs. 2 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

2. § 21 Abs. 1 AsylG in der hier anzuwendenden Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, lautet:

"(1) Auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz im Sinne des § 19 Abs. 1 genießen, oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, finden die §§ 36 Abs. 2 Z. 7 sowie 61 bis 63 FrG keine Anwendung. § 61 FrG findet jedoch Anwendung, wenn der Asylantrag von einem Fremden gestellt wird, über den vor Antragstellung die Schubhaft verhängt wurde und diese aufrecht ist."

§ 19 AsylG in der angegebenen Fassung lautet:

"§ 19. (1) Fremde, die einen Asylantrag gestellt haben, können bis zur Erlangung der Aufenthaltsberechtigungskarte oder bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz). § 17 gilt.

(2) Asylwerber, deren Asylverfahren zugelassen ist (§ 24a), sind bis zum rechtskräftigen Abschluss oder der Einstellung des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt; dieses Aufenthaltsrecht ist durch das Ausstellen einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 36b) zu dokumentieren.

(3) Wird der Berufung eines Fremden, dessen Asylantrag vom Bundesasylamt als unzulässig zurückgewiesen wurde, stattgegeben (§ 32a), ist dem Fremden an der Grenzübergangsstelle unter Vorlage der Berufungsentscheidung die Wiedereinreise zu gewähren und er ist an das Bundesasylamt zur Ausstellung der Aufenthaltsberechtigungskarte zu verweisen. Der Asylwerber hat sich unverzüglich zur nächstgelegenen Außenstelle des Bundesasylamtes zu begeben."

§ 24a Abs. 8 AsylG in der angegebenen Fassung lautet:

"(8) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrages, dass der Asylantrag als unzulässig gemäß der §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, ist der Antrag zugelassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 geführt; Abs. 4 gilt. Die Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 oder eine Entscheidung gemäß der §§ 7 oder 10 ersetzt die Entscheidung im Zulassungsverfahren. Satz 1 gilt nicht, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzieht und das Verfahren eingestellt oder als gegenstandslos abgelegt wird."

§ 32 Abs. 8 AsylG in der angegebenen Fassung lautet:

"(8) Berufungen gegen Entscheidungen, mit denen ein Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, kommt keinesfalls aufschiebende Wirkung zu, wenn über einen vorherigen Asylantrag des Asylwerbers in den der weiteren Antragstellung vorausgehenden zwölf Monaten bereits rechtskräftig entschieden wurde."

Der faktische Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Asylantrag gestellt hat, endet - soweit hier von Bedeutung - mit der Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung (§ 19 Abs. 1 AsylG). Als durchsetzbare Entscheidung ist im vorliegenden Fall die erstinstanzliche Zurückweisung seines Asylantrages wegen entschiedener Sache zu qualifizieren, weil einer dagegen erhobenen Berufung gemäß § 32 Abs. 8 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 2004, Zl. 2004/18/0319). Diese durchsetzbare Entscheidung muss allerdings binnen 20 Tagen nach Einbringung des Antrags ergehen, weil der faktische Abschiebeschutz sonst - bei Erfüllung der in § 19 Abs. 2 AsylG iVm § 24a Abs. 8 AsylG normierten Voraussetzungen - in eine Aufenthaltsberechtigung des Asylwerbers übergeht.

Der Beschwerdeführer hat auf Grund seines neuerlichen Asylantrages vom 22. September 2004 gemäß § 19 Abs. 1 AsylG faktischen Abschiebeschutz genossen. Der im Akt erliegenden AIS-Auskunft der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. März 2005 ist zu entnehmen, dass der Bescheid, mit dem der neuerliche Asylantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden ist, am 25. Oktober 2004 erlassen wurde. Dagegen hat der Beschwerdeführer am 4. November 2004 Berufung erhoben. Da binnen 20 Tagen ab Einbringung des neuerlichen Asylantrages am 22. September 2004 keine Entscheidung des Bundesasylamtes mit dem in § 24a Abs. 8 AsylG genannten Inhalt vorlag, ist der neuerliche Asylantrag des Beschwerdeführers - der genannten Bestimmung zufolge - als zugelassen anzusehen. Gemäß § 19 Abs. 2 FrG hat der somit bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Asylverfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigte Beschwerdeführer Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte nach § 36b Abs. 1 AsylG. Sohin findet § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG auf ihn keine Anwendung (§ 21 Abs. 1 AsylG). Auf eine Mittellosigkeit des Beschwerdeführers kann das Aufenthaltsverbot daher nicht gestützt werden.

3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. März 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180159.X00

Im RIS seit

08.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten