TE Vfgh Erkenntnis 2002/2/28 V64/01 ua

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Veröffentlicht am 28.02.2002
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Index

L3 Finanzrecht
L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art139 Abs6 zweiter Satz
FAG 1993 §15 Abs3 Z5
KanalgebührenO der Gemeinde Ehrwald vom 17.08.93 §4 Z3 litb
Tir KanalisationsG §3
WasserleitungsgebührenO der Gemeinde Ehrwald vom 17.08.93 §4 Z3 litb

Leitsatz

Aufhebung der Festlegung einer über der Median-Menge liegenden Mindestmenge als Grundlage für eine Mindestgebühr bzw Bereitstellungsgebühr in der Wasserleitungsgebühren- bzw Kanalgebührenordnung einer Gemeinde wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz; Zweitwohnsitze nicht ausschlaggebend; Ausdehnung der Anlaßfallwirkung

Spruch

§4 Z3 litb der Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Ehrwald vom 17. August 1993 und §4 Z3 litb der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Ehrwald vom 17. August 1993, jeweils kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 20. August 1993 bis zum 6. September 1993, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Die aufgehobenen Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2307/98 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer einer Liegenschaft (Wohnungseigentümer einer "Ferienwohnung") im Gebiet der Gemeinde Ehrwald und wird als solcher für die Zahlung von Benützungsgebühren hinsichtlich einer Wasserleitungs- und einer Kanalisationsanlage in Anspruch genommen.

Mit Bescheid vom 4. März 1997 schrieb der Bürgermeister dieser Gemeinde dem Beschwerdeführer für das erste Vierteljahr 1997 Wasserbenützungs- und Kanalbenützungsgebühren vor (S 280,- und S 780,-, jeweils zuzüglich USt.), und zwar jeweils auf der Grundlage eines Mindestverbrauchs von 200 m3 pro Jahr. Eine Berufung dagegen und einen Antrag auf "Zuerkennung des sogenannten 'Einheimischenstatus'" wiesen der Bürgermeister mit Berufungsvorentscheidung vom 4. April 1997 und der Gemeindevorstand mit Bescheid vom 3. Juni 1997 ab.

Mit Bescheid vom 22. Juli 1997 gab die Tiroler Landesregierung einer Vorstellung statt und hob den Berufungsbescheid auf. Der Gemeindevorstand wies jedoch mit Bescheid vom 9. September 1998 (ausgefertigt unter dem Datum des 18. September 1998) die Berufung auch im zweiten Rechtsgang ab und verwies auf die Änderung der "Förderungsrichtlinien" (su. Pkt. 3.3.2.2.). Mit Bescheid vom 19. Oktober 1998 wies die Tiroler Landesregierung die gegen diesen Berufungsbescheid gerichtete Vorstellung ab.

Dieser Vorstellungsbescheid vom 19. Oktober 1998 beschäftigt sich in seiner Begründung mit der Wasserbenützungs- und mit der Kanalbenützungsgebühr; im Betreff und im Spruch bezieht er sich jedoch nur auf die Wasserbenützungsgebühr. Mit Bescheid vom 28. Oktober 1998 wurde der Spruch gemäß §62 Abs4 AVG dahingehend berichtigt, daß es statt "Wasserbenützungsgebühr" richtig "Kanal- und Wasserbenützungsgebühr" zu lauten habe.

1.2. Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die Beschwerde.

2.1. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §4 Z3 litb der Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Ehrwald (in der Folge: WasserleitungsgebührenO) und des §4 Z3 litb der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Ehrwald (in der Folge: KanalgebührenO) entstanden. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, von Amts wegen Verfahren zur Prüfung dieser Bestimmungen einzuleiten.

2.2. Die Tiroler Landesregierung hat davon abgesehen, eine Äußerung zu erstatten.

Der Gemeinderat der Gemeinde Ehrwald hat eine Stellungnahme abgegeben, in welcher er die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen verteidigt.

3. Das Verwaltungsgeschehen des Anlaßverfahrens und der dort angefochtene Bescheid sind vor folgendem rechtlichen Hintergrund zu sehen:

3.1. Am 17. August 1993 beschloß der Gemeinderat der Gemeinde Ehrwald die WasserleitungsgebührenO und die KanalgebührenO (in der Folge gemeinsam als "Gebührenordnungen" bezeichnet).

§4 WasserleitungsgebührenO lautete in der Stammfassung auszugsweise (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Par. 4

Höhe der Gebühren - Bemessungsgrundlage

...

3. a) Die Höhe der Benützungsgebühr beträgt S 5,-- je m³ Wasserbezug inkl. gesetzl. Mwst.

b) Als sogenannte Bereitstellungsgebühr ist pro Haushalt eine jährliche Mindestgebühr von 200 m³ Wasserverbrauch zu bezahlen.

c) Als Stichtag der Ermittlung des Wasserverbrauches gilt der 01. Dezember jeden Jahres.

..."

§4 KanalgebührenO lautete in der Stammfassung auszugsweise (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Par. 4

Bemessungsgrundlage und Höhe der Kanalbenützungsgebühr

1. Bemessungsgrundlage ist der durch Wasserzähler gemessene Wasserverbrauch, wobei der Abwasseranfall von Ende November eines Jahres ermittelt wird (Wasserverbrauch).

2. a) Die Gebühr beträgt S 12.70 pro m³ Abwasser plus gesetzl. Mwst. für jene Objekte, deren Abwasser in der zentralen Kläranlage gereinigt werden - Vollanschluß;

b) S 7,00 pro m³ Abwasser plus gesetzl. MwSt. für jene Objekte, welche noch eine Hauskläranlage in Betrieb halten müssen - Teilanschluß;

3. a) Für alle jene Objekte, die mit dem Einbau der Wasserzähler säumig sind, wird pro Person ein Mindestjahresverbrauch von 100 m³ verrechnet. Zusätzlich werden in diesem Fall 60 m³ Wasserverbrauch pro gemeldetem Gästebett, sowie 30 m³ Wasserverbrauch pro m² Betriebsfläche in gastgewerblichen Betrieben als Mindestverbrauch der Berechnung zugrunde gelegt.

b) Für an den Kanal angeschlossene Objekte, wird ein Abwasseranfall von 200 m³ als Mindestgebühr in Rechnung gestellt (Bereitstellungsgebühr).

..."

Die Z4 und 5 des §4 KanalgebührenO enthalten Regelungen für den Fall, daß Wasser aus nicht gemeindeeigenen Anlagen bezogen wird, und über Freimengen für Objekte mit Viehhaltung.

Beide Gebührenordnungen wurden durch Anschlag an der Amtstafel vom 20. August 1993 bis zum 6. September 1993 kundgemacht. Sie traten am 1. Dezember 1993 in Kraft (§9 WasserleitungsgebührenO, §7 KanalgebührenO) und wurden in der Folge mehrfach abgeändert.

3.2.1. Der oben wiedergegebene Teil des §4 WasserleitungsgebührenO wurde durch die Beschlüsse vom 15. November 1994 (kundgemacht durch Anschlag vom 16. November bis zum 1. Dezember 1994), vom 15. November 1995 (angeschlagen vom 16. November bis zum 4. Dezember 1995) und vom 17. November 1998 (angeschlagen vom 20. November bis zum 10. Dezember 1998) geändert, durch die jeweils die Benützungsgebühr erhöht wurde. Durch den zweiten der genannten Beschlüsse erhielt §4 Abs3 lita WasserleitungsgebührenO - mit Wirkung vom 1. Dezember 1995 - folgende Fassung:

"Die Höhe der Benützungsgebühr beträgt S 6,-- je m³ Wasserbezug inkl. gesetzl. MwSt."

3.2.2. Der oben wiedergegebene Teil des §4 KanalgebührenO - und zwar §4 Z2 - wurde durch die Beschlüsse vom 15. November 1994 (angeschlagen vom 16. November bis zum 1. Dezember 1994), vom 3. Jänner 1995 (angeschlagen vom 5. Jänner bis zum 23. Jänner 1995), vom 15. November 1995 (angeschlagen vom 16. November bis zum 4. Dezember 1995), vom 12. November 1996 (angeschlagen vom 13. November bis zum 11. Dezember 1996) und vom 28. Oktober 1997 (angeschlagen vom 5. November bis zum 20. November 1997) geändert, durch die jeweils die Gebühr erhöht wurde. Aufgrund des Beschlusses vom 12. November 1996 betrug die Gebühr (mit Wirkung vom 1. Dezember 1996) S 19,- (§4 Z2 lita) bzw. S 10,- (§4 Z2 litb) pro m3 Abwasser "inkl. gesetzl. Ust.".

3.2.3. §4 Z3 litb beider Gebührenordnungen - also die jeweils in Prüfung gezogene Bestimmung - gilt noch in der Stammfassung.

Wie aus den vorgelegten Akten hervorgeht, vertrat die Tiroler Landesregierung in mehreren Schreiben an die Gemeinde Ehrwald die Ansicht, die Annahme einer Mindestmenge von 200 m3 sei überhöht (zur WasserleitungsgebührenO: Schreiben vom 6. August 1993, vom 28. September 1993, vom 17. Dezember 1993, vom 11. Dezember 1996 und vom 28. Oktober 1998; zur KanalgebührenO: Schreiben vom 6. August 1993, vom 22. September 1993, vom 17. Dezember 1993 und vom 28. Oktober 1998) und drohte zuletzt mit der aufsichtsbehördlichen Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen gemäß §114 Tiroler Gemeindeordnung 1966 LGBl. 4. Üblicherweise werde eine Mindestmenge von 100 m3 festgelegt. Für einen ständigen Bewohner sei eine Mindestmenge von 40 m3 zu unterstellen. Der Gemeinderat änderte die betreffenden Regelungen jedoch nicht, vielmehr wies die Gemeinde auf ihre hohen Kosten hin.

3.3.1. Am 21. September 1993 faßte der Gemeinderat der Gemeinde Ehrwald einen Beschluß "betr. Förderungsmaßnahmen im Bezug auf die mit 01.12.1993 in Kraft tretenden neuen Wasserleitungs- und Kanalgebührenordnungen" (im folgenden als "Förderungsrichtlinien" bezeichnet), deren Z1 wie folgt lautete:

"1. Einheimischen Gemeindebürgern wird im Bezug auf die Wasser- und Kanalgebühr insoferne eine Ermäßigung gewährt, als diese die Gebühren vom tatsächlichen Verbrauch, ohne Anrechnung der Jahresmindestgebühr, zu bezahlen haben.

1.1. Als Einheimische gelten gebührenpflichtige Personen, welche seit 10 Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Ehrwald haben und die österr. Staatsbürgerschaft besitzen.

1.2. Diesen Personen gleichgestellt sind Gebührenpflichtige, deren Eltern zum Zeitpunkt ihrer Geburt in Ehrwald den ordentlichen Wohnsitz hatten und österr. Staatsbürger sind.

1.3. Ferner erhalten Gebührenpflichtige den einheimischen Status, wenn nur ein Ehepartner die Voraussetzung nach Punkt 1.1. und 1.2. erfüllt."

Dieser Beschluß wurde am 24. September 1993 an der Amtstafel angeschlagen; wann der Anschlag abgenommen wurde, ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen.

3.3.2.1. 1997 kam es zum oben geschilderten Verwaltungsgeschehen. In ihrem (ersten) Vorstellungsbescheid vom 22. Juli 1997 brachte die belangte Behörde zum Ausdruck, daß Mindestgebühren zwar grundsätzlich zulässig seien, im vorliegenden Fall sei jedoch nicht anzunehmen, daß eine Mindestwassermenge von 200 m3 je Haushalt und Jahr den Erfahrungen des täglichen Lebens entspreche. Offenbar aus diesem Grund habe die Gemeinde die "Einheimischenrichtlinie" (die "Förderungsrichtlinien") erlassen, die jedoch einseitig belastend sei und einer sachlichen Rechtfertigung entbehre, sodaß sie dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche.

3.3.2.2. Als Reaktion darauf beschloß der Gemeinderat am 20. Jänner 1998 eine Änderung der "Förderungsrichtlinien"; danach lautet deren Z1 nunmehr wie folgt:

"Allen Gemeindebewohnern, welche einen Jahresverbrauch unter 200 m³ Wasser haben, wird im Bezug auf die Wasser- und Kanalbenützungsgebühr die Möglichkeit eingeräumt, um eine Förderung in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem tatsächlichen Verbrauch lt. Zählerablesung und dem Mindestverbrauch beim Gemeindeamt anzusuchen."

Danach wurde beschlossen, daß diese Änderung ab dem 1. Dezember 1996 wirksam sein solle.

Den Akten, die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt worden sind, ist nicht zu entnehmen, daß dieser Beschluß an der Amtstafel angeschlagen worden wäre. Der Beschwerdeführer hat im Anlaßverfahren zwei Schreiben des Bürgermeisters an einen anderen Gebührenpflichtigen vorgelegt: Im ersten (vom 4. Feber 1998) wird mitgeteilt, daß der Gemeinderat einen Beschluß gefaßt habe, der in der Folge referiert wird (der Beschluß vom 20. Jänner 1998), und daß es dem Gebührenpflichtigen freistehe, mit einem formlosen Ansuchen um Förderung anzusuchen; das zweite (vom 3. Juli 1998) beschränkt sich auf die Mitteilung, der Gemeindevorstand habe dem Ansuchen des Gebührenpflichtigen um Förderung nicht stattgegeben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. Oktober 1998, der mit Bescheid vom 28. Oktober 1998 berichtigt worden ist. In seinem Einleitungsbeschluß nahm der Gerichtshof vorläufig an, daß er unter diesen Umständen den Bescheid vom 19. Oktober 1998 in der berichtigten Fassung seiner Überprüfung zugrundezulegen habe, da der Berichtigungsbescheid mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit bilde (Hinweis auf VfSlg. 14955/1997 mwN). Der Verfassungsgerichtshof nahm weiters vorläufig an, daß die Beschwerde zulässig sei, daß die belangte Behörde die in Prüfung genommenen Verordnungsstellen bei Erlassung dieses Bescheides angewandt habe und daß auch er sie bei der Beurteilung der Beschwerde anzuwenden habe.

Im Verfahren ist nichts vorgebracht worden oder sonst hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß diese Annahmen zutreffen.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache selbst hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die in Prüfung genommenen Vorschriften gegen das allgemeine Sachlichkeitsgebot verstoßen, das aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließt, weil Mindestgebühren zwar grundsätzlich zulässig seien (vgl. Pkt. 2.2.1.), ihre konkrete Ausgestaltung durch die beiden Gebührenordnungen aber unsachlich sei (Pkt. 2.2.2.).

2.1. Die Wasserleitung und die Kanalisationsanlage (§3 Tiroler KanalisationsG, LGBl. 40/1985, nunmehr §3 TiKG 2000, LGBl. 1/2001) sind Einrichtungen der Gemeinde, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden. Die beiden Gebührenordnungen finden ihre Rechtsgrundlage in §15 Abs3 Z5 FAG 1993 bzw. FAG 1997 (vgl. VfSlg. 11559/1987, 13310/1992, 14642/1996 uva.). Danach sind die Gemeinden ermächtigt, Gebühren für die Benützung derartiger Einrichtungen und Anlagen auszuschreiben.

2.2.1. In VfSlg. 8998/1980 hatte der Verfassungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit einer Gebührenordnung zu beurteilen, welche für die Wasserverbrauchsgebühr bei Wohngebäuden zwei feste Sätze vorsah, und zwar abgegrenzt nach der Wohn- und Nutzfläche, sodaß für Wohngebäude mit sehr geringer Wohnfläche dieselbe Gebühr wie für andere Gebäude dieser Kategorie zu entrichten war, im Ergebnis also eine Mindestgebühr. Der Gerichtshof kam zu dem Schluß, es sei nicht unsachlich, wenn bei der Gebührenbemessung nicht auf den konkreten Wasserverbrauch, sondern auf die Wohnungs- bzw. Betriebsgröße abgestellt werde. Es sei sachlich anzunehmen, "daß die der Gemeinde für den Betrieb, die Erhaltung und die Erweiterung der Wasserleitungsanlage erwachsenden Kosten nur zum geringen Teil durch den größeren oder kleineren Wasserverbrauch entstehen, zum überwiegenden Teil aber durch das jederzeitige Bereitstellen und Bereithalten des Wassers" (vgl. dem folgend auch VfSlg. 13310/1992). Der Verfassungsgerichtshof hat auch ausdrücklich Berechnungsschlüssel für unbedenklich erachtet, in die das Ausmaß der Benützung nur mittelbar einging, wie zB über die Anzahl der Personen, die Hausgröße oder die Nutzfläche (VfSlg. 5028/1965, 8998/1980, 10947/1986, 13310/1992). Auch dies läuft aber letztlich auf eine Mindestgebühr hinaus.

Anders als die damals in Rede stehende Gebührenordnung stellen die beiden Gebührenordnungen der Gemeinde Ehrwald grundsätzlich auf den tatsächlichen Wasserbezug bzw. Abwasseranfall (fortan beide als "Verbrauch" bezeichnet) ab. (Gegen einen solchen Berechnungsmodus bestehen grundsätzlich keine Bedenken (VfSlg. 9889/1983, 10947/1986, 13310/1992)). Für ein Objekt, das wenig oder - im äußersten Fall - gar nicht bewohnt wird und bei dem daher weder Wasser bezogen noch Abwasser entsorgt wird, wären somit keine Gebühren zu entrichten. Aus der Überlegung in VfSlg. 8998/1980 folgt, daß es auch in solchen Fällen zulässig ist, eine Gebühr einzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hat daher grundsätzlich keine Bedenken dagegen, daß eine Bereitstellungsgebühr vorgesehen wird, sei es - in der Art einer Grundgebühr - zusätzlich zu einer (dem tatsächlichen Verbrauch entsprechenden) Benützungsgebühr (vgl. zB §9 NÖ GemeindewasserleitungsG 1978 LGBl. 6930-2, §24 G über den Wasserleitungsverband der Triestingtal- und Südbahngemeinden, nö LGBl. 1652-3), sei es in Form einer Mindestgebühr (vgl. zB §9 Abs1 Sbg. BenützungsgebührenG LGBl. 31/1963). In diesem Sinne hatte der Verfassungsgerichtshof auch keine Bedenken gegen eine Mindestwassergebühr nach dem NÖ GemeindewasserleitungsG, die dort für die ersten sechs Jahre nach der Inbetriebnahme der Wasserleitungsanlage vorgesehen war und das Ziel verfolgte, die zunächst zu entrichtende Wasseranschlußgebühr in erträglicher Höhe zu halten (VfSlg. 10738/1985, vgl. auch VfSlg. 10733/1985 und 10791/1986, die jeweils auch Bezug auf VfSlg. 8998/1980 nehmen).

2.2.2. Auch die beiden Gebührenordnungen der Gemeinde Ehrwald sehen, jeweils in ihrem §4 Z3 litb, eine "Bereitstellungsgebühr" vor (so ausdrücklich die KanalgebührenO, in der WasserleitungsgebührenO als "sogenannte Bereitstellungsgebühr" bezeichnet), und zwar auf der Grundlage eines (fiktiven) Verbrauchs von 200 m3 je Haushalt und Jahr.

Seine Bedenken gegen diese Ausgestaltung der Bereitstellungsgebühr legte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß wie folgt dar: Es scheine,

"daß die Kosten, die der Gemeinde durch die bloße Bereitstellung entstehen, niemals höher sein können als die Gesamtkosten der Anlage, weil sie offenbar nur einen Teil dieser Gesamtkosten bilden. Es dürfte daher unsachlich sein und gegen den Gleichheitssatz verstoßen, von einem Mindestwasserverbrauch auszugehen, der nicht mehr in einem ausgewogenen Verhältnis zum tatsächlichen Verbrauch liegt. Wann ein dieserart ausgewogenes Verhältnis nicht (mehr) vorliegt, dürfte sich nur unzulänglich allgemein umschreiben lassen; es scheint aber, daß die Mindestmenge jedenfalls (gleichzeitig) zwei Kriterien erfüllen muß: Einerseits darf sie anscheinend in der Regel nicht über der durchschnittlichen Verbrauchsmenge aller Objekte liegen, also nicht über dem arithmetischen Mittel aller einzelnen Wasserverbrauchsmengen. Andererseits darf sie anscheinend in der Regel aber auch nicht über jener Menge liegen, die in der Wissenschaft von der Statistik als Median oder Zentralwert bezeichnet wird, das ist der Wert in der Mitte der nach ihrer Größe geordneten Reihe der Werte (hier: der Verbrauchsmengen). Im vorliegenden Fall wäre das Medianobjekt also jenes Objekt, dessen Wasserverbrauch größer als der Wasserverbrauch der einen Hälfte aller angeschlossenen Objekte, aber kleiner als der Verbrauch der anderen Hälfte dieser Objekte ist. (Diese beiden Vergleichsmengen - das arithmetische Mittel aller Mengen und die Menge des Medianobjekts - werden vor allem dann deutlich auseinander liegen, wenn einer kleinen Zahl starker Verbraucher eine Vielzahl schwacher Nutzer gegenübersteht.) Wie weit unter diesen Vergleichsmengen die Mindestmenge liegen muß, dürfte auch davon abhängen, wie sehr - nach den örtlichen Gegebenheiten - die Kosten der Anlage durch die bloße Bereitstellung verursacht werden.

Andererseits geht der Gerichtshof - entgegen den Annahmen der Beschwerde und der belangten Behörde - vorläufig davon aus, daß es möglicherweise zulässig ist, bei der durchschnittlichen bzw. der Median-Menge im erwähnten Sinn nur auf ständige Bewohner abzustellen, weil Personen, die sich nur in einem geringen Teil des Jahres im angeschlossenen Objekt aufhalten, die Anlagen während dieser Zeit doch voll nützen und sie auch in der übrigen Zeit für sie bereitgehalten werden müssen. So hat der Verfassungsgerichtshof auch in VfSlg. 8998/1980 dem Vorbringen der damaligen Beschwerdeführer, sie benützten ihr Wochenendhaus nur selten und verbrauchten daher relativ wenig Wasser, entgegengehalten, es stehe ihnen frei, jederzeit ihre Häuser zu benützen. Ebenso hat er schon in VfSlg. 4488/1963 einen Berechnungsschlüssel für unbedenklich erachtet, der - im Fall eines zumeist leerstehenden Sommerhauses - zu einem Wasserzins führte, der den tatsächlichen Verbrauch (nach den Angaben der damaligen Beschwerdeführerin) weit überstieg.

Es scheint nun, daß die beiden Gebührenordnungen die Mindestmenge zu hoch ansetzen. Legt man die beiden angeführten Kriterien an, so scheint sich zu zeigen, daß die Mindestmenge von 200 m3 unter der durchschnittlichen Verbrauchsmenge, also dem arithmetischen Mittel, liegt: Die durchschnittliche Wasserbezugsmenge schwankte, wie sich aus den Unterlagen ergibt, welche die Gemeinde Ehrwald vorgelegt hat, in den Jahren 1994 bis 2000 zwischen 300,98 m3 und 390,29 m3; die entsprechenden Zahlen für den Abwasseranfall lauten 254,84 m3 und 330,46 m3. Diese Mengen liegen deutlich über der Mindestmenge von 200 m3. Es scheint daher, daß diese Mindestmenge das erste der beiden angeführten, vorläufig angenommenen Kriterien erfüllt. Sie dürfte jedoch gegen das zweite Kriterium verstoßen: Es scheint nämlich, daß sie über den jeweiligen Median-Mengen liegt. Davon geht der Gerichtshof vorläufig deshalb aus, weil der Anteil jener Objekte, deren Wasserbezug unter der Mindestmenge von 200 m3 liegt, in den Jahren 1994 bis 2000 zwischen 60,5 % und 65,1 % schwankte, somit deutlich mehr als die Hälfte, ja mitunter beinahe zwei Drittel aller angeschlossenen Objekte umfaßte. Für den Abwasseranfall hat die Gemeinde Ehrwald diesbezüglich keine Zahlen vorgelegt; der Verfassungsgerichtshof geht jedoch vorläufig davon aus, daß die Prozentsätze dort noch höher liegen dürften, dies deshalb, weil der Gesamtabwasseranfall in jedem Jahr merklich unter dem Gesamtwasserbezug liegt, die Mindestmenge in beiden Gebührenordnungen jedoch in gleicher Höhe festgesetzt ist.

Der hohe Prozentsatz von Objekten, deren Wasserbezug unter der Mindestmenge liegt, dürfte sich auch nicht ausschließlich oder überwiegend damit erklären lassen, daß sich viele Personen nur einen geringen Teil des Jahres in den angeschlossenen Objekten aufhalten. Der Anteil der Personen mit Zweitwohnsitz an der Zahl der ansässigen Personen insgesamt schwankte nämlich in den angegebenen Jahren zwischen 21,7 % und 28,3 %.

Daß die beiden Gebührenordnungen die Mindestmenge zu hoch ansetzen, schließt der Verfassungsgerichtshof vorläufig aber auch daraus, daß der Gemeinderat "Förderungsrichtlinien" beschloß, nach deren ursprünglicher Fassung alle einheimischen Gemeindebürger auf Antrag eine Förderung erhalten konnten, die der Gebühr für die Differenz zwischen der Mindestmenge und der tatsächlich angefallenen Menge an Wasser (Abwasser) entsprach. Es scheint, daß die Stammfassung dieser Richtlinien einen Rechtsanspruch gewährte. Selbst wenn dies nicht der Fall (gewesen) sein sollte, dürfte der Gemeinderat ins Auge gefaßt haben, daß einer erheblichen Zahl einheimischer Gemeindebürger diese "Förderung" zuteil werde. Nach der Neufassung dieser Richtlinien, die jedoch nicht kundgemacht worden zu sein scheint, dürfte kein Rechtsanspruch bestehen. Nach den Absichten des Gemeinderates soll die Förderung jedoch offenbar einer erheblichen Zahl von Gebührenpflichtigen gewährt werden. In der Tat wurde in den Jahren 1994 bis 2000 nur ein geringer Teil der Förderungsansuchen hinsichtlich der Wasserleitungsgebühren abgelehnt, und zwar zwischen 1994 und 1997 zwischen 20,4 % und 22,2 %, in den Jahren 1998 bis 2000 (am 20. Jänner 1998 waren die "Förderungsrichtlinien" neu gefaßt worden, wenngleich mit Wirkung vom 1. Dezember 1996) zwischen 13,7 % und 14,8 %. (Bezieht man die Zahl der abgelehnten Förderungsansuchen auf die Zahl der angeschlossenen Objekte insgesamt, so ergeben sich für 1994 bis 1997 Prozentsätze zwischen 13,1 und 13,9, für 1998 bis 2000 von 8,9 bis 9,6.) Zur Förderung von Differenzbeträgen, die sich aus Vorschreibungen von Kanalgebühren ergeben, sind keine Zahlen vorgelegt worden.

Auf die Rechtsnatur und die Rechtmäßigkeit dieser Richtlinien ist im vorliegenden Zusammenhang nicht einzugehen. Zwar haben sich die Berufungsvorentscheidung und der Berufungsbescheid (im ersten Rechtsgang) mit einem Antrag auf "Zuerkennung des sogenannten 'Einheimischenstatus'" befaßt; da dieser Antrag im fortgesetzten Verfahren jedoch nicht weiter behandelt worden ist, geht der Gerichtshof davon aus, daß die "Förderungsrichtlinien", sollten sie eine Verordnung sein, nicht präjudiziell sind.

Es scheint, daß eine Mindestmenge jedenfalls zu hoch angesetzt ist, wenn sie bei einer großen Zahl von Objekten über dem tatsächlichen Verbrauch liegt und überdies einer erheblichen Zahl von Gebührenpflichtigen die Gebühren für die Differenzmenge im Ergebnis rückerstattet werden. Genau dies dürfte aber, wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt und wie sich aus den vorgelegten Unterlagen hinsichtlich des Wasserbezuges zu ergeben scheint, in der Gemeinde Ehrwald der Fall sein. Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig nicht einzusehen, welchen Zweck eine Mindestgebühr haben soll, die - im "überschießenden" Ausmaß - einer großen Zahl von Gebührenpflichtigen, aber eben nicht allen, rückvergütet wird. Es scheint, daß die hohen Kosten, welche die Gemeinde ins Treffen führt, unter diesen Umständen eine Mindestgebühr nicht rechtfertigen können."

2.2.3.1. Die mitbeteiligte Gemeinde Ehrwald hat im Anlaßverfahren eine Übersicht vorgelegt, auf der die Zahlenannahmen des Prüfungsbeschlusses beruhen. Im Verordnungsprüfungsverfahren hat sie die Übersicht ergänzt (ein Auszug aus beiden Unterlagen ist im Anhang wiedergegeben). Der Verfassungsgerichtshof kann daher die Zahlenangaben des Prüfungsbeschlusses zT berichtigen und ergänzen, sodaß sich insgesamt folgendes Bild ergibt:

Die durchschnittliche Wasserbezugsmenge schwankte in den Jahren 1994 bis 2000 zwischen 300,98 m3 und 390,29 m3; die entsprechenden Zahlen für den Abwasseranfall lauten 278,79 m3 und 360,32 m3. Der Anteil jener Objekte, deren Wasserbezug unter der Mindestmenge von 200 m3 lag, schwankte in diesem Zeitraum zwischen 60,5 % und 65,1 %. Die entsprechenden Zahlen für den Abwasseranfall lauten 61,8 % und 83,9 %. Der Anteil der Personen in Zweitwohnsitzen an der Zahl der ansässigen Personen in Objekten, die Wasser aus der Gemeindewasserleitung bezogen, schwankte zwischen 21,7 % und 28,3 %. Der Anteil der Zweitwohnsitze an allen Objekten, die an den Gemeindekanal angeschlossen waren, schwankte zwischen 7,5 % und 9,3 %. Von den Hauptwohnsitzen hatten in den einzelnen Jahren zwischen 59 % und 82,4 % einen Abwasseranfall unter 200 m3.

Zwischen 1994 und 2000 wurden im Durchschnitt 105 Förderungsansuchen hinsichtlich des Wasserbezugs abgelehnt. Im einzelnen waren das von 1994 bis 1997 zwischen 20,4 % und 22,8 % der Ansuchen, von 1998 bis 2000 zwischen 13,7 % und 14,8 %. Bezogen auf die Zahl der angeschlossenen Objekte insgesamt, ergeben sich für 1994 bis 1997 Prozentsätze zwischen 13,1 und 13,9, für 1998 bis 2000 von 8,9 bis 9,6. Für die Kanalgebühren lauten die entsprechenden Zahlen:

Zwischen 1994 und 2000 wurden zwischen 10,6 % und 12,2 % der Förderungsansuchen abgelehnt; ds. bezogen auf die Zahl der angeschlossenen Objekte insgesamt 6,7 % bzw. 9,2 %. Dabei wurden für alle Objekte, deren Verbrauch unter dem Mindestverbrauch lag, Förderungsansuchen gestellt; es wurden hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühren jeweils so viele abgelehnt, wie der Zahl der Zweitwohnsitze entsprach. Für die Wasserbenützungsgebühren läßt sich das aufgrund der vorgelegten Zahlen nicht präzise sagen.

2.2.3.2. Daraus ergibt sich mit Blick auf die Annahmen des Prüfungsbeschlusses, daß die durchschnittlichen Verbrauchsmengen deutlich über der Mindestmenge von 200 m3 lagen. Der Anteil jener Objekte, deren Verbrauch unter dieser Mindestmenge lag, umfaßte jedoch wesentlich mehr als die Hälfte aller angeschlossenen Objekte; die Median-Menge lag also unter der Mindestmenge.

2.3.1.1. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei den Annahmen des Prüfungsbeschlusses: Es liegt auf der Hand, daß die Kosten, die der Gemeinde durch die bloße Bereitstellung entstehen, nicht höher sein können als die Gesamtkosten der Anlage, weil sie selbst einen Teil davon ausmachen. Er bleibt auch dabei, daß die Mindestmenge gleichzeitig zwei Kriterien erfüllen muß, daß sie nämlich in der Regel nicht über der durchschnittlichen Verbrauchsmenge aller Objekte liegen darf, also nicht über dem arithmetischen Mittel aller einzelnen Wasserverbrauchsmengen, und daß sie jedenfalls dann, wenn sich die Verbrauchsmengen kraß ungleichmäßig verteilen, auch nicht über der Median-Menge liegen darf. Der Gerichtshof betont aber, daß es möglicherweise zulässig ist, bei der durchschnittlichen bzw. der Median-Menge nur auf die ständigen Bewohner abzustellen, weil Personen, die sich nur in einem geringen Teil des Jahres im angeschlossenen Objekt aufhalten, die Anlagen während dieser Zeit doch voll nützen und sie auch in der übrigen Zeit für sie bereitgehalten werden müssen (vgl. VfSlg. 8998/1980). Dies braucht aber nicht weiter untersucht zu werden, weil ein solcher Fall hier offenkundig nicht vorliegt: Denn wie sich aus den oben (Pkt. 2.2.3.1.) wiedergegebenen Zahlen ergibt, machten die Zweitwohnsitze bzw. deren Bewohner nur einen kleinen Teil jener Objekte bzw. Personen aus, deren Verbrauch unter der Mindestmenge liegt.

2.3.1.2. Gegen diese Annahmen des Prüfungsbeschlusses hat sich auch die Gemeinde Ehrwald nicht gewandt; sie hat vielmehr eingeräumt, daß die Mindestmenge über der Median-Menge liegt. Die Gemeinde weist darauf hin, "dass durchschnittlich 105 Personen die Gebühr für 200 m³ zu bezahlen haben". Damit zielt sie auf jene im Durchschnitt 105 Objekte, deren Förderungsansuchen hinsichtlich des Wasserbezuges abgelehnt wurden (vgl. oben Pkt. 2.2.3.1.), die also die Mindestgebühr letztlich tatsächlich tragen mußten, ohne daß ihr Verbrauch den Mindestverbrauch erreicht hätte. Bei diesem Personenkreis handle es sich, so die Gemeinde weiter, um "Freizeitwohnsitzler", die den Wohnsitz nur zu Freizeit- und Erholungszwecken iSd Tiroler Raumordnungsgesetzes nützten. Die Gemeinde habe bei der Errichtung der Versorgungseinrichtungen dafür Sorge zu tragen, daß diese auf die Verbrauchsspitzen ausgerichtet seien. Der Verbrauch durch diese Personen (bei einem angenommenen Wasserbezug von 100 m3 je Jahr) entspreche Mehrkosten von 4 %. Die Mindestgebühr werde diesem Personenkreis daher zu Recht angelastet; eine Aufteilung der Kosten auf die Gesamtbevölkerung wäre nicht verursachergerecht.

Damit übersieht die Gemeinde, daß auch die Bewohner von Zweitwohnsitzen - denkt man sich die Regelungen über die Mindestverbrauchsmengen weg - ihrem tatsächlichen Verbrauch entsprechend zu den Benützungsgebühren beitragen, sodaß ein Teil der errechneten 4 % damit gedeckt würde. Mit ihrer Berechnung kann die Gemeinde auch nicht erklären, warum eine Mindestmenge von 200 m3 notwendig ist, geht sie doch selbst nur von einer Jahresverbrauchsmenge von 100 m3 aus. Vor allem aber ist es der Gemeinde nicht gelungen darzutun, weshalb eine Mindestmenge höher sein dürfe als die Median-Menge, selbst wenn man der Median-Menge nur jene Objekte zugrundelegte, die das ganze Jahr über bewohnt werden.

2.3.2. Da sich die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen somit als unsachlich erweisen, braucht auf die Frage nicht mehr eingegangen zu werden, welche Konsequenzen sich aus der Handhabung der "Förderungsrichtlinien" ergeben.

2.4.1. §4 Z3 litb beider Gebührenordnungen verstößt daher gegen den Gleichheitsgrundsatz und ist als gesetzwidrig aufzuheben. Bei der Erlassung einer allfälligen Neuregelung - die bereinigte Rechtslage ist an sich einer Vollziehung zugänglich, wird aber eine Finanzierungslücke bewirken - wird sich die Gemeinde an den Kriterien für eine Mindestmenge zu orientieren haben oder überhaupt eine andere Art wählen müssen, um die Kosten der Bereitstellung gebührend zu berücksichtigen (vgl. Pkt. 2.2.1.).

2.4.2. Der Verfassungsgerichtshof hat schon in seinem Prüfungsbeschluß in Aussicht gestellt, für den Fall, daß die Bedenken zutreffen sollten, von der Ermächtigung des Art139 Abs6 B-VG Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auf alle noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verwaltungssachen zu erstrecken. Zum Zeitpunkt, als die Beschwerde im Anlaßfall erhoben wurde, waren nämlich weitere 68 Vorstellungen anhängig, die gleichartige Sachverhalte betrafen und mit deren Erledigung zugewartet wurde. In einer weiteren Eingabe hatte der Beschwerdeführer des Anlaßverfahrens vorgebracht, auch bei der Berufungsbehörde seien zwischen 60 und 70 Berufungen anhängig, die ebenfalls gleichartige Sachverhalte beträfen und mit deren Erledigung zugewartet werde.

Es war daher auszusprechen, daß die aufgehobenen Bestimmungen auch auf die Sachverhalte nicht mehr anzuwenden sind, die vor der Aufhebung verwirklicht worden waren.

2.4.3. Der Ausspruch über die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

2.5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Finanzverfassung, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Finanzausgleich, Kanalisation, Abgaben Kanalisation, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V64.2001

Dokumentnummer

JFT_09979772_01V00064_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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