TE Vfgh Erkenntnis 2002/3/8 B1755/00

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Veröffentlicht am 08.03.2002
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art133 Z4
EMRK Art7
EMRK Art10 Abs2
EMRK 7. ZP Art2
DSt 1990 §1
RAO §10 Abs2
RAO §37
RL-BA 1977 §18

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht und in der Meinungsäußerungsfreiheit sowie kein Verstoß gegen das Klarheitsgebot der Menschenrechtskonvention durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen persönlichen Angriffs bzw unnötigen in den Streit Ziehens des Rechtsanwalts einer anderen Partei; keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Einrichtung der OBDK als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag und die daraus resultierende Unzulässigkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes; hinreichende Determinierung der gesetzlichen Grundlage der angewendeten Verordnungsbestimmung der RL-BA 1977

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 24. November 1998 Z D 21/98, DV 20/98 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er als Rechtsvertreter der Firma M - Temporär Personalüberlassungsgesellschaft mbH. in der Rechtssache 1 Cg 10/98f des Landesgerichtes Linz im Rahmen einer schriftlichen Äußerung vom 4.2.1998 ausgeführt habe, daß die Vorgangsweise der klagenden Partei Firma M Inc. "und des für sie einschreitenden Rechtsanwaltes" Dr. F S, Rechtsanwalt in Wien, "ein Handeln wieder besseres Wissen" darstelle. Er habe hiedurch entgegen der Vorschrift des §18 RL-BA 1977 Herrn Rechtsanwalt Dr. F S unnötig in den Streit gezogen bzw. persönlich angegriffen. Über ihn wurde deshalb die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises und die Verpflichtung zum Ersatz der Verfahrenskosten verhängt.

Der Disziplinarrat legte seinem Erkenntnis folgende Feststellungen zugrunde:

"Bereits im Jahre 1991 hatte Rechtsanwalt Dr. F S im Namen der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Klägerin, nämlich im Namen der M International Inc. eine Klage samt Antrag auf einstweilige Verfügung gegen eine M Unternehmens- und Personalberatungsgesellschaft mbH Wien eingebracht, womit der dort beklagten Partei verboten werden sollte, im geschäftlichen Verkehr den Namen 'MANPOWER' oder zur Verwechslung geeignete ähnliche Namen zu gebrauchen, sowie die im Markenregister auf den Namen der gefährdeten Partei eingetragenen Wort - und Bildmarken 'MANPOWER' oder zur Verwechslung geeignete ähnliche Marken zu gebrauchen.

Zur [Zahl] 38 Cg 186/91-7 des HG Wien wurde der Antrag auf einstweilige Verfügung abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom OLG Wien mit Beschluß vom 9.10.1991 zu 4 R 133/91 bestätigt. Das OLG Wien begründet dies damit, daß die Untersagung der Verwendung des Firmenbestandteiles 'MANPOWER' dem Verbot des Gebrauches der Firma schlechthin gleichkomme. Derartiges sei mittels einstweiliger Verfügung nicht möglich und ein derartiger Eingriff würde eine unbillige Härte darstellen. Weiters sei das von der gefährdeten Partei begehrte Verbot, die im Markenregister im Namen der gefährdeten Partei eingetragenen Wort- und Bildmarken 'MANPOWER' zu gebrauchen, zu weitreichend und es sei auch nicht bescheinigt worden, daß die Antragsgegnerin die Wortmarke 'MANPOWER' hinsichtlich der Waren bzw. Dienstleistungen, für die die Marke bestimmt sei, verwendet hätte [...].

Im Rechtsstreit 1 Cg 10/98f des LG Linz tritt nun als Klägerin die M auf, welche ebenfalls von Dr. F S, Rechtsanwalt in Wien, vertreten wird. Der [Beschwerdeführer] vertritt hier die M Temporär Personalüberlassung Gesellschaft m.b.H. In der Klage samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt die M Inc., der beklagten Partei zu verbieten, in ihrem Firmenwortlaut den Begriff 'MANPOWER', in welcher Form auch immer, im geschäftlichen Verkehr zu verwenden und Dienstleistungen unter dieser Bezeichnung anzubieten. Es werde beantragt, die einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Antragsgegners (der vom [Beschwerdeführer] vertretenen M Temporär Personalüberlassung GmbH) zu erlassen.

Der [Beschwerdeführer] hat hiezu unter eigener Verantwortung am 4.2.1998 eine umfassende Äußerung erstattet, worin er unter anderem den wesentlichen Inhalt des Aktes 38 Cg 186/91 des HG Wien, insbesondere der Rekursentscheidung des OLG Wien anführt. Demnach könne einer im Firmenbuch eingetragenen Firma - wie das hier auch die beklagte Partei sei - die Verwendung ihrer im Firmenbuch eingetragenen Firma als Ganzes durch einstweilige Verfügung nicht untersagt werden. Das OLG Wien habe ferner ausgesprochen, daß das Wort 'Manpower' als der bestimmende Teil im Firmennamen anzusehen sei, durch dessen Weglassung das Unternehmen praktisch unkenntlich gemacht würde; das Verbot der Weglassung dieses registrierten Zusatzes wäre selbst dann zu weitgehend, wenn hiezu eine vertragliche Verpflichtung laut Lizenzvetrag bestünde, was jedoch nicht vorliege. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei daher jedenfalls abzuweisen, so wie auch das OLG Wien im damaligen Verfahren gegen die M Unternehmungs- und PersonalberatungsgesmbH (ein anderes Unternehmen) den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung rechtskräftig abgewiesen habe. Daran unmittelbar anschließend findet sich die inkriminierte Wendung: 'Die Vorgangsweise der Klägerin und des für sie einschreitenden Rechtsanwaltes stellt daher ein Handeln wider besseres Wissen dar'.

...

Ob die im Verfahren 1 Cg 10/98f des LG Linz auftretende klagende Partei mit jener Partei ident ist, die einen Antrag auf einstweilige Verfügung zu 38 Cg 186/91 des HG Wien Jahre zuvor geführt hatte, konnte nicht festgestellt werden. In der Klage samt Antrag auf einstweilige Verfügung zu 1 Cg 10/98f des LG Linz bringt die dort klagende Partei M Inc. vor, sie vergebe für die Nutzung des Begriffes 'Manpower' weltweit Lizenzen. Sie nennt diverse Lizenznehmer in Österreich und bietet die entsprechenden Lizenzverträge auch als Beweis- bzw. Bescheinigungsmittel an; die in diesem Verfahren beklagte Partei M Temporär-Personalüberlassungs GmbH, welche vom [Beschwerdeführer] vertreten war, ist dabei aber nicht genannt ([...]).

Gegen Gesellschaften, die in Österreich den Firmenbestandteil 'Manpower' tragen, wurden in den letzten Jahren mehrere Klagen auf Unterlassung dieser Firmenbezeichnung von der M Inc. und ähnlich lautenden Firmen aus den USA eingebracht. In diesen Verfahren war die M Inc., sowie ähnlich lautende Firmen aus den USA von Rechtsanwalt Dr. F S vertreten, wobei den einzelnen Klagen Tatsachen, die für die jeweils beklagte Partei bedeutsam gewesen wären, nämlich, daß ein diesbezüglicher Schiedsspruch zwar ergangen, aber angefochten worden sei, daß ein diesbezüglicher Schiedsspruch ein anderes Unternehmen betroffen habe, und daß es zwischen der im gegenständlichen Gerichtsverfahren 1 Cg 10 /98f des Landesgerichtes Linz zwischen der dort klagenden und der dort beklagten Partei keinerlei Lizenzvertrag gegeben hätte, unerwähnt geblieben ist. Die Verfahren wurden - zumindest von seiten der amerikanischen Firmengruppe - und durch den Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. F S einigermaßen emotionell geführt [...].

..."

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte der Disziplinarrat aus:

"[...] der persönliche Angriff des Klagsvertreters war nicht notwendig [...]. Alle vom [Beschwerdeführer] in der Äußerung Beilage ./3 zu TZ 8 erhobenen Vorwürfe richten sich gegen die klagende Partei selbst. Dem Klagsvertreter Dr. F S kann es nicht als 'Vorbringen wider besseres Wissen' angerechnet werden, daß er Tatsachen in die Klage und den Antrag auf einstweilige Verfügung nicht hineinnimmt, die den Klagssanspruch schwächen; die diesbezügliche Parteilichkeit Dris. S entspricht vielmehr der bestmöglichen Vertretung seiner Partei im Verfahren und bedarf der inhaltlichen Beurteilung durch das Gericht. Die Tatsache, daß der Klagsvertreter Dr. S - möglicherweise - schwache, inhaltsleere, unrichtige oder rechtlich nicht haltbare Argumente dem Gericht vorträgt, kann nicht den Vorwurf des Vorbringens wider besseres Wissen rechtfertigen, wenn das Vorbringen des Klägers der Information durch seinen Klienten entspricht.

Die Glaubwürdigkeit des Klagsvertreters ist im Verfahren 1 Cg 10/98f des Landesgerichtes Linz nicht Thema, sondern allein die Glaubwürdigkeit und rechtliche Relevanz des Vorbringens der Klägerin selbst, welches durch ihren Rechtsvertreter erstattet wird."

2. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (in der Folge: OBDK) vom 19. Juni 2000 Z9 Bkd 2/99 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der Beschwerdeführer auch zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet.

3. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Berufungserkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG), auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art10 EMRK), sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung von rechtswidrigen generellen Normen geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Für den Fall der "Abweisung oder Ablehnung dieser Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof" beantragte der Beschwerdeführer, "die Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG, allenfalls nach Bereinigung des Wortlautes des Art144 Abs3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abzutreten, ob der Beschwerdeführer in sonstigen Rechten verletzt wurde".

4. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie ihren Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde und in einer Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde wird die Rechtmäßigkeit der Einrichtung der OBDK als Behörde gemäß Art133 Z 4 B-VG und die daraus - mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung - resultierende Unzulässigkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes in Zweifel gezogen.

Dies wird in der Beschwerde wie folgt begründet:

"In der Rechtsliteratur wird die Bescheidkontrollkompetenz zwischen Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof mit Grobprüfung und Feinprüfung umschrieben. Die belangte Behörde ist eine solche gemäß Art133 Z4 B-VG. Sollte nunmehr der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangen, daß keine Grundrechtswidrigkeiten vorliegen, allenfalls aber sonstige Rechtswidrigkeiten, die an und für sich mangels Ausschlusses des Zuganges zum Verwaltungsgerichtshof von diesem möglicherweise aufzugreifen wären, so scheint derzeit der Art133 Z4 B-VG für rein innerstaatliche Sachverhalte den Zugang zum Verwaltungsgerichtshof auszuschließen, desgleichen eine korrespondierende Wortfolge in Art144 Abs3 B-VG.

Es ergeht sohin für diesen Fall der Annahme bloß allfälliger nicht grundrechtswidriger potentieller sonstiger Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides die Anregung, den Art133 in seiner Z4 zur Gänze und weiters auch die Wortfolge in Art144 Abs3 B-VG:

'...., und handelt es sich nicht um einen Fall, der nach Art133 von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, ...'

wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip - auch Verfassungsgesetze müssen, um verfassungskonform zu sein, den Bauprinzipien entsprechen - in Prüfung zu ziehen, allenfalls einzeln oder insgesamt zu beheben, um dann nach dieser Behebung dem gleichfalls gestellten Abtretungsantrag stattzugeben.

Daß im österreichischen Recht derzeit bereits ähnliche Vorgangsweisen getätigt werden, ist für den Beschwerdeführer deshalb erwiesen, weil im Bereich des Telekommunikationsrechtes der Verfassungsgerichtshof trotz des Art133 Z4 B-VG eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes abgetreten hat, was dann in weiterer Folge für den Beschwerdeführer die Schlußfolgerung zuläßt, daß es rechtsstaatswidrig und gleichheitswidrig wäre, in rein innerstaatlichen Fällen ohne gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund dann weiterhin den Zugang zum Verwaltungsgerichtshof mangels verfassungswidriger, aber dennoch potentiell sonst rechtswidriger Bescheide von der Zuständigkeit der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auszuschließen."

In der Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde wird dazu weiter ausgeführt:

"Der VfGH hat in seiner Entscheidung vom 24.02.1999 B1625/98 [= VfSlg. 15427/1999, Anm.] ausgesprochen, daß der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts dazu führt, daß es geboten ist, daß auch dann, wenn eine Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde bei einer Behörde nach Art133 Z4 B-VG nicht ausdrücklich für zulässig erklärt wurde, der Verwaltungsgerichtshof dann dennoch mit einer Bescheidbeschwerde befaßt werden kann.

In der europarechtlichen Literatur wurde das Problem der Inländerdiskriminierung lange als innerstaatliches Problem angesehen.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat schlußendlich in einer Entscheidung zur EWR-Befähigungsnachweisverordnung bzw. zur Gewerbeordnung ausgesprochen, daß es der Gleichheitsgrundsatz um so mehr gebietet, einem österreichischen Staatsbürger jene Rechte einzuräumen, welche einem EWR-Bürger unter Hinweis auf das Gemeinschaftsrecht zustehen, wenn, wie es innerstaatlich geboten ist, Österreicher mit Österreichern gleich zu behandeln sind.

Wenn etwa im Bereich des Telekommunikationsrechtes aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben im Bereich von Behörden gemäß Art133 Z4 B-VG nunmehr eine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof möglich ist, so muß dies nach Auffassung des Beschwerdeführers im Sinne des Rechtsstaatsprinzips auch bei allenfalls prima vista rein innerstaatlichen Sachverhalten gleichfalls möglich sein, zumal Art2 des siebten Zusatzprotokolles zur MRK ja in strafrechtlichen Angelegenheiten die Überprüfung durch eine zweite Tribunalsinstanz erfordert.

..."

1.2. Der Verfassungsgerichtshof kann diesem Vorbringen nicht folgen:

Art 133 Z4 B-VG lautet:

"Artikel 133. Ausgeschlossen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes sind:

...

4. die Angelegenheiten, über die in oberster Instanz die Entscheidung einer Kollegialbehörde zusteht, wenn nach dem die Einrichtung dieser Behörde regelnden Bundes- oder Landesgesetz unter den Mitgliedern sich wenigstens ein Richter befindet, auch die übrigen Mitglieder in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden sind, die Bescheide der Behörde nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen und nicht, ungeachtet des Zutreffens dieser Bedingungen, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich für zulässig erklärt ist."

1.2.1. Auf dem Gebiet des Disziplinarrechts der Rechtsanwälte besteht - anders als dies der Verfassungsgerichtshof für den Bereich des Telekommunikationsrechts im Erkenntnis VfSlg. 15427/1999 angenommen hat - keine Norm des Gemeinschaftsrechts, die dazu führen könnte, daß "der Anwendungsvorrang dahingehend durchschlägt, daß Art133 Z4 B-VG für den Anwendungsbereich [der gemeinschaftsrechtlichen Norm] verdrängt wird" (so VfSlg. 15427/1999 in Pkt. III.1.a.). Inwieweit darin eine Inländerdiskriminierung liegen soll, wird in der Beschwerde nicht einmal angedeutet.

1.2.2. Die Beschwerde stützt ihre Bedenken auch auf Art2 des

7. ZPEMRK:

"[Art2] des siebten Zusatzprotokolles zur EMRK sowie die EMRK gebieten, daß strafrechtliche Entscheidungen zum einen einmal durch ein Gericht getroffen werden, und andererseits durch ein Gericht nachgeprüft werden.

Die Erstbehörde ist nach Auffassung des Beschwerdeführers kein Tribunal im Sinne des [Art2] siebtes Zusatzprotokoll zur EMRK, weil insbesondere aufgrund des nicht realisierten Anklageprozesses im Disziplinarverfahren die Tribunalsqualität hier zu verneinen sein wird, dies unbeschadet der Frage, ob eine Standesbehörde, die durch berufsgleiche und im Wettbewerbsverhältnis mit dem Beschwerdeführer stehende Amtsträger besetzt ist, überhaupt abstrakt als Tribunal im Sinne des Art6 EMRK angesehen werden kann, auch wenn der Disziplinarrat wohl niemandem weisungsunterworfen ist.

Nimmt man dann weiters auf die Entscheidung des EGMR iS Gradinger-ÖJZ 1995, 954ff Bedacht, hat dort der EGMR dem österreichischen Verfassungsgerichtshof Tribunalsqualität genauso wie dem Verwaltungsgerichtshof abgesprochen. Es kann sohin nach Auffassung des Beschwerdeführers dahingestellt bleiben, ob die OBDK abstrakt und in concreto als Tribunal im Sinne des [Art2] des siebten Zusatzprotokolles anzusehen gewesen ist, da jedenfalls nach seiner Auffassung iSd zitierten Entscheidung und der dargelegten Rechtsmeinung zur Erstbehörde jedenfalls kein zweites Gericht im Sinne des [Art2] des siebten Zusatzprotokolles über seine Angelegenheit bislang erkannt hat oder erkennen dürfte. Der Bschwerdeführer erachtet sich dementsprechend ausdrücklich nochmals zusammengefaßt in seinem Recht nach [Art2] des siebten Zusatzprotokolls zur EMRK verletzt."

Eine Regelung, wonach das Disziplinarerkenntnis einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG mit Beschwerde bei beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts angefochten werden kann, hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 13012/1992 - angesichts der österreichischen Erklärung zu Art2 des 7. ZPEMRK - jedenfalls als mit dieser Bestimmung vereinbar angesehen. Auch im vorliegenden Fall ist dem Beschwerdevorbringen die österreichische Erklärung zu Art2 des

7. ZPEMRK entgegenzuhalten, aus der sich ergibt, daß die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts jedenfalls als "übergeordnete Gerichte" im Sinne des Art2 des 7. ZPEMRK anzusehen sind. Schon deshalb ist der Beschwerde in diesem Punkt nicht zu folgen, ohne daß auf die Frage der Anwendbarkeit von Art2 des 7. ZPEMRK näher eingegangen werden müßte.

1.2.3. Soweit der Beschwerdeführer einen Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip darin sieht, daß die Entscheidungen der OBDK auf Grund der (verfassungsgesetzlich bedingten) Rechtslage nur vom Verfassungsgerichtshof, nicht aber vom Verwaltungsgerichtshof überprüfbar sind, ist er nicht im Recht:

Der Bundesverfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 hat die Möglichkeit eines Ausschlusses des Rechtszuges an den Verwaltungsgerichtshof bei Kollegialbehörden, denen zumindest ein Richter angehört, vorgesehen (in der damaligen Fassung: Art131 Z3 B-VG).

Nach der bis 1956 geltenden Rechtslage war zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Erkenntnisse eines Disziplinarrates ein Disziplinarsenat beim Obersten Gerichtshof berufen (vgl. §§48, 50, 55a bis 55b des Disziplinarstatuts 1872, RGBl. 1872/40 sowie das Gesetz vom 6. Februar 1919, womit Bestimmungen des Gesetzes vom 1. April 1872, RGBl. Nr. 40, betreffend die Handhabung der Disziplinargewalt über Advokaten und Advokaturskandidaten, abgeändert und ergänzt werden, StGBl. 1919/93). Die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes erachtete der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 2902/1955 aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 B-VG) als verfassungswidrig. Mit Bundesgesetz vom 18. Juli 1956, BGBl. 1956/159 setzte der Gesetzgeber (in der Absicht, die im Erkenntnis VfSlg. 2902/1955 festgestellte Verfassungswidrigkeit zu beheben: vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 11 BlgNR 8. GP 6) an die Stelle des Obersten Gerichtshofes die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter als Berufungsinstanz im Disziplinarrecht der Rechtsanwälte. Dies geschah durch eine Neufassung des fünften Abschnitts (der §§55a bis 55h) des Disziplinarstatuts 1872.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg. 3184/1957 ausgesprochen, daß die derart eingerichtete OBDK aufgrund ihrer Zusammensetzung (§§55a bis 55e des Disziplinarstatuts 1872 in der Fassung der Novelle BGBl. 1965/159) die Voraussetzungen des Art133 Z4 B-VG erfülle, woraus sich der Ausschluß der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe. Diese Auffassung vertritt der Verfassungsgerichtshof seither in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 3184/1957, 3290/1957, 3311/1958, 3458/1958, 3580/1959, 4578/1963, 6925/1972, 7262/1974, 7494/1975, 11302/1987, 12328/1990, 12915/1991, 13260/1992, 13419/1993, 13606/1993, 13762/1994, 14005/1995, 14412/1996, 14809/1997, 15081/1998, 15323/1998, 15847/2000 uva.)

Das Beschwerdevorbringen läuft - offenbar in Anlehnung an die Erkenntnisse VfSlg. 15886/2000 sowie vom 13.6.2001, G141/00 ua - auf die Behauptung hinaus, daß der einfache Bundesgesetzgeber im Jahre 1956 bei Einrichtung der OBDK als weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, die den Ausschluß der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zur Konsequenz hat, gegen ein Grundprinzip der Verfassung verstoßen habe.

Die in den genannten Erkenntnissen maßgebenden verfassungsrechtlichen Bedenken treffen aber auf die OBDK nicht zu. Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag, denen wie der OBDK als Berufungs- und Beschwerdeinstanzen bloße Kontrollfunktionen anstelle der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof übertragen sind, entsprechen nämlich jenem Typus, den der historische Verfassungsgesetzgeber bei Normierung des Art133 Z4 B-VG vor Augen hatte (vgl. dazu im zitierten Erkenntnis VfSlg. 15886/2000 den ausdrücklichem Verweis auf das Beispiel der Berufungsinstanzen im Bereich der beruflichen Selbstverwaltung, insbesondere im Disziplinarrecht).

2.1. Der Beschwerdeführer behauptet auch die Gesetzwidrigkeit des bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten §18 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (in der Folge: RL-BA 1977). Weiters behauptet er die Verfassungswidrigkeit der dem §18 RL-BA 1977 zugrundliegenden gesetzlichen Ermächtigung.

2.2.1. Die Gesetzwidrigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Vorschriften wird zunächst mit der Behauptung begründet, §18 RL-BA 1977 besitze keine "dem Art18 B-VG entsprechende, hinreichend gesetzliche Grundlage" und "verstoße daher gegen Art18 B-VG". Es existiere "keine gesetzliche Regelung, die vorzeichnen würde, daß es einen §18 RL-BA 1977 in der derzeit vorliegenden Form geben kann, noch dazu wo §18 RL-BA 1977 immer in Zusammenschau mit ArtXIV dieser RL-BA zu sehen" sei. Im übrigen verstoße §18 RL-BA 1977 auch gegen Art7 EMRK, weil diese Norm "im Rahmen einer Blankettstrafnorm zum Tatbestand erhoben wird und den unbestimmten Gesetzesbegriff 'unnötig' enthält und außerdem in seinem Normgehalt durch ArtXIV RL-BA 1977 relativiert wird". In einer Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde führt er dazu näher aus:

"a) betrachtet man den Text des §18 RL-BA und führt man sich vor Augen, daß der Verordnungsgeber grundsätzlich nur das konkretisieren darf, was im Gesetz vorgezeichnet ist, ist anhand des §8 RAO nicht erkennbar, wie man dadurch zu einer Gesetzeskonkretisierung durch eine Verordnungsnorm kommen soll, wie sie derzeit als durch §18 RL-BA konkretisiert angesehen wird. §8 RAO ann dementsprechend keinesfalls Grundlage des §18 RL-BA sein.

b) Beim §9 RAO, der weiters von der belangten Behörde als Grundlage des §18 RL-BA angegeben wird, können von deren Wortlautgestaltung her jedenfalls einmal nicht die Abs1a, 2 und 3 jene Konkretisierungsgrundlage darstelen, die notwendig ist, um dann unter dem Aspekt des Art18 B-VG eine Konkretisierung, wie im §18 RL-BA angeblich vorgenommen, recte vorzunehmen.

c) Der erste Satz des §9 RAO gebietet, daß der Rechtsanwalt seine Partei gegen Jedermann, und sohin auch gegen geschäftsführergleich agierende Gegenanwälte, mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten hat. Nach dem zweiten Satz darf der Rechtsanwalt zur Vertretung seiner Partei bereits bloß dann, wenn er es für dienlich erachtet, also nur subjektiv empfindet, alles unumwunden vorbringen, und er darf die Angriffs- und Verteidigungsmittel der Partei in jeder Wiese gebrauchen. Die belangte Behörde hat auch in ihrer Gegenschrift keine Gründe darlegen können, wie der Verordnungsgeber des §18 RL-BA auf Basis des Abs1 des §9 RAO zur Konkretisierung in Form des §18 RL-BA gekommen ist. In §9 RAO sind genausowenig wie in §8 RAO jene Determinanten zugrunde gelegt, die zu einer Verordnungsnorm wie §18 RL-BA 1977 führen würden, sondern ist vielmehr davon auszugehen, daß aufgrund des §9 Abs1 RAO der Beschwerdeführer jedenfalls zulässig agiert hat.

Zu bedenken ist weiters, daß Art7 EMRK verlangt, daß bei strafbaren Handlungen das Verhalten, welches verboten sein soll, besonders präzise im Gesetz selbst umschrieben sein muß, noch dazu wo Art18 B-VG in Zusammenschau mit Art7 Abs1 EMRK zu lesen ist, und daher eine Strafbarkeit nur wegen Verstoßes gegen Gesetze im formellen Sinn der österreichischen Verfassung verfassungsrechtlich begründet werden darf."

2.2.2. Die vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag erlassenen RL-BA 1977 - denen die Qualität einer Rechtsverordnung zukommt (vgl. VfSlg. 9470/1982) - stützen sich auf die Ermächtigung des §37 RAO zur Erlassung von Richtlinien "zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs" (§37 Z1 RAO) und "zur Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes" (§37 Z2 RAO).

§18 RL-BA 1977 lautet:

"Der Rechtsanwalt darf den Rechtsanwalt einer anderen Partei nicht umgehen und es auch nicht ablehnen, mit diesem zu verhandeln; er darf ihn weder unnötig in den Streit ziehen, noch persönlich angreifen."

2.3.1 Dem Vorbringen, §18 RL-BA 1977 habe "keine dem Art18 B-VG entsprechende hinreichende gesetzliche Grundlage", ist entgegenzuhalten, daß die dem §18 RL-BA 1977 zugrundeliegende gesetzliche Verordnungsermächtigung (§37 RAO) insbesondere in den Bestimmungen des II. Abschnittes der RAO sowie im DSt 1990 eine nähere gesetzliche Determinierung erfährt:

Gemäß §10 Abs2 RAO ist der Rechtsanwalt "verpflichtet, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren".

Nach §1 Abs1 DSt 1990 begeht ein Rechtsanwalt, der "schuldhaft die Pflichten seines Berufes verletzt oder inner- oder außerhalb seines Berufes durch sein Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt" ein Disziplinarvergehen.

Diese den Verordnungsgeber bei Erlassung der Richtlinien determinierenden Gesetzesbegriffe sind einer Auslegung zugänglich, allenfalls auch unter Heranziehung gefestigter Standesauffassungen (vgl. VfSlg. 11776/1988).

Diese gesetzlichen Determinanten ermöglichen eine Überprüfung der - die Berufspflichten näher konkretisierenden - Vorschrift (des §18 RL-BA 1977) am Maßstab des Gesetzes. Der Verfassungsgerichtshof ist daher der Auffassung, daß die dem Bescheid zugrundeliegende Verordnungsbestimmung über eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage im Sinne des Art18 B-VG verfügt.

2.3.2. Es ist auch sonst keine Rechtswidrigkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Normen hervorgekommen.

3. Zu den behaupteten Vollzugsmängeln:

3.1. Der Beschwerdeführer legt der belangten Behörde aus verschiedenen Gründen Willkür zur Last und behauptet, damit in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit verletzt zu sein.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, läßt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 8808/1980 uva.).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

3.2. Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor. Der Verfassungsgerichtshof vermag nach Studium des Verwaltungsaktes nicht zu erkennen, daß das Ermittlungsverfahren mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet ist; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.

3.3. Die von der belangten Behörde vorgenommene Subsumtion unter §18 RL-BA 1977 ist unter den Umständen des vorliegenden Falles jedenfalls als vertretbar zu werten; im Ermittlungsverfahren fand eine ausreichende Auseinandersetzung mit der Frage statt, ob die anläßlich eines Zivilprozesses gegen den gegnerischen Parteienvertreter gerichtete Äußerung des Beschwerdeführers im Hinblick auf das Prozeßthema als "unnötig" und als "persönlicher Angriff" anzusehen war.

Ob die belangte Behörde das Gesetz hingegen in jeder Hinsicht richtig angewendet hat, ist vom Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Beschwerde gemäß Art144 B-VG nicht zu beurteilen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10659/1985, 12915/1991, 14408/1996).

4.1. Ebenfalls nicht verletzt wurde der Beschwerdeführer in seinem Recht gemäß Art7 EMRK:

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11776/1988 (zu §2 DSt 1872, der nahezu gleichlautenden Vorläuferbestimmung des nunmehrigen §1 Abs1 DSt 1990) grundlegend ausgeführt hat, ist eine Verurteilung nach §1 DSt 1990 - verfassungskonform im Sinne des Art7 EMRK - nur möglich, wenn sie wegen einer Verletzung von Berufspflichten oder wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes erfolgt, die sich aus gesetzlichen Regelungen oder aus verfestigten Standesauffassungen ergeben, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen (vgl. jüngst VfGH 12.6.2001, B114/99 und 27.11.2001, B142/01).

4.2. Der von den Diziplinarbehörden gegen den Beschwerdeführer erhobene Vorwurf beschränkt sich nicht darauf, ihm (pauschal) anzulasten, das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen zu haben und dadurch gegen §1 DSt 1990 verstoßen zu haben. Vielmehr stützt sich die Verurteilung - zusätzlich zu §1 DSt 1990 - auf §18 RL-BA 1977. Der angefochtene Bescheid ist daher - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - im Lichte der zitierten Rechtsprechung mit dem aus Art7 EMRK erfließenden Klarheitsgebot im Einklang.

Die Heranziehung des §18 RL-BA 1977 erfolgte auch vertretbar. Die Standesbehörden haben sich bei Beurteilung des inkriminierten Verhaltens als Berufspflichtenverletzung gemäß §1 Abs1 DSt 1990 im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation dieser Bestimmung für den Beschwerdeführer erkennbar sein mußte, nämlich daß er sich durch sein Verhalten dem Risiko einer Bestrafung aussetzt (vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar2, Rz 4 zu Art7 EMRK mit Nachweisen aus der Rspr. des EGMR; Thienel in Korinek/Holoubek, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht, Rz 17 zu Art7 EMRK).

5. Angesichts dessen und des Gesetzesvorbehalts in Art10 Abs2 EMRK liegt auch eine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit nicht vor.

6. Inwiefern - wie dies der Beschwerdeführer behauptet - ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung darin gelegen sei, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen einzuvernehmen bzw. auf sein Vorbringen ("geschäftsführerähnliche Stellung") einzugehen, ist unerfindlich.

7. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid daher in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt.

Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen (siehe oben, Pkt. II.1.1. bis II.2.4.) ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

8. Die Beschwerde war daher abzuweisen. Dem Antrag auf Abtretung ist mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund der - unbedenklichen (siehe oben) - Verfassungsbestimmung des Art144 Abs3 B-VG abzuweisen.

9. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

EU-Recht, Kollegialbehörde, Meinungsäußerungsfreiheit, Rechtsanwälte, Disziplinarrecht (Rechtsanwälte), Rechtsstaatsprinzip, Determinierungsgebot, Behördenzusammensetzung, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1755.2000

Dokumentnummer

JFT_09979692_00B01755_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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