TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/20 2004/01/0308

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Veröffentlicht am 20.09.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

AVG §79a Abs7;
SPG 1991 §89 Abs5;
SPG RichtlinienV 1993;
VwGG §52 Abs1;
VwGG §53 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. April 2004, Zl. UVS- 02/V/43/7406/2001/6, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Verletzung von Richtlinien (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich auf den

2. Spruchpunkt (betreffend die behauptete Personendurchsuchung des Beschwerdeführers) und den 5. Spruchpunkt (betreffend Kostenersatzanspruch des Bundes gemäß § 79a AVG) des angefochtenen Bescheides bezieht, abgelehnt.

II. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid, der in seinem 3. und 4. Spruchpunkt unbekämpft geblieben ist, wird in seinem

1. Spruchpunkt (betreffend die behauptete Fesselung des Beschwerdeführers) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in seinem 6. und 7. Spruchpunkt (betreffend Kostenersatzanspruch des Beschwerdeführers gemäß § 79a AVG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2001/01/0311, verwiesen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (Ersatz-)Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. April 2004 wurde über die Beschwerde des Beschwerdeführers wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie wegen behaupteter Verletzung von Richtlinien wie folgt entschieden:

-

Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wurde die Beschwerde, soweit darin eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine rechtswidrige Fesselung des Beschwerdeführers mit Handschellen behauptet wird, als unzulässig zurückgewiesen (1. Spruchpunkt).

-

Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wurde die Beschwerde, soweit darin eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine rechtswidrige Personendurchsuchung behauptet wird, als unbegründet abgewiesen (2. Spruchpunkt).

-

Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wurde der Beschwerde, soweit darin eine Verletzung "des § 1" des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 EMRK behauptet wird, Folge gegeben und die in Beschwerde gezogene Maßnahme (Anhaltung des Beschwerdeführers in seinem Zimmer) für rechtswidrig erklärt (3. Spruchpunkt).

-

Gemäß § 67c Abs. 3 AVG iVm § 89 Abs. 4 SPG wurde der Beschwerde, soweit darin die Verletzung des § 6 Abs. 1 Z 2 RLV sowie des § 8 Abs. 1 RLV durch Nichtinformation über den Zweck einer Amtshandlung sowie die Nichtinformation über das Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson bzw. eines Rechtsvertreters behauptet wird, Folge gegeben und wurden die in Beschwerde gezogenen Unterlassungen für rechtswidrig erklärt (4. Spruchpunkt).

-

Gemäß § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003, wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 547,10 (EUR 51,50 Vorlageaufwand, EUR 220,30 Schriftsatzaufwand, EUR 275,30 Verhandlungsaufwand) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen (5. Spruchpunkt).

-

Gemäß § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 wurde der Bund verpflichtet, dem Beschwerdeführer im Verfahren wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie im Verfahren wegen behaupteter Verletzung von Richtlinien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.486,80 (EUR 660,80 Schriftsatzaufwand und EUR 826,-- Verhandlungsaufwand) jeweils binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten (6. bzw. 7. Spruchpunkt).

Im Rahmen der Begründung traf die Behörde nach Wiedergabe der Beschwerde und des Verfahrensganges die folgenden Feststellungen (Seite 35 f des Bescheides):

"Am 17.2.2000 wurde durch Beamte der Bundespolizeidirektion Wien im Bereich der organisierten Suchtgiftkriminalität eine Planquadrataktion im Haus Wien 10., Sonnwendgasse 22 (Kolpingheim) durchgeführt, welche der Auffindung von Suchtgift do. dienen sollte. Näher bezeichnete Bewohner des Kolpingheimes waren dringend verdächtig, im Suchtgifthandel tätig zu sein und erließ der zuständige Richter am Jugendgerichtshof Wien zu Aktenzahl 5 Vr 51/00 einen Hausdurchsuchungsbefehl für näher bezeichnete Zimmer des Hauses, darunter auch das Zimmer des verfahrensgegenständlichen Beschwerdeführers.

Am 17.2.2000 gegen 5.30 Uhr drangen Angehörige der Bundespolizeidirektion Wien, Einsatzgruppe Alarmabteilung (Wega) in das Zimmer des Beschwerdeführers, in dem sich eine des Suchtgifthandels verdächtige Person - Herr B. Z. - ebenfalls aufhielt, ein und wurde die Zimmertüre des verfahrensgegenständlichen Zimmers durch Nachsperre geöffnet. Insgesamt betraten drei Beamte in Einsatzoverall, beschusshemmender Ausrüstung, Einsatzhelm, Gesichtsmaske und im Anschlag gehaltener Dienstpistole den Raum. Die Beamten schalteten das Licht ein und weckten die beiden in ihren Betten liegenden Zimmerinsassen. Beide waren durch die ihnen Furcht erregend anmutenden Beamten äußerst schockiert und leisteten keinerlei Gegenwehr.

Der Beschwerdeführer wurde sogleich zur Ausweisleistung aufgefordert und reichte den Beamten seinen angolanischen Reisepass. Der Beschwerdeführer musste nunmehr, nur mit seiner Unterhose bekleidet, das Bett verlassen und neben diesem Aufstellung nehmen.

Inzwischen hatten auch - da durch die Einsatzbeamten der Wega in dem verfahrensgegenständlichen Zimmer die Sicherheit hergestellt worden war - die Kriminalbeamten das Zimmer betreten und begannen, dieses zu durchsuchen. Vorweg wurden die Zimmerinsassen durch einen der Kriminalbeamten über den Grund der Amtshandlung informiert. Da dies in englischer und deutscher Sprache nur sehr leidlich möglich war, erfolgte diese Information, sowie auch die Information über die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson bzw. eines Rechtsbeistandes nicht zuletzt auch in Form der Verwendung verschiedener Gestiken.

Während der Durchsuchung der Räumlichkeiten waren die Zimmerinsassen dauernd im Raum anwesend und verfolgten die Tätigkeit der Beamten. Ebenso verblieben die Einsatzbeamten der Wega im Raum, um die Einhaltung der Sicherheit zu gewährleisten."

Sowohl die angeführten Feststellungen als auch die anschließende Beweiswürdigung entspricht im Wesentlichen dem - mit dem zitierten hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003 aufgehobenen - (Erst-)Bescheid der belangten Behörde vom 27. Februar 2001.

Zum 1. Spruchpunkt (behauptete Fesselung des Beschwerdeführers) führte die belangte Behörde aus, es könne dem festgestellten Sachverhalt entnommen werden, dass der Beschwerdeführer beim Eintreten der Einsatzbeamten keinerlei Widerstand geleistet habe; er sei daher ausschließlich aufgefordert worden, sein Bett zu verlassen. Im Zimmer habe sich außer dem Beschwerdeführer sein Mitbewohner Z. befunden, nach dem von den Beamten gefahndet worden sei. Dieser Sachverhaltsfeststellung lägen die Aussagen der Einsatzbeamten G., B. und F. zu Grunde, wobei der Beamte G. bezüglich der Amtshandlung die detailliertesten Erinnerungen gehabt habe. So vermochte er sich noch daran zu erinnern, dass der Beschwerdeführer nur mit der Unterhose bekleidet gewesen sei und gegenüber den eindringenden Beamten keinerlei Widerstand geleistet habe. Der Beamte B. habe an die verfahrensgegenständliche Amtshandlung keinerlei Erinnerung mehr gehabt und nur allgemeine Angaben über den üblichen Ablauf eines derartigen Einsatzes zu machen vermocht. Er habe auch nicht sagen können, ob von einer der im Zimmer anwesenden Personen Widerstand geleistet worden sei. Der dritte Beamte F. habe nur mehr eine sehr geringe Erinnerung an die gegenständliche Amtshandlung gehabt. Er habe angeben können, dass eine im Zimmer anwesende Person mit den Worten "don't move" zum Stillstand aufgefordert worden sei, diese Person dennoch aufgestanden sei und aus diesem Grund mit Handfesseln geschlossen worden sei. Wer diese Person gewesen sei und ob es sich dabei um die Person des Beschwerdeführers gehandelt habe, habe der Beamte F. nicht mehr angegeben. Auch habe F. keine Angaben darüber machen können, wie die im Zimmer angetroffenen Personen bekleidet gewesen seien, insbesondere welche Bekleidung der Beschwerdeführer getragen habe. Auch sei die Aussage des Kommandanten Major I. heranzuziehen, der angegeben habe, dass Handfesseln nur im Falle eines Widerstandes oder zum Zwecke der Eigensicherung angelegt würden und darüber hinaus ein derartiges Anlegen der Handfesseln im Akt dokumentiert sein müsse. Auf Grund der Tatsache, dass seitens der Beamten durch den Beschwerdeführer tatsächlich kein Widerstand festgestellt worden sei und das Anlegen der Handschellen schon aus diesem Grunde nicht notwendig gewesen sei, sei festzustellen gewesen, dass dem Beschwerdeführer im Zuge der bekämpften Amtshandlung keine Handschellen angelegt worden seien. Da somit das Anlegen der Handschellen nicht erfolgt sei, sei die Beschwerde in diesem Punkt zurückzuweisen gewesen.

Zum 2. Spruchpunkt (behauptete Personendurchsuchung des Beschwerdeführers) führte die belangte Behörde aus, sie habe dem zitierten hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003 folgend zu untersuchen gehabt, welchen Umfang und welche Intensität die Visitierung des Beschwerdeführers gehabt habe, um beurteilen zu können, ob eine Personsdurchsuchung tatsächlich stattgefunden habe und zutreffendenfalls zu prüfen gehabt, ob die Personendurchsuchung zur ordnungsgemäßen Vornahme der Hausdurchsuchung gehört habe. Gegenständlich habe eine reine Inaugenscheinnahme des nahezu unbekleideten Köpers des Beschwerdeführers stattgefunden. Diese Inaugenscheinnahme sei insbesondere darauf gerichtet gewesen, darauf zu achten, dass der Beschwerdeführer an seinem Körper keine Suchtmittel und insbesondere keine Gegenstände trage, um gegen die den Einsatz durchführenden Beamten Widerstand zu leisten. Diese Inaugenscheinnahme sei als Personendurchsuchung zu qualifizieren. Sie sei im Rahmen der durch den richterlichen Auftrag erteilten Berechtigung und in keinster Weise überschießend erfolgt.

Zur Kostenentscheidung führte die belangte Behörde aus, die belangte Behörde gelte hinsichtlich der behaupteten Fesselung und Personendurchsuchung des Beschwerdeführers als obsiegende Partei, weshalb ihr die im 5. Spruchpunkt angeführten Aufwendungen zuzusprechen gewesen seien. Hinsichtlich der Beschwerdepunkte "Verletzung des § 1 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit und des Artikel 5 EMRK" und "Verletzung des § 6 Abs. 1 Z 2 RLV sowie § 8 Abs. 1 RLV durch Nichtinformation über den Zweck einer Amtshandlung sowie die Nichtinformation über das Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson bzw. eines Rechtsvertreters" gelte der Beschwerdeführer als obsiegende Partei, sodass ihm der im 6. und 7. Spruchpunkt angeführte Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand zuzusprechen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid - mit Ausnahme seines 3. und 4. Spruchpunktes - richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Zu I.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf den 2. und 5. Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung in diesem Umfang sprechen würden, liegen nicht vor, zumal die im Einzelnen vorgenommene Prüfung des Beschwerdefalles - auch in beweismäßiger Hinsicht - keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende und für das Verfahrensergebnis entscheidende Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde ergeben hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in dem im Spruch angeführten Umfang abzulehnen.

Zu II.:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde nicht die Verletzung bestimmter Rechte festzustellen, sondern schlichtweg über die Rechtmäßigkeit der zu beurteilenden Verwaltungsakte an sich abzusprechen gehabt hätte (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2003/01/0502, aber auch das in der vorliegenden Sache ergangene Vorerkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2001/01/0311, jeweils mwN).

              1.              Zum 1. Spruchpunkt (behauptete Fesselung):

Die Beschwerde bringt hiezu vor, die vorgenommene Beweiswürdigung vermöge die Feststellung, der Beschwerdeführer sei nicht gefesselt worden, nicht zu tragen. Vielmehr habe der des Englischen nicht mächtige Beschwerdeführer die Aufforderung der eingeschrittenen Beamten "don't move" nicht verstanden, sondern geglaubt, er sei zum Verlassen seines Bettes aufgefordert worden. Er habe sich von seinem Bett erhoben und es sei diese Handlung als Anlass zur Fesselung aufgefasst worden, weshalb dem Beschwerdeführer Handfesseln angelegt worden seien. Eine Fesselung, die nur deshalb erfolgt sei, weil der Beschwerdeführer sich von seinem Bett erhoben und dabei sichtlich unter dem bewusst schockierenden Eindruck eines "Wega-Eindringteams" gestanden habe, stelle jedenfalls eine überschießende Maßnahme dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die von der belangten Behörde im (Erst-)Bescheid vom 27. Februar 2001 vorgenommene Beweiswürdigung als nicht schlüssig angesehen, weil der wesentliche Widerspruch der Aussage des Beamten F. (nach der einer Person Handschellen angelegt worden seien, weil diese entgegen der Aufforderung "don't move" trotzdem aufgestanden sei) gegenüber der Hypothese der belangten Behörde (nach welcher der mitverdächtige Mitbewohner Z. gefesselt worden sei, über dessen Identität sich die Beamten von vornherein im Klaren gewesen seien) keiner Erklärung zugeführt worden sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2001/01/0311, Punkt 2.1.).

Im angefochtenen Bescheid gesteht die belangte Behörde zu, die Hypothese, wonach das Anlegen der Handschellen gegenüber dem Mitbewohner des Beschwerdeführers nach Feststellung von dessen Identität erfolgt sei, sei unschlüssig, da nach dem festgestellten Sachverhalt diese Identitätsfeststellung erst nach Herstellung der Sicherheit durch die Wega-Beamten von Seiten der Kriminalbeamten und daher erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sei. Sie stützt die Feststellung, dem Beschwerdeführer seien keine Handfesseln angelegt worden, nunmehr auf den Umstand, dass seitens der Beamten beim Beschwerdeführer kein Widerstand festgestellt worden sei und das Anlegen der Handschellen schon aus diesem Grunde nicht notwendig gewesen sei. Die belangte Behörde hat in ihrer nunmehrigen Beweiswürdigung in diesem Punkt die Aussage der drei eingesetzten Wega-Beamten G., B. und F. zu Grunde gelegt und diese einander gegenüber gestellt. Dabei ist die Behörde der Aussage des G. gefolgt, der ihrer Auffassung nach "die detailliertesten Erinnerungen" gehabt habe, wohingegen F. nur mehr eine sehr geringe Erinnerung an die gegenständliche Amtshandlung gehabt habe.

Diese Würdigung berücksichtigt jedoch nicht, dass jener Teil der Aussage des F. (wiedergegeben auf S 33 des angefochtenen Bescheides), der den Ablauf der Fesselung beschreibt, durchaus konkret und nachvollziehbar ist (so nennt diese Aussage den Wortlaut der Aufforderung, die Person, von welcher die Aufforderung gekommen war, die Reaktion der zwei Zimmerbewohner auf die Aufforderung, die anschließende Fesselung und Entfernung der Handfesseln). Hinzu kommt, dass B. (welcher nach Aussage des F. diese Aufforderung ausgesprochen haben solle) in seiner Aussage (wiedergegeben auf S 27 des angefochtenen Bescheides) bestätigt, dass derartige Aufforderungen "generell so gehandhabt" würden. Insbesondere wird aber der von F. geschilderte Geschehensablauf in der Gegenschrift der Bundespolizeidirektion Wien an die belangte Behörde vom 29. Juni 2000 im Wesentlichen deckungsgleich wieder gegeben und darüber hinaus angegeben, dass der Beschwerdeführer gefesselt worden sei. Mit diesem Beweismittel hat sich die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung nicht beschäftigt.

Insoweit hat die belangte Behörde bei ihrer Beweiswürdigung nicht alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt (vgl. hiezu auch die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 685, angeführte hg. Rechtsprechung) und aus diesem Grund den 1. Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

              2.              Zum 6. und 7. Spruchpunkt (Kostenersatzanspruch des Beschwerdeführers gemäß § 79a AVG):

Zunächst ist im Hinblick auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen festzuhalten, dass die belangte Behörde gemäß § 2 Abs. 2 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334, zur Berechnung der Kosten zu Recht die sich aus dieser Verordnung ergebenden Pauschbeträge herangezogen hat.

Die Beschwerde rügt weiters, dem Beschwerdeführer wäre der Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nicht nur zweifach, sondern dreifach zuzuerkennen gewesen, da es sich bei der Geltendmachung der beiden Richtlinienverletzungen nach § 6 Abs. 1 Z 2 RLV bzw. § 8 Abs. 1 RLV um zwei getrennte Beschwerdepunkte gehandelt habe.

Nach hg. Rechtsprechung kommt es ausgehend von § 79a Abs. 7 AVG iVm § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 1 VwGG bezüglich des Ersatzanspruches des Beschwerdeführers darauf an, wie viele Verwaltungsakte er vor der belangten Behörde erfolgreich angefochten hat. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte kann allerdings nicht allein darauf abgestellt werden, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Wesentlich sind vielmehr die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, an Hand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2004/01/0277, mwN).

Diese Rechtsprechung ist auf den Ersatzanspruch gemäß § 89 Abs. 5 SPG iVm § 79a AVG in Verfahren wegen Verletzung von Richtlinien zu übertragen, sodass es nach dem oben angeführten Maßstab darauf ankommt, wie viele Richtlinienverletzungen erfolgreich angefochten wurden.

Im vorliegenden Fall sind "die in Beschwerde gezogenen Unterlassungen" durch die Nichtinformation über den Zweck einer Amtshandlung nach § 6 Abs. 1 Z 2 RLV sowie durch die Nichtinformation über das Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson bzw. eines Rechtsvertreters nach § 8 Abs. 1 RLV Gegenstand des Abspruches des - insoweit nicht angefochtenen - Spruchpunkt 4. des angefochtenen Bescheides. Dabei handelt es sich um zwei durch die RLV getrennt normierte Informationspflichten, deren Verletzung von der belangten Behörde auch zu Recht jeweils getrennt festgestellt wurde.

Aus diesem Grund erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, diese Unterlassungen seien als ein Beschwerdepunkt anzusehen und dem Beschwerdeführer sei im 7. Spruchpunkt nur der einfache Kostenersatz zuzusprechen gewesen, als inhaltlich rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer ist aber auch hinsichtlich seiner Rüge, ihm wären gemäß § 79a Abs. 4 Z 1 AVG die im Kostenverzeichnis beantragten Stempelgebühren zu ersetzen gewesen, im Recht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2001, Zl. 2000/01/0019), sodass aus diesem Grund - ohne auf die Frage des Ersatzes der Dolmetschkosten einzugehen - auch der 6. Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist.

              3.              Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid, der in seinem 3. und 4. Spruchpunkt unbekämpft geblieben ist, in seinem

              1.              Spruchpunkt (betreffend die behauptete Fesselung des Beschwerdeführers) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG und in seinem 6. und 7. Spruchpunkt (betreffend Kostenersatzanspruch des Beschwerdeführers gemäß § 79a AVG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

              4.              Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004010308.X00

Im RIS seit

07.12.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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